Steuerrecht  - Zweiwohnungssteuer


Zweitwohnungssteuer: (un-)beschränkte Berücksichtigungsfähigkeit bei Einkommensteuer

BFH, Urteil vom 13.12.2023 - VI R 30/21 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Klägerin hatte ihren Hauptwohnsitz und Lebensmittelpunkt in K. und arbeitete in München, wo sie eine Wohnung angemietet hatte. In ihrer Einkommensteuererklärung für 2018 machte sie u.a. Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von € 1.480,00 sowie die von ihr der Landeshauptstadt München zu zahlende Zweitwohnungssteuer in Höhe von € 896,00 bei den sonstigen Aufwendungen für ihre doppelte Haushaltsführung geltend. In der Einkommensteuererklärung für 2019 begehrte sie neben Unterkunftskosten am Tätigkeitsort in Höhe von € 15.880,00 die Zweiwohnungssteuer mit € 1.157,00 geltend. Das beklagte FA erkannte für beide Jahre jeweils € 12.000,00 der Kosten für die Unterkunft in München an, die Zweiwohnungssteuer berücksichtigte es bei den sonstigen Aufwendungen nicht. Nach erfolglosen Einspruch der Klägerin gegen die Einkommensteuerbescheide erhob sie Klage zum Finanzgericht, der dieses stattgab. Das beklagte Finanzamt legte Revision ein und rügte – erfolgreich – die Verletzung von § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 EStG.

 

Der BFH wies darauf hin, dass, anders als das Finanzgericht angenommen habe, die Zweiwohnungssteuer nicht zu den beschränkt abzugsfähigen Unterkunftskosten iSv. § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 4 EStG zähle.

 

Werbungskosten nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 1 EStG seien notwendige Mehrkosten einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung, die hier vorläge, da die Klägerin außerhalb des Ortes ihrer ersten Tätigkeitsstätte einen Haushalt unterhalte und dort wohne, § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 2 EStG. Zu den notwendigen als Werbungskosten berücksichtigungsfähigen Mehraufwendungen würden u.a. die notwendigen Unterkunftskosten am Beschäftigungsort zählen. Allerdings seien die im Inland nach § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 4 EStG auf € 1.000,00/Monat begrenzt. Von diesem Höchstbetrag seien alle Aufwendungen des Steuerpflichtigen zur Nutzung der Wohnung umfasst, soweit sie dieser zuzuordnen seien (so die Kaltmiete, bei einer Eigentumswohnung die Absetzungen für Abnutzung (AfA) auf die Anschaffungs- und Herstellungskosten sowie Zinsen für Fremdkapital, die Betriebskosten einschließlich von Stromkosten), da sie durch den Gebrauch der Unterkunft oder durch den Gebrauch das ihre Nutzung ermöglichende Eigentum des Steuerpflichtigen an der Unterkunft entstehen würden (BFH, Urteil vom 04.04.2019 - VI R 18/17 -).

 

Haushaltsartikel und Einrichtungsgegenstände einschließlich darauf beruhender AfA würden nicht darunter fallen, unabhängig davon, dass der Steuerpflichtige sie in der Unterkunft nutze, da deren Nutzung nicht mit der Nutzung der Unterkunft gleichzusetzen sei (BFH, Urteil vom04.04.2019 aaO.).

 

Bei der Zweiwohnungssteuer handele es sich entgegen der Annahme des Finanzgerichts um Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung, die deshalb nicht ohne die Beschränkung des § 9 Abs. 1 S. 3 Nr. 5 S. 4 EStG in voller Höhe zum Abzug zugelassene seien. Hier handele es sich um einen tatsächlichen Aufwand für die Nutzung der Unterkunft.

 

Zweitwohnung sei nach der Satzung der Landeshauptstadt München das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet (§ 2 Abs, 1 S. 1 ZwStS), die melderechtlich als Nebenwohnung (also einer Wohnung, die ein Einwohner neben der Hauptwohnung, § 21 Abs. 3 BMG) innehabe.  Es handele sich bei der Steuer um eine örtliche Aufwandssteuer iSv. Art. 105 Abs. 2a GG (BVerfG, Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79 -).  Die Zweitwohnungssteuer berechne sich nach dem jährlichen Mietaufwand, der Steuerpflichtige für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand der Entstehung der Steuerpflicht für ein Jahr als Nettokaltmiete zu entrichten habe (§ 4 Abs. 1 S. 1 ZwStS); bei Eigentumswohnungen und unentgeltlich oder unterhalb der ortüblichen Miete überlassener Unterkunft sei die ortsübliche Miete als Bemessungsgrundlage heranzuziehen (§ 4 Abs. 1 S. 1 ZwStS). Damit stelle sich die Steuer als eine unmittelbar mit dem Mietaufwand verbundene zusätzliche finanzielle Belastung für das Innehaben der Zweitwohnung dar. Zudem handele es sich – anders als bei Haushaltsartikeln und Einrichtungsgegenständen – um eine ratierlich anfallende Ausgabe, die von dem Höchstbetrag von € 1.000,00/Monat erfasst werden soll (BFH, Urteil vom 04.04.2019 aaO.).

