Versicherungsrecht


Kaskoversicherung: Nach Diebstahl fehlerhafte Verneinung zur Frage nach Vermögensauskunft

OLG Dresden, Hinweisbeschluss vom 18.04.2024 - 4 U 67/24 -

Kurze Inhaltsangabe mit Anmerkung:

 

Der Kläger hatte bei der Beklagten für sein Quad eine Kaskoversicherung abgeschlossen. Dieses wurde nach seiner Behauptung am gestohlen und er hatte am 05.12.2019 Anzeige wegen Diebstahl erstattet. Ein Beauftragter der Beklagten befragte den Beklagten am 25.03.2020, so (Frage 8), ob er allgemeine finanzielle Schwierigkeiten habe, eine eidesstattliche Versicherung oder die Vermögensauskunft abgegeben habe (wobei auch angegeben werden konnte, dass keine Vermögensauskunft abgegeben worden sei), was de Beklagte mit „Nein“ beantwortete. Im Schuldnerverzeichnis war allerdings die Nichtabgabe der Vermögensauskunft in 2018 durch Kläger vermerkt. Die Beklagte versagte den Versicherungsschutz. Das Landgericht wies die Klage des Versicherungsnehmers ab; auf seien Berufung wies das OLG nach § 522 ZPO darauf hin, dass beabsichtigt sei, diese wegen offensichtlicher Erfolglosigkeit zurückzuweisen.

 

Dabei könne, so das OLG, dahinstehen, ob überhaupt ein Diebstahl vorläge. Die Versagung der Vermögensauskunft sei wegen vorsätzlicher Obliegenheitspflichtverletzung des Klägers im Hinblick auf die Angabe zur Nichtabgabe der Vermögensauskunft berechtigt gewesen.

 

Ein Versicherungsnehmer ist nach § 28 Abs. 4 VVG über die Folgen einer Verletzung einer vertraglichen Obliegenheit zu belehren, was vorliegend in Textform im Rahmen der Befragung erfolgt sei (weshalb es in Ansehung der Arglist des Klägers auf die Belehrung auch nicht ankäme). Schon in den vertraglich vereinbarten AKB der Beklagten sei ausgeführt, dass Fragen der Beklagten „zu den Umständen des Schadensereignissees, zum Umfang des Schadens und zur Leistungspflicht der Beklagten wahrheitsgemäß und vollständig beantwortet werden müssten. Hier habe der Beklagte bei der Beantwortung der Frage 8 verschwiegen, dass er die Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802 c ZPO verweigert habe und die gem. § 882c Abs. 1 Nr. 1 ZPO in das Schuldnerverzeichnis eingetragen worden sei. Es läge auch Vorsatz vor, der zwar von dem Versicherer zu beweisen wäre, wobei allerdings dem Versicherungsnehmer die Substantiierungslast treffe. Der Versicherungsnehmer müsse mithin die in seiner Sphäre liegenden Umstände dartun und der Nachprüfung zugänglich machen, die zu der objektiven Falschangabe geführt hätten. Hier sei die Fragestellung eindeutig gewesen und der Kläger habe auch nach der Zusendung des Protokolls keine Berichtigung vorgenommen, auch keine Rückfragen gestellt, sondern das Protokoll unterschrieben. Seine Behauptung, mit der Fragestellung habe man ihn „aufs Glatteis“ führen wollen sei – so das OLG – abwegig.  

 

Arglist läge vor, wenn der Versicherungsnehmer bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirke, wenn er also vorsätzlich eine Obliegenheit verletze und dabei bewusst gegen die Interessen des Versicherers verstoße, da er damit rechne, dass seine Obliegenheitsverletzung Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder die Leistungspflicht des Versicherers oder deren Umfang hat oder haben könnte. Auf eine Bereicherungsabsicht käme es nicht an. Ausreichend sei, wenn der Versicherungsnehmer einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolge, etwa da er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche ausräumen wolle und wisse, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen könne (BGH, Urteil vom 21.12.2012 - IV ZR 97/11 -). Ausreichend sei, Beweisschwierigkeiten zu vermeiden, die Regulierung zu beschleunigen oder allgemein auf die Entscheidung des Versicherers Einfluss zu nehmen.

 

Die Beweislast für Arglist treffe den Versicherer. Aus wissentlich falschen Angaben im Rahmen der Auskunftsobliegenheit im Schadensfall ließe sich allerdings nicht ohne weiteres auf Arglist schließen, da häufig falsche Angaben aus Gleichgültigkeit, Trägheit oder wegen der Annahme ihrer Bedeutungslosigkeit gemacht würden (BGH, Urteil vom 04.05.2009 - IV ZR 62/07 -). Aber auch hier würde dem Versicherungsnehmer die subsidiäre Darlegungslast treffe, weshalb er plausibel darlegen müsse,  wie und weshalb es zu diesen unrichtigen Angaben gekommen ist (BGH, Urteil vom 11.05.2011 – IV ZR 148/09 -).

