Steuerstrafrecht


Ankauf von Daten (CD)

LG Düseldorf, Beschluss vom 17.09.2010 - 14 Qs 131 Js 150/10 -

Aus den Entscheidungsgründen:

 

Die Annahme eines Beweisverwertungsverbots setzt nach allgemeiner Meinung zunächst eine fehlerhafte staatliche Beweiserhebung voraus. Bereits das Vorliegen einer staatlichen Beweiserhebung erscheint hier nach Auffassung der Kammer fraglich. Denn die Daten, die hier einen Anfangsverdacht gegen die Beschuldigten begründen, sind von den Ermittlungsbehörden nicht selbst ermittelt worden. Vielmehr handelt es sich um von einer Privatperson "ermitteltes" Datenmaterial. Die Verwertung solchen "privat-deliktisch" beigebrachten Materials ist nicht per se unzulässig (BVerfGE 34, 238, 245 ff.; BGHSt 27, 355, 357; EGMR NJW 1989, 654, 656; BayObLG NJW 1997, 3454, 3455). Eine Unverwertbarkeit "privat-deliktisch" beigebrachten Beweismaterials ist nach der herrschenden Meinung allerdings dann anzunehmen, wenn die Beweisbeschaffung des Privaten extrem menschenrechtswidrig war, die Verwertung des Materials einen eigenen und ungerechtfertigten Grundrechtseingriff bildet oder das privat-deliktische Vorgehen durch Ermittlungsbehörden gezielt ausgelöst wurde (Kölbel NStZ 2008, S. 241, 242 m. w. N.). Keiner dieser Ausnahmefälle ist hier gegeben: Die Entwendung von Bankdaten kann offenkundig nicht als "extrem menschenrechtswidrig" eingestuft werden. Der in einer gerichtlichen Verwertung der Daten bestehende Grundrechtseingriff wäre durch die Befugnisnorm des § 244 II StPO gerechtfertigt und angesichts des Strafverfolgungsinteresses bei erheblichen Steuerdelikten auch verhältnismäßig. Schließlich handelte es sich hier nicht um eine staatlich initiierte Beweiserhebung durch einen Privaten, weil sich der Informant aus eigenem Antrieb an die Finanzverwaltung wandte und der Kontakt auf seine Initiative zustande kam (so auch Kölbel, aaO, für den ähnlichen Fall "Kieber").

Soweit eine staatliche Beweiserhebung bereits in der bloßen Übernahme des Beweismaterials durch die Ermittlungsbehörden zu sehen sein sollte (so Kölbel, aaO, S. 242 f.), scheitert die Annahme eines Beweisverwertungsverbots bereits daran, dass diese Beweiserhebung nicht rechtswidrig war. Entgegen der Ansicht der Verteidigung haben sich die Beamten der Finanzverwaltung durch den Ankauf der CD auch nicht strafbar gemacht.

 

Eine Strafbarkeit der Beamten wegen Hehlerei nach § 259 I StGB scheidet bereits deshalb aus, weil die angekauften Daten keine "Sachen" i. S. d. § 259 I StGB darstellen. Die CD als Speichermedium der Daten war hingegen nicht Gegenstand der Vortat. Diese Vortat, die nach deutschem Recht ein Ausspähen von Daten gemäß § 202a StGB oder einen Verstoß gegen § 17 I, II Nr. 2 UWG darstellen kann, richtete sich zudem nicht gegen das Vermögen der Credit Suisse, so dass der Tatbestand des § 259 I StGB auch aus diesem Grunde nicht erfüllt ist. Eine strafbare Teilnahme der Beamten an einem Ausspähen von Daten gemäß § 202a StGB kommt ebenfalls nicht in Betracht, weil der Vorgang der Zugangsverschaffung zu den Daten im Zeitpunkt der Kontaktaufnahme des Informanten mit der Finanzverwaltung bereits abgeschlossen und die Tat mithin bereits beendet war.

 

Die in den Ankauf der Daten involvierten Beamten haben sich auch nicht einer strafbaren Teilnahme an einem Geheimnisverrat gemäß § 17 I, II Nr. 2 UWG oder einer Begünstigung gemäß § 257 I StGB schuldig gemacht. Denn der Ankauf der Daten ist durch die allgemeine Ermittlungsbefugnis gemäß §§ 399 I, 404 AO i. V. m. §§ 161 I, 163 I StPO gedeckt. Insoweit ist zunächst zu berücksichtigen, dass der Informant wegen des Nichtvorhandenseins eines Zeugnisverweigerungsrechts für Geschäftsgeheimnisse nach § 17 UWG auch zu einer entsprechenden Zeugenaussage verpflichtet gewesen wäre. Die Offenbarung der Daten als solche stellte damit nur den Zustand her, den die Strafprozessordnung mit der Aussagepflicht eines Zeugen erreichen will (so auch Sieber NJW 2008, 881, 884, der allerdings davon ausgeht, dass die Zahlung eines Geldbetrages in der StPO keine Begründung findet).

 

Den Steuerbehörden steht nach Ansicht der Kammer nicht nur die Befugnis zu, im Rahmen steuerstrafrechtlicher Ermittlungen potenziell relevantes Material entgegenzunehmen, sondern auch dafür auch eine finanzielle Gegenleistung zu erbringen. Eine spezielle Ermächtigungsgrundlage ist hierfür nicht erforderlich. Dafür spricht bereits, dass der Gewährung eines finanziellen Vorteils für sich genommen jegliche Eingriffsqualität im Hinblick auf den Rechtskreis von Zeugen und Beschuldigten fehlt (Kölbel, aaO, S. 243). Auch ist die Zahlung von Belohnung für Hinweise zur Aufklärung von Straftaten ein traditionelles Mittel der Strafverfolgung (so auch Schünemann NStZ 2008, S. 305, 308, der allerdings dessen ungeachtet für den ähnlichen Fall "Kieber" nicht nur eine strafbare Teilnahme von Amtsträgern an einer Tat nach § 17 UWG annimmt, sondern den beteiligten Amtsträgern auch noch einen unvermeidbaren Verbotsirrtum verweigert).

