Wohnungseigentum


Verwalterbestellung im Verfügungsverfahren

LG Karlsruhe, Urteil vom 01.12.2023 - 11 S 12/23 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Das Amtsgericht hatte auf einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zur Bestellung eines Verwalters für die WEG einen solche für die Dauer von drei Jahren bestellt. Die dagegen von der Verfügungsbeklagten eingelegte Berufung war erfolgreich.

 

Das Berufungsreicht verwies darauf, dass für eine einstweilige Verfügung ein Verfügungsgrund (neben dem Verfügungsanspruch) erforderlich sei, der vorläge, wenn aus Sicht einer vernünftig denkenden Partei eine Veränderung des Zustands oder eine Verwirklichung eines Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert oder die Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig sei. Damit umschrieb das Berufungsgericht die Notwendigkeit der Dringlichkeit.

 

Eine im Einzelfall mögliche Dringlichkeit kann aber auch durch das Verhalten der antragstellenden Partei selbst (wieder) ausgeschlossen werden; so könne, so das Landgericht, ein Verfügungsgrund durch Selbstwiderlegung fehlen oder entfallen, wenn der Antragsteller die Annahme der Dringlichkeit durch sein eigenes Verhalten ausgeschlossen habe. Als Beispiel nannte das Landgericht den Fall, dass der Antragsteller von einer erlassenen einstweiligen Verfügung lange Zeit keinen Gebrauch mache (weshalb nach Widerspruch des Gegners diese mangels Dringlichkeit wieder aufzuheben ist, OLG Frankfurt am Main, Urteil vom 25.03.2010 - 6 U 219/09 -).

 

Das Landgericht nahm vorliegend auch eine Selbstwiderlegung an, da der vom Amtsgericht mit einstweiliger Verfügung bestellte Verwalter noch nicht informiert bzw. zur Tätigkeit aufgefordert worden sei. Damit passe die Argumentation der Antragstellerseite bei Antragstellung zum dringenden Bedarf nicht zusammen, da über einige Monate kein gebrauch von der einstweiligen Verfügung gemacht worden sei. Ein Abwarten des Berufungsverfahrens rechtfertige dies ebenso wenig wie (letztlich gescheitere) Einigungsversuche.

 

Als obiter dictum wies das Landgericht noch darauf hin, dass nach seiner Auffassung eine Verwalterbestellung qua einstweiliger Verfügung nicht über ein Jahr erfolgen dürfe, im Rahmen einer Beschlussersetzungsklage auch nur auf ein bis maximal zwei Jahre angenommen würde. Bei der einstweiligen Verfügung sei zu beachten, dass die Hauptsache nicht vorweggenommen werden dürfe, von daher längstens bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens und auf eine gewisse Zeit zu bestreiten sei. An seiner bisherigen Auffassung zu zwei Jahren halte die Kammer des Berufungsgerichts nicht mehr fest.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

1. Auf die Berufung der Verfügungsbeklagten wird das Urteil des Amtsgerichts Weinheim vom 21.12.2022, Az. 2 C 261/22 WEG, abgeändert. Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung wird zurückgewiesen.

2. Die Verfügungsklägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.Beschluss

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 19.278,00 € festgesetzt.

 

Gründe

 

(abgekürzt nach §§ 540, 313a Abs. 1 ZPO)

 

I.

 

Die zulässige Berufung der Verfügungsbeklagten ist begründet. Die in erster Instanz erlassene einstweilige Verfügung (§ 935 ff. ZPO) konnte nicht aufrechterhalten bleiben. Die vom Amtsgericht im Wege der einstweiligen Verfügung vorgenommene Verwalterbestellung ist hinsichtlich ihrer Dauer (3 Jahre) dabei so zu verstehen sein, dass sie sich ab der Verkündung der Entscheidung (21.12.2022) errechnet.

 

1. Ein Verfügungsgrund besteht nicht bzw. jedenfalls nicht mehr.

 

Ein Verfügungsgrund liegt vor, wenn aus der Sicht eines vernünftig Denkenden zu besorgen ist, dass eine Veränderung des Zustandes die Verwirklichung des Rechts einer Partei vereitelt oder wesentlich erschwert oder die Abwendung wesentlicher Nachteile notwendig ist.

