Kurze Inhaltsangabe:
Der Gläubiger betrieb aus einem vollstreckunbaren Zuschlagsbeschluss die Zwangsräumung des ehemals im Eigentum des Schuldners stehenden Grundstücks. Der Antrag des Schuldners auf einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Die dagegen vom Schuldner eingelegte Beschwerde des Schuldners blieb ohne Erfolg.
Das Landgericht wies in seiner Entscheidung über die Beschwerde darauf hin, dass nach § 765a ZPO eine Zwangsvollstreckung vom Vollstreckungsgericht ganz oder teilweise eingestellt werden müsste, wenn sie unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände für den Schuldner eine Härte darstellen würde, die nicht mehr mit den guten Sitten vereinbar wäre. Zu berücksichtigen sie, dass § 765a ZPO eine Ausnahmevorschrift sei und daher nur Anwendung finden könne, wenn nach Abwägung der Interessen die Vollstreckung durch den Gläubiger zu einem tragbaren Ergebnis führe (BGH, Beschluss vom 24.11.2005 - V ZB 99/05 -). Auf Gläubigerseite sei bei der Abwägung das grundrechtlich geschützte Vollstreckungsinteresse zu berücksichtigen, da dem Staat auch die Pflicht obliege, titulierte Ansprüche notfalls im Weger der Zwangsvollstreckung durchzusetzen. Eine sittenwidrige Härte wäre die Vollstreckung dann, wen sie den Schuldner schädige, ohne dem Gläubiger Nutzen zu bringen. Ebenso sei die Vollstreckung unzulässig, wenn sie das Leben oder die Gesundheit des Schuldners (so bei Suizidgefahr) oder eines seiner Angehörigen unmittelbar gefährde.
Diese Voraussetzungen für eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung nahm das Landgericht hier nicht an. Dabei würden die mit einer Vollstreckung regelmäßig einhergehenden Belastungen des Schuldners nach der zugrundeliegenden Wertung nicht das Vollstreckungsinteresse des Gläubigers aufwiegen können.
Der Schuldner wies auf durch COVID-19 bedingte Kotaktbeschränkungen hin. Dies würden (zum Zeitpunkt des Erlasses des Beschlusses) derzeit nicht bestehen, doch würden diese auch die Vollstreckung nicht hindern können. Es sei nämlich zwischen dem Gerichtsvollzieher und dem Gläubiger kein physischer Kontakt bei der Räumung notwendig. Letztlich läge dies am Verhalten des Schuldners.
Ebenso sei bei der Zwangsräumung ein unmittelbarer Kontakt des Schuldners mit dem Gläubiger erforderlich, da der Gläubiger nicht anwesend sein müsse. Im Übrigen würde der Gerichtsvollzieher entscheiden, inwieweit und mit welchen Maßnahmen eine Vollstreckung durchführbar sei. Auch stehe es dem Schuldner fei. Jederzeit freiwillig vor Eintreffen des Gerichtsvollziehgers auszuziehen, wobei sich der Schuldner auch eines Umzugsunternehmens bedienen könne. Ebenso könne auch eine Ersatzwohnung mittels elektronischer Kommunikationsmittel kontaktlos erfolgen.
Soweit die Gefahr einer Beeinträchtigung des Grundrechts auf Leben du körperliche Unversehrtheit behauptet wurde, müsse der Eintritt dieser Gefahr anhand objektiv feststellbarer Umstände mit hinreichend er Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. So sei ein nicht substantiiertes ärztliches Attest aussagelos. Den entsprechenden AnfordeRungen sei der Vortrag des Schuldners nicht gerecht geworden.
Die Erhöhung eines Infektionsrisikos mit Corona könne durch geeignete Maßnahmen auf ein Minimum reduziert werden und läge insbesondere im Einflussbereich des Schuldners.
Einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen eines grippalen Infekts ließe sich keine Ursächlichkeit der Erkrankung durch die Räumung entnehmen, würde diese Erkrankung aber auch der Räumung nicht entgegenstehen. Sollte mit der Bescheinigung angedeutet werden, dass sich der Schuldner mit dem Corona-Virus infiziert habe, wäre dies fernliegend, da sei dem 01.04.2020 (vor Erstellung der Bescheinigung) der gesonderte Diagnoseschlüssel U07.1 ! und U07.2 ! gelten würden und auf der Bescheinigung der Schlüssel für eine „akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet“ stünde, ohne dass dies durch den Schuldner spezifiziert worden wäre.
Den Erwägungen des Schuldners würde das überwiegende Vollstreckungsinteresse des Gläubigers entgegenstehen.
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Schuldners gegen den Beschluss des Amtsgerichts Syke vom 27.03.2020 – 20 M 331/20 – wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Schuldner.
3. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Schuldner begehrt die einstweilige Einstellung der Zwangsräumung des von ihm bewohnten Hauses unter der Anschrift Z. in B..
Der Gläubiger betreibt die Zwangsvollstreckung in Form der Zwangsräumung des vorgenannten Grundstücks aus dem vollstreckbaren Zuschlagsbeschluss des Amtsgerichts Syke zu Az.: 35 K 12/19 vom 11.02.2019. Der Gerichtsvollzieher setzte den Räumungstermin zunächst auf den 25.03.2020 an.
Mit Schriftsatz vom 23.03.2020 stellte der Schuldner den Antrag, die Zwangsräumung aus dem vorgenannten Beschluss einstweilen einzustellen. Er trug hierzu vor, dass es ihm durch die Corona-Krise und dem daraus resultierenden Kontaktverbot nicht möglich sei, ein Umzugsunternehmen mit der Durchführung des Umzugs oder der Einlagerung von Gegenständen zu beauftragen, da keinerlei Aufträge angenommen werden würden. Zudem gehöre er im Alter von 72 Jahren zur Risikogruppe. Eine Alternativunterkunft stehe ihm nicht zur Verfügung. Hotels und Pensionen würden derzeit keine Gäste aufnehmen, sodass ihm Obdachlosigkeit drohe. Der Betrieb in den Gerichten sei derzeit zur Verhinderung der Ausbreitung des Corona-Virus stark eingeschränkt. Dies müsse auch für die Aktivitäten der Gerichtsvollzieher gelten. Dies werde von anderen Gerichtsvollziehern und Gerichten auch derart gehandhabt. Ein finanzieller Schaden entstehe dem Gläubiger nicht, weil der Schuldner beim Amtsgericht Syke eine Sicherheit in Höhe von 4.000 Euro geleistet habe.
Mit Beschluss vom 24.03.2020 stellte das Amtsgericht Syke die Zwangsvollstreckung bis zur Entscheidung über den Vollstreckungsschutzantrag gem. §§ 756a, 732 Abs. 2 ZPO einstweilen ein und hob den anberaumten Räumungstermin auf.
Mit Schriftsatz vom 25.03.2020 beantragte der Gläubiger, den Vollstreckungsantrag vom 23.03.2020 kostenpflichtig zurückzuweisen. Der Antrag sei bereits unzulässig, weil er entgegen § 765a Abs. 3 ZPO nicht spätestens zwei Wochen vor dem anberaumten Räumungstermin gestellt worden sei und Gründe für eine Verhinderung früherer Antragstellung nicht vorgetragen worden seien. Darüber hinaus sei der Antrag auch unbegründet. Für notwendige Zwecke seien Übernachtungsangebote in Niedersachsen weiterhin bestehend. Die Untersagung gelte nur für touristische Zwecke. Ebenso könne der Schuldner seine Besitztümer in den Räumlichkeiten des Unternehmens W. in A., dessen Geschäftsführer der Schuldner sei, lagern und dort nächtigen. Der Schuldner sei beruflich mit der Verwertung von Immobilien beschäftigt. Es sei ihm daher möglich gewesen, innerhalb der letzten zwei Jahre eine Immobilie anzumieten oder zu erwerben. Eigene Bemühungen zur Erlangung einer geeigneten Unterkunft seien nicht vorgetragen worden. Der Gerichtsvollzieher hätte die Zwangsvollstreckung unter Beachtung der geltenden Abstandregelungen durchführen können und habe die zuständige Gemeinde bereits informiert, sodass eine