Benennung der wesentlichen Eigenschaften der Waren im
Online-Shop und substantieller Unterlassungstitel
OLG Hamm, Beschlüsse vom 14.03.2017 -
4 W 34/16 - und - 4 W 35/16 -
Kurze Inhaltsangabe:
§ 312j Abs. 2 BGB iVm. Art 246a § 1 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EGBGB verpflichten den Unternehmer bei einem Verbraucher im elektronischen Geschäftsverkehr vor der Bestellung des Verbrauchers diesen über
die wesentlichen Eigenschaften Informationen über die Waren bzw. Dienstleistungen in angemessener und klar verständlich in hervorgehebener Weise zur Verfügung stellen.
Sie Schuldnerin stellte das Produkt ohne Abbildung in der Warenkorbansicht wie folgt dar: „GLATZ `Sunwing´ Schirm 260x260cm, Stoffklasse 5“. Dies führte zur im Rahmen eines einstweiligen
Verfügungsverfahrens zur Verurteilung der Schuldnerin wegen Verstoßes gegen die vorgenannten Bestimmungen auf Unterlassung. Im Rahmen des jetzigen Ordnungsmittelantrages beanstandete die
Gläubigern, dass die Warenkorbansicht mit der Schaltfläche „Kaufen“ das Produkt (mit Abbildung) nur wie folgt beschrieben habe: „Alu-Marktschirm 'Sahara' Ø300cm, terrakotta Sonnenschirm mit
komfortablem Kurbelantrieb. Wasserabweisender Polyesterbezug terrakottafarben mit Volants. Kartonverpackt.“ Das Landgericht sah darin einen Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung und verhängte
ein Ordnungsgeld von € 500,00. Dagegen legten beide Parteien Beschwerde ein, die Gläubigerin mit den Zielen, das Ordnungsgeld und den Streitwert auf €
5.000,00 heraufsetzen zu lassen, die Schuldnerin mit dem Ziel, den Ordnungsgeldbeschluss aufzuheben.
Das OLG hob den Ordnungsgeldbeschluss auf und setzte den Wert auf € 5.000,00 fest. Die Warenkorbansicht erweise sich entgegen der Ansicht des Landgerichts letztlich als gesetzeskonform.
Es zweifelte bereits an der Zuwiderhandlung, da das Landgericht in der dem Verfahren zugrundeliegenden Unterlassungsverfügung nicht angegeben hat, welche konkreten Angaben es in der damaligen
Warenkorbansicht vermisst habe. Das spräche dafür, dass nur die dortige Darstellung als nicht gesetzeskonform gewertet worden wäre, mit der Folge, dass andere Formulierungen nicht betroffen sind.
Denn andernfalls müsste im (hiesigen) Ordnungsmittelverfahren die materiell-rechtlich unbeantwortet gebliebene Frage nach dem inhaltlichen Umfang der hier in Rede stehenden Informationspflicht
geklärt werden, was einem Vollstreckungsverfahren fremd ist.
Allerdings ließ es das OLG auf sich beruhen, ob die Gläubigerin aus dem Titel für den vorliegenden Fall überhaupt ein Ordnungsgeld ableiten könnte, da nach Ansicht des OLG die im
Ordnungsgeldverfahren gerügte Darstellung gesetzeskonform sei. Gefordert würde eine detaillierte übersichtliche Beschreibung ohne Weitschweifigkeit, aus der der Verbraucher die maßgeblichen
Kriterien für seine Bestellentscheidung entnehmen könne. Die Form des Sonnenschirms ergäbe sich ebenso wie die Farbe aus der farbigen Abbildung, das Material (Alu für Aluminium) und die
Spannbreite, die Farbe des Schirms, das Material der Bespannung und der Mechanismus zum Aufspannen aus den Textangaben. Damit wären die wesentlichen Angaben benannt. Entgegen der Auffassung des
OLG Hamburg (Beschluss vom 13.08.2014 - 5 W 14/14 -) müsste das Gewicht des Schirmes nicht angegeben werden. Es sei bekannt, dass es sich bei einem Sonnenschirm (ohne Schirmständer) um einen eher
schweren Gegenstand handele, der aber von einem Menschen mit durchschnittlicher körperlicher Konstitution mit maßvollem Kräfteeinsatz getragen werden könne. Es sei nicht erkennbar, dass dies hier
anders sein sollte, zumal das Gestell aus Aluminium sei. Auch wenn es einige Verbraucher interessieren könnte, wie schwer der Schirm ist, würde es sich nicht um wesentliche Eigenschaften im Sinne
der Vorschriften handeln.