 

Der Kläger habe widersprüchliche Angaben gemacht. So habe er bei der Befragung (Frage 11) erklärt, er wolle einfach keine Finanzierung haben, da er das nicht möge, demgegenüber schriftsätzlich vorgetragen wurde, dass er bei Banken o.ä. ohnehin keinen Kredit bekommen hätte; tatsächlich wurde das Quad aber über eine Bank durch einen Dritten finanziert, da der Kläger keinen Kredit bekam. Bei der Beantwortung der Frage 11 sei es ihm darum gegangen, die Regulierung zu beschleunigen und weitere Nachforschungen zu seiner finanziellen Situation zu vermeiden. Auch wenn der Kläger als juristischer Laie seine finanzielle Situation als von den Fragen nicht umfasst angesehen haben sollte, käme es darauf nicht an, da er eine zulässige Frage auch dann beantworten müsse, wenn er die befragten Umstände als unerheblich ansehe. Das OLG sei überzeugt, dass dem Kläger nicht nur bewusst gewesen sei, dass seine Täuschung Einfluss auf das regulierungsverhalten haben könnte, sondern dass es ihm auch darauf angekommen sei.

 

Da damit Arglist vorläge, käme es nicht darauf an, ob die Obliegenheitsverletzung für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles oder für den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich gewesen wäre, § 28 Abs. 3 S. 2 VVG.

 

Allerdings kann es unter Umständen vom Versicherer rechtsmissbräuchlich sein, die völlige Leistungsfreiheit für sich in Anspruch zu nehmen, § 242 BGB. Das, so das OLG, könne der Fall sein, wenn die Täuschung nur einen geringen teil des versicherten Schadens betreffe und weitere Billigkeitsgründe zugunsten des Versicherungsnehmers berücksichtigt werden könnten. Bruchteilsgrenzen gebe es nicht. Es sei der Hintergrund der Regelung zu beachten, wonach bei der Schadensregulierung nach einem Versicherungsfall die Vertragspartner auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen seien. Um das Vertrauensklima zu schützen, solle der Versicherungsnehmer von vornherein durch Androhung einer harten Sanktion von der Versuchung abgehalten werden, das Vertrauensverhältnis durch Täuschung zu missbrauchen (Hinweisbeschluss des OLG Rostock vom 08.01.2020 - 4 U 136/19 -).

 

 

Anmerkung: Nicht problematisiert hat hier das OLG den Umstand, dass zwar nach dem mitgeteilten Sachverhalt eine Eintragung im Schuldnerregister wegen Nichtabgabe des Vermögensauskunft erfolgte, aber eine solche nicht abgegeben wurde. Die konkrete Fragestellung bezog sich nicht darauf, ob die Vermögensauskunft verlangt wurde. Offenbar ist das OLG der Ansicht, dass die Eintragung im Schuldnerregister der Abgabe derselben gleichzusetzen ist, da damit die grundlegende Pflicht zu Abgabe einer solchen festgestellt wurde. Die Frage bezieht sich auf finanzielle Verhältnisse des Versicherungsnehmers, die natürlich von Interesse sind, wenn es zu einem behaupteten Diebstahl gekommen sein soll. Entzieht sich der Schuldner der gesetzlichen Pflicht zur Abgabe der Vermögensauskunft, soll er nicht demjenigen gleichgestellt werden, der nicht zu einer aufgefordert wurde und/oder keine abgegeben hat. Ob dem aber die Fragestellung durch den Versicherer gleichgestellt werden kann, gar – wie das OLG meint – deutlich sei, dürfte zu bezweifeln sein. Allerdings ist vorliegend zu berücksichtigen, dass auch die Antwort hätte abgegeben werden können, dass keine Vermögensauskunft abgegeben wurde, was der Kläger nicht bejahte, sondern nur verneinte, dass er eine abgeben habe.

 

Aus den Gründen:

 

 Tenor

 

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.

2. Der Kläger hat Gelegenheit, innerhalb von zwei Wochen Stellung zu nehmen. Er sollte allerdings auch die Rücknahme der Berufung in Erwägung ziehen.

3. Der Verhandlungstermin vom 23.07.2024 wird aufgehoben.

4. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert des Berufungsverfahrens auf 10.000 Euro festzusetzen.

 

Gründe

 

I.