 

Anmerkung: Die satzungsrechtlichen Regelungen, wie sie hier in der Entscheidung zugrunde liegen, sind ähnlich auch in den Satzungen anderer Gemeinden mit einer Zweitwohnungssteuer.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts München vom 26.11.2021 - 8 K 2143/21 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des gesamten Verfahrens hat die Klägerin zu tragen.

 

Tatbestand

 

I.

 

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) hat ihren Haupthausstand und Lebensmittelpunkt in K. In den Streitjahren (2018 und 2019) erzielte sie Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in München, wo sie seit dem Jahr 2012 eine Wohnung angemietet hat.

 

In ihrer Einkommensteuererklärung für 2018 machte die Klägerin bei den Werbungskosten aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für die Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte in Höhe von 12.480 € sowie eine Zweitwohnungsteuer der Landeshauptstadt München in Höhe von 896 € bei den sonstigen Aufwendungen für ihre doppelte Haushaltsführung geltend. In der Einkommensteuererklärung für 2019 begehrte sie neben den Kosten für die Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte in Höhe von 15.880 € die Berücksichtigung gezahlter Zweitwohnungsteuer in Höhe von 1.157 €.

 

Der Beklagte und Revisionskläger (Finanzamt --FA--) erkannte für die Streitjahre die Kosten der Unterkunft am Ort der ersten Tätigkeitsstätte in München jeweils mit dem gesetzlichen Höchstbetrag von 12.000 € an. Die Zweitwohnungsteuer bei den sonstigen Aufwendungen im Rahmen der doppelten Haushaltsführung berücksichtigte das FA nicht.

 

Der nach erfolglosem Vorverfahren erhobenen Klage gab das Finanzgericht (FG) mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2022, 322 veröffentlichten Gründen statt.

 

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG).

 

Es beantragt,

das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

 

Die Klägerin beantragt sinngemäß,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Das Bundesministerium der Finanzen ist dem Verfahren beigetreten. Einen Antrag hat es nicht gestellt.

 

Entscheidungsgründe

 

II.

 

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung --FGO--). Das FG ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass die von der Klägerin in den Streitjahren gezahlte Zweitwohnungsteuer nicht zu den nur beschränkt abzugsfähigen Unterkunftskosten im Sinne des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG zählt.

 

1. Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 1 EStG sind Werbungskosten auch notwendige Mehraufwendungen, die einem Arbeitnehmer wegen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung entstehen. Eine doppelte Haushaltsführung liegt nur vor, wenn der Arbeitnehmer außerhalb des Ortes seiner ersten Tätigkeitsstätte einen eigenen Hausstand unterhält und auch am Ort der ersten Tätigkeitsstätte wohnt (§ 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 2 EStG).

 

Die Voraussetzungen einer beruflich veranlassten doppelten Haushaltsführung sind im Streitfall erfüllt; dies steht zwischen den Beteiligten zu Recht nicht in Streit. Der Senat sieht daher insoweit von einer weiteren Begründung ab.

 

2. Zu den notwendigen Mehraufwendungen, die nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG als Werbungskosten zu berücksichtigen sind, zählen unter anderem die notwendigen Kosten der Unterkunft am Beschäftigungsort. Als Unterkunftskosten für eine doppelte Haushaltsführung können nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG im Inland die tatsächlichen Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft angesetzt werden, höchstens 1.000 € im Monat.

 

a) Zu den Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG, die (nur) mit dem Höchstbetrag von 1.000 € pro Monat abgezogen werden können, zählen alle Aufwendungen, die der Steuerpflichtige getragen hat, um die Unterkunft zu nutzen, soweit sie ihr einzeln zugeordnet werden können. Hat der Steuerpflichtige eine Wohnung angemietet, gehört zu diesen Aufwendungen zunächst die Bruttokaltmiete; bei einer Eigentumswohnung die Absetzung für Abnutzung (AfA) auf die Anschaffungs- oder Herstellungskosten sowie die Zinsen für Fremdkapital, soweit sie auf den Zeitraum der Nutzung entfallen. Aber auch die (warmen und kalten) Betriebskosten einschließlich der Stromkosten gehören zu diesen Unterkunftskosten (so bereits Senatsbeschluss vom 12.07.2017 - VI R 42/15, BFHE 258, 439, BStBl II 2018, 13, Rz 8, zu § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 EStG a.F.; vgl. auch BTDrucks 17/10774, S. 13), da sie durch den Gebrauch der Unterkunft oder durch das ihre Nutzung ermöglichende Eigentum des Steuerpflichtigen an der Unterkunft entstehen (ausführlich Senatsurteil vom 04.04.2019 - VI R 18/17, BFHE 264, 6, BStBl II 2019, 449, Rz 24).