Bei dem Gegenstandswert sei auf das Interesse des Gläubigers abzustellen, § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG. Anzusetzen sei damit der Wert der Hauptsache aus dem Verfügungsverfahren, hier € 5.000,00.
Aus den Gründen:
Tenor
I. Entscheidung im Beschwerdeverfahren I-4 W 35/16
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Ordnungsmittelbeschluss der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg vom 18.12.2015 (in der Fassung des Beschlusses
des Landgerichts vom 02.03.2016) wird zurückgewiesen.
Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Ordnungsmittelbeschluss der 1. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Arnsberg vom 18.12.2015 (in der Fassung des
Beschlusses des Landgerichts vom 02.03.2016) abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Der Ordnungsmittelantrag der Gläubigerin vom 12.11.2015 wird zurückgewiesen.
Die Gläubigerin trägt die Kosten des Ordnungsmittelverfahrens beider Instanzen.
II. Entscheidung im Beschwerdeverfahren I-4 W 34/16
Auf die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin wird die Festsetzung des Gegenstandswertes in dem Ordnungsmittelbeschluss der 1. Kammer für Handelssachen des
Landgerichts Arnsberg vom 18.12.2015 (in der Fassung des Beschlusses des Landgerichts vom 02.03.2016) abgeändert.
Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit im Ordnungsmittelverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.
Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.
Gründe
A.
Das Landgericht verurteilte die Schuldnerin am 24.02.2014 im Wege der einstweiligen Verfügung u.a., es zu unterlassen,
im elektronischen Geschäftsverkehr Sonnenschirme und das entsprechende Zubehör an Verbraucher zu verkaufen, ohne, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, klar
und verständlich in hervorgehobener Weise die Information über die wesentlichen Merkmale der Ware zur Verfügung zu stellen.
Dieser Verurteilung zugrunde lag eine Gestaltung des Online-Shops der Schuldnerin, bei der ein in den "elektronischen Warenkorb" eingelegtes Produkt in der "Warenkorbansicht", die
zugleich die Schaltfläche zur Abgabe der Bestellerklärung ("Kaufen") enthielt, wie folgt beschrieben wurde (ohne Abbildung des Produktes):
Das Landgericht sah hierin einen Verstoß gegen die Regelung in § 312g Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. iVm Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB a.F.
Mit ihrem Ordnungsmittelantrag beanstandete die Gläubigerin eine "Warenkorbansicht" mit der "Kaufen"-Schaltfläche, in der ein ausgewähltes Produkt - neben einer Abbildung des
Produktes - wie folgt beschrieben wurde:
"Alu-Marktschirm 'Sahara' Ø300cm, terrakotta
Sonnenschirm mit komfortablem Kurbelantrieb. Wasserabweisender Polyesterbezug terrakottafarben mit Volants. Kartonverpackt."
Das Landgericht sah hierin eine Zuwiderhandlung gegen das oben wiedergegebene Unterlassungsgebot. Mit Beschluss vom 18.12.2015 setzte es gegen die Schuldnerin ein Ordnungsgeld in
Höhe von 500,00 EUR, ersatzweise einen Tag Ordnungshaft, fest. Den Gegenstandswert des Ordnungsmittelverfahrens setzte das Landgericht ebenfalls auf 500,00 EUR fest.
Gegen die Ordnungsmittelfestsetzung wenden sich die Gläubigerin und die Schuldnerin mit ihren jeweils form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerden. Die Gläubigerin
begehrt eine Heraufsetzung des Ordnungsgeldes auf 5.000,00 EUR; die Schuldnerin ist der Auffassung, es liege keine Zuwiderhandlung gegen das Unterlassungsgebot vor. Diese beiden
sofortigen Beschwerden sind Gegenstand des Beschwerdeverfahrens I-4 W 35/16.
Darüber hinaus wenden sich die Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin mit einem von ihnen als "Streitwertbeschwerde" bezeichneten Rechtsmittel gegen die Festsetzung des
Gegenstandswertes für das Ordnungsmittelverfahren, sie begehren eine Heraufsetzung dieses Wertes auf 5.000,00 EUR. Diese "Streitwertbeschwerde" ist Gegenstand des
Beschwerdeverfahrens I-4 W 34/16.