Notunterkunft zur Verfügung gestanden hätte. Umzüge seien auch kurzfristig und auch unter den aktuellen Bedingungen bei Umzugsunternehmen der Region buchbar. Der Schuldner gehöre zudem auch nicht zu der von dem sog. Corona-Virus besonders gefährdeten Risikogruppe. Er sei jedenfalls nicht gesundheitlich besonders gefährdet, nachdem die Einhaltung der Abstandsregelungen auch bei einem Umzug eingehalten werden könnten und der Schuldner damit vor einer potentiellen Ansteckung geschützt sei. Die Ehefrau des Gläubigers sei zudem schwanger, weswegen auch vor dem Hintergrund der Doppelbelastung durch Miete und Kredittilgung ein längeres Abwarten für den Gläubiger nicht mehr zumutbar sei, dies gelte insbesondere wegen der nicht absehbaren Dauer der Corona-Pandemie. Die Funktionsfähigkeit der Gerichte habe auch während der Pandemie aufrechterhalten zu werden. Auf die Sicherheitsleistung habe der Gläubiger mangels Zahlungstitel keinen Zugriff.
Der Gläubiger reichte einen Ausdruck vom 25.03.2020 des Impressums der Internetseite https://www.xxx.de/impressum.html, in dem es auszugsweise heißt „Vertreten durch: Geschäftsführer: G.M.“ sowie eine Ablichtung eines auf den Namen L.T. lautenden Mutterpasses zu den Akten.
Mit Beschluss vom 27.03.2020 in Verbindung mit dem Berichtigungsbeschluss vom 02.04.2020 wies das Amtsgericht Syke den Antrag auf Bewilligung von Räumungsschutz als unbegründet zurück und hob gleichzeitig die mit Beschluss vom 24.03.2020 angeordnete einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung auf. Hierzu wog es das Recht auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 GG auf Seiten des Schuldners gegenüber der Rechte am Eigentum und des Zugangs zur Justiz aus Art. 14 Abs. 1 und 19 Abs. 4 GG auf Seiten des Gläubigers gegeneinander ab. Der Antrag sei zulässig, weil vor Fristablauf die Ausmaße des Corona-Virus nur sehr wenigen Menschen zugänglich gewesen seien und die Säumnis der Frist dem Schuldner daher nicht zu Lasten fallen könne. Der Antrag sei aber unbegründet. Bei drohender Obdachlosigkeit sei die Verwaltungsbehörde anzurufen, die nach öffentlichem Recht die Unterkunft zu regeln habe. Der erhebliche Zeitraum zwischen Räumungsurteil und vorgesehener Zwangsräumung hätte ausreichen müssen, um eine Ersatzunterkunft zu beschaffen. Das Schutzbedürfnis des Gläubigers überwiege insoweit. Der Schuldner habe nicht dargelegt, welche Bemühungen er zur Beauftragung eines Umzugsunternehmens getätigt habe. Selbst wenn die Umzugsunternehmen ihre Tätigkeit eingestellt hätten, wovon nicht pauschal ausgegangen werden könne, stelle dies keine sittenwidrige Härte dar. Die Sicherheitsleistung decke zwar einen Teil des Schadens des Gläubigers ab, gewähre ihm aber weiterhin keine Möglichkeit zum Gebrauch seines Eigentums. Zudem fehle ihm möglicherweise der Zugriff hierauf. Die Justiz habe zwar ihre Arbeitskraft eingeschränkt, gewähre aber weiterhin den unbeschränkten Zugang zur Justiz für eilbedürftige Verfahren, wie das vorliegende. Zwar falle der Schuldner in eine sog. Risikogruppe in Hinblick auf das sog. Corona-Virus, doch werde seine Gefährdung nicht durch die Räumung, sondern durch die aktuelle allgemeine Pandemie-Situation bedingt. Eine erhebliche Steigerung der Gefährdung des Schuldners für eine Infektion sei unter Beachtung der jeweils aktuellen Vorgaben der Bundesregierung auch im Verlaufe der Räumung nicht zu erwarten. Unter weiterer Beachtung der Schwangerschaft der Frau des Gläubigers sei dessen Interesse an der Räumung der Vortritt vor dem Interesse des Schuldners am Räumungsschutz zu gewähren. Soweit der Räumungsschutz nur aufgrund der Corona-Pandemie gewährt werden würde, würde insoweit der Rechtsgewährungsanspruch vor dem Hintergrund der unbekannten künftigen Dauer der Corona-Problematik auf unbestimmte Zeit wegfallen. Für die Einzelheiten des Beschlusses wird auf Bl. 28 ff. d.A. Bezug genommen.
