Wohnungseigentum


Nichtiger Beschluss zu Vertragsstrafen (bei Verstoß gegen Vermietungsverbot)

BGH, Urteil vom 22.03.2019 - V ZR 105/18 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Nach der Gemeinschaftsordnung der Wohnungseigentümergemeinschaft (WEG) bedarf es zur Ausübung eines Berufs oder eines Gewerbebetriebs in einer Wohnung sowie für eine Vermietung, Verpachtung oder sonstigen Gebrauchsüberlassung  der Zustimmung des Verwalters. In einer Eigentümerversammlung vom 05.06.2012 wurde mit Stimmenmehrheit ein Beschluss gefasst, wonach der betroffene Eigentümer bei einem unterlassenen Zustimmungsverlangen zu einem Mietvertrag an die Gemeinschaft einen „Ausgleichsbetrag“ von € 500,00 bzw. einen höheren Betrag (gestaffelt nach Monaten der Gebrauchsüberlassung, bis max. € 4.000,00) zahlen muss. Nachdem der Beklagte ohne Zustimmung des Verwalters seine Wohnung in mehreren Fällen kurzzeitig vermietet hatte, begehrte die Wohnungseigentümergemeinschaft als Klägerin die Zahlung einer Vertragsstrafe von € 2.000,00.  Das Amtsgericht gab der Klage statt. Das Landgericht hat im berufungsverfahren das Urteil abgeändert und die Klage abgewiesen. Die zugelassene Revision der Klägerin wurde vom BGH zurückgewiesen.

 

Sei eine Angelegenheit weder durch das Wohnungseigentumsgesetz noch Vereinbarung einer Beschlussfassung unterworfen, so der BGH, fehle es der Eigentümerversammlung an einer notwendigen Beschlusskompetenz, § 23 Abs. 1 WEG. Ein gleichwohl gefasster Beschluss sei zwingend nichtig (BGH, Urteil vom 13.10.2017 – V ZR 305/16 -). Einzig mögliche Grundlage für eine Beschlusskompetenz könne vorliegend § 21 Abs. 7 WEG sein. Danach wäre die Regelung der Art und Weise von Zahlungen, Fälligkeiten und Folgen des Verzugs sowie der Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand durch Stimmenmehrheit möglich. Nach der Gesetzesbegründung würde die Regelung einer Vertragsstrafe bei einem Verstoß gegen eine Vermietungsbeschränkung nach einer beispielhaften Erläuterung zulässig sein, wohingehend die Literatur mehrheitlich diese Erwägung in der Begründung als Versehen einstuft und die Beschlussregelung in diesem Fall mit dem Wortlaut des § 21 Abs. 7 WEG unvereinbar halte.

 

 

Nach Ansicht des BGH würde sich hier die Vertragsstrafe auf die Einhaltung von Vermietungsbeschränkungen beziehen und Verstöße sanktionieren. Derartige Fallgestaltungen würden aber von § 21 Abs. 7 WEG nah dem eindeutigen Wortlaut nicht erfasst. Vielmehr ergäbe sich hier, dass es lediglich um Zahlungspflichten gehen würde, nicht um Unterlassungsansprüche. Es handele sich auch nicht um verzugsfolgen, da der Verstoß gegen Unterlassungspflichten nicht den Eintritt des Verzugs sondern regelmäßig die Unmöglichkeit zur Folge habe. Es würde für die Verwirkung der Vertragsstrafe nicht an einen Verzug, sondern an die Zuwiderhandlung angeknüpft. 

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Die Revision gegen das Urteil der 29. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 26. April 2018 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

 

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

 

Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. Die Gemeinschaftsordnung sieht vor, dass ein Wohnungseigentümer zur Ausübung eines Gewerbebetriebs oder Berufs in der Wohnung nur mit Zustimmung des Verwalters berechtigt ist. Die Zustimmung kann nur aus wichtigem Grund verweigert werden. Dasselbe gilt sinngemäß für die erforderliche Zustimmung zur Vermietung, Verpachtung oder sonstigen Gebrauchsüberlassung. In der Eigentümerversammlung vom 5. Juni 2012 wurde folgender Beschluss gefasst:

 

„1. Miteigentümer, die ohne die erforderliche Zustimmung der Verwalterin einen Mietvertrag über eine Wohnung abschließen (…), sind verpflichtet, der Gemeinschaft einen Ausgleichsbetrag in Höhe von 500 € zu zahlen. Die Zahlungspflicht erhöht sich auf mindestens 2.000 € und höchstens 4.000 € für jeden angefangenen Monat der Gebrauchsüberlassung, wenn ein wichtiger Grund für die Versagung der Zustimmung vorlag (…).

