Steuerliche Wertbemessung: Satt Geld als Gegenleistung Sachgüter
BFH, Urteil vom 13.10.2015 – IX ZR
43/14 -
Kurze Inhaltsangabe:
Der Sachverhalt ist einfach und könnte sich nicht nur in dem hier fraglichen Finanzbereich wiederholen, sondern bei Abschaffung von Bargeld in etlichen Bereichen (mit andern
Produkten): Der Kläger veräußerte und übertrug ihre Beteiligung an der N-AG von 47.992 Stückaktien an die U-AG, die dafür der Klägerin 174.194 Stückaktien von ihr zu einem
vereinbarten Ausgabekurs von € 24,00/Aktie. Die dafür notwendige Kapitalerhöhung wurde am 13.12.2002 im Handelsregister eingetragen; der Börsenkurs der U-Aktie betrug am 28.02.2002 € 18,69, am
13.12.2002 € 2,20.
Der Kläger hat den Veräußerungsgewinn seiner Aktien an der N-AG mit € 2,20/Aktie bewertet, was das Finanzamt (FA) zunächst auch zugrunde legte. Nach einer Kontrollmitteilung in 2007 ändert das FA
dies und bewertete nunmehr die Aktien mit € 18,69/Stück. Einspruch und Klage zum Finanzgericht hatten keinen Erfolg; auf die Revision gab der BFH der Klage statt.
Der BFH stellt auf den tatsächlich erzielten Veräußerungserlös ab, § 16 Abs. 2 EStG. Das würde bedeuten, dass später eintretende Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis
solange auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen sind, als der Erwerber noch nicht erfüllt hat (also nicht gezahlt hat). Der Grund für die dadurch bedingte Minderung oder Erhöhung ist
dabei unbeachtlich. Diese Grundsätze gelten auch bei der Ermittlung des Veräußerungspreises, § 17 Abs. 2 EStG.
Die Grundsätze wären auch bei der Bewertung von Sachgütern beachtlich (und insbesondere würde nicht die Entscheidung des Großen Senats (BFHE 172,66) dagegen sprechen). Nach diesen Begründung und
unter Berücksichtigung des Willens des historischen Gesetzgebers wären Wertveränderungen zwischen der Begründung der Forderung und ihrer Erfüllung zu berücksichtigen; insbesondere die punktuelle
Erfassung des Veräußerungsgewinns und dessen Abgrenzung vom laufenden Gewinn würden es gebieten im Sinne einer sachgerechten und an der individuellen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerung
auf den tatsächlich erzielten Erlös abzustellen.
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Revision der Kläger werden das Urteil des Finanzgerichts Münster vom 2. Oktober 2014 1 K 1611/11 E und der geänderte Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 30. Juli
2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. April 2011 aufgehoben.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Beklagte zu tragen.
Tatbestand
I. Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) war mit 61 250 Stückaktien (zu 34,02 %) an der N-AG beteiligt. Am 28. Februar 2002 veräußerte und übertrug er seine
Beteiligung in zwei Vorgängen. Aus der Übertragung von 13 258 Aktien auf eine KG erzielte der Kläger einen Gewinn, der vorliegend nicht im Streit ist. Die übrigen 47 992
Stückaktien erwarb die U-AG. Als Gegenleistung erhielt der Kläger 174 194 neue Aktien der U-AG zum vereinbarten Ausgabekurs von 24 € pro Aktie. Die dafür notwendige
Kapitalerhöhung bei der U-AG wurde am 13. Dezember 2002 in das Handelsregister eingetragen. An diesem Tag wurden 174 194 neue Aktien der U-AG dem Depot des Klägers
gutgeschrieben. Der Börsenkurs der U-Aktie betrug am 28. Februar 2002 18,69 € und am 13. Dezember 2002 2,20 €.
Der Kläger ermittelte den Veräußerungsgewinn unter Berücksichtigung des Börsenkurses am 13. Dezember 2002 (2,20 €/Aktie). Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt
--FA--) veranlagte den Kläger und die Klägerin und Revisionsklägerin, seine mit ihm im Streitjahr zusammenveranlagte Ehefrau, zunächst erklärungsgemäß. Aufgrund einer
Kontrollmitteilung von Juli 2007 bewertete das FA den Veräußerungspreis nun mit dem Börsenkurs vom 28. Februar 2002 (18,69 €/Aktie) und änderte den Einkommensteuerbescheid
entsprechend. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Mit ihrer Revision rügen die Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 17 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes --EStG--).
Sie beantragen sinngemäß,
das angefochtene Urteil und den geänderten Einkommensteuerbescheid für 2002 vom 30. Juli 2007 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 4. April 2011 aufzuheben.
Das FA beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung
--FGO--). Das Finanzgericht (FG) hat den Veräußerungsgewinn nicht richtig ermittelt.