Der Gerichtsvollzieher beraumte daraufhin den Räumungstermin mit Schreiben vom 30.03.2020 auf den 08.04.2020 an.
Unter dem 06.04.2020, beim AG Syke eingegangen am selben Tag, legte der Schuldner gegen den Beschluss des AG Syke – der dem Schuldner(-vertreter) am 06.04.2020 zugegangen ist – sofortige Beschwerde ein und beantragte, den Beschluss des Amtsgerichtes Syke vom 27.03.2020 aufzuheben und die Zwangsräumung aus dem Beschluss des Amtsgerichtes Syke, Az.: 35 K 12/19, einzustellen. Er führte hierzu aus, dass der Beschluss gegen die Verordnung vom 02.04.2020 verstoße und die Zwangsräumung unzulässig sei, nachdem jede Person physische Kontakt zu anderen Menschen, ..., auf ein absolut nötiges Minimum zu reduzieren habe. Bei einer Zwangsräumung seien aber Gerichtsvollzieher und Vollstreckungsgläubiger anwesend. Auch ein Umzug bringe Kontakte etwa mit Personen eines Umzugsunternehmens und einem neuen Vermieter mit sich.
Mit Beschluss vom 07.04.2020 stellte das Amtsgericht die Zwangsvollstreckung wegen Räumung aus dem Zuschlagsbeschluss erneut einstweilen bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde ein, hob den Räumungstermin vom 08.04.2020 auf, half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte die Akten dem LG Verden zur Entscheidung vor.
Mit Faxeingang vom 07.04.2020 reichte der Schuldnervertreter eine Ablichtung einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung für den Schuldner für den Zeitraum 06.04.2020 bis zum 17.04.2020 wegen eines grippalen Infekts (Diagnoseschlüssel J06.9G) zu den Akten.
Für den weiteren Sach- und Streitstand wird auf das weitere Vorbringen der Verfahrensbeteiligten in deren gewechselten Schriftsätzen und den übrigen Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
1. Der Zulässigkeit steht nicht entgegen, dass die Frist nicht eingehalten wurde. Zutreffend weist das Amtsgericht Syke darauf hin, dass wegen des sich mit erheblicher Geschwindigkeit ändernden Erkenntnisgewinns zu Beginn der sog. Corona-Krise dem Schuldner nicht vorzuwerfen ist, dass er bei Ablauf der Frist die Dimensionen, die das Pandemiegeschehen auch in Deutschland noch annehmen würde, nicht überblicken konnte.
2. Allerdings ist die sofortige Beschwerde in der Sache unbegründet und deshalb zurückzuweisen. Es besteht kein Grund das Verfahren einstweilen einzustellen.
