Zwangsvollstreckung / Zwangsversteigerung


Schadensersatzpflicht des Zwangsverwalters (hier: Verweigerung der Herausgabe von Mietverträgen an Ersteher)

OLG Braunschweig, Urteil vom 11.05.2018 - 9 U 18/17 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Klägerin, die eine in der Zwangsvollstreckung befindliche Immobilie ersteigerte, machte gegen die vormalige Zwangsverwalterin Schadensersatzansprüche für entgangenen Mietzins mit der Begründung geltend, Mieter seien von dieser ihr gegenüber unrichtig benannt worden. Das Landgericht wies die Klage ab, wobei es dahinstehen ließ, ob der Klägerin dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch zustünde, da sie jedenfalls für einen Schaden beweisfällig geblieben sei.  Demgegenüber sah das OLG im Rahmen der von der Klägerin gegen das landgerichtliche Urteil eingelegten Berufung einen Haftungsgrund  der beklagten Zwangsverwalterin als gegeben an.  Ein solcher Anspruch sei aus §§ 280 Abs. 1 BGB, 154 ZVG begründet.

 

§ 154 ZVG begründe ein gesetzliches Schuldverhältnis, aus dem heraus die beklagte Zwangsverwalterin  zur vollständigen Übergabe aller im Rahmen der Zwangsverwaltung erhaltenen Objektunterlagen an die Klägerin als Ersteherin im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens verpflichtet sei. Im Rahmen dieses gesetzlichen Schuldverhältnisses seien die allgemeinen Regeln der §§ 276, 249 BGB anwendbar (OLG Naumburg, Urteil vom 28.02.2012 - 12 U 30/11 -).

 

Zu den Verfahrensbeteiligten nach § 154 S. 1 ZVG würden über die formell am Zwangsveraltungsverfahren hinaus Beteiligten nach § 9 ZVG auch jene Personen zählen, denen gegenüber das Zwangsversteigerungsgesetz (ZVG) spezifische Pflichten auferlege (BGH, Urteil vom 13.10.2011 - IX 188/10 -). Ab dem Zuschlag würde dazu auch der Erwerber zählen (BGH, Urteil vom 11.10.2007 – IX ZR 156/06 -). Dieser trete mit dem Zuschlag in Bezug auf das Grundstück in die Rechtsstellung des Schuldners ein, auch wenn er das Eigentum originär und nicht als Rechtsnachfolger des Schuldners erwerbe. Da damit der Zwangsverwalter ab dem Zeitpunkt des Zuschlags, solange die Zwangsverwaltung fortdauere, nicht mehr Pflichten gegenüber dem Schuldner sondern dem Erwerber zu erfüllen habe, mit dem keine vertraglichen Beziehungen bestünden, wäre er nicht haftungsfrei sein, sondern würde nach den Grundsätzen der unerlaubten Handlung haften (BGH vom 11.10.2007 aaO.). Der Zuschlagsbeschluss liege zeitlich vor dem Beschluss über die Aufhebung der Zwangsverwaltung, da der Zuschlagsbeschluss Voraussetzung für die Aufhebung der Zwangsverwaltung sei, was für die Entstehung des gesetzlichen Schuldverhältnisses ausreichend sei.

 

Die Pflichten des Zwangsverwalters nach § 154 S. 1 ZVG würden auch nicht insgesamt mit der Zustellung des Aufhebungsbeschlusses enden. Er bliebe über diesen Zeitpunkt hinaus zur Abwicklung der Zwangsverwaltung verpflichtet. Damit habe er nach rechtskräftigen Zuschlagsbeschluss und Aufhebung der Zwangsvollstreckung das Grundstück und die mitbeschlagnahmten Gegenstände sowie die nach Zuschlagserteilung gezogenen Nutzungen an den Ersteher herauszugeben (BGH vom 11.10.2007 aaO.).  Diese Pflicht folge aus der entsprechenden Anwendung des § 667 BGB, wonach der Beauftragte verpflichtet sei, dem Auftraggeber alles, was er zur Auftragserfüllung erhalten und aus der Geschäftsbesorgung erlangt habe, herauszugeben, wozu auch Mietverträge und Zusatzvereinbarungen dazu zählen würden. Diese Urkunden habe der Zwangsverwalter zur Wahrung seiner Pflichten nach § 152 S. 1 ZVG, das Grundstück in seinem Bestand zu erhalten und zu benutzen, erlangt. Da der Ersteher originär als Vermieter in bestehende Mietverträge eintrete, entspräche die Herausgabepflicht der durch den Zuschlagsbeschluss entstehenden Interessenslage. Er würde diese Unterlagen (sowie Versicherungsunterlagen, Bauunterlagen) nicht für eine von ihm vorzunehmende Rechnungslegung nach § 154 S. 2 ZVG benötigen.

