Wohnungseigentum


Gemeinschaftsordnung: Mehrheitsbeschluss und Wahrung im Grundbuch

Kammergericht Berlin, Beschluss vom 01.02.2024 - 1 W 378/23 -

Tenor

 

Die Zwischenverfügung wird aufgehoben.

 

Gründe

 

I.

 

Die vormaligen Eigentümer des im Grundbuch von x Blatt x verzeichneten Grundstücks teilten dieses im Jahr 1984 in fünf Teileigentums- und 22 Wohnungseigentumsrechte auf. Das Grundbuchamt schloss am 30. Oktober 1984 das Grundstücksgrundbuch und legte die Teileigentums- und Wohnungseigentumsgrundbücher wie im Beschlusseingang bezeichnet an. In den Bestandsverzeichnissen wird unter anderem auf die Bewilligungen der teilenden Eigentümer vom 11. Juli 1984 – UR-Nr. x/1984 des Notars x in Berlin - Bezug genommen. Dort hatten die teilenden Eigentümer auch die Eintragung der der Urkunde beigefügten Gemeinschaftsordnung im Grundbuch bewilligt. In der Gemeinschaftsordnung heißt es unter anderem:

 

„2. Zweckbestimmung der Baulichkeiten

(1) Das Gebäude dient zu Wohnzwecken und für gewerbliche Zwecke. (…)

(2) Der Bestimmungszweck des Gebäudes und der einzelnen Sondereigentumsräume kann nur mit einer Mehrheit von 3/4 aller stimmberechtigten Miteigentümer geändert werden. (…)

(3) Die Wohnräume können zu freiberuflichen Zwecken, z.B. als Arzt- und Anwaltspraxis oder in ähnlicher Weise genutzt werden, es sei denn, daß sich im Einzelfall durch die Nutzung eine unzumutbare Beeinträchtigung der übrigen Bewohner ergibt (…).

17. Eigentümerversammlung

(1) (…)

(6) Bei der Eigentümerversammlung kann sich der Wohnungseigentümer durch einen mit schriftlicher Vollmacht versehenen Vertreter vertreten lassen. Bevollmächtigter kann jedoch nur ein anderer Wohnungseigentümer sein. (…)

21. Änderung der Gemeinschaftsordnung

(1) Während der Laufzeit der Hypotheken oder Grundschulden, die auf dem gesamten Grundstück bzw. einzelnen Sondereigentumsrechten lasten, ist zu einer Änderung der Gemeinschaftsordnung, die sonst mit 3/4-Mehrheit aller Miteigentümer beschlossen werden kann, auch die Zustimmung der Hypotheken- und Grundschuldgläubiger erforderlich. Diese darf jedoch nur aus wichtigen, die berechtigten Interessen der betreffenden Gläubiger gefährdenden Gründen versagt werden.“

 

Der Beteiligte ist seit dem 14. Juni 2005 als Eigentümer im Teileigentumsgrundbuch Blatt x und seit dem 18. November 2008 im Teileigentumsgrundbuch Blatt x eingetragen.

 

In der Eigentümerversammlung vom 17. November 2022 wurden u.a. auf Antrag des Beteiligten zu TOP 9 und 10 folgende Beschlüsse mehrheitlich gefasst:

 

TOP 9: „Die Teilungserklärung wird in Bezug auf die Ausübung des Stimmrechts dahingehend abgeändert, dass der Kreis der Vollmachtnehmer nicht mehr auf Miteigentümer oder den Verwalter beschränkt ist.“

 

TOP 10: „Die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer stimmt der Umwandlung der Teileigentumseinheiten 02 und 03 in Wohnungseigentum unwiderruflich zu, sofern der jeweilige Sondereigentümer dies wünscht.“

 

Am 7. September 2023 beantragte der Geschäftsführer der Hausverwaltung zur UVZ-Nr. x/2023 des Notars x in Berlin die „Änderung der Teilungserklärung“ aufgrund der Beschlüsse vom 17. November 2022 zu TOP 9 und 10 in den Grundbüchern der Gemeinschaft einzutragen.