a) Gemäß § 765a ZPO kann das Vollstreckungsgericht eine Maßnahme der Zwangsvollstreckung ganz oder teilweise aufheben, untersagen oder einstweilen einstellen, wenn sie unter voller Würdigung des Schutzbedürfnisses des jeweiligen Gläubigers wegen ganz besonderer Umstände für einen Schuldner eine Härte darstellt, die mit den guten Sitten nicht mehr vereinbar wäre. § 765a ZPO ist eine Ausnahmevorschrift und findet grundsätzlich nur dann Anwendung, wenn die Zwangsvollstreckungsmaßnahme nach Abwägung der Interessen des Beschwerdeführers mit den Vollstreckungsinteressen der Gläubigerseite zu einem untragbaren Ergebnis führen würde (vgl. BGH, NJW 2006, 505, 506; NJW 2008, 1742, 1743). Erforderlich ist stets eine Abwägung mit den ebenfalls grundrechtlich geschützten Vollstreckungsinteressen eines Gläubigers, da der Staat auch die Pflicht hat, ordnungsgemäß titulierte Ansprüche notfalls mit Zwang durchzusetzen (vgl. BGH NJW 2005, 1859 ff.). Eine sittenwidrige Härte kann eine Vollstreckung darstellen, die den Schuldner schädigt, ohne dem Gläubiger den geringsten Nutzen zu bringen, die moralisch verwerflich ist, weil sie nur den Zweck verfolgt, dem Schuldner Kosten zu verursachen, weil ein Gläubiger offensichtlich böswillig gegen den Schuldner vorgeht aber auch weil eine Maßnahme das Leben oder die Gesundheit des Schuldners (Suizidgefahr) oder eines seiner Angehörigen unmittelbar gefährdet (vgl. Stöber in Zwangsversteigerungsrecht, 22. Auflage 2019 Einleitung, Rn. 227).
Diese Voraussetzungen für die Bewilligung von Vollstreckungsschutz lagen nicht vor. Es wurden auch im Beschwerdeverfahren keine ausreichenden Gründe dafür vorgetragen, die eine einstweilige Einstellung des Verfahrens - insbesondere nach § 765a ZPO - rechtfertigen würden.
Ausgangspunkt der vorzunehmenden Interessenabwägung ist, dass das allgemeine Vollstreckungsinteresse des Gläubigers nach der dem Vollstreckungsrecht zugrundeliegenden Wertung bereits die der Vollstreckung regelmäßig innewohnenden Belastungen des Beschwerdeführers aufwiegt (BeckOK ZPO/Ulrici, aaO. Rn. 16).
Ein besonderes Schutzbedürfnis des Schuldners, das dasjenige des Gläubigers überwöge, ist nicht ersichtlich. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die Begründung des Amtsgerichts Syke in seinem Beschluss vom 27.03.2020 Bezug genommen (Bl. 28 ff. d.A.), die sich die Kammer vollständig zu eigen macht. Nur ergänzend sei noch auf Folgendes hingewiesen:
aa) Die Kontaktbeschränkungen sind zwischenzeitlich wieder gelockert worden. Selbst wenn dies aber nicht der Fall gewesen wäre, wäre ein unmittelbarer physischer Kontakt zwischen Gerichtsvollzieher und Schuldner für die Räumung nicht zwingend erforderlich gewesen. Inwieweit eine Annäherung tatsächlich erfolgen müsste, liegt fast ausschließlich im Verhalten des Schuldners begründet. Eine kontaktlose Übergabe läge sicher im Interesse aller Beteiligten.
bb) Eine Zwangsräumung hat auch keinesfalls zwingend den unmittelbaren Kontakt mit dem Gläubiger zur Folge, nachdem dieser nicht persönlich anwesend sein muss. Zudem finden sämtliche gerichtlich veranlasste Maßnahmen derzeit nur in dem Umfang statt, in dem die jeweils aktuell geltenden Vorgaben eingehalten werden können, sodass der Gerichtsvollzieher im Einzelfall entscheiden kann, inwieweit eine Vollstreckung durchführbar ist. Letztlich steht es dem Schuldner auch frei, jederzeit freiwillig vor Eintreffen des Gerichtsvollziehers aus dem Haus auszuziehen. Auf die fehlende Darlegung von Bemühungen zur Erlangung von Ersatzwohnraum wird verwiesen. Auch die Durchführung eines Umzugs unter Zuhilfenahme eines Umzugsunternehmens kann problemlos kontaktlos erfolgen, indem beispielsweise die Wohnräume zeitlich versetzt von Mitarbeitern des Umzugsunternehmens und dem Schuldner betreten werden. Auch die Anmietung von Wohnraum kann, beispielsweise unter Zuhilfenahme elektronischer Kommunikationsmittel, rein fernmündlich erfolgen.
