Verkehrsstraf- und -verwaltungsrecht


Halteverbot: Nachträgliche Anordnung und Vorlauffrist für kostenpflichtige Abschleppmaßnahme

BVerwG, Urteil vom 24.05.2018 - 3 C 25/16 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Klägerin behauptete, ihr Fahrzeug am 19.08.2013 im Bereich ihrer Wohnung auf der öffentlichen  Straße abgestellt zu haben und flog anschließend in Urlaub.  Am 20.08.20113 stellten dort Mitarbeiter eines Umzugsunternehmens auf der Grundlage einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung der beklagten Stadt zwei mobile Halteverbotsschilder (jeweils von 7:00 – 18:00 Uhr) für den Zeitraum vom 23. bis zum 24.08.2013 auf. Am 23.09.2013 veranlasste ein Mitarbeiter der beklagten Stadt das Abschleppen des Fahrzeugs der Klägerin. Das beauftraget Abschleppunternehmen gab das Fahrzeug der Klägerin gegen Zahlung von € 176,98 heraus. Die Beklagte forderte zudem eine Verwaltungsgebühr Ordnungsgeld von € 62,00.

 

Die Klage auf Erstattung der € 176,98 und auf Aufhebung des Bescheides war erst vor dem BVerwG erfolgreich.

 

Zwar sei das Aufstellen der Verkehrszeichen auch gegenüber der abwesenden Klägerin rechtmäßig gewesen, wie auch die Abschleppmaßnahme.  Allerdings verstoße die Auffassung der Beklagten,  die Klägerin müsse bei einer Vorlaufzeit von 48 Stunden für die Kosten haften, gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.

 

Die Abschleppmaßnahme sei rechtmäßig gewesen, da das Fahrzeug in einer korrekt ausgewiesenen Halteverbotszone angestellt gewesen sei. Daraus folge grundsätzlich die Möglichkeit einer Kostenlast des Verantwortlichen, was auch für die unmittelbare Zahlung an den Abschleppunternehmer gelte, die ihre Grundlage in den landesrechtlichen Vorschriften zur Kostenerstattung finde.  Ausnahmen seien aber dann geboten, wenn das Fahrzeug ursprünglich ordnungsgemäß und erlaubt geparkt worden sei und sich die Verkehrslage erst danach (durch das Aufstellen neuer Verkehrszeichen) geändert habe. Das Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes müsse Berücksichtigung finden (BVerfG, Beshcluss vom 10.10.2012 - 1 BvL 6/07 -). Dabei sei hier zu berücksichtigen, dass das dauerhafte Parken eines betriebsbereiten Fahrzeuges auf öffentlichen Straßengrund grundsätzlich statthaft sei (BVerfG, Beschluss vom 09.10.1984 - 2 BvL 10/82 -), worauf insbesondere Fahrzeughalter ohne eigene Garage oder privaten Stellplatz angewiesen seien. Der ruhende Verkehr sei vom Gemeingebrauch umfasst. Aber der Verkehrsteilnehmer müsse damit rechnen, dass Situationen eintreten, die eine kurzfristige Änderung der bestehenden Verkehrsregelungen erfordern. Damit sei das Vertrauen in die Möglichkeit dauerhaften Parkens wegen des Gebots der gegenseitigen Rücksichtnahme gem. § 1 Abs. 1 StVO von vornherein eingeschränkt mit der Folge, dass der Fahrzeugverantwortliche als Inhaber der Sachhherrschaft Vorsorge für den Fall einer Änderung der Verkehrslage treffen müsse.

 

 

Als Sachangemessen sei eine Vorlaufzeit von drei vollen Tagen anzunehmen, weshalb eine Kostenbelastung erst ab dem vierten Tag nach Aufstellung des Verkehrszeichens  in Betracht käme. Zwar könne es sein, dass kurzfristig (z.B. wegen eines Wasserrohrbruchs) Maßnahmen erforderlich wären; derartige Gründe würden aber nicht aus der Sphäre des Fahrzeughalters stammen, was erst recht bei einer privaten Sondernutzung (hier: für einen Umzug) gelte. Zudem sei zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Gefahrenabwehr auf der Primärebene ohnehin ein Eingriff zu lässig sei, was allerdings nicht von der Frage abhängig ist, wer auf der Sekundärebene für die Kosten aufzukommen habe. 

