Steuerrecht: Gewerbesteuer / Einkommensteuer


Gewerblichkeit versus Liebhaberei

FG Hamburg, Urteil vom 23.12.2014 - 6 K 295/13 -

Stellt sich das Betreiben einer Kunstagentur als Liebhaberei dar oder handelt es sich um eine gewerbliche Tätigkeit ? damit setzte sich das FG Hamburg mit Urteil vom 23.12.2014 – 6 KL 295/13 – auseinander. 1992 bis 1997 hatte der Kläger lediglich Verluste, weshalb das beklagte Finanzamt (FA) bereits eine Liebhaberei annahm. Ab 1998 wurden geringe Gewinne erwirtschaftet. In 2001 erfolgte die Abmeldung des Gewerbes und wurde die Agentur vom Kläger bis 2006 noch in einem geringeren Umfang fort betrieben. Durch eine Kontrollmitteilung wurden Einkünfte aus der Agentur für 2002 von über € 30.000,00 festgestellt. Der Kläger meint, es handele sich um Liebhaberei. Dem folgt das FG nicht.

 

Zwar kann eine gewerbliche Tätigkeit nur angenommen werden, wenn diese auf Gewinn gerichtet ist. Bleiben die Gewinne aus, spricht nach der Rechtsprechung eine Mutmaßung für Liebhaberei mit der Folge, dass die Verluste aus der Tätigkeit nicht mehr steuerlich in Ansatz gebracht werden können. Stellen sich dann aber doch gewinne ein, so sind diese gleichwohl zu versteuern, da dann die Liebhaberei nicht mehr vorliegt. 

 

Aus den Gründen:

 

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten sind für den Veranlagungszeitraum 2002 die Einkünfte aus Gewerbebetrieb des ... Ehemannes der Klägerin streitig.

Der Ehemann der Klägerin betrieb in den Jahren 1992 bis 2001 die Agentur "XX" in A. In den Jahren 1992 bis 1997 erzielte er ausschließlich Verluste, insgesamt 51.044,31 Euro. Aufgrund dessen hatte der Beklagte erhebliche Zweifel an der Gewinnerzielungsabsicht und stufte die Tätigkeit als Liebhaberei ein. Ab 1998 wurden dann erstmals positive gewerbliche Einkünfte erzielt.

Der Ehemann der Klägerin erklärte gegenüber dem Beklagten die Aufgabe des Gewerbebetriebes zum ... 2001, betrieb diese Agentur  in reduziertem Umfang weiter bis ... 2006. Einnahmen und Ausgaben im Zusammenhang mit der reduzierten Agenturtätigkeit erklärte er nicht mehr.

In 2001 trat der Ehemann der Klägerin ... in den ... -Dienst ein und bezog ... Einkünfte aus nichtselbstständiger Tätigkeit. Gewerbliche Einkünfte wurden für 2002 nicht erklärt.

Mit Bescheid vom 07.09.2004 setzte der Beklagte die Einkommensteuer antragsgemäß fest. Aufgrund von Mitteilungen über Beteiligungseinkünfte erging ein Änderungsbescheid am 04.08.2006.

Durch eine Kontrollmitteilung vom 27.11.2007 erhielt der Beklagte davon Kenntnis, dass der Ehemann der Klägerin für erbrachte Vermittlungsleistungen von der Firma B Zahlungen bezüglich des Verkaufs von Kunstgegenständen der Künstlerin C ... erhalten hatte. Der Ehemann der Klägerin hatte ... insgesamt Provisionen von 14.555 Euro in Rechnung gestellt.

Am ... 2008 wurde ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Hinterziehung von Einkommensteuer für 2002 eingeleitet. In diesem Verfahren wurde festgestellt, dass der Ehemann der Klägerin im Veranlagungszeitraum 2002 33.840,50 Euro an Einkünften aus der Agenturtätigkeit nicht erklärt hatte. Eine von der Klägerin mit Schreiben vom 01.09.2009 eingereichte Totalgewinnprognose blieb dabei unberücksichtigt. Das Strafverfahren wurde gegen Zahlung einer Geldbuße ... eingestellt.

