E-Fahrzeuge in Tiefgarage wegen besonderer Brandgefahr
verboten ?
AG Wiesbaden, Urteil vom
04.02.2022 - 92 C 2541/21 -
Kurze Inhaltsangabe (mit Anmerkung)
Der Mieter in der beklagten Wohnungseigentümergemeinschaft hatte ein Hybrid-Fahrzeug und von der klagenden Sondereigentümerin einen Tiefgaragenabstellplatz angemietet, an dem dieser ein
Sondernutzungsrecht hatte. In einer Eigentümerversammlung beschloss diese mehrheitlich, dass das Abstellen von Elektrofahrzeugen in der Tiefgarage bis auf weiteres untersagt wird. Die WEG
verteidigte den Beschluss u.a. mit Hinweis darauf, dass sich die Lithium-Ionen-Batterien, mit denen E-Fahrzeuge betrieben würden, entzünden und im Brandfall der Brandverlauf länger als bei einem
Benzinbrand sei und im Gegensatz zu diesem nicht mit Löschschaum gelöscht werden könne und ein Hineinfahren mit einem Container, wie dies für den Vorgang bei E-Fahrzeugen (zum Zwecke des
Ausbrennens) erforderlich sei, hier nicht möglich sei. Die Klage gegen diesen Beschluss war erfolgreich.
Soweit die Klägerin die Auffassung vertrat, der Beschluss sei schon wegen mangelnder Beschlusskompetenz nichtig, folgte dem das Amtsgericht nicht. Es handele sich um eine Nutzungsregelung. Nach §
19 Abs. 1 WEG habe die Eigentümerversammlung die Beschlusskompetenz für Nutzungsregelungen des Sonder- und Gemeinschaftseigentums. Zwar sei ein solcher Beschluss nichtig, wenn er das
Sondernutzungsrecht aushöhlen würde, doch sei dies hier nicht der Fall, da nur das Abstellen bestimmter Fahrzeuge untersagt worden sei.
Allerdings verstoße der Beschluss gegen die ordnungsgemäße Verwaltung iSv. § 18 Abs. 2 WEG. Nach § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG bestünde ein individueller Rechtsanspruch von jedem Wohnungseigentümer auf
Gestattung von Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen würden. Dieser individuelle Anspruch sei nicht abdingbar und würde durch den Beschluss ins Leere laufen, da zwar
der Wohnungseigentümer die Ermöglichung der Installation einer Ladestation erzwingen könne, diese aber nicht nutzen könnte. Selbst wenn man hier eine besondere Brandgefahr durch E-Fahrzeuge
bejahen würde, entspräche die Untersagung des Abstellens von E-Fahrzeugen damit nicht ordnungsgemäßer Verwaltung.
Anmerkung: Dieser Rechtsansicht des Amtsgerichts kann nicht zugestimmt werden. Zutreffend, dass zur ordnungsgemäßen Verwaltung notwendig auch die Verwirklichung des gesetzgeberischen Ziels in §
20 Abs. 2 Nr. 2 WEG gehört. Dass durch E-Fahrzeuge eine besondere Brandgefahr ausgeht, ist bekannt, wie auch, dass ein Löschen wie bei herkömmlichen Vergaserfahrzeugen nicht möglich ist. Der
Umstand, dass die Tiefgaragen nicht den Anforderungen an diese besondere Gefahr entsprechen, ist nicht explizit im Rahmen des § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG berücksichtigt. Allerdings wird nicht zum
Ausdruck gebracht, dass die Lademöglichkeit notwendig in der Tiefgarage gegeben sein muss. Könnte die WEG einen anderen Bereich - alleine zum Laden der Batterien - zur Verfügung stellen, könnte
der Anspruch auf eine Ladestation in der Tiefgarage wohl jedenfalls dann versagt werden, wenn zum Laden (wenn auch nicht zum dauerhaften Abstellen) ein anderer Platz zur Verfügung gestellt wird.
Für den Fall, dass nur die Tiefgarage bleibt, um eine Ladestation zu installieren, wird man dem Amtsgericht zustimmen müssen. Dies aber hätte wohl zur Konsequenz, dass die WEG das
Brandschutzkonzept überprüfen müsste und ggf. durch bauliche Maßnahmen zum Brandschutz ergreift. § 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG begründet keinen Rechtsanspruch darauf, dass die Ladestation am Abstellplatz
des Fahrzeuges errichtet werden müsset, sondern stellt auch im Rahmen der Entscheidung auf eine ordnungsgemäße Verwaltung ab.
Aus den Gründen:
Tenor
Der Beschluss der Eigentümerversammlung vom 24.08.2021 zu TOP 11 wird für ungültig erklärt.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des nach dem Urteil zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die
Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Beklagte ist die Wohnungseigentümergemeinschaft A in Wiesbaden. Die Klägerin ist Eigentümerin des Sondereigentums an einer Erdgeschosswohnung verbunden mit dem Sondernutzungsrecht an einem
Tiefgaragenstellplatz. Die Wohnung der Klägerin nebst Tiefgaragenstellplatz war zum Zeitpunkt der Klageerhebung vermietet. Der Mieter nutzte ein Hybrid-Fahrzeug, das er auf dem angemieteten
Stellplatz in der Tiefgarage abstellte. Dieses Mietverhältnis ist zwischenzeitlich beendet.
In der Eigentümerversammlung am 24.08.2012 beschlossen die Wohnungseigentümer unter TOP 11 mehrheitlich, dass das Abstellen von E-Autos in der Tiefgarage bis auf weiteres untersagt wird. Wegen
des genauen Wortlauts des Beschlusses wird auf das Versammlungsprotokoll (Bl. 27 d.A.) Bezug genommen.
