Zwangsvollstreckung / Zwangsverwaltung / Zwangsversteigerung


Elektronische Form ohne zusätzliche Schriftform nach Justizbeitreibungsgesetz

BGH, Beschluss vom 17.01.2024 - VII ZB 2/13 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Der Gläubiger (hier der Freistaat Thüringen) vollstreckte gegen die Schuldnerin eine Gerichtskostenforderung gem. § 6 JBeitrG iVm. §§ 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 4m 803 ZPO (Pfändung und Verwertung beweglicher körperlicher Sachen der Schuldnerin). Der aus dem elektronischen Behördenpostfach (beBPO) erteilte Auftrag wurde elektronisch signiert und trug den Namen des Bearbeiters, aber weder ein Dienstsiegel noch eine Unterschrift. Es erging durch den Gerichtsvollzieher die Aufforderung, den Vollstreckungsauftrag auf dem Postweg im Original als vollstreckbare Ausfertigung zu übersenden. Die dagegen von dem Gläubiger eingelegte Erinnerung wurde vom Amtsgericht zurückgewiesen. Eine dagegen eingelegte sofortige Beschwerde des Gläubigers zum Landgericht wurde auch zurückgewiesen. Auf die zugelassene Rechtsbeschwerde half der BGH dieser ab und hob die Anforderung des Gerichtsvollziehers auf.

 

Gerichtskosten würden von den Gerichtskassen nach dem Justizbeitreibungsgesetz vollstreckt, § 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 2 Abs. 1 JBeitrG (bestimmt die Landesregierung keine andere Stelle). Zur Pfändung und Verwertung müsse die Vollstreckungsbehörde gem. § 6 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 3 S. 2 JBeitrG, § 802a Abs. 2 S. 1 Nr. 4 ZPO einen schriftlichen Vollstreckungsauftrag an den Vollziehungsbeamten richten. Zwingend hebe dies nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG, § 753 Abs. 5, § 130d Satz 1 ZPO in Form eines elektronischen Dokuments zu erfolgen, welches mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen oder von der verantwortenden Person zu signieren sei und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden müsse.

 

Diese Form der Übermittlung genüge in Ermangelung weiterer Formerfordernisse und es bedürfe nicht der zusätzlichen Einreichung des Vollstreckungsauftrags in Papierform mit Unterschrift und Dienstsiegel.

 

Der BGH habe für einen auf Abnahme der Vermögensauskunft nach § 7 S. 1 Hs. 1 JBeitrG gerichteten Vollstreckungsauftrag diese Vorgehensweise als ausreichend angesehen. Damit habe der Gesetzgeber die formellen Anforderungen abschließend festgelegt (BGH, Beschluss vom 06.04.2023 - I ZB 84/22 -).  

 

Dass vorliegend keine Vermögensauskunft sondern ein Sachpfändungsauftrag erteilt worden sei, rechtfertige keine anderweitige Bewertung. Der Gerichtsvollzieher sei gemäß § 196 S. 1 GVGA zuständig, als Vollziehungsbeamter nach § 6 Abs. 3 S. 2 JBeitrG nach dem JBeitrG für diese nach dem JBeitrG beizutreibenden Ansprüche mitzuwirken.

 

 

In Ermangelung abweichender verfahrensrechtlicher Bestimmungen unterläge der Sachpfändungsauftrag keinen strengeren formellen Anforderungen als ein Vollstreckungsauftrag nach § 7 S. 2 Hs. 1 JBeitrG. Um die Pflicht zur elektronischen Erteilung des Vollstreckungsauftrages nach § 6 Abs, 1 Nr, 1 JBeitrG, §§ 753 Abs. 5, 130d ZPO praktisch wirksam werden zu lassen und dem gesetzgeberischen Ziel zu entsprechen, den elektronischen Rechtsverkehr auch auf das Justizbeitreibungsverfahren zu erstrecken und dort eine Verwaltungsvereinfachung zu erzielen, sei eine zusätzliche Einreichung des Vollstreckungsauftrags in Papierform mit Unterschrift und Dienstsiegel nicht erforderlich.