 

Der Notar hat den Antrag mit dem Protokoll über die Versammlung vom 17. November 2022 unter dem 22. September 2023 bei dem Grundbuchamt eingereicht. Das Grundbuchamt hat mit Verfügung vom 6. Oktober 2023 unter Fristsetzung darauf hingewiesen, dass die Änderung der Gemeinschaftsordnung „der Zustimmung der dinglich Berechtigten aus Abt. III der gesamten WEG-Anlage erfordere“. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Beteiligten vom 23. November 2023, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 27. November 2023 nicht abgeholfen hat.

II.

1. Die Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO. Insbesondere ist der Beteiligte beschwerdeberechtigt. Im Antragsverfahren deckt sich die Beschwerdeberechtigung mit dem Antragsrecht. Berechtigt, einen Antrag auf Eintragung im Grundbuch zu stellen ist jeder, dessen Recht von der Eintragung betroffen wird oder zu dessen Gunsten die Eintragung erfolgen soll, § 13 Abs. 1 S. 2 GBO. Von der hier beantragten Eintragung wird das Wohnungseigentum des Beteiligten betroffen (vgl Hügel/Elzer, WEG, 3. Aufl., § 10, Rdn. 65). Ein Fall der ausschließlichen Ausübungsbefugnis der Wohnungseigentümergemeinschaft im Sinne von § 9a Abs. 2 WEG liegt nicht vor.

 

2. In der Sache führt die Beschwerde lediglich zu einem vorläufigen Erfolg.

 

a) Steht einer beantragten Eintragung ein Hindernis entgegen, so hat das Grundbuchamt entweder den Antrag unter Angabe der Gründe zurückzuweisen oder dem Antragsteller eine angemessene Frist zur Hebung des Hindernisses zu bestimmen, § 18 Abs. 1 S. 1 GBO.

 

Dabei kommt der Erlass einer Zwischenverfügung nur in Betracht, wenn ein bestehendes Eintragungshindernis rückwirkend auf den Zeitpunkt der Antragstellung bei dem Grundbuchamt behoben werden kann (BGH, WM 2021, 1773, 1774).

 

Vorliegend steht der beantragten Eintragung ein Hindernis entgegen. Dieses kann allerdings nicht durch das von dem Grundbuchamt in der angefochtenen Zwischenverfügung aufgezeigte Abhilfemittel und schon gar nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung behoben werden. Die Zwischenverfügung war deshalb nicht geboten und ist aus diesem Grund aufzuheben.

 

b) Vereinbarungen über das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander und Beschlüsse aufgrund einer solchen Vereinbarung können nach den Vorschriften der §§ 10 ff WEG zum Inhalt des Sondereigentums gemacht werden, § 5 Abs. 4 S. 1 WEG. Entsprechende Vereinbarungen, die Abänderung oder Aufhebung solcher Vereinbarungen sowie Beschlüsse, die aufgrund einer Vereinbarung gefasst werden, wirken gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nur, wenn sie als Inhalt des Sondereigentums im Grundbuch eingetragen sind, § 10 Abs. 3 S. 1 WEG. Im Übrigen bedürfen Beschlüsse zu ihrer Wirksamkeit gegen den Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nicht der Eintragung in das Grundbuch, § 10 Abs. 3 S. 2 WEG.

 

Vereinbarungen in diesem Sinne sind die Verträge der Wohnungseigentümer, durch die sie ihr Verhältnis untereinander regeln. Sie setzen wie jeder andere Vertrag übereinstimmende Willenserklärungen der Vertragsparteien voraus, §§ 145 ff BGB (vgl. Hügel/Elzer, a.a.O., § 10, Rdn. 23). Nichts Anderes kann für Abänderungen oder die Aufhebung von Vereinbarungen gelten.