Am 13.06.2008 ergingen Änderungsbescheide betr. Einkommensteuer und Gewerbesteuermessbetrag und Gewerbesteuer für 2002. Dabei ging der Beklagte von Einkünften des Ehemannes der Klägerin aus Gewerbebetrieb von Euro 35.885 aus.

Gegen den Änderungsbescheid legte die Klägerin am 23.06.2008 Einspruch ein und führte insbesondere an, dass aufgrund der vorgelegten Totalgewinnprognose im Zeitraum 2001 bis 2006 einkommensteuerlich irrelevante Liebhaberei vorliege.

Mit Änderungsbescheid vom 11.12.2008 reduzierte der Beklagte die gewerblichen Einkünfte des Ehemannes der Klägerin auf Euro 33.840, da eine in 2002 berücksichtige Zahlung (betr. D) erst in 2003 zugeflossen war.

Mit Schreiben vom 25.05.2010 widersprach der Beklagte der vorgelegten Totalgewinnprognose; er versagte die Berücksichtigung von weiteren Betriebsausgaben mit der Begründung, dass die Aufzeichnungen über Einnahmen und Ausgaben nicht ordnungsgemäß seien und schätzte die Besteuerungsgrundlagen. Durch die Nichtberücksichtigung der geltend gemachten Betriebsausgaben hatte sich für 2001 bis 2006 ein positives Ergebnis ergeben mit der Folge, dass der Beklagte für den Veranlagungszeitraum 2002 die gewerblichen Einkünfte in der bisherigen Größenordnung beibehielt. Auf Nachfrage des Beklagten reichte die Klägerin weitere Belege ein.

Mit Einspruchsentscheidung vom 20.11.2013 setzte der Beklagte die Einkommensteuer unter Berücksichtigung von gewerblichen Einkünften in Höhe von 27.384 Euro fest (einschließlich der Einkünfte aus der Nachlassverwaltung und dem Projekt C) und wies den Einspruch im Übrigen als unbegründet zurück. Mit weiterer Einspruchsentscheidung vom gleichen Tage und Zurückweisung des Einspruchs im Übrigen wurde der Gewerbesteuermessbetrag 2002 auf 28 Euro und die Gewerbesteuer auf 131,60 Euro ermäßigt. Die Zinsen für Gewerbesteuer wurden auf ./. 63 Euro festgesetzt.

Gegen beide Steuerfestsetzungen erhob die Klägerin mit Schreiben vom 20.12.2013, beim Finanzgericht eingegangen am gleichen Tage, Klage, mit dem Ziel, unter Abänderung der streitgegenständlichen Steuerbescheide die Einkünfte des verstorbenen Ehemannes der Klägerin aus Gewerbebetrieb mit 0 Euro festzusetzen.

Zur Begründung trägt sie vor, ab ... 2001 habe ihr Ehemann die Agentur nur noch reduziert betrieben, dabei habe es sich um keine einkommensteuerrechtlich relevante Tätigkeit gehandelt. Die Totalprognose habe einen Totalverlust erwiesen, sodass lediglich Liebhaberei vorliegen würde. Soweit der Beklagte weitere Betriebsausgaben in Höhe von 10.752,15 Euro versagt habe, so hätten die Belege dafür beim Finanzamt bereits vorgelegen. Des Weiteren seien die Einnahmen aus der Projektförderung C und der Nachlassverwaltung (E) zu Unrecht nicht gekürzt worden. Der Ehemann der Klägerin habe nach ... 2001 die Agenturtätigkeit nur noch als Liebhaberei betrieben. Er habe 2001 bis 2006 eindeutig einen Totalverlust erlitten in Höhe von 715,47 Euro. Dieser Verlust beinhalte noch Einnahmen, die nicht im Zusammenhang mit der Agenturtätigkeit angefallen seien, wie die Tätigkeit der Nachlassverwaltung E und enthalte noch weitere Ausgaben wie die Projektförderung C. Tatsächlich ergebe sich ein tatsächlicher Verlust aus der Agenturtätigkeit im Zeitraum 2001 bis 2006 in Höhe von 18.965,47 Euro.