 

Aus den Gründen:

 

 Tenor

 

Auf die Rechtsmittel des Gläubigers werden der Beschluss des Landgerichts Berlin - Zivilkammer 51 - vom 29. Dezember 2022 und der Beschluss des Amtsgerichts Kreuzberg - Vollstreckungsgericht - vom 11. November 2022 - 31 M 1659/22 - aufgehoben.

Der Gerichtsvollzieher wird angewiesen, die Ausführung des Vollstreckungsauftrags zum Aktenzeichen DR II 1456/22 nicht mit der Begründung zu verweigern, der Gläubiger müsse den Vollstreckungsauftrag auf dem Postweg im Original als vollstreckbare Ausfertigung übersenden.

 

Gründe

 

I.

 

Die für den Gläubiger, den Freistaat Thüringen, handelnde Justizzahlstelle des Thüringer Oberlandesgerichts betreibt gegen die Schuldnerin die Zwangsvollstreckung wegen einer Gerichtskostenforderung.

 

Im September 2022 stellte der Gläubiger bei dem Amtsgericht Kreuzberg - Gerichtsvollzieherverteilerstelle - einen Vollstreckungsauftrag gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Justizbeitreibungsgesetzes (JBeitrG) in Verbindung mit § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4, § 803 ZPO zur Pfändung und Verwertung beweglicher körperlicher Sachen der Schuldnerin. Der aus dem besonderen elektronischen Behördenpostfach (beBPo) der Justizzahlstelle als elektronisches Dokument übersandte Auftrag ist qualifiziert elektronisch signiert, trägt den Namen des Bearbeiters, jedoch weder ein Dienstsiegel noch eine Unterschrift.

 

Die Erinnerung des Gläubigers gegen die Aufforderung des Gerichtsvollziehers, den Vollstreckungsauftrag auf dem Postweg im Original als vollstreckbare Ausfertigung zu übersenden, hat das Amtsgericht zurückgewiesen. Die hiergegen gerichtete sofortige Beschwerde des Gläubigers ist vor dem Landgericht erfolglos geblieben. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Gläubiger seinen Vollstreckungsauftrag weiter.

 

II.

 

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Abs. 3 Satz 2, § 575 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat Erfolg und führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidungen. Der Gerichtsvollzieher darf die Ausführung des Vollstreckungsauftrags nicht mit der Begründung verweigern, der Gläubiger müsse den Vollstreckungsauftrag auf dem Postweg im Original als vollstreckbare Ausfertigung übersenden.

 

1. Das Beschwerdegericht hat im Wesentlichen ausgeführt, auch mit Blick auf die verpflichtende elektronische Einreichung des Vollstreckungsauftrags durch den Gläubiger sei weiterhin eine Einreichung des den Titel ersetzenden Vollstreckungsauftrags in Papierform erforderlich.

Gemäß § 7 Satz 2 JBeitrG ersetze der Vollstreckungsauftrag die nach § 754 ZPO grundsätzlich erforderliche Übergabe der vollstreckbaren Ausfertigung an das Vollstreckungsorgan. Insoweit seien an den Vollstreckungsauftrag hohe Anforderungen zu stellen; es dürften keine Zweifel an seiner Echtheit bestehen. Der unterschriebene Vollstreckungsauftrag sei daher schriftlich zu stellen und mit einem Dienstsiegel zu versehen. Hierdurch sei gewährleistet, dass aus dem Schriftstück die Person erkennbar werde, die für seinen Inhalt die Verantwortung übernehme. Eine Prüfung durch den Gerichtsvollzieher sei nur dann möglich, wenn er das Original des Vollstreckungsauftrags in den Händen halte. Dass der Vollstreckungsauftrag von der Bearbeiterin mit einer qualifizierten Signatur auf sicherem Übermittlungsweg an den Gerichtsvollzieher übermittelt worden sei, rechtfertige keine Ausnahme. Durch § 753 Abs. 4 und 5 und die §§ 130 ff. ZPO habe keine Vereinfachung des Zwangsvollstreckungsverfahrens erreicht werden sollen, so dass diese Anforderungen auch bei einer elektronischen Einreichung des Vollstreckungsauftrags Geltung beanspruchten.