 

Anders verhalte es sich lediglich mit Belegen und Unterlagen, die für eine Betriebskostenabrechnung benötigt würden (diesbezüglich zur verneinenden Herausgabepflicht OLG Dresden, Urteil vom 23.11.2011 - 13 U 1137/11 -). Diese würde der Zwangsverwalter nach dem Zuschlag für die von ihm nach § 154 S. 2 ZVG vorzunehmende Rechnungslegung benötigen. Das begründe für den Ersteher keinen Nachteil, da das Gericht nach Prüfung dem Ersteher Kopien vorlegen oder die Einsichtnahme in die Akten ermöglichen müsse (Böttcher-Keller, ZVG, 6. Aufl. § 154 Rn. 11), wodurch dem Ersteher die notwendigen Kenntnisse verschafft würden.

 

 

Durch die Pflichtverletzung sei der Klägerin ein Schaden entstanden, da sie in den Monaten Januar und Februar nur einen Mietzins von € 7,30/qm statt von € 11,00/qm erzielt habe. Die Differenz von € 3,70/qm stelle sich als Schaden nach §§ 249 Abs. 1, 252 BGB dar.

 

Aus den Gründen:

 

 Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 17.01.2017 - 7 O 287/16 - teilweise abgeändert:

 

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 5.961,81 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.03.2016 sowie vorprozessual entstandene Rechtsanwaltskosten in Höhe von 571,44 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 17.03.2016 zu zahlen.

 

Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

 

Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz tragen die Klägerin zu 71 % und die Beklagte zu 29 %. Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 65 % und die Beklagte zu 35 %.

 

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können jeweils die Vollstreckung der jeweils anderen Partei durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Vollstreckende vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

 

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird für den Zeitraum bis zum 15.03.2018 auf die Wertstufe bis 22.000,00 € festgesetzt und für den Zeitraum ab dem 16.03.2018 auf die Wertstufe bis 13.000,00 €.

 

Gründe

 

I.

 

Die Klägerin begehrt von der Beklagten Schadensersatz für entgangene Mieten für die Monate Januar und Februar 2016 wegen unrichtiger Benennung des Mieters einer von ihr ersteigerten und von der Beklagten als Zwangsverwalterin verwalteten Immobilie.

 

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstands I. Instanz und der darin gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils (S. 2 - 4 = Bl. 179 - 181 d. A.) Bezug genommen.

 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

 

Es könne dahinstehen, ob ein Anspruch dem Grunde nach bestehe, da die Klägerin für den Schaden beweisfällig geblieben sei. Der Vortrag der Klägerin zur Höhe der je Quadratmeter zu erzielenden Miete für die streitgegenständliche Einheit im ersteigerten Objekt erfolge ins Blaue hinein. Die Klägerin nenne verschiedene Quadratmeterpreise, ohne im Einzelnen substantiiert darzulegen, dass die Mieterin eine höhere als die aktuelle Quadratmetermiete akzeptiert hätte. Hierfür spreche auch nicht die Tatsache, dass sie seit dem 01.03.2016 eine erhöhte Miete in Höhe von 11 €/qm zahle. Es lasse sich zugunsten der Klägerin auch kein Mindestschaden dergestalt feststellen, dass die Mieterin jedenfalls auch für den streitgegenständlichen Zeitraum einen Betrag von 11 €/qm kalt gezahlt hätte. Die beweisbelastete Klägerin bleibe hierfür beweisfällig. Der Beweis sei weder durch die Vernehmung der Zeugin Sch. noch durch die Anlage K 4 geführt worden. Weiteren Beweisangeboten sei nicht nachzugehen gewesen. Die Einholung eines Sachverständigengutachtens sei nicht angezeigt gewesen, da nicht feststehe, dass die Mieterin eine Miete in der „üblichen und angemessenen“ Höhe akzeptiert hätte. Die im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.12.2016 benannten Zeuginnen sowie die in dem nicht nachgelassenen Schriftsatz vom 15.12.2016 benannten Zeugen seien nicht zu hören gewesen. Es fehle substantiierter Vortrag dazu, warum die benannten Zeugen den Vortrag der Klägerin, die Mieterin hätte auch ab dem 01.10.2015 eine erhöhte Miete von zumindest kalt 11 €/qm akzeptiert, bestätigen würden.