1. Die Vorinstanz hat zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Veräußerungsgewinn sei am 28. Februar 2002 entstanden. Auf diesen Stichtag müssten die als Gegenleistung zu
liefernden Sachgüter bewertet werden. Auf den Zeitpunkt der Erfüllung der Gegenleistung am 13. Dezember 2002 komme es dagegen nicht an. Die Rechtsprechung zur Berücksichtigung
nachträglicher Änderungen bei gestundeter Kaufpreisforderung sei auf den vorliegenden Fall nicht übertragbar. Sie setze eine Leistungsstörung voraus. Hier sei der Vertrag aber wie
vereinbart erfüllt worden. Die Wertveränderung der Gegenleistungsforderung bis zu deren Erfüllung beeinflusse den Veräußerungspreis deshalb nicht. Andernfalls würde bei jeder
aufgeschobenen Gegenleistung die Grundentscheidung für eine Gewinnermittlung am Stichtag in ihr Gegenteil verkehrt. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der jüngeren
Rechtsprechung. Ein Bewertungsabschlag sei nicht vorzunehmen.
2. Diese Ausführungen sind nicht frei von Rechtsfehlern.
a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen, dass die Übertragung von N-Aktien auf die U-AG gegen Übertragung von (neuen) Aktien der U-AG (Aktientausch) eine Veräußerung i.S. von
§ 17 EStG darstellt (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 17. Oktober 1974 IV R 223/72, BFHE 113, 456, BStBl II 1975, 58).
b) Ebenfalls zu Recht hat das FG angenommen, dass der Gewinn aus der Veräußerung am 28. Februar 2002 entstanden ist.
Nach der Rechtsprechung ist der Veräußerungsgewinn nicht nach dem Zuflussprinzip des § 11 EStG, sondern nach einer Stichtagsbewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Gewinns
oder Verlusts zu ermitteln (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 21. September 1982 VIII R 140/79, BFHE 137, 407, BStBl II 1983, 289). Maßgebender Zeitpunkt der Gewinn- oder
Verlustrealisierung ist derjenige, zu dem bei einer Gewinnermittlung durch Betriebsvermögensvergleich gemäß § 4 Abs. 1, § 5 EStG nach handelsrechtlichen Grundsätzen
ordnungsmäßiger Buchführung der Gewinn oder Verlust realisiert wäre (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 30. Juni 1983 IV R 113/81, BFHE 138, 569, BStBl II 1983, 640; vom
2. Oktober 1984 VIII R 20/84, BFHE 143, 304, BStBl II 1985, 428). Der Anspruch auf die Gegenleistung ist bei gegenseitigen Verträgen realisiert, sobald die eigene
Leistung erbracht ist. Bei der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften kommt es darauf an, wann der Erwerber zumindest das wirtschaftliche Eigentum an den übertragenen
Anteilen erlangt hat (vgl. BFH-Urteil vom 18. November 2014 IX R 30/13, BFH/NV 2015, 489, m.w.N.). Das war am 28. Februar 2002 der Fall. In diesem Zeitpunkt
entsteht der Veräußerungsgewinn, unabhängig davon, ob die Gegenleistung sofort fällig, in Raten zahlbar oder langfristig gestundet ist und wann sie dem Veräußerer tatsächlich zufließt
(vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 19. Juli 1993 GrS 2/92, BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897; BFH-Urteil vom 20. Juli 2010 IX R 45/09, BFHE 230,
380, BStBl II 2010, 969).
c) Veräußerungsgewinn ist der Betrag, um den der Veräußerungspreis nach Abzug der Veräußerungskosten die Anschaffungskosten übersteigt (§ 17 Abs. 2 Satz 1 EStG).
Veräußerungspreis i.S. von § 17 Abs. 2 EStG ist der Wert der Gegenleistung, die der Veräußerer am maßgebenden Stichtag erlangt (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 489); dazu
gehört alles, was der Veräußerer aus dem Veräußerungsgeschäft als Gegenleistung erhält (BFH-Urteile vom 7. März 1995 VIII R 29/93, BFHE 178, 116, BStBl II 1995, 693;
vom 2. April 2008 IX R 73/04, BFH/NV 2008, 1658). Im Streitfall hat der Kläger als Gegenleistung für die Übertragung der N-Aktien am 13. Dezember 2002
174 194 neue U-Aktien erhalten.
d) Besteht die tatsächlich erhaltene Gegenleistung nicht in Geld, sondern in Sachgütern, ist der Veräußerungspreis insoweit mit dem gemeinen Wert anzusetzen. Grundsätzlich kommt es
dafür auf die Umstände im Zeitpunkt der Veräußerung an (vgl. BFH-Urteile vom 19. Januar 1978 IV R 61/73, BFHE 124, 327, BStBl II 1978, 295, und vom 25. Juni 2009
IV R 3/07, BFHE 226, 62, BStBl II 2010, 182, II.2.a bb). Soweit sich aus dem Senatsurteil vom 25. August 2009 IX R 41/08 (nicht amtlich veröffentlicht,
juris) etwas anderes ergibt, hält der Senat daran nicht fest. Im Streitfall kann offenbleiben, ob die als Gegenleistung geschuldeten neuen U-Aktien schon deshalb am 28. Februar
2002 nicht bewertet werden konnten, weil sie an diesem Tag noch nicht existierten.
e) Für die Bewertung der tatsächlich erhaltenen Gegenleistung (Veräußerungspreis) kommt es auf die Verhältnisse im Zeitpunkt der Erfüllung an, wenn diese von den Verhältnissen im
Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns abweichen. Die Veränderung der wertbestimmenden Umstände wirkt materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurück.
aa) Der Große Senat des BFH hat zu § 16 Abs. 2 EStG entschieden, dass es nur auf den tatsächlich erzielten Veräußerungsgewinn ankommt. Dies erfordert es, später eintretende
Veränderungen beim ursprünglich vereinbarten Veräußerungspreis solange und soweit materiell-rechtlich auf den Zeitpunkt der Veräußerung zurückzubeziehen, als der Erwerber seine
Verpflichtung zur Zahlung des Kaufpreises noch nicht erfüllt hat. Dabei ist es unerheblich, welche Gründe für die Minderung oder Erhöhung des (tatsächlich erzielten) Erlöses maßgebend
waren (Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897 zu Forderungsausfall). Entsprechendes gilt für die Ermittlung des Veräußerungspreises i.S. des § 17
Abs. 2 EStG (vgl. BFH-Urteile vom 21. Dezember 1993 VIII R 69/88, BFHE 174, 324, BStBl II 1994, 648, und vom 23. Mai 2012 IX R 32/11, BFHE 237, 234,
BStBl II 2012, 675).
bb) Ob diese Grundsätze auch für die Bewertung von Sachgütern, also für die Berücksichtigung nachträglicher Veränderungen bei den wertbildenden Umständen gelten, wird bisher
uneinheitlich beurteilt.
Der VIII. Senat des BFH hat für den Fall, dass die Gegenleistung in börsennotierten Aktien besteht, auf den Börsenkurs im Zeitpunkt der Abtretung der Aktien abgestellt
(BFH-Beschluss vom 19. September 2012 VIII B 90/12, BFH/NV 2012, 1962). Das ergebe sich aus der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH.
Das FG München hat in einem ähnlichen Fall anders geurteilt. Die Rechtsprechung des Großen Senats des BFH und die nachfolgende Rechtsprechung setzten eine Leistungsstörung voraus.
Wertveränderungen der Gegenleistung vollzögen sich jedoch außerhalb des Vertrags und beeinflussten den Anspruch auf die Gegenleistung nicht (FG München, Urteil vom 16. Juli
2008 9 K 4042/06, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 2008, 1611 – mit anderer Begründung bestätigt durch BFH-Urteil vom 25. August 2009
IX R 41/08, nicht amtlich veröffentlicht, juris; so auch die Vorinstanz).
Das Schrifttum spricht sich überwiegend dafür aus, eine bis zum Erfüllungszeitpunkt eingetretene Wertveränderung zu berücksichtigen (so ausdrücklich Reiß in Kirchhof, EStG,
14. Aufl., § 16 Rz 254 unter Hinweis auf BFH-Urteil in BFH/NV 2012, 1962; ders., in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 16 Rz E 91 (Stand: August 1992);
Schmidt/Wacker, EStG, 34. Aufl., § 16 Rz 279; a.A. Bordewin, Finanz-Rundschau --FR-- 1994, 555, 560).
cc) Der Senat schließt sich der Auffassung des VIII. Senats an. Der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH (in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897) lässt sich nicht entnehmen,
dass sie nur für Fälle zivilrechtlicher Leistungsstörungen gelten soll oder dass sich die veränderten Umstände auf den Bestand oder die Durchsetzbarkeit der Forderung ausgewirkt haben
müssen (so aber Bordewin, FR 1994, 555, 560). Zwar hat der Große Senat des BFH zur Begründung auch ausgeführt, der Regelung (§ 16 Abs. 2 EStG) liege unausgesprochen die
Annahme zugrunde, dass das Veräußerungsgeschäft ohne Störungen abgewickelt werde. Der Gegenschluss, dass eine nachträgliche Veränderung des Veräußerungspreises eine Leistungsstörung
voraussetze, ist daraus jedoch nicht zu ziehen, denn der Große Senat des BFH ist bei dieser an das Zivilrecht angelehnten Begründung nicht stehengeblieben. Er hat sich vielmehr für
seine Auffassung, wonach auf den tatsächlich erzielten Erlös abzustellen sei, auch auf den Willen des historischen Gesetzgebers, den Zusammenhang der Vorschrift mit den Regelungen in
§ 16 Abs. 4 und § 34 Abs. 1 Nr. 2 EStG (vorliegend ohne Belang) und den Grundsatz der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bezogen. Diese
Gesichtspunkte sprechen dafür, auch Wertveränderungen zwischen der Begründung der Forderung auf die Gegenleistung und ihrer Erfüllung bei der Ermittlung des Veräußerungspreises zu
berücksichtigen. Vor allem die punktuelle Erfassung des Veräußerungsgewinns und seine Abgrenzung vom laufenden Gewinn gebietet es, im Interesse einer sachgerechten, an der
individuellen Leistungsfähigkeit ausgerichteten Besteuerung auf den tatsächlich erzielten Erlös abzustellen. Das schließt die Bewertung einer Sachleistung am Tag des Gefahrübergangs
(Erfüllung) ein, denn vorher hat der Veräußerer tatsächlich nichts erhalten. Dementsprechend hat der Senat auch entschieden, dass realisierte Währungskursveränderungen die Höhe des
Veräußerungsgewinns beeinflussen (vgl. BFH-Urteil in BFH/NV 2015, 489).
Es kommt deshalb nicht darauf an, dass der Erwerber im Streitfall die geschuldete Gegenleistung am 13. Dezember 2002 erbracht und damit seine Verpflichtung aus der
Aktionärsvereinbarung vollständig erfüllt hat. Zwar trifft es zu, dass es insofern nicht zu einer vertraglichen Leistungsstörung gekommen ist, denn die Vertragsparteien hatten
insoweit auf eine Anpassung der Gegenleistung verzichtet und dem Kläger einseitig das Kursrisiko zugewiesen. Das ändert jedoch nichts daran, dass der Kläger aus dem Vertrag letztlich
weniger erhalten hat, als er bei Abschluss des Vertrags annehmen durfte. Aus seiner Sicht unterscheidet sich das Ergebnis deshalb nicht wesentlich von dem, dass ein Teil der
Kaufpreisforderung endgültig ausfällt oder eine vereinbarte Teilleistung dauerhaft nicht erbracht wird. Lediglich der Grund für die Einbuße ist ein anderer. Darauf sollte es aber nach
der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH gerade nicht ankommen.
Darin liegt keine unzulässige Durchbrechung des Grundsatzes, wonach es für die Bewertung auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns ankommt (so aber FG München in EFG
2008, 1611). Nach der Rechtsprechung des Großen Senats des BFH gilt das Realisationsprinzip bei der Ermittlung eines Veräußerungsgewinns uneingeschränkt nur für den Zeitpunkt der
Entstehung des Gewinns. Für die Höhe des tatsächlich erzielten Erlöses kommt es dagegen auf den Zeitpunkt der Erfüllung (Zufluss) an. § 16 Abs. 2 EStG (und § 17
Abs. 2 EStG) gehen insofern als speziellere Vorschriften dem Realisationsgrundsatz vor (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH in BFHE 172, 66, BStBl II 1993, 897).
dd) Verändert sich der Wert der Gegenleistung nach vollständiger Erfüllung der Gegenleistungspflicht, beeinflusst dies die Höhe des Veräußerungspreises nicht mehr. Vereinbarungen,
durch welche eine bereits erfüllte Gegenleistung noch einmal geändert wird, wirken nach der Rechtsprechung nur dann auf den Zeitpunkt der Entstehung des Veräußerungsgewinns zurück,
wenn der Rechtsgrund für die spätere Änderung im ursprünglichen Rechtsgeschäft bereits angelegt war (vgl. BFH-Urteile vom 19. August 2003 VIII R 67/02, BFHE 203, 309,
BStBl II 2004, 107; vom 14. Juni 2005 VIII R 14/04, BFHE 210, 278, BStBl II 2006, 15; in BFHE 237, 234, BStBl II 2012, 675). Eine derartige Einschränkung sieht die
Rechtsprechung für tatsächliche oder rechtliche Veränderungen, die vor Erfüllung des Anspruchs auf die Gegenleistung eintreten, jedoch nicht vor.
3. Das FG ist von anderen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Sein Urteil ist deshalb aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Das FG hat mit bindender Wirkung (§ 118 Abs. 2 FGO)
festgestellt, dass die jungen U-Aktien am Tag der Einbuchung in das Depot des Klägers mit 2,20 € je Aktie zu bewerten waren. Darüber besteht zwischen den Beteiligten kein Streit;
der Senat sieht auch keine Veranlassung, diese Feststellung, die für die Entscheidung des FG nicht tragend war, in Zweifel zu ziehen. Danach kann der Senat in der Sache selbst
entscheiden. Die Klage ist begründet.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.