Beitragspflicht für Schmutzwasserableitung trotz fehlenden
Anschlusses bei Friedhof mit Kapelle ?
VG Cottbus, Urteil vom 08.06.2020
- 4 K 1129/19 -
Kurze Inhaltsangabe:
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, welches als Friedhof genutzt wurde und mit einer Kapelle bebaut war. Der Beklagte verlangte von ihr mit Bescheid vom 13.11.2017
Schmutzwasserbeitrag, wobei er von einer beitragspflichtigen Grundstücksfläche von 525qm (bei einer Gesamtgrundstücksfläche von 6.814qm) sowie einer zulässigen Vollgeschossen von 1,00 ausging.
Der Widerspruch der Klägerin wurde zurückgewiesen. Mit ihrer Klage machte die Klägerin geltend, dass ein Abwasseranschluss nicht vorhanden sei und auch keine Anlagen vorhanden seien,
für die ein solcher benötigt würde. Die Klage war erfolgreich.
Rechtsgrundlage des Bescheides war die auf §§ 1, 2 und 8 KAG Brandenburg beruhende Schmutzwasserbeitragssatzung (SWBS) gewesen. Das Verwaltungsgericht (VG) negierte eine Beitragspflicht nach § 3
Abs. 1, 2 SWBS, wonach der Beitragspflicht Grundstücke unterliegen, die an die zentrale öffentliche Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung angeschlossen werden können und für die eine bauliche oder
gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich genutzt werden dürfen, oder eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie aber nach der
Verkehrsauffassung Bauland sind und baulich oder gewerblich genutzt werden dürfen, oder bereits eine bauliche oder gewerbliche Nutzung unterliegen oder bereits an die
Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen wären. Die Beitragspflicht würde aber bei Bestehen einer tatsächlichen Anschlussmöglichkeit bei einem (wie hier) im Außenbereich belegenen Grundstück
nur entstehen, wenn durch für das Grundstück ein wirtschaftlicher Vorteil entstünde.
Eine Anschlussmöglichkeit bejahte das VG vorliegend für das im Auß0enbereich belegene Grundstück. Es sei auch mit einer Kapelle bebaut. Allerdings würde der notwendige wirtschaftliche Vorteil
nicht bestehen, § 3 Abs. 2 S. 2 SWBS. Weder würde für das als Friedhof mit einer Kapelle genutzte Grundstück eine größere Ausnutzbarkeit entstehen, noch eine erstmalige Bebauungsmöglichkeit. Auch
die tatsächlich bestehende Bebauung ändere nichts daran, dass für das Grundstück im Außenbereich grundsätzlich kein Baurecht bestünde, § 35 BauGB. Damit würde ersichtlich keine Abwasserrelevanz
bestehen.
Auch wenn bei Parkhäusern wegen typischerweise vorhandener Toilettenanlagen (OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 21.12.1993 - 2 L 135/92 -) und bei Grundstücken mit Kirchen aus diesem Grund ein
voller wirtschaftlicher Vorteil angenommen würde, ergäbe sich etwas anderes bei einer Bebauung, die nur eines Teilanschlusses bedürfe. Dies sei z.B. bei einzelnen Garagen der Fall, die nur
der Unterstellung des Fahrzeuges dienen würden. Bei Campingplätzen u.ä. käme es darauf an, ob diese zur Erfüllung ihres Zwecks auf Anlagen angewiesen seien, in denen typischerweise Abwasser
anfalle.
Gemessen daran sei für einen Friedhof eine Abwasserrelevanz nicht zu sehen. Der in der Literatur vertretenen Rechtsansicht bei Friedhöfen mit Leichenhallen oder Kapellen, die in diesen Fällen
eine Abwasserrelevanz sehen würden, würde nicht gefolgt. Bei einer Kapelle ohne Vorrichtung, die einen Schmutzwasseranfall zur Folge haben könnte, sei eine Abwasserrelevanz nicht zu sehen.
Sie diene nur dem kurzfristigen Aufenthalt von Friedhofbesuchern und habe keinen Zweck, der die Vorhaltung von Toilettenanlagen erforderlich mache, was auch für einen Friedhof als solchen gelte.
Aus den Gründen:
Tenor
Der Schmutzwasserbeitragsbescheid vom 13.11.2017 (Bescheidnummer: SB 2...) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2019 wird aufgehoben.
Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Der Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung
Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Tatbestand
Die Klägerin wendet sich gegen ihre Heranziehung zu einem Schmutzwasserbeitrag. Beklagt ist der V...(MAWV).
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Grundstücks, das sich unter der postalischen Adresse B... in K... Ortsteil K... (Flurstücke 1..., 1... der Flur 3... der Gemarkung K...) befindet. Das
Grundstück wird als Friedhof genutzt und ist mit einer Kapelle bebaut.