 

Gegen dieses ihr am 20.01.2017 zugestellte Urteil hat die Klägerin mit bei Gericht am 14.02.2017 eingegangenem Schriftsatz Berufung eingelegt, die sie nach entsprechender Fristverlängerung mit bei Gericht am 19.04.2017 eingegangenem Schriftsatz begründet hat.

 

Zur Begründung hat sie ausgeführt:

 

Das Gericht habe im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 13.12.2016 darauf hingewiesen, dass es auf die vorgetragene Auskunft der Beklagten zur Mieterin ankomme, woraufhin sie - die Klägerin - rechtzeitig Beweis durch Vernehmung des Zeugen Volker P. angeboten habe. Darüber hinaus habe sie vorgetragen, dass die ortsübliche Miete für die streitgegenständliche Fläche 15,00 €/qm kalt, zumindest aber 12,50 €/qm betragen habe und die Fläche auch für den erstgenannten Preis seit dem 30.09.2015 und hilfsweise für 12,50 €/qm ab dem 01.10.2015 vermietbar gewesen wäre. Dieser Vortrag müsse unter Berücksichtigung der Ausführungen des Bundesgerichtshofs in seinem Beschluss vom 21.10.2014 - VIII ZR 34/14 - genügen. Konkrete Mietinteressenten müsse sie nicht benennen. Als Beweis habe sie die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeboten und biete diesen Beweis weiterhin an. Das Landgericht hätte den Beweis zumindest darüber, welche ortsübliche Miete für die streitgegenständliche Fläche bestanden habe, erheben müssen. Hinweise, dass dafür die Anknüpfungstatsachen nicht ausreichen würden, oder dass der Vortrag bzgl. der Quadratmeterpreise ins Blaue hinein erfolgt sei, habe das Landgericht nicht erteilt. Sämtlichen gewerblichen Mietern in dem streitgegenständlichen Objekt sei nach Erwerb gekündigt und der Abschluss eines neuen Mietvertrags zu einer erhöhten Miete angeboten worden mit der Folge, dass - nach dem nunmehrigen Vortrag der Klägerin - keiner der ca. 20 gewerblichen Mietern eine Miete unter 12,50 € je qm zahle. 80 % der Mieter zahlten eine Miete von über 15 € je qm. Dass es auf die ortsübliche und nicht auf die vereinbarte Miete ankomme, ergebe sich aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 18.01.2017 - VIII ZR 17/16.  Unabhängig davon habe sie, die Klägerin, sich in Gesprächen mit drei Mietinteressenten - Stadt W., I. Deutschland, A. W. GmbH & Co. KG - befunden, bei denen jeweils eine Miete von 15,00 €/qm „im Gespräch“ gewesen sei, wie sie mit ihrer Berufung nunmehr vorbringt.

 

Wenn es nicht zu einer Einigung mit der bisherigen Mieterin gekommen wäre, hätte diese zum 30.09.2015 ausziehen müssen, da sie, die Klägerin, den Mietvertrag zu diesem Termin der richtigen Mieterin gegenüber gekündigt hätte, wenn sie von dem Mietverhältnis ordnungsgemäß durch die Beklagten unterrichtet worden wäre. Dies ergebe sich daraus, dass sie - unstreitig - zumindest mit dem anwaltlichen Schreiben vom 25.06.2017 rechtzeitig die Kündigung gegenüber der falschen Mieterin ausgesprochen habe. Zumindest hätte das Landgericht einen Mindestschaden gem. § 287 ZPO schätzen müssen.