 

Aus dem bloßen Ankauf von Daten, die eine Privatperson rechtswidrig erlangt hat, ergibt sich mithin kein Beweisverwertungsverbot (so auch Kölbel, aaO, S. 245). Soweit in der Rechtsliteratur zu dieser Frage abweichende Ansichten vertreten werden (Göres/Kleinert NJW 2008, S. 1353, 1357; Trüg/Habetha NStZ 2008, S. 481, 491; Schünemann NStZ 2008, 305, 309), werden diese zumeist mit moralisierenden Betrachtungen begründet, die unberücksichtigt lassen, dass kein ausdrückliches Verbot existiert, steuerrechtlich relevantes Material gegen Entgelt zu erwerben. Da die Leistung eines Entgelts – wie oben ausgeführt – keine Eingriffsqualität hat, ist auf der anderen Seite eine ausdrückliche Ermächtigungsgrundlage für ein solches Vorgehen nicht erforderlich.

Selbst wenn in dem Ankauf der CD eine fehlerhafte Beweiserhebung liegen würde, ergäbe sich hieraus nicht zwangsläufig ein Beweisverwertungsverbot. Vielmehr ist in den Fällen, in denen das Gesetz nicht ausdrücklich ein Verwertungsverbot vorsieht, das Interesse des Staates an der Tataufklärung gegen das Individualinteresse des Bürgers an der Bewahrung seiner Rechtsgüter abzuwägen (Meyer-Goßner, StPO, 53. Auflage, Einl. Rn. 55, 55a m. w. N.). Bei dieser Abwägung sind das Gewicht eines Verfahrensverstoßes und seine Bedeutung für die rechtlich geschützte Sphäre des Betroffenen ebenso zu beachten wie die Erwägung, dass der Staat eine funktionstüchtige Rechtspflege zu gewährleisten hat (Meyer-Goßner, aaO). Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe sind die durch den Ankauf der CD erlangten Informationen strafprozessual verwertbar. Dabei verkennt die Kammer nicht, dass es hier nicht um die Aufklärung eines besonders schwerwiegenden Delikts geht. Auf der anderen Seite ist der gegen die Beschuldigten bestehende Tatverdacht der Steuerhinterziehung gemäß § 370 I AO auch nicht zu bagatellisieren. Die Beschuldigten sind verdächtig, die aus einem Konto bei der Credit Suisse resultierenden Kapitalerträge nicht versteuert zu haben. Dieses seit Anfang 2007 bestehende Konto wies in dem genannten Zeitraum ein Guthaben in Höhe von ca. 1.930.000 SFr auf. Da nach dem bisherigen Ermittlungsergebnis davon auszugehen ist, dass sich dieses Vermögen bereits zuvor im Vermögen der Beschuldigten befunden hat, summieren sich die im nicht verjährten Zeitraum 2004-2008 hinterzogenen Steuern (Einkommenssteuer und Solidaritätszuschlag) auf vorsichtig geschätzte 7.839 Euro. Hinzu kommt, dass die Beschuldigten durch den Ankauf und die Auswertung der CD nicht in ihrer absolut geschützten Intimsphäre verletzt sind. Lediglich ihre allgemeine persönliche Geheimnissphäre ist von der Beweiserhebung betroffen, wobei die angekauften Daten lediglich einen Ausschnitt der wirtschaftlichen Gesamtsituation der Beschuldigten betreffen. Ferner spricht für die Verwertbarkeit der Daten, dass die Finanzbehörden nicht gezielt Ermittlungen durch eine Privatperson in Auftrag gegeben haben. Sie haben lediglich Daten angekauft, die sich eine Privatperson aus eigenem Antrieb verschafft und den Finanzbehörden von sich aus angeboten hat. Schließlich haben die an dem Ankauf der Daten beteiligten Finanzbeamten auch nicht "gezielt Straftaten begangen", wie die Verteidigung meint. Insoweit wird auf die obigen Ausführungen Bezug genommen.

 

Ein Verwertungsverbot besteht auch nicht aus völkerrechtlichen Gründen. Selbst wenn der Ankauf der in der Schweiz durch eine Privatperson beschafften Daten der Bundesrepublik Deutschland als Umgehung des Europäischen Übereinkommens über die Rechtshilfe in Strafsachen vom 20.4.1959 zurechenbar wäre, ergäbe sich ein Beweisverwertungsverbot nur dann, wenn die Verwertung des außerhalb eines vereinbarten Rechtshilfeverkehrs erlangten Beweismittels selbst völkerrechtswidrig ist (BGHSt 37, 30, 33; LG Bochum NStZ 2010, 351, 352). Diese Voraussetzung ist hier nicht gegeben, weil das möglicherweise völkerrechtswidrige Geschehen mit der Datenbeschaffung abgeschlossen ist und das Übereinkommen durch die Verwendung der Daten im Ermittlungsverfahren nicht erneut beeinträchtigt wird.

 

Anmerkung:

 

Die CD bzw. deren Inhalt ist selbst kein ausreichendes Beweismittel, sondern kann nur den im Beschluss benannten Anfangsverdacht begründen, auf Grund dessen eine Durchsuchung pp. stattfinden kann.