Nach dem Erörterungstermin vom 07.08.2014 machte die Klägerin der Höhe nach nur noch die nicht anerkannten Aufwendungen für die vier in 2002 durchgeführten Ausstellungen geltend. Diese belaufen sich bei der Ausstellung-1 auf Euro 1.949, bei der Ausstellung-2 auf Euro 837, bei der Ausstellung-3 auf Euro 1.539 und bei der Ausstellung-4 auf Euro 1.057, damit insgesamt auf Euro 5.382. Die darüberhinausgehenden Betriebsausgaben und die Kürzung der Einnahmen aus der Nachlassverwaltung und dem Projekt C werden von ihr nicht mehr weiter verfolgt.

Die Klägerin beantragt,
1. Den Bescheid für 2002 über Einkommensteuer, Kirchensteuer und Solidaritätszuschlag vom 04.01.2013 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2013 dahingehend zu ändern, dass für den ... Ehemann der Klägerin, Herrn K, die Einkünfte aus Gewerbebetrieb mit 0 festgestellt werden;

2. den Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer für 2002 vom 11.12.2008 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2013 dahingehend zu ändern, dass der Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer für 2002 mit 0 festgestellt werden.

Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.

Er hält die Klage für unbegründet und verweist hierzu auf die Ausführungen in den streitigen Einspruchsentscheidungen.

Am 07.08.2014 fand ein Erörterungstermin mit den Beteiligten statt. Insoweit wird auf den Inhalt des Protokolls vom 07.08.2014 (Bl. 21 f. Gerichtsakte - GA) verwiesen. Für den weiteren Sachstand wird auf die wechselseitig zur Akte gereichten Schriftsätze der Beteiligten Bezug genommen.

Dem Gericht haben eine Strafsach-Akte sowie ein Band Einkommensteuer-Akten und ein Band Rechtsbehelfs-Akten zur St-Nr. .../.../... vorgelegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage hat in der Sache nur zum geringen Teil Erfolg.

I.

Die Entscheidung erfolgt ohne mündliche Verhandlung durch die Berichterstatterin, nachdem die Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet und sich mit einer Entscheidung durch die Berichterstatterin einverstanden erklärt haben (§ 79a Abs. 3 und 4 und § 90 Abs. 2 FGO).

II.

Der angefochtene Bescheid über den Gewerbesteuermessbetrag und die Gewerbesteuer 2002 vom 11.12.2008 sowie der angegriffene Einkommensteuerbescheid 2002 vom 04.01.2013 jeweils in der Fassung der Einspruchsentscheidungen vom 20.11.2013 sind insoweit rechtswidrig und verletzen die Klägerin auch als Erbin ihres verstorbenen Ehemannes in ihren Rechten, als für die Aufwendungen im Gewerbebetrieb des Ehemannes der Klägerin betreffend vier Ausstellungen im Streitjahr steuerlich zu wenig Betriebsausgaben anerkannt worden sind und dementsprechend die Einkünfte aus Gewerbetrieb für 2002 um 1.000 Euro zu hoch angesetzt worden sind.