 

Im Übrigen nimmt die Klägerin Bezug auf ihr erstinstanzliches Vorbringen.

 

Ursprünglich hat die Klägerin mit ihrer Berufungsbegründung angekündigt zu beantragen, das angefochtene Urteil des Landgerichts Braunschweig abzuändern und die Beklagte zur Zahlung von 20.946,90 € nebst Zinsen und außergerichtlich entstandener Rechtsanwaltskosten nach dem Streitwert dieser Hauptforderung nebst Zinsen zu verurteilen. Aufgrund der vom Senat mit der Verfügung vom 20.02.2018 erteilten Hinweise (vgl. Bl. 245 f d.A.) hat die Klägerin die Klage mit dem am 16.03.2018 bei Gericht eingegangen Schriftsatz teilweise zurückgenommen. Die Beklagte hat ihre Einwilligung zur Rücknahme erklärt.

 

Die Klägerin beantragt nunmehr,

 

das Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 17.01.2017 abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin 12.407,01 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 23.04.2015 sowie nebenfordernd 1.590,91 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins seit dem 01.10.2015 zu zahlen.

 

Die Beklagte beantragt,

 

die Berufung zurückzuweisen.

 

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil und begründet dies wie folgt:

 

Für das Begehren der Klägerin fehle es bereits an einer Anspruchsgrundlage. So könne die Klägerin ihr Begehren nicht auf § 154 ZVG stützen, da sie keine Beteiligte i.S.d. § 154 ZVG sei. Entgegen der dem Urteil des BGH vom 11.10.2007 - IX ZR 1567/06 - und dem Urteil des OLG Hamm vom 15.09.2005 - 27 U 16/05 - zugrundeliegenden Sachverhalte falle vorliegend die Aufhebung der Zwangsverwaltung auf den gleichen Tag wie die Zuschlagserteilung. Unabhängig davon setze ein Anspruch nach § 154 ZVG die Verletzung „verwalterspezifischer Pflichten“ heraus. Hierzu gehöre die richtige Benennung des Mieters eines Zwangsverwaltungsobjektes nicht. Der Ersteher müsse sich vielmehr - wie ein Ersteher eines Objektes ohne Zwangsverwaltung - durch die ihm zur Verfügung stehenden Informationsquellen, wie die Gerichtsakte des Zwangsversteigerungsverfahrens inklusive des Verkehrswertgutachtens und eigenen Recherchen vor Ort die erforderlichen Kenntnisse selbst verschaffen. Hätte die Klägerin vorliegend diese Informationsquellen genutzt, hätte sie gewusst, dass die V. Logistics GmbH & Co. oHG Mieterin der Gewerbeeinheit 2 gewesen sei.

 

Eine Haftung ergebe sich auch nicht aus ihrem Schreiben vom 07.05.2015 (Anlage K6, Bl. 56 d.A.). Hierbei handle es sich lediglich um ein Begleitschreiben zu dem Realakt der Übergabe von Unterlagen durch sie, die Beklagte, als vormalige Zwangsverwalterin nach Aufhebung des Zwangsverwaltungsverfahrens. Soweit in diesem Schreiben aufgenommen worden sei „Mietvertrag zwischen Frau Rechtsanwältin G. und der V. AG vom 26.11.2008/05.12.2008“ habe sie, die Beklagte, damit nicht gegenüber der Klägerin erklärt, dass „die V. AG Mieterin der Gewerbeeinheit 2“ sei. Dass sie, die Beklagte, der Klägerin die V. AG als Mietern im Versteigerungstermin genannt haben soll, bestreite sie weiterhin.

 

Letztlich fehle es an einem kausalen Schaden. Der Vortrag der Klägerin, es habe genügend Mietinteressenten gegeben, sei in zweiter Instanz neu, unsubstantiiert und werde vorsorglich bestritten. Gleiches gelte für den neuen, streitigen Vortrag der Klägerin zu einer Kündigung gegenüber sämtlichen gewerblichen Mietern nach Erwerb der Immobilie und dem Neuabschluss von Verträgen zu den behaupteten Mieten. Ebenso neu und streitig sei der Hilfsvortrag der Klägerin zu einer Kündigung spätestens am 03.07.2015.