 

b) Dagegen gehören die Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Haushaltsartikel und Einrichtungsgegenstände einschließlich AfA nicht zu den Aufwendungen für die Nutzung der Unterkunft im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG. Diese Aufwendungen trägt der Steuerpflichtige für die Anschaffung bestimmter Wirtschaftsgüter oder sie dienen, wie die AfA, der Verteilung der Anschaffungskosten auf die Nutzungsdauer der entsprechenden Wirtschaftsgüter (s. dazu Urteil des Bundesfinanzhofs vom 05.12.1985 - IV R 112/85, BFHE 145, 537, BStBl II 1986, 390). Daran ändert auch der Umstand nichts, dass der Steuerpflichtige die Wirtschaftsgüter in der Unterkunft nutzt. Die Nutzung der Einrichtungsgegenstände und der Haushaltsartikel ist nicht mit der Nutzung der Unterkunft als solcher gleichzusetzen (Senatsurteil vom 04.04.2019 - VI R 18/17, BFHE 264, 6, BStBl II 2019, 449, Rz 26).

 

3. Nach diesen Maßstäben hat das FG die Zweitwohnungsteuer zu Unrecht als sonstige notwendige Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung angesehen und sie ohne die Beschränkung des § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 Satz 4 EStG in voller Höhe zum Abzug zugelassen. Bei der (von der Stadt München erhobenen) Zweitwohnungsteuer handelt es sich vielmehr um Unterkunftskosten im Sinne der Norm (ebenso Brandis/Heuermann/Thürmer, § 9 EStG Rz 402; Fuhrmann in Korn, § 9 EStG Rz 111.5; Hillmoth in Lippross/Seibel, Basiskommentar Steuerrecht, Stand [140. Lfg. 10.2023] § 9 EStG Rz 542; Wackerbeck, EFG 2022, 324; a.A. Kreft und Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 9 EStG Rz 498 "Unterkunftskosten"). Denn die Zweitwohnungsteuer stellt einen tatsächlichen Aufwand für die Nutzung der Unterkunft dar.

 

a) Gemäß § 1 der Satzung über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer in der Landeshauptstadt München vom 22.12.2006 (Zweitwohnungsteuersatzung --ZwStS--) erhebt die Stadt München eine Zweitwohnungsteuer für das Innehaben einer Zweitwohnung im Stadtgebiet. Zweitwohnung ist nach § 2 Abs. 2 Satz 1 ZwStS jede Wohnung, die melderechtlich als Nebenwohnung erfasst ist. Nebenwohnung ist jede weitere Wohnung, die ein Einwohner neben der Hauptwohnung hat (§ 21 Abs. 3 des Bundesmeldegesetzes).

 

Danach knüpft das Entstehen der Zweitwohnungsteuer maßgeblich an das Innehaben einer weiteren Wohnung in München neben der Hauptwohnung und damit an die damit regelmäßig einhergehende Nutzung dieser Wohnung an. Die Steuer findet als örtliche Aufwandsteuer im Sinne von Art. 105 Abs. 2a des Grundgesetzes (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts --BVerfG-- vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325, BStBl II 1984, 72) ihre Rechtfertigung darin, dass das Innehaben einer weiteren Wohnung für den persönlichen Lebensbedarf (Zweitwohnung) neben der Hauptwohnung ein Zustand ist, der gewöhnlich die Verwendung von finanziellen Mitteln (Einkommen) erfordert und damit regelmäßig die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Wohnungsinhabers zum Ausdruck bringt (vgl. BVerfG-Beschluss vom 06.12.1983 - 2 BvR 1275/79, BVerfGE 65, 325, BStBl II 1984, 72, unter B.I.3.c).

 

b) Zudem berechnet sich die Zweitwohnungsteuer nach dem jährlichen Mietaufwand (§ 4 Abs. 1 Satz 1 ZwStS). Dies ist gemäß § 4 Abs. 1 Satz 2 ZwStS die Nettokaltmiete, die der Steuerpflichtige für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerpflicht für ein Jahr zu entrichten hätte (Jahresnettokaltmiete). Für Wohnungen, die im Eigentum des Steuerpflichtigen stehen oder die dem Steuerpflichtigen unentgeltlich oder zu einem Entgelt unterhalb der ortsüblichen Miete überlassen sind, ist die Nettokaltmiete in der ortsüblichen Höhe anzusetzen (§ 4 Abs. 3 Satz 1 ZwStS). Die Zweitwohnungsteuer stellt somit eine unmittelbar mit dem tatsächlichen Mietaufwand für die Zweitwohnung verbundene zusätzliche finanzielle Belastung für das Innehaben der Zweitwohnung dar.

 

c) Auch handelt es sich bei der Zweitwohnungsteuer --anders als insbesondere bei Aufwendungen des Steuerpflichtigen für Haushaltsartikel und Einrichtungsgegenstände-- um eine ratierlich anfallende Ausgabe, die von dem Höchstbetrag von 1.000 € pro Monat erfasst werden soll (hierzu Senatsurteil vom 04.04.2019 - VI R 18/17, BFHE 264, 6, BStBl II 2019, 449, Rz 28).

 

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.