2. Die Verwalterin soll bei ihrer Entscheidung über eine Zustimmung grundsätzlich davon ausgehen, dass aufgrund mehrjähriger Erfahrungen in unserer Wohnungseigentumsanlage (…) ein wichtiger Grund für die Versagung der Zustimmung vorliegt, wenn die Nutzer voraussichtlich nur kurzzeitig (bis zu drei Monate) in der Anlage anwesend sein werden (…).“

 

Gestützt auf die Behauptung, der Beklagte habe seine Wohnung in sechs Fällen ohne Zustimmung des Verwalters kurzzeitig an arabische Gäste („Medizintouristen“) vermietet, verlangt die Klägerin von dem Beklagten - soweit in der Revisionsinstanz noch von Interesse - Zahlung von jeweils 2.000 € (insgesamt also 12.000 €) nebst Zinsen. Das Amtsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landgericht hat das Urteil geändert und die Klage abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der zugelassenen Revision.

 

Entscheidungsgründe

 

I.

 

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in ZfIR 2018, 833 abgedruckt ist, verneint eine Zahlungspflicht, weil der als Grundlage dienende Beschluss vom 5. Juni 2012 wegen fehlender Beschlusskompetenz als nichtig anzusehen sei. Zwar werde vertreten, dass die den Wohnungseigentümern in § 21 Abs. 7 WEG eröffnete Möglichkeit, „Folgen des Verzugs“ durch Beschluss zu regeln, auch die Einführung von Vertragsstrafen bei einem Verstoß gegen Vermietungsbeschränkungen erlaube. Dem sei aber nicht zu folgen. Denn ein Verstoß gegen Unterlassungsverpflichtungen habe nicht den Eintritt des Verzugs, sondern Unmöglichkeit zur Folge. Ebenso wenig diene die Zahlungspflicht dem Ausgleich für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums im Sinne von § 21 Abs. 7 WEG. Sie habe vielmehr - wie sich auch aus der Staffelung der Beträge ergebe - Strafcharakter.

 

II.

 

Diese Ausführungen, die in der Literatur auf Zustimmung gestoßen sind (Lehmann-Richter, ZfIR 2018, 836; v. Schledorn, ZWE 2018, 330 f.), halten rechtlicher Nachprüfung stand. Zu Recht und mit zutreffender Begründung sieht das Berufungsgericht den Beschluss vom 5. Juni 2012, aus dem die Klägerin die Grundlage für die Zahlungspflicht herleitet, mangels Beschlusskompetenz als nichtig an.

 

1. Nach § 23 Abs. 1 WEG werden durch Beschlussfassung solche Angelegenheiten geordnet, über die nach dem Wohnungseigentumsgesetz oder nach einer Vereinbarung die Wohnungseigentümer durch Beschluss entscheiden können. Andernfalls bedarf es einer Vereinbarung. Ist eine Angelegenheit weder durch das Wohnungseigentumsgesetz noch durch Vereinbarung der Beschlussfassung unterworfen, fehlt es der Wohnungseigentümerversammlung an der Beschlusskompetenz. Ein dennoch gefasster Beschluss ist nichtig (vgl. Senat, Beschluss vom 20. September 2000 - V ZB 58/99, BGHZ 145, 158, 166 f.; Urteil vom 13. Oktober 2017 - V ZR 305/16, NJW 2018, 1254 Rn. 6).

 

2. Als Grundlage für die Beschlusskompetenz kommt hier nur § 21 Abs. 7 WEG in Betracht. Dieser Vorschrift zufolge können die Wohnungseigentümer die Regelung der Art und Weise von Zahlungen, der Fälligkeit und der Folgen des Verzugs sowie der Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand mit Stimmenmehrheit beschließen. Ob die seit dem 1. Juli 2007 geltende Vorschrift und namentlich die Ermächtigung zur Regelung der Folgen des Verzugs als Grundlage dafür dienen kann, durch Mehrheitsbeschluss eine Vertragsstrafe bei einem Verstoß gegen Vermietungsbeschränkungen einzuführen, ist allerdings umstritten. In der Gesetzesbegründung wird dies im Wege einer beispielhaften Erläuterung befürwortet. Dem ist die Literatur jedoch nur vereinzelt gefolgt (Bärmann/Merle, WEG, 14. Aufl., § 21 Rn. 179; MüKoBGB/Engelhardt, 7. Aufl., § 21 WEG Rn. 60). Ganz überwiegend werden die Erwägungen der Gesetzesbegründung in diesem Punkt als Versehen eingeordnet, weil die Einbeziehung von Unterlassungspflichten mit dem Wortlaut der Vorschrift unvereinbar sei (Heinemann in Jennißen, WEG, 5. Aufl., § 21 Rn. 115; Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl., § 21 Rn. 138; T. Spielbauer in Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl., § 21 Rn. 79; BeckOK WEG/Müller [1.2.2019], § 15 Rn. 91.9; BeckOK WEG/Elzer [1.2.2019], § 21 Rn. 385; Abramenko, ZWE 2012, 386, 388; v. Schledorn, ZWE 2018, 330 f.). Teilweise wird insgesamt in Abrede gestellt, dass § 21 Abs. 7 WEG als Grundlage für die Einführung von Vertragsstrafen dienen kann (Schmid, ZWE 2011, 347, 348; dagegen Vandenhouten in Niedenführ/Vandenhouten, WEG, 12. Aufl., § 21 Rn. 138).