 

Unabhängig davon könne nicht angenommen werden, dass die Klägerin zum 31.12.2015 gekündigt hätte. So bestreite sie, die Beklagte, zunächst, dass der V. AG das Schreiben der Klägerin vom 13.05.2015 überhaupt und zumindest nicht bis zum 03.07.2015 zugegangen sei. Das Schreiben der V. AG vom 22.07.2015 stütze weder die eine noch die andere Sachverhaltsvariante. Auch aus der mit dem nichtnachgelassenen Schriftsatz vom 11.01.2017 eingereichten Kündigung der Klägerin gegenüber der V. Immobilien GmbH, die dort am 01.07.2017 eingegangen sein soll, lasse sich dies nicht ableiten. Dem nunmehr vorgelegten anwaltlichen Kündigungsschreiben vom 25.06.2010 sei eine Vollmacht beigefügt, aus der sich weder der Aussteller noch die Angelegenheit noch eine Kongruenz zwischen den handelnden „G. Rechtsanwälten“ und dem in der Vollmacht bezeichneten Rechtsanwalt Jörg G. ergebe.

 

Des Weiteren habe die Klägerin weder dargelegt noch bewiesen, dass die Mieterin der Klägerin bereits zum 01.01.2016 den seit März 2016 vereinbarten Mietzins von 11,00 € je qm gezahlt hätte.

 

Sofern man dennoch einen Anspruch der Klägerin nach Grund und Höhe bejahen wollte, müsse zu Lasten der Klägerin ein Mitverschulden berücksichtigt werden. Die Klägerin hätte aus den überlassenen Unterlagen bei sorgfältiger Durchsicht ermitteln können, wer tatsächlich Mieter der Gewerbeeinheit 2 gewesen sei.

 

Des Weiteren bestreitet sie, die Beklagte, den Vortrag der Klägerin zu drei potentiellen Mietinteressenten, Gesprächen über eine Miete von 15,00 € je qm sowie Vertragsverhandlungen unter Beteiligung eines Immobilienmaklers und rügt diesen als verspätet.

 

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf Schriftsätze der Klägerin nebst Anlagen vom 19.04.2017 (Bl. 216 - 218 d.A.), vom 03.07.2017 (Bl. 230 - 235 d.A.), vom 31.08.2017 (Bl. 240 d.A.), vom 14.03.2018 (Bl. 280, 281 d.A.), vom 26.03.2018 (Bl. 313 d.A.), vom 27.03.2018 (Bl.311 - 213 d.A.), vom 29.03.2018 (Bl. 329 d.A.) sowie vom 19.04.2018 - soweit nachgelassen - (Bl. 382 - 384 d.A.) und der Beklagten vom 08.05.2017(Bl. 226 - 229 d.A.), vom 21.07.2017 (Bl.238 - 239 d.A.), vom 11.09.2017 (Bl. 242 d.A.), vom 12.03.2018 (Bl. 267 - 277 d.A.) vom 21.03.2018 (Bl. 287 - 289 d.A.), vom 26.03.2018 (Bl. 295 d.A.), vom 28.03.2018 (Bl.321 - 328) und - soweit nachgelassen - vom 17.04.2018 (Bl. 370 - 379 d.A.) Bezug genommen.

 

Der Senat hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen Kerstin S., Tobias Sch., Manfred F. und Volker P.. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 05.04.2018 (Bl. 339 - 346 d.A.) verwiesen.

 

II.

 

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

 

Der Klägerin steht gegen die Beklagten ein Anspruch auf Schadensersatz in Höhe von 5.961,81 € (1.) nebst Verzugszinsen auf einen Betrag von 2.980,91 € seit dem 07.01.2016 und einen weiteren Betrag von 2.980,90 € seit dem 04.02.2016 (2.) sowie ein Anspruch auf Ersatz außergerichtlich entstandener Nebenkosten in Höhe von 571,44 € (3.) nebst Verzugszinsen seit dem 01.10.2015 (4.) zu. Darüberhinausgehende Ansprüche bestehen nicht.