 

Weder die qualifizierte elektronische Signatur noch die einfache Signatur in Kombination mit einem sicheren Übermittlungsweg könnten die durch den Bundesgerichtshof aufgestellten Anforderungen an den Vollstreckungsauftrag erfüllen. Die qualifizierte elektronische Signatur ersetze zwar die Unterschrift und gebe daher die Person wieder, die die Verantwortung für den Vollstreckungsauftrag übernehme; allerdings fehle es an einem Pendant zum Dienstsiegel. Die Versendung aus einem besonderen elektronischen Behördenpostfach möge zwar ein Dienstsiegel ersetzen; allerdings fehle es an einer Unterschrift.

 

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

 

Zu Recht beanstandet die Rechtsbeschwerde, dass das Beschwerdegericht die Ausführung des Vollstreckungsauftrags des Gläubigers von der Einreichung des Vollstreckungsauftrags in Papierform abhängig gemacht hat.

 

a) Gerichtskosten werden gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2, § 2 Abs. 1 JBeitrG von den Gerichtskassen als Vollstreckungsbehörden vollstreckt, soweit die Landesregierungen keine anderen Behörden bestimmen. Gemäß § 1 der Thüringer Verordnung über die Zuständigkeiten der Justizzahlstelle (GVBl. für den Freistaat Thüringen 2012, Nr. 8, S. 304) ist das Oberlandesgericht - Justizzahlstelle - Vollstreckungsbehörde für die Beitreibung unter anderem der in § 1 Abs. 1 Nr. 4, Abs. 2 JBeitrG bezeichneten Ansprüche der Justizbehörden des Landes. Zur Pfändung und Verwertung beweglicher körperlicher Sachen richtet die Vollstreckungsbehörde gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 Satz 2 JBeitrG, § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO einen schriftlichen Vollstreckungsauftrag an den Vollziehungsbeamten. Der Vollstreckungsauftrag ist von der Vollstreckungsbehörde nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG, § 753 Abs. 5, § 130d Satz 1 ZPO zwingend in Form eines elektronischen Dokuments zu erteilen. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG, § 753 Abs. 4 Satz 2, § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.

 

b) Entgegen der Auffassung des Beschwerdegerichts genügt der von der Vollstreckungsbehörde in Form eines elektronischen Dokuments zu erteilende Vollstreckungsauftrag zur Pfändung und Verwertung beweglicher körperlicher Sachen nach dem JBeitrG, der eine qualifizierte elektronische Signatur des bearbeitenden Mitarbeiters als der verantwortenden Person trägt, den im elektronischen Rechtsverkehr geltenden Formanforderungen (§ 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG, § 753 Abs. 4 Satz 2, § 130a Abs. 3 Satz 1 ZPO). In Ermangelung weiterer Formerfordernisse bedarf es insbesondere nicht der zusätzlichen Einreichung des Vollstreckungsauftrags in Papierform mit Unterschrift und Dienstsiegel.

 

aa) Wie der Bundesgerichtshof nach Erlass der angefochtenen Entscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, entspricht der auf Abnahme der Vermögensauskunft nach § 7 Satz 1 Halbsatz 1 JBeitrG an den Gerichtsvollzieher gerichtete Vollstreckungsantrag den im elektronischen Rechtsverkehr geltenden Formanforderungen, wenn er entweder von der ihn verantwortenden Person qualifiziert elektronisch signiert worden ist oder von der ihn verantwortenden Person (einfach) signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht worden ist. Damit hat der Gesetzgeber die formellen Anforderungen abschließend festgelegt (BGH, Beschluss vom 6. April 2023 - I ZB 84/22 Rn. 15, NJW-RR 2023, 906; Beschluss vom 6. April 2023 - I ZB 103/22 Rn. 11, juris; Beschluss vom 6. April 2023 - I ZB 104/22 Rn. 11, juris; Beschluss vom 6. April 2023 - I ZB 115/22 Rn. 13, juris; vgl. ferner Beschluss vom 27. Juli 2023 - I ZB 1/23 Rn. 13, juris; Beschluss vom 26. Oktober 2023 - I ZB 114/22 Rn. 15, juris; ebenso BGH, Beschluss vom 1. Juni 2023 - I ZB 69/22 Rn. 13, MDR 2023, 1340 sowie - für Vollstreckungsanträge nach § 322 Abs. 3 AO - BGH, Beschluss vom 28. September 2023 - V ZB 16/23 Rn. 6 ff., juris).