Dieser Beschluss wird von der Klägerin mit der vorliegenden Klage angefochten. Die Klägerin ist der Auffassung, der Beschluss sei bereits wegen mangelnder Beschlusskompetenz nichtig. Der
Beschluss greife unzulässigerweise in das Sondernutzungsrecht der Klägerin ein und verstoße gegen das gesetzgeberische Ziel der Förderung der Elektromobilität.
Die Klägerin beantragt,
den Beschluss der Eigentümerversammlung vom 24.08.2021 zu TOP 11 für ungültig zu erklären.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagten sind der Auffassung, die Klägerin besitze für die Anfechtungsklage kein Rechtsschutzbedürfnis, da das Mietverhältnis mit dem Mieter, der ein Hybrid-Fahrzeug nutzte, mittlerweile
beendet ist. Die Beklagte behauptet, es bestehe die Gefahr, dass sich die Lithium-Ionen-Batterien, mit den Elektrofahrzeuge betrieben werden, entzünden. Komme es zu einem Brand, sei die Dauer des
Brandverlaufs länger als bei einem Benzinbrand. Hinzu komme, dass ein Brand einer solchen Batterie - im Gegensatz zu einem Benzinbrand - nicht mit Löschschaum gelöscht werden könne. Ein
Elektrofahrzeug müsse im Brandfall durch die Feuerwehr in einen Container gezogen werden, um dort auszubrennen. Das Hineinfahren mit einem solchen Container sei in der Tiefgarage des Anwesens
nicht möglich. Somit müsste in einem Brandfall das Elektroauto in der Tiefgarage ausbrennen, was eine nicht hinzunehmende Gefahr für das Gemeinschaftseigentum darstelle. Somit diene die
beschlossene Einschränkung der Nutzung des Sondernutzungsrechts dem Schutz des Gemeinschaftseigentums und entspreche daher ordnungsgemäßer Verwaltung.
Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird ergänzend auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig. Das Amtsgericht Wiesbaden ist gemäß § 43 Abs. 2 Nr. 4 WEG ausschließlich zuständig.
Die Klägerin besitzt auch das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Da das Anfechtungsrecht nicht dem persönlichen Interesse des Anfechtenden dient, sondern dem Interesse aller Wohnungseigentümer
auf ordnungsgemäße Verwaltung, muss der anfechtende Wohnungseigentümer durch den angefochtenen Beschluss nicht persönlich betroffen sein (s. BGH Beschluss vom 17.07.2003 Az. V ZB 11/03 zitiert
nach juris). Somit lässt die Tatsache, dass das Mietverhältnis mit dem Mieter, der ein Hybrid-Fahrzeug nutzt, mittlerweile beendet ist, das Rechtsschutzbedürfnis der Klägerin nicht entfallen.
Die Klage ist auch begründet.
Die Anfechtungsklage wurde fristgerecht eingereicht und begründet (§ 45 S. 1 WEG) und demnächst zugestellt (§ 167 ZPO).
Entgegen der Auffassung der Klägerin ist der angegriffene Beschluss nicht mangels Beschlusskompetenz nichtig. Gemäß § 19 Abs. 1 WEG besitzen die Wohnungseigentümer die
Beschlusskompetenz Nutzungsregelungen hinsichtlich des Gemeinschafts- und des Sondereigentums zu treffen. Der angegriffene Beschluss ist durch diese Beschlusskompetenz gedeckt. Die Klägerin weist
zwar zu Recht darauf hin, dass ein solcher Beschluss über eine Nutzungsregelung nichtig ist, wenn sie das Sondernutzungsrecht „aushöhlt“ (s. Hügel/Elzer „WEG“ 3. Aufl. 2021 § 23 Rdnr. 8
Stichwort „Sondernutzungsrecht“), diese Grenze wird jedoch durch den angegriffenen Beschluss nicht überschritten, da dieser nur das Abstellen bestimmter Fahrzeuge untersagt, so dass die
zweckbestimmte Nutzung der Sondernutzungsfläche als Pkw-Abstellfläche erhalten bleibt.
Der angegriffene Beschluss verstößt jedoch gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung. Mit dem Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz hat der Gesetzgeber jedem einzelnen Wohnungseigentümer
ein individuelles Recht auf die Gestattung baulicher Maßnahmen, die dem Laden elektrisch betriebener Fahrzeuge dienen, gegeben (§ 20 Abs. 2 Nr. 2 WEG). Dieser individuelle
Anspruch, der nicht abdingbar ist (s. Hügel/Elzer a.a.O. § 20 Rdnr. 188), würde durch den angegriffenen Beschluss ins Leere laufen. Der einzelne Wohnungseigentümer könnte zwar die
Installation einer Lademöglichkeit erzwingen, könnte sie jedoch anschließend nicht nutzen. Damit verstößt der angegriffene Beschluss gegen ein wesentliches gesetzgeberisches Ziel der WEG-Reform,
da die Schaffung von Ladeinfrastruktur die „Triebfeder“ der WEG-Reform war (so Dötsch/Schultzky/Zschieschack „WEG-Recht 2021“ Kapitel 6 Rdnr. 169) und macht einen individuellen Rechtsanspruch
zunichte. Daher verstößt der angegriffene Beschluss gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Verwaltung, selbst wenn man zu Gunsten der Beklagten die behauptete besondere Brandgefahr von
Elektrofahrzeugen als wahr unterstellt.
Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.