 

3. Nach Ansicht des Senats erfasst § 21 Abs. 7 WEG nicht die Einführung von Vertragsstrafen für Verstöße gegen Vermietungsbeschränkungen; ein darauf bezogener Mehrheitsbeschluss ist mangels Beschlusskompetenz nichtig.

 

a) Ob § 21 Abs. 7 WEG überhaupt die Beschlusskompetenz für die Einführung von Vertragsstrafen entnommen werden kann, und wenn ja, unter welchen Voraussetzungen, bedarf keiner Entscheidung. Auszugehen ist nämlich von der Überlegung, dass Vertragsstrafen, die auf die Einhaltung von Vermietungsbeschränkungen bezogen sind, Verstöße gegen eine Unterlassungspflicht sanktionieren sollen. Der Wohnungseigentümer soll es unterlassen, Vermietungen vorzunehmen, wenn die erforderliche Zustimmung des Verwalters nicht vorliegt. Fallgestaltungen dieser Art erfasst der Wortlaut des § 21 Abs. 7 WEG eindeutig nicht. Soweit den Wohnungseigentümern in § 21 Abs. 7 Alt. 1 WEG erlaubt wird, „die Art und Weise von Zahlungen, der Fälligkeit und der Folgen des Verzugs“ durch Stimmenmehrheit zu regeln, spricht schon viel dafür, dass sich diese Fallgruppe nur auf Zahlungspflichten bezieht (so Lehmann-Richter, ZfIR 2018, 336). Unterlassungspflichten werden jedenfalls nicht erfasst. Insoweit geht es nämlich nicht um eine Regelung von Verzugsfolgen, weil ein Verstoß gegen eine Unterlassungspflicht in der Regel - und so auch hier - nicht den Eintritt des Verzugs, sondern die Unmöglichkeit zur Folge hat (näher Staudinger/Löwisch/Feldmann, BGB [2014], vor §§ 286-292 Rn. 21 f.). Aus diesem Grund knüpft die Verwirkung einer Vertragsstrafe im Falle einer Unterlassungspflicht gemäß § 339 Satz 2 BGB gerade nicht an den Verzug, sondern an die Zuwiderhandlung an (vgl. BGH, Urteil vom 29. Juni 1972 - II ZR 101/70, NJW 1972, 1893, 1895). Dementsprechend enthält der Beschluss vom 5. Juni 2012 - wie das Berufungsgericht zutreffend hervorhebt - keine Regelung über Verzugsfolgen; vielmehr ist die Vertragsstrafe mit der Zuwiderhandlung (nämlich dem Abschluss des Mietvertrags ohne die erforderliche Zustimmung der Verwalterin) verwirkt.

 

b) Zu Recht sieht das Berufungsgericht § 21 Abs. 7 WEG auch insoweit nicht als einschlägig an, als über die Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums oder für einen besonderen Verwaltungsaufwand mit Stimmenmehrheit beschlossen werden kann. Die Zahlungspflicht knüpft offenkundig weder an eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums noch an einen besonderen Verwaltungsaufwand an. Sie hat vielmehr Strafcharakter und soll die Wohnungseigentümer dazu anhalten, ihrer Pflicht zur Einholung der Zustimmung nachzukommen.

 

c) Da § 21 Abs. 7 WEG nach seinem Wortlaut eindeutig nicht anwendbar ist, lässt sich ein anderes Ergebnis mit der von der Revision vornehmlich herangezogenen Gesetzesbegründung nicht rechtfertigen. Dort ist lediglich ein unglückliches Beispiel gewählt worden. Ohne Erfolg verweist die Revision darauf, dass der Senat die Anwendung von § 21 Abs. 7 WEG auf Umzugskostenpauschalen unter Heranziehung der Gesetzesbegründung gebilligt hat (Senat, Urteil vom 1. Oktober 2010 - V ZR 220/09, ZMR 2011, 141 Rn. 8). Denn Umzugskostenpauschalen lassen sich - anders als Vertragsstrafen der in Rede stehenden Art - als „Kosten für eine besondere Nutzung des gemeinschaftlichen Eigentums“ im Sinne von § 21 Abs. 7 Alt. 2 WEG einordnen (eingehend Senat, Urteil vom 1. Oktober 2010 - V ZR 220/09, ZMR 2011, 141 Rn. 9).

 

d) In der Sache kann Verstößen gegen vereinbarte Vermietungsbeschränkungen durch den vorbeugenden Unterlassungsanspruch begegnet werden. Von dieser Möglichkeit haben die Wohnungseigentümer hier (mit dem nicht mehr in die Revisionsinstanz gelangten Teil des Klagebegehrens) erfolgreich Gebrauch gemacht. Damit ist im Wiederholungsfall die Grundlage für die Verhängung eines Ordnungsgelds gelegt.

 

III.

 

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.