cc) Sofern eine Beeinträchtigung des Grundrechts auf Leben und körperliche Unversehrtheit zu befürchten ist, gebietet dies eine besonders sorgfältige Nachprüfung des entsprechenden Vortrags. Der Eintritt einer solchen Gefahr muss anhand objektiv feststellbarer Umstände mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden. An die Konkretisierung der behaupteten Gefahr sind strenge Anforderungen zu stellen, die aber nicht überzogen sein dürfen; ein nicht substantiiertes ärztliches Attest (ohne Darlegung, auf Grund welcher Umstände welche konkreten körperlichen Folgen mit welchem Grad der Wahrscheinlichkeit zu erwarten sind) ist unzureichend (MünchKommZPO/Heßler 5. Aufl. 2016, § 765a Rn. 27).
Diesen Anforderungen wird der Vortrag des Schuldners in keiner Weise gerecht.
(1) Soweit ein (vermeidbarer – s.o.) Kontakt des Schuldners mit an der Räumung beteiligten Personen zu einer Erhöhung eines Infektionsrisikos führen könnte, ist dieses durch geeignete Maßnahmen auf ein Minimum reduzierbar. Diese geringe Erhöhung scheint (insbesondere auch vor dem Hintergrund der leichten Vermeidbarkeit von unmittelbarem Kontakt, welche insbesondere im Einflussbereich des Schuldners liegt) in Abwägung mit dem Schutzinteresse des Gläubigers verhältnismäßig.
(2) Soweit der Schuldner durch seinen Vertreter kommentarlos eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung wegen eines grippalen Infekts vorlegte, kann der Erkrankung einerseits keine Ursächlichkeit aus der drohenden Räumung entnommen werden. Soweit andererseits damit angedeutet werden sollte, dass der Schuldner unter einer Infizierung mit dem Corona-Virus leiden soll, ist diese Schlussfolgerung eher fernliegend, nachdem seit dem 01.04.2020 (also vor Erstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung) gesonderte Diagnoseschlüssel für COVID-19-Erkrankung bzw. für entsprechende Verdachtsfälle eingeführt wurden, nämlich U07.1 ! und U07.2 !. Der sich für den Schuldner ergebende Diagnoseschlüssel auf der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung steht hingegen für eine „akute Infektion der oberen Atemwege, nicht näher bezeichnet“. Genaueres zur Art und Schwere der Erkrankung, zur Behandlung und medizinischen Prognose wird nicht vorgetragen. Die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung lässt jedwede genauere Angabe zur Erkrankung des Schuldners und zur Gesundheits- bzw. Behandlungsprognose vermissen.
dd) Dem stehen erhebliche Gesichtspunkte, die ein weit überwiegendes Schutzbedürfnis des Gläubigers begründen, entgegen. Dem Gläubiger steht ebenfalls ein Anspruch auf einen effektiven Rechtsschutz zu. Darüber hinaus hat er gegen den Staat einen Vollstreckungsanspruch. Schließlich kann sich der Gläubiger auf seine Eigentumsfreiheit aus Art. 14 Abs. 1 S. 1 GG stützen. Seit erheblicher Zeit kann er sein Eigentum an dem vom Schuldner bewohnten Haus kompensationslos – der Schuldner zahlt keine Miete – nicht nutzen und ist durch eigene Mietzahlungen und Kreditzahlungen doppelt belastet. Nachdem nunmehr auch noch seine Ehefrau schwanger geworden ist, kommt diesem Interesse ein nochmals gesteigertes Gewicht zu.
III.
1. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 97 Abs. 1, 91 Abs. 1 ZPO.
2. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 3 S. 1 ZPO nicht vorliegen.
3. Einer Entscheidung über die Höhe des Beschwerdewertes bedarf es nicht, da gemäß KV 2121 zum GKG eine Festgebühr anfällt. Damit ist eine Entscheidung über den Beschwerdewert entbehrlich (Zöller/Herget ZPO, 32. Aufl. 2018, § 3 Rn. 16).