 

Die Parteien streiten um die Einstandspflicht aus einer Kaskoversicherung wegen des behaupteten Diebstahls eines Quads.

 

Das Fahrzeug des Klägers mit dem amtlichen Kennzeichen X-X 000, Quad Cforce 800, ist mit der Versicherungsschein-Nummer 00000000001 bei der Beklagten mit einer Selbstbeteiligung von 300,00 € kaskoversichert. Versicherungsnehmer ist der Kläger. Das Quad wurde Anfang 2018 für einen Kaufpreis von 9.249,99 Euro brutto (abzüglich 210,09 Euro Transportkosten) angeschafft. Es wurde über die S...... Bank finanziert, wobei Darlehensnehmer Herr A...... W...... war, weil der Kläger bei Banken keinen Kredit erhalten hätte. Im Versicherungsschein sowie im Nachtrag Nr. 2 ist der Fahrzeugwert mit 6.000,00 € angegeben (Anlage B1 und B2).

 

Am Nachmittag des 05.12.2019 erstattete A...... W...... Anzeige (Anlage K1) bei der Polizei wegen der Entwendung des Quads. Er teilte hierbei mit, dass es zwei Fahrzeugschlüssel gebe, die beide der Kläger habe. Ebenfalls am 05.12.2019 zeigte der Kläger der Beklagten den Diebstahl des Quads an.

 

Am 25.03.2020 befragte der von der Beklagten beauftragte E.B. den Kläger telefonisch, fertigte über die Fragen und Antworten ein Protokoll, übersandte dieses dem Kläger, der es unterzeichnete und zurücksandte. Auf Anlage B6 und die dort auf Seite 1 enthaltene Belehrung nach § 28 Abs. 4 VVG wird insoweit Bezug genommen. Auf die Frage Nummer 8, ob der Kläger allgemeine finanzielle Schwierigkeiten, eine eidesstattliche Versicherung oder die Vermögensauskunft - explizit aufgeführt ist auch die Nichtabgabe der Vermögensauskunft - abgegeben habe, antwortete der Kläger „Nein. So etwas habe ich nicht“.

 

Im Schuldnerverzeichnis des Amtsgerichts Leipzig ist zum Aktenzeichen DR ll 3756/18 eine Nichtabgabe der Vermögensauskunft durch den Kläger vermerkt.

 

Mit Schreiben vom 08.05.2020 versagte die Beklagte dem Kläger den Versicherungsschutz.

 

Der Kläger ist der Ansicht, ihm stehe eine Versicherungsleistung in Höhe von 10.000 Euro zu.

 

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und ausgeführt, dass der Kläger den ihm obliegenden Beweis des äußeren Bildes einer Entwendung nicht erbracht habe und die Beklagte gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 VVG in Verbindung mit E.2 AKB überdies leistungsfrei sei, weil der Kläger arglistig gegen seine aus E.1.1.3 AKB folgende Aufklärungsobliegenheit verstoßen habe, indem er die Nachfrage der Beklagten zur Nichtabgabe einer Vermögensauskunft objektiv und subjektiv falsch beantwortet habe.

 

Mit der Berufung vertritt der Kläger die Auffassung, dass zum äußeren Bild des Diebstahls der Zeuge W...... hätte gehört werden müssen. Zudem habe er nicht arglistig Falschangaben bei der Vermögensauskunft gemacht. Die Einschaltung des externen Befragers bei dem Fragebogen habe einzig dem Ziel gedient, Leistungsfreiheit der Beklagten zu erreichen. Hier hätte die Beklagte dem Kläger als Laien aus einer Nebenpflicht des Versicherungsvertrages bei dem Ausfüllen des Fragebogens unterstützen müssen. Das Landgericht habe auch nicht ausgeführt, ob überhaupt eine Leistungsfreiheit für diesen Fall vereinbart worden sei. Die Wertung der Angaben als Betrugsabsicht sei überraschend und hätte eines Hinweises bedurft, wobei dann ein ergänzender Vortrag erfolgt wäre. Weiterhin sei auch der Anspruch der Höhe nach substantiiert vorgetragen worden.

 

Der Kläger beantragt

unter Abänderung des am 14.12.2023 verkündeten Urteils des Landgerichts Leipzig, Az. 3 O 1182/21 die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 10.000,00 Euro nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen sowie den Kläger hinsichtlich der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 € freizustellen.

 

II.

 

Die Voraussetzungen für eine Entscheidung über die Berufung gemäß § 522 Abs. 2 ZPO sind erfüllt. Die zulässige Berufung bietet nach einstimmiger Auffassung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, der Rechtssache kommt auch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten. Eine Zulassung der Revision wäre im Falle einer Entscheidung durch Urteil nicht veranlasst.