 

1. Die Klägerin hat einen Anspruch gegen die Beklagte auf Schadensersatz in Höhe von 5.961,81 € gemäß den §§ 280 Abs. 1, 154 ZVG.

 

Die Beklagte hat die ihr aus dem zwischen den Parteien bestehenden gesetzlichen Schuldverhältnis obliegende Pflicht zur vollständigen Übergabe der aus der Zwangsverwaltung erhaltenen Objektunterlagen schuldhaft verletzt und hat daher der Klägerin den hieraus entstandenen Schaden zu ersetzen. Diese Pflicht folgt aus § 154 ZVG. Nach dieser Vorschrift ist der Verwalter für die Erfüllung der ihm obliegenden Verpflichtungen allen Beteiligten gegenüber verantwortlich. Es wird ein gesetzliches Schuldverhältnis zwischen dem Verwalter und den übrigen Verfahrensbeteiligten begründet, aufgrund dessen der Verwalter persönlich mit seinem Vermögen für eine pflichtwidrige Handlungsweise haftet und auf das die allgemeinen Regeln der §§ 276, 249 BGB anzuwenden sind (OLG Naumburg, Urteil vom 28.2.2012 - 12 U 30/11, BeckRS 2013, 08395, beck-online; vgl. Böttcher-Keller, ZVG, 6. Auflage, § 154 ZVG, Rn.1; Dassler/Schiffhauer-Engels, ZVG, 15. Auflage, § 154 ZVG, Rn.3).

 

a) Zu den Verfahrensbeteiligten und damit grundsätzlich Anspruchsberechtigten i.S.d. § 154 S. 1 ZVG zählen über die formell am Verfahren Beteiligten hinaus gemäß § 9 ZVG diejenigen Personen, gegenüber welchen das Zwangsversteigerungsgesetz dem Zwangsverwalter spezifische Pflichten auferlegt (BGH, Urteil vom 13. Oktober 2011 - IX ZR 188/10, Rn. 12, juris). Zu diesen gehört ab dem Zeitpunkt des Zuschlags auch der Erwerber (BGH, Urteil vom 11.10.2007 - IX ZR 156/06, Rn.11) und damit auch die Klägerin. Ab dem Zuschlag tritt der Ersteher in Bezug auf das Grundstück in die Rechtsstellung des Schuldners ein, obwohl er das Eigentum originär und nicht als Rechtsnachfolger des Schuldners erwirbt (BGH, Urteil vom 11.10.2007 - IX ZR 156/06, Rn. 11). Daher entspricht es Sinn und Funktion der Haftungsvorschrift des § 154 ZVG, dass von diesem Zeitpunkt an die berechtigten Belange des Erstehers geschützt sind, solange die Zwangsverwaltung fortdauert (BGH, Urteil vom 11.10.2007 - IX ZR 156/06, Rn. 11). Wenn der Verwalter ab diesem Zeitpunkt Pflichten nicht mehr gegenüber dem Schuldner, sondern gegenüber dem Ersteher zu erfüllen hat, mit dem keine vertraglichen Beziehungen bestehen, kann er ihm gegenüber nicht haftungsfrei sein oder lediglich nach dem Recht der unerlaubten Handlung haften (BGH, Urteil vom 11.10.2007 - IX ZR 156/06, Rn. 11; OLG Hamm, Urteil vom 15. September 2005 - 27 U 16/05, juris, Rn. 9). Soweit die Beklagten dagegen einwendet, der Beschluss über den Zuschlag sei taggleich mit dem Beschluss über die Aufhebung der Zwangsverwaltung ergangen, ist dies zutreffend. Die Beschlüsse sind aber nicht zeitgleich erlassen worden. Der Zuschlagsbeschluss ist zeitlich vor dem Aufhebungsbeschluss ergangen, da der erst genannte Beschluss vorliegend Voraussetzung für die Aufhebung war. Folglich bezieht sich der Beschluss des Amtsgerichts W. vom 23.04.2015 - 19 L 13/02 - auf den zuvor in dem Zwangsversteigerungsverfahren - 19 K 44/12 - am 23.04.2015 erteilten Zuschlag (vgl. Bl.49 d.A.). Diese zeitliche Reihenfolge ist für die Entstehung des vorbenannten gesetzlichen Schuldverhältnisses ausreichend.