 

Aus den Gründen:

Tatbestand

Der Rechtsstreit betrifft die Länge der Vorlaufzeit, die Voraussetzung der kostenrechtlichen Inanspruchnahme des Fahrzeugverantwortlichen für eine Abschleppmaßnahme bei nachträglich angeordneten Haltverboten ist.

 

Die Klägerin stellte ihren Personenkraftwagen nach eigenen Angaben am 19. August 2013 auf einer öffentlichen Straße in Düsseldorf vor dem Nachbarhaus ihrer Wohnung ab und flog anschließend in den Urlaub. Am Vormittag des 20. August 2013 stellten Mitarbeiter eines privaten Umzugsunternehmens - auf der Grundlage einer straßenverkehrsrechtlichen Ausnahmegenehmigung der beklagten Stadt vom 15. August 2013 - in dem betreffenden Straßenabschnitt zur Vorbereitung eines Umzugs zwei mobile Haltverbotsschilder für den Zeitraum vom 23. bis zum 24. August, jeweils von 7:00 bis 18:00 Uhr, auf. Das Fahrzeug der Klägerin war zu diesem Zeitpunkt bereits im Bereich der eingerichteten Haltverbotszone geparkt. Am 23. August 2013 um 13:43 Uhr veranlasste ein Mitarbeiter der beklagten Stadt, nachdem er mehrfach erfolglos an der Wohnung der Klägerin geklingelt hatte, dass das Fahrzeug von einem Abschleppunternehmen auf dessen Betriebshof geschleppt wurde. Dort holte es die Klägerin am 5. September 2013 gegen Zahlung von 176,98 € für Abschlepp- und Verwahrungskosten ab. Mit Bescheid vom 7. Oktober 2013 setzte die Beklagte eine Verwaltungsgebühr in Höhe von 62 € fest.

 

Die auf Erstattung der an den Abschleppunternehmer gezahlten Kosten und Aufhebung des Gebührenbescheids gerichtete Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Das Berufungsgericht hat zur Begründung ausgeführt, die Verkehrsschilder seien gut erkennbar aufgestellt und das Haltverbot damit wirksam bekanntgegeben worden. Die Abschleppmaßnahme sei erforderlich gewesen, um die blockierte Fläche für die mit der temporären Verkehrsregelung bezweckte Durchführung der Umzugsarbeiten freizugeben und die eingetretene Behinderung der Umzugsarbeiten zu beenden. Mildere Mittel zur Störungsbeseitigung hätten nicht bestanden, weil die in unmittelbarer Nähe wohnende Klägerin nicht erreichbar gewesen sei. Auch die Kostenbelastung der Klägerin sei nicht unangemessen. Der Umstand, dass Haltverbotsschilder erst nach dem rechtmäßigen Abstellen eines Fahrzeugs aufgestellt worden seien, stehe der Verhältnismäßigkeit der Belastung des Fahrzeugverantwortlichen mit den Kosten für das Abschleppen des Fahrzeugs aus dem Haltverbot im Regelfall nicht entgegen, wenn zwischen dem Aufstellen der Haltverbotsschilder und der Abschleppmaßnahme - wie hier - eine Frist von 48 Stunden verstrichen sei. Aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts folge nichts anderes. Dieser lasse sich nicht entnehmen, dass die gebilligte Vorlaufzeit von drei vollen Tagen als zwingend einzuhaltende Mindestvorlauffrist verstanden werden müsse. Eine Frist von 48 Stunden sei grundsätzlich ausreichend, um den Fahrzeughalter vor einer überraschenden Abschleppmaßnahme zu bewahren. Nur so könne auch eine hinreichend flexible Reaktionsmöglichkeit der Straßenverkehrsbehörden gewährleistet werden.