 

aa) Der Antrag vom 7. September 2023 ist nicht auf Eintragung einer solchen Vereinbarung gerichtet. Weder haben alle Wohnungseigentümer Erklärungen abgegeben noch waren sie übereinstimmend. Beide Beschlüsse sind nicht einstimmig angenommen worden.

 

bb) Tatsächlich geht es um die Eintragung der beiden zu TOP 9 und 10 getroffenen Beschlüsse in der Eigentümerversammlung vom 17. November 2022. Aber auch diese Beschlüsse können in den Wohnungs- und Teileigentumsgrundbüchern der Gemeinschaft nicht eingetragen werden. Zwar sind beide Beschlüsse auf eine Änderung der Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümergemeinschaft gerichtet. Sie ergingen aber nicht aufgrund dieser Gemeinschaftsordnung.

 

Weder in der Teilungserklärung vom 11. Juli 1984 – UR-Nr. x/1984 - noch in der dort in Bezug genommenen Gemeinschaftsordnung ist eine Öffnungsklausel enthalten, die Grundlage der zu TOP 9 und 10 gefassten Beschlüsse sein könnte. Für den Beschluss zu TOP 9 bedarf dies keiner weiteren Ausführungen, aber auch für den Beschluss zu TOP 10 gilt nichts Anderes. Insbesondere enthält Punkt 2 Abs. 2 der Gemeinschaftsordnung keine entsprechende Ermächtigung.

 

Dabei muss nicht entschieden werden, ob auf Grund dieser Klausel eine Umwandlung einzelner, in der Teilungserklärung als Teileigentum bestimmter Sondereigentumsrechte in Wohnungseigentum – und umgekehrt – durch qualifizierten Mehrheitsbeschluss in der Eigentümerversammlung überhaupt geregelt ist oder es dort nicht vielmehr nur um Zweckbestimmungen im engeren Sinne geht, ob also etwa Wohnungseigentum auch gewerblich genutzt werden darf. Darum geht es hier – noch – nicht.

 

Der Beschluss zu TOP 10 ist auf die Schaffung einer – weiteren – Öffnungsklausel in der Gemeinschaftsordnung gerichtet, aufgrund derer der Beteiligte als derzeitiger Eigentümer seine Teileigentumsrechte ohne weitere Beteiligung der anderen Miteigentümer in Wohnungseigentum umwandeln können soll (vgl. BGH, NZM 2021, 717, 719). Ein solcher Änderungsvorbehalt ist in der Gemeinschaftsordnung bislang nicht geregelt mit der Folge, dass seine Schaffung eine Vereinbarung der Miteigentümer untereinander erfordert. Eine solche Vereinbarung liegt bislang nicht vor.

 

c) Beschlüsse der Gemeinschaft der Miteigentümer, die nicht auf Grund einer Vereinbarung ergehen, bedürfen zu ihrer Wirksamkeit gegenüber dem Sondernachfolger eines Wohnungseigentümers nicht der Eintragung in das Grundbuch, § 10 Abs. 3 S. 2 WEG. Daraus folgt zugleich die fehlende Eintragungsfähigkeit solcher Beschlüsse (BGH, NJW 1994, 3230, 3231). Können die Beschlüsse zu TOP 9 und 10 also nicht in den Grundbüchern eingetragen werden, war auch die angefochtene Zwischenverfügung nicht veranlasst.

 

 

Ohne Bindungswirkung für das Grundbuchamt weist der Senat darauf hin, dass auch eine Zwischenverfügung nicht wird ergehen können, um Gelegenheit zur Vorlage einer hier erforderlichen Vereinbarung zu geben. Mittels einer Zwischenverfügung kann nicht auf den Abschluss eines Rechtsgeschäfts hingewirkt werden kann, das Grundlage einer einzutragenden Rechtsänderung werden soll (BGH, FGPrax 2014, 192).