LG Berlin, Urteil vom 02.10.2015 –
55 S 206/14 WEG -
Kurze Inhaltsangabe:
Die Wohnungseigentümergemeinschaft hatte den klagenden Verwalter „aus wichtigem Grund“ abberufen. Das Amtsgericht hatte noch der vom Verwalter dagegen erhobenen Klage stattgegeben;
die Berufung der Wohnungseigentümergemeinschaft führte zur Abänderung der amtsgerichtlichen Entscheidung und zur Klageabweisung. Das Landgericht bejahte im Berufungsverfahren aus mehreren Gründen
das Vorliegen eines wichtigen Grundes, wobei es darauf Hinweis, dass ein wichtiger Grund vorliegt, wenn der Gemeinschaft die Fortsetzung der Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann und
das Vertrauensverhältnis zerstört sei, wobei die einzelnen Gründe dafür nicht einmal auf einem Verschulden beruhen müssen. Abzuwägen wären die weitere Vertragsdauer, die beiderseitigen
Verursachungsbeiträge und insbesondere das Fehlverhalten des Verwalters.
a) Führen der Beschlusssammlung
Dem Verwalter wurde zum Vorwurf gemacht, die Beschlusssammlung entgegen § 26 Abs. 1 S. 4 WEG nicht korrekt zu führen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich (wie hier) nicht mehr um eine
Bagatelle handelt, da die Eigentümer darauf vertrauen dürfen, dass diese Sammlung aktuell, richtig und vollständig ist. Entgegen § 24 Abs. 7 Nr. 1 WEG wäre für eine Versammlung vom 20.12.2012
nicht der Ort der Versammlung benannt worden. Auch wenn damals die Klägerin noch nicht Verwalterin war, oblag ihr doch eine Korrekturpflicht. Im übrigen sei sie der Verpflichtung zur Benennung
des Versammlungsortes für die Versammlung vom 22.01.2013 selbst nicht nachgekommen. Schwerwiegend sei, dass hinsichtlich eines Beschlusses in einer Versammlung vom 13.05.2013 der Beschluss nicht
im Wortlaut in der Beschlussfassung wiederzufinden ist (es fehlen ganze Textpassagen).
Der Verwalter hätte auch nicht vor der Abberufung abgemahnt werden müssen. Dies sei nach § 24 Abs. 7 WEG nicht vorgesehen (BT-Drucksache 16/887, S. 35). Auf § 626 Abs. 2 WEG (2-Wochen-Frist für Kündigung nach Kenntnis des
Kündigungsgrundes) käme es hier nicht an, da es sich um einen Organisationakt handele, der nicht von § 626 Abs. 2 BGB erfasst würde.
b) Entnahme von Geldern
Der Verwalter habe Gelder von dem Konto der WEG entnommen, die ihm nicht zugestanden hätten. Zwar begründete der Verwalter die Entnahmen mit einem jeweiligen Rechtsanspruch, der allerdings hier
vom Landgericht nicht gesehen wurde. Dies ging zu Lasten des Verwalters.
Aus den Gründen:
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 25.6.2013 verkündete Urteil des Amtsgerichts Pankow/Weißensee – 7 C 415/13WEG – wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Klägerin zu tragen.
3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Von den tatbestandlichen Feststellungen wird gem. §§ 313 a Abs. 1, 540 Abs. 2 ZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache Erfolg. Nach § 513 Abs. 1 ZPO kann die Berufung erfolgreich nur darauf gestützt werden, dass die angefochtene Entscheidung auf einer
Rechtsverletzung beruht (§ 546 ZPO) oder nach § 529 ZPO zugrunde zu legende Tatsachen eine andere Entscheidung rechtfertigen. Diese Voraussetzungen liegen hier vor, da ein
wichtiger Grund zur Abberufung der Klägerin vorlag.