 

Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Dem Kläger steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Zahlung einer Versicherungsleistung aufgrund des behaupteten Diebstahlereignisses zu.

 

Dahingestellt bleiben kann, ob überhaupt ein Versicherungsfall vorliegt, der Kläger also das äußere Bild eines Diebstahls hinreichend dargelegt hat und ob der Anspruch der Höhe nach substantiiert dargelegt wurde. Jedenfalls ist die Beklagte gemäß § 28 Abs. 2 S. 1 VVG leistungsfrei.

 

Dies ergibt sich schon aus der vorsätzlichen Obliegenheitsverletzung des Klägers im Zusammenhang mit der Nichtabgabe der Vermögensauskunft.

 

a)

 

Ausweislich der Anlage B6 wurde der Kläger hinreichend gemäß § 28 Abs. 4 VVG über die Folgen einer Verletzung vertraglicher Obliegenheiten belehrt, hier anlassbezogen in Textform im Rahmen der Befragung durch den beauftragten Ermittler, wobei es wegen der Arglist des Klägers auf die Belehrung eigentlich nicht ankommt (BeckOK VVG/Marlow, 22. Ed. 1.2.2024, VVG § 28 Rn. 226). Gemäß E.1.1.3 AKB, die nach den unangegriffenen Feststellungen des Landgerichts auf den Vertrag Anwendung finden, war vereinbart:

 

Sie müssen unsere Fragen zu den Umständen des Schadenereignisses, zum Umfang des Schadens und zu unserer Leistungspflicht wahrheitsgemäß und vollständig beantworten.

 

Der Kläger hat bei Frage Nr. 8 des Fragebogens Anlage B6 verschwiegen, dass er die Abgabe der Vermögensauskunft nach § 802c ZPO verweigerte und die Weigerung gemäß § 882c Abs. 1 Nr. 1 ZPO in das Schuldnerverzeichnis eingetragen wurde.

 

b)

 

Dieses Verschweigen erfolgte auch vorsätzlich. Zwar trägt der Versicherer insoweit die Beweislast. Den Versicherungsnehmer trifft jedoch eine Substantiierungslast. Er muss die zu der Obliegenheitsverletzung führenden Umstände, die seiner Sphäre angehören, also z. B. die Gründe für etwaige objektive Falschangaben, dartun und der Nachprüfung zugänglich machen (OLG Celle, Urt. v. 30. 11. 2017 – 8 U 27/17; Armbrüster in Prölss/Martin, VVG, 31. Aufl., § 28 Rn. 193).

 

Vorliegend war die Fragestellung im Befragungsbogen eindeutig. Der Kläger hat zudem auch nach der Übersendung des Protokolls der mündlichen Befragung trotz der damit eröffneten erneuten Möglichkeit zur Kenntnisnahme der Frage/Antwort in Kenntnis seiner Nichtabgabe der Vermögensauskunft keine Rückfragen gestellt, sondern das Protokoll unstreitig unterzeichnet. Dass die Beklagte sich hierauf nicht berufen könne, weil sie ihn mit den Fragestellungen „aufs Glatteis“ habe führen wollen, hält der Senat für abwegig.

 

c)

 

Das Verschweigen erfolgte zudem auch arglistig, so dass es auf die Frage, ob die Verletzung der Obliegenheit weder für den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststellung oder den Umfang der Leistungspflicht des Versicherers ursächlich war, vorliegend nicht ankommt, § 28 Abs. 3 S. 2 VVG.

 

Arglist ist gegeben, wenn der Versicherungsnehmer bewusst und willentlich auf die Entscheidung des Versicherers einwirkt, wenn er also vorsätzlich eine Obliegenheit verletzt und dabei bewusst gegen die Interessen des Versicherers verstößt, weil er damit rechnet, dass seine Obliegenheitsverletzung Einfluss auf die Feststellung des Versicherungsfalles oder die Leistungspflicht des Versicherers oder deren Umfang hat oder haben kann (BeckOK VVG/Marlow, 22. Ed. 1.2.2024, VVG § 28 Rn. 201). Eine Bereicherungsabsicht wird nicht verlangt, vielmehr reicht es aus, wenn der Versicherungsnehmer einen gegen die Interessen des Versicherers gerichteten Zweck verfolgt, etwa indem er Schwierigkeiten bei der Durchsetzung berechtigter Deckungsansprüche ausräumen will und weiß, dass sein Verhalten den Versicherer bei der Schadensregulierung möglicherweise beeinflussen kann (BGH VersR 2013, 175 (176) Rn. 29). Es genügt hierfür, etwa Beweisschwierigkeiten vermeiden, die Regulierung beschleunigen, nicht „unnötig Sand ins Getriebe“ der Regulierung bringen (OLG Hamm VersR 2012, 356) oder allgemein auf die Entscheidung des Versicherers Einfluss nehmen zu wollen.