 

Mit der vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

 

Die Beklagte tritt der Revision entgegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Klägerin ist begründet. Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts verletzt Bundesrecht (1.). Zutreffend und in Übereinstimmung mit den Vorgaben der Straßenverkehrs-Ordnung hat das Berufungsgericht zwar entschieden, dass mit der ordnungsgemäßen Aufstellung der Verkehrszeichen das Haltverbot auch gegenüber der abwesenden Klägerin wirksam geworden ist und die Abschleppmaßnahme auch im Übrigen rechtmäßig war (2.). Die Auffassung, der Verantwortliche müsse die Kosten des Abschleppens bereits dann tragen, wenn das Haltverbotsschild mit einem Vorlauf von 48 Stunden aufgestellt wurde, verstößt aber gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz (3.).

 

1. Das Berufungsurteil unterliegt sowohl hinsichtlich der Abschleppmaßnahme als auch in Bezug auf die Kostenerstattung im nachfolgend dargelegten Umfang revisionsgerichtlicher Überprüfung.

 

a) Der Rechtsstreit betrifft eine auf landesrechtliche Gebühren- und Verwaltungsvollstreckungsvorschriften gestützte Zahlungspflicht für eine auf Grundlage des Landespolizeirechts durchgeführte Abschleppmaßnahme. Der Prüfungsmaßstab revisionsgerichtlicher Kontrolle ist daher eingeschränkt.

 

Neben den auf Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) beruhenden Fragen zur Aufstellung des mobilen Zeichens 283 (Nr. 62 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) kann die Revision auch auf die Verletzung der Vorschriften zu Bekanntgabe und Wirksamkeit von Verwaltungsakten nach §§ 41, 43 des Verwaltungsverfahrensgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - VwVfG NW gestützt werden, weil diese mit dem Wortlaut des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes übereinstimmen (§ 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO). Ebenfalls revisibel ist der bundesverfassungsrechtliche Maßstab des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, der im Rechtsstaatsgebot des Art. 20 Abs. 3 GG verankert ist und als "unübersteigbare bundesrechtliche Grenze" auch das auf Landesrecht beruhende Verwaltungshandeln bindet (Eichberger/Buchheister, in: Schoch/Schneider/Bier <Hrsg.>, VwGO, Band 2, Stand: Juni 2017, § 137 Rn. 70; BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2002 - 3 B 149.01 - Buchholz 442.151 § 12 StVO Nr. 10 S. 1 für die Kostenerstattung nach einer Abschleppmaßnahme).

 

b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts zum maßgeblichen Landesrecht sieht § 77 Abs. 1 des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen - VwVG NW i.V.m. § 15 Abs. 1 Nr. 7 Verordnung zur Ausführung des Verwaltungsvollstreckungsgesetzes (Ausführungsverordnung VwVG - VO VwVG NW) eine Ermächtigung für die Erhebung einer Verwaltungsgebühr für das Abschleppen eines zugelassenen Kraftfahrzeugs vor. Entsprechendes gilt nach § 43 Nr. 1, § 46 Abs. 3 des Polizeigesetzes des Landes Nordrhein-Westfalen - PolG NW i.V.m. § 77 Abs. 1 VwVG NW, § 20 Abs. 2 Satz 2 Nr. 7 bzw. 8 VO VwVG NW für den Anspruch auf Auslagenerstattung der an den Abschleppunternehmer gezahlten Kosten.

 

Als Fortführung der materiellen Polizeipflicht setzt die Kostentragungspflicht ein rechtmäßiges Polizeihandeln voraus. Hiervon ist auch das Berufungsurteil zutreffend ausgegangen. Sofern die der Kostenerstattung oder Gebührenerhebung zugrunde liegende Maßnahme nicht auf einem bestandskräftigen Bescheid oder auf einem rechtskräftigen Urteil beruht, muss bei der gegen die Kostentragung gerichteten Klage gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG daher auch die Rechtmäßigkeit der Amtshandlung überprüft werden.

 

2. Bundesrechtliche Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme bestehen nicht.

 

a) Voraussetzung für das Abschleppen des Fahrzeugs aus einer Haltverbotszone und der daran anknüpfenden Gebührenerhebung und Kostenerstattung ist zunächst, dass das durch die Abschleppmaßnahme vollstreckte Haltverbot wirksam bekannt gemacht worden ist (BVerwG, Urteil vom 6. April 2016 - 3 C 10.15 [ECLI:DE:BVerwG:2016:060416U3C10.15.0] - BVerwGE 154, 365 Rn. 10).

 

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist das mobile Haltverbotsschild nach Zeichen 283 (Nr. 62 der Anlage 2 zu § 41 Abs. 1 StVO) wie jedes andere Verkehrszeichen ein Verwaltungsakt in der Form der Allgemeinverfügung im Sinne des § 35 Satz 2 VwVfG. Es enthält nicht nur das Verbot, an der gekennzeichneten Stelle zu halten, sondern zugleich ein - entsprechend § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VwGO sofort vollziehbares - Wegfahrgebot für unerlaubt haltende Fahrzeuge (BVerwG, Urteil vom 23. Juni 1993 - 11 C 32.92 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 255 S. 87 f.).

 

Die Bekanntgabe erfolgt nach den bundesrechtlichen Vorschriften der Straßenverkehrs-Ordnung durch Aufstellung des Verkehrszeichens (vgl. § 39 Abs. 1, § 45 Abs. 4 StVO); dies ist eine besondere Form der öffentlichen Bekanntgabe (BVerwG, Urteil vom 6. April 2016 - 3 C 10.15 - BVerwGE 154, 365 Rn. 16). Sind Verkehrszeichen so aufgestellt oder angebracht, dass sie ein durchschnittlicher Kraftfahrer bei Einhaltung der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt schon "mit einem raschen und beiläufigen Blick" erfassen kann, so äußern sie ihre Rechtswirkung gegenüber jedem von der Regelung betroffenen Verkehrsteilnehmer, gleichgültig, ob er das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht. Sie entfalten ihre Rechtswirkungen für den Halter deshalb auch dann, wenn die Verkehrsregelung in dem Zeitpunkt noch nicht bestand, als das Fahrzeug abgestellt wurde (vgl. BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 - 11 C 15.95 - BVerwGE 102, 316 <318 f.>). Bei Verkehrszeichen, die den ruhenden Verkehr regeln, gehört zu der nach § 1 StVO erforderlichen Sorgfalt des Fahrers eine einfache Umschau nach dem Verlassen seines Fahrzeugs (BVerwG, Urteil vom 6. April 2016 - 3 C 10.15 - BVerwGE 154, 365 Rn. 19).

 

In Übereinstimmung mit diesen Rechtsgrundsätzen ist das Berufungsgericht davon ausgegangen, dass das Haltverbot mit der ordnungsgemäßen Aufstellung der Verkehrszeichen auch gegenüber der im Urlaub befindlichen Klägerin wirksam bekanntgegeben worden ist. Nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil - die den bei den Akten befindlichen Lichtbildern entsprechen und nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden sind - waren die Haltverbotsschilder so aufgestellt, dass sie in beide Fahrtrichtungen auf den ersten Blick erkennbar waren.

 

b) Sonstige Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme sind weder vorgetragen worden noch sonst erkennbar.

 

Insbesondere ist die Abschleppmaßnahme mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar. Nach den tatsächlichen Feststellungen im Berufungsurteil war eine konkrete Behinderung der Umzugsarbeiten bereits eingetreten, sodass die Entfernung des Fahrzeugs zur Erreichung des mit der Einrichtung der temporären Haltverbotszone angestrebten Zwecks erforderlich war (vgl. BVerwG, Beschluss vom 18. Februar 2002 - 3 B 149.01 - Buchholz 442.151 § 12 StVO Nr. 10 S. 2). Mildere Mittel als die angeordnete Abschleppmaßnahme standen nicht zur Verfügung, nachdem die Kontaktaufnahmeversuche zu der Klägerin nicht erfolgreich waren (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. April 2014 - 3 C 5.13 - BVerwGE 149, 254 Rn. 16 f.).

 

3. Eine kostenrechtliche Inanspruchnahme des Fahrzeugverantwortlichen ist aber erst am vierten Tage nach der Aufstellung des Haltverbotszeichens möglich.

 

a) Aus der Rechtmäßigkeit der Abschleppmaßnahme folgt grundsätzlich die Möglichkeit einer kostenrechtlichen Inpflichtnahme des Verantwortlichen. Dies gilt auch für die unmittelbar an den Abschleppunternehmer geleistete Zahlung, die ihren Rechtsgrund in den landesrechtlichen Vorschriften zur Kostenerstattung findet (BGH, Urteil vom 26. Januar 2006 - I ZR 83/03 - NVwZ 2006, 964 Rn. 16 f.).

 

b) Ausnahmen hiervon sind aber geboten, wenn ein Fahrzeug ursprünglich ordnungsgemäß und erlaubt geparkt wurde und sich die Verkehrslage durch das Aufstellen neuer Verkehrszeichen erst nachträglich ändert. Die Rechtsordnung gewährt zwar grundsätzlich keinen Schutz der allgemeinen Erwartung, die geltende Rechtslage werde zukünftig unverändert fortbestehen. Knüpfen künftige Rechtsfolgen aber an zurückliegende Sachverhalte an, muss das betätigte Vertrauen des Einzelnen auf die Fortgeltung der Rechtslage unter Wahrung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes berücksichtigt werden (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 10. Oktober 2012 - 1 BvL 6/07 - BVerfGE 132, 302 Rn. 46 m.w.N.).

 

Diese Abwägung hat einerseits die berechtigten Interessen des Fahrzeugverantwortlichen in den Blick zu nehmen. Grundsätzlich ist das Parken von zugelassenen und betriebsbereiten Fahrzeugen auch dauerhaft und auf öffentlichem Straßengrund erlaubt (BVerfG, Beschluss vom 9. Oktober 1984 - 2 BvL 10/82 - BVerfGE 67, 299 <326>). Hierauf sind insbesondere diejenigen Fahrzeughalter angewiesen, die nicht über eine eigene Garage oder einen privaten Stellplatz verfügen (vgl. VGH München, Urteil vom 17. April 2008 - 10 B 08.449 - BayVBl 2009, 21 Rn. 18). Auch der ruhende Verkehr ist vom Gemeingebrauch erfasst und straßenverkehrsrechtlich zugelassen (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 - 11 C 15.95 - BVerwGE 102, 316 <320>). Andererseits muss ein Verkehrsteilnehmer stets mit Situationen rechnen, die eine kurzfristige Änderung der bestehenden Verkehrsregelungen erforderlich machen. Das Vertrauen in die Möglichkeit des dauerhaften Parkens eines Fahrzeugs an einer konkreten Stelle im öffentlichen Verkehrsraum ist wegen der im Straßenverkehr erforderlichen gegenseitigen Rücksichtnahme (§ 1 Abs. 1 StVO) von vornherein beschränkt. Der Fahrzeugverantwortliche ist als Inhaber der Sachherrschaft über das an der betreffenden Stelle geparkte Fahrzeug verpflichtet, angemessene Vorsorge für den Fall einer Änderung der Verkehrslage zu treffen.

 

b) Das Bundesverwaltungsgericht hat eine Vorlaufzeit von drei vollen Tagen gebilligt und eine Kostenbelastung für Abschleppmaßnahmen am vierten Tag nach der Aufstellung des Verkehrszeichens als verhältnismäßig erachtet (BVerwG, Urteil vom 11. Dezember 1996 - 11 C 15.95 - BVerwGE 102, 316 <320>).

 

Im Anschluss hieran ist in der obergerichtlichen Rechtsprechung für die Auferlegung einer Kostentragungspflicht überwiegend eine Mindestvorlaufzeit von drei vollen Tagen verlangt worden (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 23. März 2009 - 3 B 891/06 - NJW 2009, 2551 <2552>; OVG Hamburg, Urteil vom 7. Oktober 2008 - 3 Bf 116/08 - NordÖR 2009, 156 <157>; VGH Kassel, Urteil vom 17. Dezember 1996 - 11 UE 2403/96 - juris Rn. 25; VGH Mannheim, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 S 822/05 - NJW 2007, 2058 <2059>; VGH München, Urteil vom 17. April 2008 - 10 B 08.449 - BayVBl 2009, 21 Rn. 19).

 

c) Den hiergegen vom Berufungsgericht vorgetragenen Einwänden folgt der erkennende Senat nicht.

 

Entgegen der im Berufungsurteil vertretenen Auffassung ist ein kurzfristig angeordnetes Haltverbot nicht regelmäßig der Risikosphäre des Fahrzeugverantwortlichen zuzuordnen. Die Notwendigkeit, Haltverbote anzuordnen, kann sich durchaus kurzfristig ergeben, etwa wenn die Verkehrsfläche wegen eines Rohrbruchs oder für Straßenarbeiten in Anspruch genommen werden muss. Derartige Gründe stammen aber nicht aus der Verantwortungs- oder Risikosphäre des Fahrzeughalters. Dies gilt erst recht bei einer für eine private Sondernutzung angeordneten Haltverbotszone, wie etwa zur Durchführung eines Straßenfestes oder - wie hier - zur Erleichterung von Umzügen.

 

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Verkürzung der Vorlauffrist auf 48 Stunden zur Gewährleistung einer hinreichend flexiblen Handlungsmöglichkeit der Straßenverkehrsbehörden erforderlich sein könnte. Zum Einen ist die Möglichkeit, erforderliche Gefahrenabwehrmaßnahmen (auf der Primärebene) tatsächlich durchführen zu können, nicht von der Frage abhängig, von wem (auf der Sekundärebene) die Kosten hierfür getragen werden müssen. Zum Anderen ist nicht ersichtlich, dass die seit vielen Jahren in den meisten Bundesländern praktizierte Vorlauffrist von drei vollen Tagen zu Funktionsdefiziten geführt hätte. Die Erforderlichkeit von Haltverbotsregelungen - etwa aus Anlass von Bauarbeiten, Straßenfesten oder Umzügen - ist regelmäßig auch im großstädtischen Raum deutlich vorher bekannt (VGH München, Urteil vom 17. April 2008 - 10 B 08.449 - BayVBl 2009, 21 Rn. 18). Im vorliegenden Fall datiert die Ausnahmegenehmigung zur Errichtung der Haltverbotszone vom 15. August 2013, der Antrag dürfte noch deutlich vorher bei der Beklagten eingegangen sein.

 

Ausreichende Gründe, den Fahrzeugverantwortlichen mit einer Obliegenheit zu belasten, alle 48 Stunden nach dem abgestellten Fahrzeug zu sehen und ggf. Vorsorge durch die Beauftragung anderer Personen zu treffen, bestehen damit nicht. Angemessen ist vielmehr ein Mindestvorlauf von drei vollen Tagen. Nur ein solcher Vorlauf deckt auch eine typische Wochenendabwesenheit ab.

 

d) Bei der Berechnung der Vorlaufzeit hat im Interesse der Rechtsklarheit und einer praktikablen Handhabung, eine Differenzierung nach Wochentagen oder Ferienzeiten grundsätzlich zu unterbleiben. Auch an Sonn-, Feier- oder Ferientagen kommt der Straßenverkehr nicht zum Erliegen; teilweise gestaltet sich die Parkplatzsituation in diesen Zeiten vielmehr als besonders problematisch.

 

Aus denselben Gründen findet auch eine stundenscharfe Berechnung (vgl. hierzu OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 7. Februar 2018 - 1 B 12.16 - juris Rn. 21) mit den hieraus folgenden Protokollierungserfordernissen nicht statt. Ein derart kleinteiliger Maßstab erscheint für die Bewältigung solcher Vorgänge des täglichen Lebens nicht angemessen.

 

e) Eine Kostenpflicht der Klägerin entspricht danach erst für eine Abschleppmaßnahme am vierten Tage nach der Aufstellung der Haltverbotsschilder den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes. Hier waren die Verkehrszeichen nur mit einem Vorlauf von 72 Stunden, nicht aber von drei vollen Tagen aufgestellt worden.

 

 

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.