1)
Die Klage ist zulässig, weil der Verwalter zur Anfechtung des Eigentümerbeschlusses über seine Abberufung befugt ist (BGH, Beschluss vom 20. Juni 2002 – V ZB 39/01 –, BGHZ 151,
164). Die Klage ist auch rechtzeitig erhoben und demnächst zugestellt worden.
2)
Die Abberufung der Verwaltung setzt vorliegend wegen § 14.1 der Teilungserklärung i. V. m. § 26 Abs. 1 S. 3 WEG das Vorliegen eines wichtigen Grundes voraus. Ein wichtiger Grund
ist gegeben, wenn den Wohnungseigentümern unter Berücksichtigung aller, nicht notwendig vom Verwalter verschuldeter Umstände im konkreten Einzelfall nach Treu und Glauben eine
Fortsetzung der Zusammenarbeit nicht mehr zugemutet werden kann und deshalb das erforderliche Vertrauensverhältnis zerstört ist. Das erforderliche Vertrauensverhältnis kann
insbesondere infolge schwerwiegender Pflichtverstöße, durch Rechtsmissbrauch oder aus mehreren tatsächlichen Umständen zerstört sein. Dabei sind die für die Abberufung
maßgeblichen Gründe sowohl für sich genommen als auch in ihrer Gesamtheit zu würden, ob das Vertrauen der Wohnungseigentümer in eine künftige pflichtgemäße Ausübung der
Verwaltertätigkeit durch die Antragstellerin grundlegend erschüttert ist (BGH Beschluss vom 20. Juni 2002 – V ZB 39/01, aaO.). Dieses ist insbesondere dann der Fall, wenn die
festgestellten Tatsachen objektiv geeignet sind, das Vertrauensverhältnis zwischen Wohnungseigentümern und dem Verwalter schwerwiegend zu stören oder gar zu zerstören. Dabei sind
die Interessen der Wohnungseigentümer an der Trennung vom Verwalter mit den Interessen des Verwalters am Erhalt seiner Verwalterstellung sowie die beiderseitigen
Verursachungsbeiträge vollständig und widerspruchsfrei abzuwägen. In die Interessenabwägung sind alle Umstände einzubeziehen, so z.B auch die restliche Dauer des
Verwaltervertrages. Das erforderliche Vertrauen kann insbesondere infolge schwerwiegender Pflichtverstöße oder durch Rechtsmissbrauch des Verwalters zerstört werden. Voraussetzung
ist jedenfalls stets ein Fehlverhalten des Verwalters.
a) Jederzeitige Abberufungsmöglichkeit
Rechtsfehlerfrei ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass eine ordentliche Abberufung des Verwalters ausgeschlossen ist und die Beendigung der Bestellung nur aus wichtigem
Grund in Frage kommt. Bereits die zeitlich befristete Bestellung der Klägerin bis zum 31.12.2015 lässt den Schluss zu, dass eine vorzeitige Abberufung an das Vorliegen eines
wichtigen Grundes gebunden ist. Aus der in § 14.1 der Teilungserklärung enthaltenen Regelung, dass eine Abberufung aus wichtigem Grund jederzeit möglich ist, folgt im
Umkehrschluss, dass ohne wichtigen Grund eine Abberufung gerade nicht möglich ist.