 

Infolge Selbstwiderlegung kann ein Verfügungsgrund fehlen oder entfallen, wenn der Antragsteller die Annahme der Dringlichkeit durch sein eigenes Verhalten ausgeschlossen hat (vgl. BeckOK ZPO/Mayer, 49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 935 Rn. 16). Dies kann auch der Fall sein, wenn der Antragsteller von der erlassenen einstweiligen Verfügung lange Zeit keinen Gebrauch macht, etwa um das Risiko der Schadensersatzpflicht aus § 945 ZPO zu vermeiden (vgl. KG BeckRS 2011, 9414; 2010, 13662; OLG Frankfurt a. M. BeckRS 2010, 16885; BeckOK ZPO/Mayer, 49. Ed. 1.7.2023, ZPO § 935 Rn. 20).

 

So liegt der Fall hier. Dass bisher der vom Amtsgericht bestellte Verwalter nicht informiert wurde bzw. zur Tätigkeit aufgefordert wurde, führt zur Selbstwiderlegung der Dringlichkeit. Die klägerischen Darstellungen zum dringenden Bedarf für den ursprünglichen Erlass der einstweiligen Verfügung, die nahelegen mögen, dass angesichts der Vorgeschichte dem Antrag zunächst stattzugeben war, passen nicht damit zusammen, dass dann von der einstweiligen Verfügung über viele Monate hinweg keinerlei Gebrauch gemacht wird. Das Abwarten des Ausgangs der Berufungsinstanz (mit letztlich gescheiterten Einigungsbemühungen) rechtfertigt dieses Zögern nicht. Denn dann hätte auch das Hauptsacheverfahren betrieben werden können.

 

2. Der Verfügungsanspruch war im Übrigen allenfalls teilweise gegeben.

 

Die vom Amtsgericht angeordnete Dauer dürfte selbst für eine Hauptsacheentscheidung zu lange sein. Selbst für Beschlussersetzungsklagen in der Hauptsache werden maximale Bestellzeiten von nur ein bis zwei Jahre angenommen (vgl. Bruns, ZWE 2022, 67, 72, bei Fn. 81: zwei Jahre; ähnlich Küttner ZMR 2021, 285, 289: ein bis zwei Jahre).

 

Für einstweilige Verfügungen kommen nur kürzere Bestellzeiten in Betracht. Eine Regelungsverfügung darf die Hauptsache nicht vorwegnehmen; sie ist daher längstens bis zur Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens und auf eine gewisse Zeit zu befristen (die Angaben zur möglichen Dauer schwanken: s. BayObLG NJW-RR 1989, 461, 462; Bruns, ZWE 2022, 67, 74, bei Fn. 107: maximal 1 Jahr; Anders/Gehle/U. Becker ZPO § 940 Rn. 46: allenfalls 3-6 Monate; Briesemeister NZM 2009, 64, 69: Dauer darf nicht zu kurz bemessen sein; gegen eine Befristung: Beck’sches Prozessformularbuch/Elzer, 15. Aufl. 2022, Formular II J 6 Anm. 10). Soweit die Kammer es in einer früheren Entscheidung für möglich hielt, im Wege der einstweiligen Verfügung einen Verwalter auf die Dauer von zwei Jahren - vorbehaltlich einer Neuwahl eines Verwalters durch die Wohnungseigentümer - zu bestellen (vgl. LG Karlsruhe, Beschl. v. 23.11.2012 – 11 T 419/12, BeckRS 2012, 211628, beck-online), kann daran nicht festgehalten werden. Die juristisch gut darstellbare Ein-Jahres-Frist ist bereits jetzt im Herbst 2023 erreicht.

 

Die Klage war daher abzuweisen. Eine Erledigterklärung war nicht erfolgt.

 

II.

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.

 

Die Revision ist von Gesetzes wegen ausgeschlossen (§ 542 Abs. 2 S. 1 ZPO). Daher wird die vorliegende Entscheidung mit ihrer Verkündung rechtskräftig und einer Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit bedarf es nicht.

 

Der Streitwert wird in Anlehnung an die Streitwertfestsetzung in erster Instanz festgesetzt.