Mit Beschluss vom 02.03.2016 setzte das Landgericht das Ordnungsgeld auf 1.000,00 EUR, ersatzweise zwei Tage Ordnungshaft, herauf; den "Streitwert" des Ordnungsmittelverfahrens
setzte es ebenfalls auf 1.000,00 EUR herauf. Im Übrigen half es den eingelegten Rechtsmitteln nicht ab.
B.
I. Beschwerdeverfahren I-4 W 35/16
Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist unbegründet; die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist begründet und führt zur Zurückweisung des Ordnungsmittelantrages.
1. Die Voraussetzungen für die Verhängung von Ordnungsmitteln nach § 890 ZPO liegen nicht vor. Es
fehlt an einer Zuwiderhandlung gegen das vom Landgericht im Wege der einstweiligen Verfügung ausgesprochene Unterlassungsgebot.
a) Es spricht bereits vieles dafür, dass von dem gerichtlich ausgesprochenen Unterlassungsgebot nur
solche "Warenkorbansichten" - als kerngleiche Verstöße - erfasst werden, die sich auf diejenigen Merkmalsangaben beschränken, die in der der Verurteilung zugrundeliegenden
"Warenkorbansicht" enthalten waren, und "Warenkorbansichten", die - wie die im Ordnungsmittelantrag bezeichnete Ansicht - weitergehende Angaben enthalten, ungeachtet der Frage
ihrer Gesetzeskonformität nicht als Zuwiderhandlung gegen das gerichtliche Unterlassungsgebot gewertet werden können. Denn das Landgericht hat weder in der Urteilsformel noch in
den Entscheidungsgründen seines Urteils angegeben, welche konkreten Angaben es in der damals streitgegenständlichen "Warenkorbansicht" vermisst hat. Dies spricht dafür, dass die
Entscheidung des Landgerichts - und damit auch ihr vollstreckungsfähiger Inhalt - sich auf das Erkenntnis beschränkt, dass die damals streitgegenständliche Internetansicht den
gesetzlichen Vorgaben nicht entsprach. Anderenfalls müsste - was mit den Aufgaben und der Struktur des Zwangsvollstreckungsverfahrens indes kaum vereinbar wäre - die im
Verfügungsverfahren (Anordnungsverfahren) unbeantwortet gelassene materiell-rechtliche Frage nach dem inhaltlichen Umfang der hier in Rede stehenden gesetzlichen
Informationspflicht nachträglich im Ordnungsmittelverfahren einer Klärung zugeführt werden.
b) Letztlich kann dies indes dahinstehen. Denn die mit dem Ordnungsmittelantrag beanstandete
"Warenkorbansicht" erweist sich letztlich als gesetzeskonform.
Nach § 312j Abs. 2 BGB iVm Art. 246a § 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EGBGB (vormals: § 312g Abs. 2 Satz 1 BGB a.F. iVm Art. 246 § 1 Abs. 1 Nr. 4 EGBGB a.F.) muss der Unternehmer dem
Verbraucher bei einem Verbrauchervertrag im elektronischen Geschäftsverkehr, unmittelbar bevor der Verbraucher seine Bestellung abgibt, Informationen über die wesentlichen
Eigenschaften der Waren oder Dienstleistungen in dem für das Kommunikationsmittel angemessenen Umfang klar und verständlich in hervorgehobener Weise zur Verfügung stellen.