 

b) Nach § 154 S. 1 ZVG haftet der Verwalter für die Erfüllung der ihm nach dem ZVG und ZwV.V obliegenden Pflichten. Diese Pflichten enden nicht insgesamt mit der Zustellung des die Zwangsverwaltung aufhebenden Beschlusses. Der Zwangsverwalter bleibt über diesen Zeitpunkt hinaus zur Abwicklung der Zwangsverwaltung verpflichtet (Böttcher-Keller, ZVG, 6. Auflage, § 161 ZVG, Rn. 32; Stöber, ZVG, 21. Auflage, § 161 ZVG, Rn.5; vgl. auch: BGH, Beschluss vom 10.01.2008 - V ZB 31/07, Rn. 8, juris). An den Ersteher hat der Zwangsverwalter nach rechtskräftigem Zuschlagsbeschluss und Aufhebung der Zwangsvollstreckung das Grundstück und die mitbeschlagnahmten Gegenstände herauszugeben (Böttcher-Keller, 6. Auflage, § 161 ZVG Rn. 41) sowie die nach Zuschlagserteilung gezogenen Nutzungen (BGH, Urteil vom 11.10.2007 - IX ZR 156/06, Rn. 14). Die Pflicht des Zwangsverwalters zur Herausgabe folgt dabei aus einer entsprechenden Anwendung des § 667 BGB (BGH, Urteil vom 11.10.2007 - IX ZR 156/06, Rn. 14). Nach dieser Vorschrift ist der Beauftragte verpflichtet, dem Auftraggeber alles, was er zur Ausführung des Auftrags erhält und was er aus der Geschäftsbesorgung erlangt hat, herauszugeben. Zu diesen Dingen zählt vorliegend auch der Mietvertrag über die streitgegenständliche Gewerbeeinheit nebst später geschlossener Zusatzvereinbarung. Beide Urkunden hat die Beklagte aus der Geschäftsbesorgung zur Wahrung ihrer Pflichten nach § 152 Abs. 1 ZVG - das Grundstück in seinem wirtschaftlichen Bestand zu erhalten und zu benutzen - erlangt. Die Anordnung einer Herausgabepflicht entspricht dem mit dem Zuschlagsbeschluss entstehenden Interessenlagen. Nach den §§ 56, 57 ZVG gebühren dem Ersteher von dem Zuschlag an sämtliche Nutzen, er trägt sämtliche Lasten und tritt originär als Vermieter in die bestehenden Mietverträge ein (vgl. Böttcher-Böttcher, ZVG, 6. Auflage, §§ 57 - 57 b ZVG, Rn. 5). Zur Wahrnehmung dieser Rechte und Pflichten ist es für den Ersteher erforderlich, den vollständigen Inhalt aller Verträge zu kennen, aus denen sich diese Rechten und Pflichten ergeben. Ein Nachteil für den Zwangsverwalter entsteht hierdurch nicht, da er diese Verträge für seine weitere Tätigkeit, insbesondere die Pflicht zur Rechnungslegung nach § 154 S. 2 ZVG, nicht benötigt. Bestandteil der Rechnungslegung sind die einzelnen Abrechnungen und nicht zwingend der Ursprungsvertrag, so dass der Zwangsverwalter die Objektunterlagen, insbesondere die Mietverträge, Versicherungsunterlagen und Bauunterlagen an den Ersteher auszuhändigen hat (vgl. Dassler/Schiffhauer-Engels, ZVG, 15. Auflage, § 152 ZVG, Rn.9.5).