Der MAWV gilt ausweislich der Feststellungen des Landrates des Landkreises D...in seinem Feststellungsbescheid vom 26.06.2000 nach den Bestimmungen des Gesetzes zur rechtlichen Stabilisierung der
Zweckverbände für Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung (ZwVerbStabG) vom 06.07.1998 (GVBl. I S. 162) als am 01.05.1994 entstanden. K... trat dem MAWV im zum 01.01.2003 bei.
Mit Bescheid vom 13.11.2017 veranlagte der Beklagte die Klägerin für das benannte Grundstück zu einem Schmutzwasserbeitrag in Höhe von 1.701,00 Euro. Er ging dabei von einer beitragspflichtigen
Grundstücksfläche von 525 m² (Gesamtgrundstücksfläche: 6.814 m²) und einer Anzahl zulässiger Vollgeschosse von 1,00 aus.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin am 12.12.2017 Widerspruch.
Mit Widerspruchsbescheid vom 29.07.2019 wies der Beklagte den Widerspruch zurück.
Die Klägerin hat am 27.08.2019 Klage erhoben.
Sie führt aus, das Grundstück sei im Außenbereich belegen und nur mit einer kleinen Friedhofskapelle bebaut. Ein Abwasseranschluss sei nicht vorhanden. Auf dem Grundstück befänden sich auch keine
Anlagen, für die ein Abwasseranschluss benötigt werde. Die Wasserversorgung erfolge über einen Brunnen.
Die Klägerin beantragt,
den Schmutzwasserbeitragsbescheid vom 13.11.2017 (Bescheidnummer: SB 2...) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2019 aufzuheben.
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er verteidigt die angegriffenen Bescheide.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die jeweils Gegenstand der Entscheidungsfindung waren.
Entscheidungsgründe
I. Das Gericht entscheidet gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
II. Die zulässige Klage ist begründet.
Der angefochtene Schmutzwasserbeitragsbescheid vom 13.11.2017 (Bescheidnummer: SB 2...) in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29.07.2019 ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren
Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
1. Rechtsgrundlage des Bescheides ist die Schmutzwasserbeitragssatzung des MAWV vom 04.09.2014 (SWBS 2014 III), die sich Rückwirkung zum 01.01.2013 beimisst und jedenfalls den
Widerspruchsbescheid in zeitlicher Hinsicht erfasst. Die auf den §§ 1, 2, 8 des Kommunalabgabengesetzes für das Land Brandenburg (KAG) beruhende Satzung wurde ordnungsgemäß bekannt gemacht
im Amtsblatt für den Landkreis D... vom 17.09.2014 auf S. 35 ff., im Amtsblatt für den Landkreis T... vom 10.09.2014 auf S. 29 ff. sowie im Amtsblatt für den Landkreis O... vom
20.09.2014 auf S. 19 ff. Auch im Übrigen lässt die Satzung keine offenkundigen Fehler erkennen. Die Kammer schließt sich insoweit der Rechtsprechung der 6. Kammer des Verwaltungsgerichts
C... an, welche die Satzung bereits für gültig befunden hat (vgl. VG Cottbus, Urteil vom 27. November 2014 – 6 K 230/14 –, juris Rn. 20 ff.).
2. Das hier veranlagte Grundstück unterliegt indes (noch) nicht der Beitragspflicht gemäß § 3 Abs. 1, 2 SWBS 2014 III. Hiernach unterliegen der Beitragspflicht Grundstücke, die an die
zentrale öffentliche Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung angeschlossen werden können und für die a) eine bauliche oder gewerbliche Nutzung festgesetzt ist, sobald sie bebaut oder gewerblich
genutzt werden dürfen, b) eine bauliche oder gewerbliche Nutzung nicht festgesetzt ist, wenn sie nach der Verkehrsauffassung Bauland sind und baulich oder gewerblich genutzt werden dürfen,
c) bereits eine bauliche oder gewerbliche Nutzung besteht.
Wird ein Grundstück an die zentrale öffentliche Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung tatsächlich angeschlossen, so unterliegt es der Beitragspflicht auch dann, wenn die Voraussetzungen des
Absatzes 1 nicht erfüllt sind. Befindet sich das Grundstück im Außenbereich, unterliegt es der Beitragspflicht, soweit für dieses die Möglichkeit einer Inanspruchnahme der zentralen öffentlichen
Schmutzwasserbeseitigungseinrichtung besteht und dem Grundstück dadurch ein wirtschaftlicher Vorteil entsteht.
Das Grundstück ist nicht an die öffentliche Schmutzwasserbeseitigungsanlage angeschlossen, es besteht aber eine Anschlussmöglichkeit.