b) Führung der Beschlusssammlung
Nach § 26 Abs. 1 S. 4 WEG liegt ein wichtiger, zur Abberufung führender Grund regelmäßig vor, wenn der Verwalter die Beschlusssammlung nicht ordnungsmäßig führt. Denn die
Eigentümer sollen sich angesichts der Verpflichtung gem. § 24 Abs. 7 WEG stets darauf verlassen können, dass die Sammlung aktuell, richtig und vollständig ist. Zwar ist diese
Vermutung ist nach einer Ansicht des AG Charlottenburg nur dann widerlegt, wenn es sich bei dem Fehler der Beschlusssammlung um eine bloße Bagatelle
handelt, die die Interessen der Eigentümer und der Gemeinschaft erkennbar nicht berührt (AG Charlottenburg, Urteil vom 18. Januar 2013 – 73 C 98/12= Grundeigentum 2013, 1465),
wohingegen nach anderer Ansicht (LG Berlin, Urteil vom 07. Oktober 2009 - 85 S 101/08 = ZWE 2010, 224; AG München, Urteil vom 28. Juli 2008 – 485 C 602/07 = ZMR 2009, 644) immer
eine umfassende Abwägung aller Umstände entscheidend ist. Doch führen beide Rechtsansichten vorliegend zu der Annahme, dass ein wichtiger Grund vorliegt. Denn die Klägerin hat bei
der Führung der Beschlusssammlung Fehler gemacht, die keine Bagatellen mehr sind und auch in der Gesamtschau zur Annahme der Voraussetzungen i.S.v. § 26 Abs. 1 S. 4 WEG führen.
Gemäß § 24 Abs. 7 Nr. 1 WEG hat die Beschlusssammlung den Wortlaut der in der Versammlung der Wohnungseigentümer verkündeten Beschlüsse mit Angabe von Ort und Datum der
Versammlung zu enthalten.
So enthält die Beschlusssammlung für die Versammlung am 20.12.2012 nicht die Angabe eines Versammlungsortes. Zwar war die Klägerin zu diesem Zeitpunkt noch nicht Verwalterin der
Anlage. Aber die ihr obliegende Pflicht zum Führen der Beschlusssammlung umfasst auch die Verpflichtung, Fehler und Unvollständigkeiten zu korrigieren (vgl. Niedenführ 11. A., §
24 RZ 95). Hinzu kommt, dass auch für die Versammlung vom 22.1.2013 von der Klägerin kein Versammlungsort ein- bzw. nachgetragen wurde. Besonders schwer wiegt jedoch, dass
hinsichtlich der Versammlung vom 13.5.2013 der zu TOP 1 gefasste Beschluss sich nicht im Wortlaut in der Beschluss-Sammlung (Nr. 23) wiederfindet, sondern ganze Textpassagen
fehlen, und zwar jene, die eine dem WEG unbekannte wiederauflebende Zahlungspflicht des ausscheidenden Eigentümers und damit einen für jeden Eigentümer elementaren Aspekt
betreffen. Denn die Frage, ob ein Eigentümer trotz seines Ausscheidens aus der WEG weiterhin mit Zahlungsansprüchen der WEG zu rechnen hat, welche die Zeit nach seiner Löschung
aus dem Grundbuch betreffen, ist von nicht zu unterschätzender Bedeutung für jeden Eigentümer. Gleiches gilt für die beschlossene Regelung zur Fortgeltung der
Instandhaltungsrücklage. Ein Recht zur "Selektion" der einzutragenden Beschlussinhalte steht der Klägerin aber in keiner Weise zu.
Soweit die Klägerin ihr Verhalten damit zu erklären versucht, dass sich diese Regelung "lediglich" auf bestimmte Sonderfälle beziehe, vermag dies ihr Verhalten nicht zu
entschuldigen. Denn gerade Sonderfälle, die nach den Beschlüssen der Eigentümer von der zu erwartenden Regelung – sei es gesetzlich oder sonst üblich – abweichen, sind für die
Eigentümer von besonderem Interesse. Auch an dem Hinweis der Klägerin, der Beschlussinhalt gebe nur Befugnisse aus dem Verwaltervertrag wieder (dort § 2 Nr. 3), zeigt sich die
Problematik der unvollständigen Beschlusssammlung. Denn die Parteien sind sich gerade nicht einig, ob es überhaupt zu einem Abschluss eines geänderten Verwaltervertrages gekommen
ist. Hieran zeigt sich ganz deutlich die Wichtigkeit der Vollständigkeit der Beschlusssammlung. Mag die Klägerin auch den Wunsch nach einer Übersichtlichkeit der Beschlusssammlung
hegen, ist das kein Rechtfertigungsgrund, Beschlussinhalte vorsätzlich nur selektiert in der Beschlusssammlung wiederzugeben.
Eine Abmahnung der Klägerin vor der Abberufung war nicht erforderlich. Der Gesetzgeber führt selbst aus, dass ein wichtiger Abberufungsgrund in der Regel schon bei einmaliger
Verletzung der Pflicht aus § 24 Abs. 7 WEG gegeben ist (BT-Drucksache 16/887, S. 35).
Auf die Frage des § 626 Abs. 2 WEG kommt es bei der Abberufung als Organisationsakt nicht an (Niedenführ aaO., § 26 RZ 103).
c) Entnahme von
Geldern
Neben der nicht ordnungsgemäß geführten Beschlusssammlung hat die Klägerin vom Konto der WEG Gelder entnommen, die ihr nicht zustanden. Dies betrifft sowohl die Sondervergütung
für den Jahresabschluss 2012 als auch eine Vergütung für die Abhaltung der streitgegenständlichen Versammlung.
aa) Sondervergütung für Jahresabschluss 2012
Da die Klägerin erst im Jahr 2013 als Verwalterin bestellt wurde, war sie nicht verpflichtet, die Jahresabrechnung 2012 zu erstellen. Vielmehr haben die Beklagten bzw. die WEG
hier mit der Klägerin einen gesonderten Werkvertrag abgeschlossen, der einen gesonderten Vergütungsanspruch auslöst. Nach dem Inhalt des Beschlusses vom 13.5.2013 (TOP 6) sollte
die Sondervergütung brutto 2.975 € betragen. Für einen solchen Werkvertrag gibt es jedoch keinen Anspruch auf Vorschusszahlung, sondern die Vergütung ist erst mit der Abnahme der
Leistung fällig. Zwar gibt es in dem - nicht unterzeichneten Verwaltervertrag - unter § 3 gewisse Regelungen zu Vorschussansprüchen der Klägerin. Unabhängig von der Frage, ob der
Vertrag jedoch rechtswirksam abgeschlossen wurde, rechtfertigt § 3 3) lit e) jedoch keine Entnahme von Honorar für die Erstellung des Jahresabschlusses. Denn die vorgenannte
vertragliche Regelung bezieht sich nur auf die Gebühr nach § 3 3 lit d); um eine solche geht es bei der Sondervergütung jedoch nicht.
Die Vorgehensweise der Klägerin führt dazu, dass die Beklagten vor vollendete Tatsachen gestellt werden und Anstrengungen unternehmen müssen, um die mangels Abnahme der
Jahresabrechnung ungerechtfertigt von der Klägerin entnommene Sondervergütung zurückzuerhalten.
bb) 261,80 € vor Versammlung vom 27.11.2013 abgebucht
Vergleichbares gilt für den Betrag von 261,80 €. Zwar sieht der nach Ansicht der Klägerin rechts wirksam abgeschlossene Verwaltervertrag unter § 3 Ziff. 1 vor, dass die Klägerin
eine Gebühr von 10 €/Einheit abrechnen kann. Jedoch sieht die vorgenannte Vertragsregelung keinen Anspruch auf Vorschusszahlung vor. Soweit die Klägerin erneut auf § 3 Nr. 3 e des
Vertrages verweist, vermag dies nicht weiter zu helfen, weil - wie dargetan - sich diese Bestimmung nicht auf die Vergütung nach § 3 Ziff. 1 bezieht, sondern nur auf die Gebühr
nach § 3 Ziff. 3 d (Kosten für wirtschaftliche Baubetreuung).
Da bereits die vorgenannten Umstände für eine sofortige Abberufung ausreichen, kommt es auf die weiteren zwischen den Parteien diskutierten und streitigen Umstände nicht mehr an.
Die prozessualen Nebenentscheidungen folgen aus §§ 91, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
Die Revision wird nicht zugelassen, da die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und auch nicht aus Gründen der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 1 S. 2 ZPO).