 

Beweisbelastet für das arglistige Handeln des Versicherungsnehmers ist der Versicherer (BeckOK VVG/Marlow, 22. Ed. 1.2.2024, VVG § 28 Rn. 205), wobei auch im Zusammenhang mit Aufklärungsobliegenheiten im Schadensfall aus wissentlich falschen Angaben nicht ohne weiteres der Schluss auf Arglist gezogen werden darf (Prölss/Martin/Armbrüster, 31. Aufl. 2021, VVG § 28 Rn. 204), denn häufig werden unrichtige Angaben aus Gleichgültigkeit, aus Trägheit oder einfach in der Annahme gemacht, dass sie bedeutungslos seien (BGH, Urteil vom 04.05.2009, Az.: IV ZR 62/07, - zitiert nach juris -, Rn. 10 m. w. N.). Allerdings trifft den Versicherungsnehmer auch hier eine sekundäre Darlegungslast, wenn - wie hier - objektiv falsche Angaben vorliegen; er muss dann plausibel darlegen, wie und weshalb es zu diesen gekommen ist (BGH, Urteil vom 11.05.2011, Az.: IV ZR 148/09).

 

Wie das Landgericht zu Recht und in nicht zu beanstandender Weise erkannt hat, ging es dem Kläger mit seinen widersprüchlichen Angaben an unterschiedlichen Stellen hinsichtlich der Frage, warum die Finanzierung durch eine andere Person erfolgte (Anlage B6; Frage 11: „Ich wollte einfach keine Finanzierung haben. Ich mag das nicht.“; Schriftsatz vom 28.08.2023: „Es ist richtig, dass der Kläger bei Banken o.ä. keinen Kredit erhalten hätte.“) und der Frage/Antwort Nr. 8 im Fragebogen darum, die Regulierung zu beschleunigen und weitere Nachforschungen hinsichtlich seiner finanziellen Situation zu vermeiden. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Kläger als rechtlicher Laie seine finanzielle Situation von den Fragen nicht umfasst ansieht. Eine solche Bewertung kommt dem Versicherungsnehmer nicht zu. Eine zulässige und eindeutig verständliche Frage hat er auch dann zu beantworten, wenn er den erfragten Umstand für sich als unerheblich ansieht. Aufgrund der Gesamtumstände ist auch der Senat zweifelsfrei überzeugt, dass es dem Kläger nicht nur bewusst war, dass die Täuschung Einfluss auf das Regulierungsverhalten der Beklagten haben konnte, sondern dass es ihm gerade darauf ankam. Auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts wird Bezug genommen.

 

d)

 

Die völlige Leistungsfreiheit der Beklagten ist auch nicht unbillig.

 

Nur unter ganz besonderen Umständen ist dem Versicherer nach den Grundsätzen von Treu und Glauben gemäß § 242 BGB die Inanspruchnahme der völligen Leistungsfreiheit als rechtsmissbräuchlich zu versagen, wenn der Verlust des Versicherungsschutzes für den Versicherungsnehmer eine übermäßige Härte darstellt. Eine solche Ausnahme kommt dann in Betracht, wenn die Täuschung nur einen geringen Teil des versicherten Schadens betrifft und weitere Billigkeitsmomente zugunsten des Versicherungsnehmers ins Gewicht fallen. Es gibt allerdings keine starre Bruchteilsgrenze; vielmehr kommt es auf die vom Sachverhalt vorgegebenen konkreten Beträge an. Dabei ist für die Bewertung der Hintergrund der Regelung zu beachten. Die Vertragspartner sind bei der Schadensermittlung nach dem Versicherungsfall im besonderen Maße auf gegenseitiges Vertrauen angewiesen. Um dieses Vertrauensklima zu schützen, soll der Versicherungsnehmer von vornherein durch Androhung einer harten Sanktion von der hier besonders naheliegenden Versuchung ferngehalten werden, das Vertrauensverhältnis durch Täuschung zu missbrauchen (OLG Rostock (4. Zivilsenat), Hinweisbeschluss vom 08.01.2020 – 4 U 136/19, Rn. 20). Derartige Umstände sind hier weder vorgetragen noch anderweitig ersichtlich.

 

Aus den vorstehend genannten Gründen rät der Senat zu einer Rücknahme der Berufung, die zwei Gerichtsgebühren spart.