 

bb) Dass hier nicht über einen Vollstreckungsantrag an den Gerichtsvollzieher nach § 7 Satz 1 Halbsatz 1 JBeitrG, sondern einen Sachpfändungsauftrag nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG, § 802a Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO, den die Vollstreckungsbehörde an den Gerichtsvollzieher gerichtet hat, zu befinden ist, rechtfertigt keine andere Bewertung. Der Gerichtsvollzieher ist gemäß § 196 Satz 1 der Geschäftsanweisung für Gerichtsvollzieher (GVGA) zuständig, als Vollziehungsbeamter nach dem JBeitrG für die nach dieser Vorschrift beizutreibenden Ansprüche mitzuwirken. Der Gerichtsvollzieher nimmt insoweit - rechtlich unbedenklich (vgl. BVerwG, Urteil vom 29. April 1982 - 2 C 26/80, BVerwGE 62, 253, juris Rn. 20 ff.) - die Aufgaben eines Vollziehungsbeamten nach § 6 Abs. 3 Satz 2 JBeitrG wahr.

 

Ein solcher Sachpfändungsauftrag unterliegt mangels insoweit abweichender verfahrensrechtlicher Bestimmungen keinen strengeren formellen Anforderungen als ein Vollstreckungsantrag nach § 7 Satz 1 Halbsatz 1 JBeitrG. Trägt der Sachpfändungsauftrag eine qualifizierte elektronische Signatur des bearbeitenden Mitarbeiters der Vollstreckungsbehörde, sind daher die formellen Anforderungen erfüllt. Um die Pflicht zur elektronischen Erteilung des Vollstreckungsauftrags nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 JBeitrG, § 753 Abs. 5, § 130d ZPO praktisch wirksam werden zu lassen und dem gesetzgeberischen Ziel zu entsprechen, den elektronischen Rechtsverkehr auch auf das Justizbeitreibungsverfahren zu erstrecken und dort eine Verwaltungsvereinfachung zu erzielen, ist eine zusätzliche Einreichung des Vollstreckungsauftrags in Papierform mit Unterschrift und Dienstsiegel nicht erforderlich (so schon für den Antrag nach § 7 Satz 1 Halbsatz 1 JBeitrG BGH, Beschluss vom 6. April 2023 - I ZB 84/22 Rn. 22 ff., NJW-RR 2023, 906; Beschluss vom 6. April 2023 - I ZB 103/22 Rn. 18 ff., juris; Beschluss vom 6. April 2023 - I ZB 104/22 Rn. 18 ff., juris; Beschluss vom 6. April 2023 - I ZB 115/22 Rn. 16 ff., juris; siehe auch BGH, Beschluss vom 5. Juli 2023 - VII ZB 30/22 Rn. 15, juris).

 

c) Gemessen daran genügt der mit einer qualifizierten elektronischen Signatur des handelnden Mitarbeiters als der verantwortenden Person versehene Vollstreckungsauftrag der Gläubigerin den im elektronischen Rechtsverkehr geltenden formellen Anforderungen.

 

III.

 

Danach sind die angefochtenen Beschlüsse aufzuheben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil die Aufhebung der Entscheidung nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Rechts auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist (§ 577 Abs. 5 ZPO).

 

IV.

 

Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.