 

Soweit das Oberlandesgericht Dresden in seinem Urteil vom 23.11.2011 - 13 U 1137/11 (NZI 2012, S. 153, 154) entschieden hat, ein Anspruch des Erstehers auf Herausgabe einer Mietverwaltungsakte bestehe gegenüber dem Zwangsverwalter nicht, betrifft diese Entscheidung einen anderen als den hier zu entscheidenden Sachverhalt. Das Oberlandesgericht Dresden hatte darüber zu entscheiden, ob der Zwangsverwalter zur Herausgabe von Unterlagen und Belegen zum Zwecke der Erstellung einer Betriebskostenabrechnung verpflichtet sei und diese Pflicht im Ergebnis verneint. Die unterschiedliche Behandlung von Objektunterlagen und Abrechnungsunterlagen ist allerdings gerechtfertigt. Die Abrechnungsunterlagen benötigt der Zwangsverwalter nach dem Zuschlag, um seine dem Gericht gegenüber bestehende Pflicht zur Rechnungslegung nach § 154 S. 2 ZVG zu erfüllen. Hierzu hat er neben einer geordneten Zusammenstellung von Einnahmen und Ausgaben die erforderlichen Belege einzureichen (Böttcher-Keller, ZVG, 6. Auflage, § 154 ZVG, Rn. 10). Für den Ersteher ist dies nicht von Nachteil. Nach Prüfung hat das Gericht die Rechnung dem Gläubiger und dem Schuldner in Kopie vorzulegen oder die Einsichtnahme in die Akten zu ermöglichen (Böttcher-Keller, ZVG, 6. Auflage, § 154 ZVG, Rn.11). Durch diese Einsichtnahme hat der Ersteher dann die Möglichkeit sich die fehlenden Kenntnisse zu verschaffen.

 

c) Die nach den vorstehenden Ausführungen bestehende Pflicht zur vollständigen Herausgabe der Mietverträge als Teil der Objektunterlagen hat die Beklagte vorliegend schuldhaft verletzt. Die Beklagte hat der Klägerin unstreitig mit dem Schreiben vom 07.05.2015 (Anlage K6, Bl. 55 f. d.A). lediglich den Mietvertrag zwischen der Beklagten und V. AG vom 26.11.2008/05.12.2008 übersandt. Die Übernahmevereinbarung des Mietvertrags der tatsächlichen Mieterin V. Logistics GmbH & Co. OHG (seit 04.02.2015: V. Konzernlogistik GmbH & Co. OHG, Anlage K14 , Bl. 166 d.A.), der V. AG und der Beklagten vom 02.11.2009 / 26.11.2009, 07.12.2009 (Anlage K 3, Bl. 8 R) hat die Beklagte in diesem Schreiben weder erwähnt noch mit diesem übersandt. Bei Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt hätte die Beklagte, die dieses Mietverhältnis sogar selbst mitbegründet und nicht nur übernommen hat, erkennen können und müssen, dass sie der Klägerin diese Übernahmevereinbarung nicht mitübersandt hat. Auf die Richtigkeit der Behauptung der Klägerin, die Beklagte habe ihr gegenüber die V. AG als Mieterin bereits im Versteigerungstermin benannt, kommt es daher ebenso wenig an wie auf die - überdies nicht zutreffende (s.u. zu lit. e) Ansicht der Beklagten, es habe sich um bei ihrem Schreiben vom 07.05.2015 lediglich um ein „Begleitschreiben ohne Erklärungsinhalt“ gehandelt.

 

d) Durch diese Pflichtverletzung ist der Klägerin ein Schaden entstanden. Dieser Schaden besteht darin, dass die Klägerin nicht bereits zum 01.01.2016 die streitgegenständliche Gewerbeeinheit zu einer Miete von 11,00 € je qm vermieten konnte, sondern weiterhin für die Monate Januar und Februar einen Mietpreis von 7,30 € je qm erzielt hat. Die Differenz zwischen diesen Mietpreisen je qm von 3,70 € stellt einen nach §§ 249 Abs. 1, 252 BGB zu ersetzenden entgangenen Gewinn dar, der zu einem Gesamtanspruch der Klägerin in Höhe von 5.961,81 € führt ([11,00 €/qm - 7,30 €/qm] x 805,65 qm x 2 = 5.961,81 €).

 

Darüberhinausgehende Ansprüche bestehen nicht.(Wird ausgeführt; auf einen Abdruck wird hier verzichtet).