Diesen Anforderungen genügt die mit dem Ordnungsmittelantrag beanstandete "Warenkorbansicht". Sie informiert den Betrachter über die wesentlichen Eigenschaften der von ihm
ausgewählten Ware. Gefordert ist nach der gesetzlichen Regelung eine detaillierte und übersichtliche Beschreibung ohne Weitschweifigkeit, aus der der Verbraucher die für seine
Bestellentscheidung maßgeblichen Merkmale entnehmen kann (Palandt/Grüneberg, BGB, 76. Aufl. [2017], Art. 246a § 1 EGBGB Rdnr. 3 iVm Art. 246 EGBGB Rdnr. 5). Die im
Ordnungsmittelverfahren verfahrensgegenständliche "Warenkorbansicht" gibt dem Verbraucher unmittelbar vor der Abgabe seiner Bestellerklärung übersichtlich Auskunft über die Form
des Sonnenschirms (ergibt sich aus der Abbildung), über das Material des Gestells ("Alu" = Aluminium), über die Farbe des Gestells (ergibt sich aus der von der Gläubigerin
lediglich in schwarz-weiß ausgedruckten, im Original indes zweifellos farbigen Abbildung), über die Größe der Schirmbespannung ("Ø300cm"), über die Farbe der Schirmbespannung
("terrakotta"), über das Material der Schirmbespannung ("Polyester") und über den Mechanismus zum Aufspannen des Schirms ("Kurbelantrieb"). Damit sind alle wesentlichen
Eigenschaften des in den "Warenkorb" eingelegten Schirms genannt. Der Auffassung des Oberlandesgerichts Hamburg (OLG Hamburg, MMR 2014, 818), zu den wesentlichen Eigenschaften
eines Sonnenschirms gehöre auch dessen Gewicht, vermag sich der Senat nicht anzuschließen. Es ist allgemein bekannt, dass es sich bei einem Sonnenschirm (ohne Schirmständer) um
einen eher schweren Gegenstand handelt, den indes ein Mensch mit einer durchschnittlichen körperlichen Konstitution mit maßvollem Kräfteeinsatz tragen kann; es ist nicht
erkennbar, dass dies bei dem hier verfahrensgegenständlichen Schirm anders sein sollte, zumal sein Gestell aus Aluminium besteht. Die Angabe eines konkreten Gewichtes mag
vielleicht den einen oder anderen Verbraucher interessieren, zu den "wesentlichen Eigenschaften" im Sinne der hier einschlägigen gesetzlichen Regelung gehört das konkrete Gewicht
indes nicht.
2. Die Kostenentscheidung beruht auf § 891 Satz 3, § 91 Abs. 1 Satz 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Für eine Ermäßigung oder Nichterhebung der im Beschwerdeverfahren anfallenden Gerichtsgebühr nach Nr. 2121 des Kostenverzeichnisses zum GKG besteht kein Anlass.
II. Beschwerdeverfahren I-4 W 34/16
1. Das von den Verfahrensbevollmächtigten der Gläubigerin als "Streitwertbeschwerde" bezeichnete
Rechtsmittel ist als Beschwerde nach § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG statthaft und auch im Übrigen zulässig. Im vorliegenden Ordnungsmittelverfahren bedarf es lediglich der Festsetzung des
Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit (§ 33 Abs. 1 RVG). Ein Streitwert (im Sinne des GKG) für die Gerichtsgebühren ist nicht festzusetzen, weil im Ordnungsmittelverfahren keine wertabhängigen Gerichtsgebühren anfallen.
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Sie führt zur Festsetzung eines Gegenstandswertes für das
Ordnungsmittelverfahren in Höhe von 5.000,00 EUR.
Maßgebend für die Festsetzung des Gegenstandswertes ist hier die Regelung in § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG. Nach § 25 Abs. 1 Nr. 3 RVG bestimmt sich der Gegenstandswert nach dem Wert, den
die zu erwirkende Unterlassung für den Gläubiger hat. Hierbei handelt es sich nach mittlerweile ständiger Rechtsprechung des Senats um nichts anderes als um eine Umschreibung für
den Wert der Hauptsache bzw. - im Falle der Vollziehung einer einstweiligen Verfügung - für den Streitwert des vorangegangenen Verfügungsverfahrens (Anordnungsverfahrens) (Senat,
Beschluss vom 31.07.2015 - I-4 W 86/14 - <juris>). Festzusetzen ist der volle Anspruchswert und nicht lediglich ein Bruchteil dieses Wertes (Senat, a.a.O., m.w.N.).
Das Landgericht hatte den (Gesamt-)Streitwert des Verfügungsverfahrens (Anordnungsverfahrens), das neben dem hier verfahrensgegenständlichen Unterlassungsanspruch noch vier
weitere Ansprüche zum Gegenstand hatte, mit Beschluss vom 24.02.2014 in nicht zu beanstandender Weise auf 25.000,00 EUR festgesetzt, wobei auf den hier verfahrensgegenständlichen
Unterlassungsanspruch ein (Einzel-)Streitwert von 5.000,00 EUR entfiel.
Nach den eingangs genannten Grundsätzen ist damit der letztgenannte Wert (5.000,00 EUR) als Gegenstandswert des vorliegenden Ordnungsmittelverfahrens festzusetzen; dieser Wert ist
damit im Übrigen auch der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens I-4 W 35/16.
3. Das Beschwerdeverfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet (§ 33 Abs. 9 RVG).