Das Grundstück ist tatsächlich mit einer Kapelle bebaut, befindet sich indes unstreitig im Außenbereich. Der demnach gemäß § 3 Abs. 2 S. 2 SWBS 2014 III für die Entstehung einer
sachlichen Beitragspflicht notwendige wirtschaftliche Vorteil besteht hier nicht. Weder wird dem Grundstück, das als Friedhof mit einer Kapelle genutzt wird durch die Anschlussmöglichkeit an die
Schmutzwasserbeseitigungsanlage eine größere bauliche Ausnutzbarkeit, noch eine erstmalige Bebauungsmöglichkeit eröffnet. Als Grundstück im Außenbereich gemäß § 35 BauGB besteht
grundsätzlich kein Baurecht für das Grundstück, woran auch die bereits tatsächlich vorhandene Bebauung nichts ändert. Auch hat das Grundstück ersichtlich keine Abwasserrelevanz.
Zwar sind Grundstücke für ihre Erschließung auch auf Abwasserentsorgung angewiesen. So bedarf z.B. ein als Parkhaus genutztes und auch nicht anders nutzbares Grundstück zu seiner Erschließung der
Vollanschlussmöglichkeit. Dies gilt schon deshalb, weil Parkhäuser typischerweise Toilettenanlagen aufweisen und deshalb Wasser benötigt bzw. Schmutzwasser anfallen kann
(vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 21. Dezember 1993 – 2 L 135/92 –, juris). Aus denselben Gesichtspunkten sollen auch Grundstücken, die mit
Kirchen bebaut sind, ein voller wirtschaftlicher Vorteil geboten werden (Dietzel in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Bd. II, § 8 Rn. 538, m.w.N.). Dass im Verhältnis zur gesamten baulichen
Nutzung Schmutzwasser nur in geringem Umfang anfällt, ist nach dem Vorteilsverständnis des brandenburgischen KAG unerheblich. Einschränkungen für den wirtschaftlichen Vorteil können indessen aus
der Eigenart der Bebauung, zu deren Verwirklichung es nur einer Teilanschlussmöglichkeit bedarf, folgen. So ist z.B. ein nur mit einer Garage bebautes und auch/bzw. nur bebaubares Grundstück zur
Verwirklichung seiner Nutzung typischerweise – im Einzelfall kann es anders sein – nicht auf eine Anschlussmöglichkeit an die Wasserversorgung oder Abwasserentsorgung angewiesen. Denn Garagen
dienen typischerweise zum Abstellen von Kraftfahrzeugen. Anders liegt es etwa, wenn die Garage durch Schaffen eines Wasser- bzw. Abwasseranschlusses bzw. von Vorrichtungen die einen
(potentiellen) Wasserbedarf bzw. eine (potentielle) Abwasserrelevanz auslösen verwandt wird bzw. verwandt werden kann (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 26. September 1984 – 2 A 2668/82 –
nicht veröffentlicht). Bei nicht im herkömmliche Sinne bebaubaren Grundstücken, deren Nutzung aber kraft gesetzlicher Fiktion als bauliche Nutzung gilt (etwa Campingplätze, Wochenendplätze und
Zeltplätze), soll es demgegenüber darauf ankommen, ob sie zur Erfüllung ihres Zweckes auf die Errichtung von baulichen Anlagen, in denen typischerweise Abwasser anfällt, angewiesen sind (Dietzel
in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Bd. II, § 8 Rn. 538).
Gemessen hieran kann für eine Kapelle ohne Schmutzwasseranfall (etwa durch eine Toilettenanlage o.Ä.) kein Vorteil in der Anschlussmöglichkeit gesehen werden. Auch für die Hauptnutzung des
Grundstücks als Friedhof ist eine Abwasserrelevanz nicht ersichtlich. Soweit dies in der Literatur (siehe Dietzel in Driehaus, Kommunalabgabenrecht, Bd. II, § 8 Rn. 538) für etwa Friedhöfe
mit Leichenhallen oder Kapellen anders gesehen wird, wird dem nicht gefolgt. Bei einer Kapelle ohne Vorrichtung, die einen potentiellen Schmutzwasseranfall bedingt, ist eine Abwasserrelevanz
nicht ersichtlich. Sie dient regelmäßig lediglich dem kurzfristigen Aufenthalt der Friedhofsbesucher und hat ersichtlich keinen Zweck, der die Vorhaltung etwa einer Toilettenanlage notwendig
macht oder anderen Schmutzwasseranfall herbeiführt. Gleiches gilt auch für einen Friedhof an sich. Dies mag im Einzelfall anders liegen, etwa wenn dem Friedhof ein Gärtnereibetrieb angeschlossen
ist oder er über eine schmutzwasserrelevante Vorrichtung (Toiletten o.Ä.) verfügt. So liegt es hier indes nicht.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
IV. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung.