Tierhalter- und aufseherhaftung


Reitbeteiligung kann zum Haftungsausschluss führen

OLG Nürnberg, Urteil vom 27.06.2011 - 8 U 510/11 -

Der Reiter, der sich z.B. bei einem Abwurf von einem Pferd verletzt, hat grundsätzlich einen Schadensersatzanspruch gegen den Tierhalter. Er muss zwar grundsätzlich den Nachweis erbringen, dass der Reitunfall nicht auf einen Reitfehler beruht (§ 834 BGB wird hier im Rahmen der Mitverschuldensprüfung nach § 834 BGB entsprechend angewandt, vgl. BGH vom  09.06.1992 - VI ZR 49/91 -); gelingt ihm dies nicht, ist der Schaden zu quoteln.

 

Das OLG hatte hier allerdings einen stillschweigenden Haftungsausschluss angenommen. Dies vor dem Hintergrund, dass der Reiter eine Reitbeteiligung hatte und nur gegen ein geringes monatliches Entgelt das Pferd selbst eigenverantwortlich nutzen durfte. Damit würde er selbst wie ein Tierhalter während dieser Zeit tätig.

Aus den Gründen:


Gründe

A.

Die Parteien streiten um Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche im Zusammenhang mit der Nutzung eines im Eigentum der Beklagten stehenden Pferdes.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen.

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens wird auf den Tatbestand des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.

Gegen das den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 14.2.2011 zugestellte Urteil richtet sich die am 9.3.2011 eingegangene Berufung der Klägerin, die fristgerecht begründet wurde.

Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren weiter. Sie ist der Ansicht, das Landgericht habe sich nicht mit der tatsächlichen Sach- und Rechtslage ausreichend auseinandergesetzt und stelle überzogene Anforderungen an die Substantiierungslast der Klägerin. Der Unfall sei für die Klägerin unvermeidbar gewesen. Unfallursächlich sei das tierische Verhalten. Sie sei nicht im Rahmen der üblichen Reitbeteiligung ausgeritten, sondern deshalb, um das Pferd wegen der urlaubsbedingten Abwesenheit der Beklagten zu bewegen.

Die Klägerin beantragt daher:

I.

Das Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth, Aktenzeichen 16 O 7941/10 wird aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 7.388,60 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

II.

Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin für vorgerichtliche Rechtsanwaltsgebühren 661,16 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins hieraus seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

III.


Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Die Beklagte beantragt hiergegen,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verteidigt das Ersturteil als zutreffend, insbesondere liege kein substantiierter Sachvortrag zum Unfallhergang vor. Die erstinstanzlich vernommene Zeugin habe hierzu nichts sagen können. Zudem habe die Klägerin nicht richtig gestanden, weshalb sie überhaupt habe verletzt werden können. Zudem liege es auf der Hand, dass bei einem Verhältnis der Parteien wie hier eine Haftung für mögliche Schäden nicht habe stattfinden sollen.

B.

Die zulässige Berufung der Klägerin (§§ 511 ff ZPO) hat in der Sache keinen Erfolg.

Nach Auffassung des Senats liegt ein konkludent abgeschlossener vertraglicher Haftungsausschluss vor.

Die Klägerin hatte wie eine Tierhalterin (§ 833 BGB) unumschränkte Einflussmöglichkeiten auf das Pferd in den Zeiten, in denen sie ihre Reitbeteiligung wahrgenommen hat. Dies geschah auch im überwiegend eigenen Interesse, da sich die Klägerin durch die mit der Beklagten vereinbarte Reitbeteiligung faktisch wie eine Tierhalterin in bestimmten Zeiträumen um das Tier selbständig kümmern und es nach Belieben reiten konnte.

Derartige Reitbeteiligungen ermöglichen es Pferdebegeisterten, die nicht über ausreichende finanzielle Mittel und/oder ausreichende Zeit verfügen, um sich selber ein Pferd zu halten, dennoch in den Genuss des Umgangs mit einem solchen Tier zu kommen und es nach ihren Vorstellungen zu bewegen, Ausritte vorzunehmen oder in einer Reithalle zu reiten. Dass dadurch auch der Tierhalter entlastet wird, tritt insoweit in den Hintergrund. Einem solchen Verhältnis, bei dem das Entgelt (hier monatlich 35 €) nicht von erheblicher Bedeutung und das auf längere Zeit angelegt ist - hier dauerte es bereits drei Jahre an -, wohnt auch inne, dass die beteiligten Personen davon ausgehen, dass der Tierhalter im Falle von Schäden durch das Tier nicht haften soll; denn derjenige, der die Reitbeteiligung hat, soll sich, zumindest wenn es sich um eine volljährige Person handelt, wie ein Tierhalter auf Zeit fühlen und das Risiko von Schäden durch das Tier selber tragen. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Parteien auch privat miteinander verkehren und persönlich näher bekannt sind. Es handelt sich nicht um eine geschäftlich geprägte Beziehung, vielmehr verbindet die Parteien die Liebe zu den Pferden und das Hobby des Pferdesportes. Eine Haftung der Beklagten gemäß § 833 BGB ist hier stillschweigend vertraglich ausgeschlossen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Klägerin angeführten Entscheidung des BGH vom 9.6.1992 (VI ZR 49/91). Zum einen ging es in dieser Entscheidung nicht um ein Schadensereignis im Rahmen einer Reitbeteiligung, wie sie vorliegend gegeben ist. Zum anderen hat der BGH ausgesprochen, dass eine stillschweigend vereinbarte Haftungsbeschränkung (hier: keine Ansprüche aus Gefährdungshaftung) "beim Hinzutreten besonderer Umstände" durchaus in Betracht kommt; solche Umstände sieht der Senat - wie dargelegt - im Streitfall.

Der Ausritt, bei dessen Ende es zu den Verletzungen gekommen sein soll, fand auch an einem Montag statt, und der Montag war, wie die Klägerin dem Senat gegenüber auch bestätigt hat, der Tag, an dem sie ihre Reitbeteiligung üblicherweise wahrnahm. Dass die Beklagte in dieser Zeit im Urlaub war und daher unter Umständen ein erhöhtes eigenes Interesse an der Bewegung des Tieres durch einen Dritten hatte, spielt daher keine Rolle.

Die Klage wurde daher zu Recht abgewiesen, ohne dass es noch darauf ankommt, ob der Unfall tatsächlich so stattgefunden hat, wie die Klägerin es vorträgt, mit den von ihr behaupteten Folgen und ob ein eigenes Verschulden der Klägerin vorliegt.

C.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711, 709 S. 2 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.