Die Agenturtätigkeit des Ehemannes der Klägerin stellt dem Grunde nach eine gewerbliche Tätigkeit dar und unterlag somit der Gewerbesteuer (§ 2 Gewerbesteuergesetz -GewStG-). Sämtliche Einkünfte aus Gewerbebetrieb unterliegen darüber hinaus gem. § 2 Abs. 1 Nr. 2 GewStG i. V. m. § 15 EStG der Einkommensteuer. Nach § 15 Abs. 2 Satz 1 EStG ist ein Gewerbebetrieb dadurch definiert, dass es sich um eine selbstständige, nachhaltige Betätigung handelt mit der Absicht, Gewinn zu erzielen, die sich als Beteiligung am allgemeinen wirtschaftlichen Verkehr darstellt. Unstreitig entsprach bis einschließlich 2001 die Agenturtätigkeit einem Gewerbebetrieb. Erst durch die Reduzierung dieser Tätigkeit ab Mitte 2001 stellt sich die Frage, ob die weitere, im Umfang reduzierte Betätigung, trotz der Erklärung, den Betrieb zum ... 2001 aufgegeben zu haben, nach wie vor eine gewerbliche Tätigkeit darstellte oder als Liebhaberei zu bewerten ist. Entscheidend hierfür ist die Gewinnerzielungsabsicht. Liegt diese vor, stellt die Tätigkeit eine gewerbliche mit den entsprechenden steuerlichen Folgen dar.

Für die Gewinnerzielungsabsicht ist das Streben nach einer Mehrung des Betriebsvermögens in der Form eines Totalgewinns in der Totalperiode erforderlich (BFH-Urteil vom 11.12.1997 IV R 4/95, BFH/NV 98, 947 ff.; BFH-Urteil vom 25.06.1984 GrS 4/82, BFHE 141, 405, BStBl II 84, 751 bis 766; BFH-Urteil vom 24.11.1988 IV R 37/85, BFH/NV 89, 574 f.).

Dies bedeutet, dass ein positives - über den Eigenkapitaleinsatz hinausgehendes - Gesamtergebnis des Betriebs in der Zeit von der Gründung bis zur Veräußerung oder Aufgabe vorliegen muss. Hierzu ist eine Prognose, d. h. eine in die Zukunft gerichtete langfristige Gesamtbeurteilung, erforderlich (Schmidt/Wacker EStG Auflage 2014 § 15 Rn. 30). Grundlage hierfür ist die Struktur des Betriebes, eine Betriebsführung, bei der der Betrieb nach seiner Wesens- und Bewirtschaftungsart auf Dauer gesehen, geeignet ist, mit Gewinn zu arbeiten. Im Fall des Ehemannes der Klägerin ist als Prognosezeitraum nicht nur die Zeit vom ... 2001 bis ... 2006, d. h. die Zeitspanne nach der erklärten Aufgabe zum ... 2001 zu sehen, sondern der gesamte Zeitraum der Betätigung, d. h. ab Gründung.

Der Ehemann der Klägerin hat ab ... 2001 bezüglich der Agentur keine neue Tätigkeit begonnen, sondern die frühere fortgesetzt, wenn auch mit verändertem (hier: reduziertem) Umfang. Daher ist der gesamte Zeitraum vor 1992 bis 2006 zu betrachten, in dem die Agentur geführt wurde. Danach ergibt sich, wie der Beklagte in der Einspruchsentscheidung vom 20.11.2013 im Einzelnen aufgelistet hat, ein Totalgewinn in Höhe von 16.782,18 Euro. Das Streitjahr wurde hierbei mit einem Gewinn von 16.384 Euro (ohne die Einkünfte aus der Nachlassverwaltung und dem Projekt C) berücksichtigt. Die mit der Nachlassverwaltung und aus dem Projekt C erzielten Einkünfte sind zwischen den Beteiligten auch nicht mehr streitig (s. o.).

Selbst unter Berücksichtigung der vom Beklagten aufgrund fehlender Nachweise nicht anerkannten Betriebsausgaben in Höhe von 5.382 Euro (1.949 Euro + 837 Euro + 1.539 Euro + 1.057 Euro) ergibt sich immer noch ein positiver Totalgewinn. Somit liegt keine Liebhaberei vor mit der Folge, dass diese Einkünfte der Besteuerung zu unterwerfen sind. Hinsichtlich der Höhe der im Streitjahr erzielten Einkünfte sind zwischen den Beteiligten noch Betriebsausgaben in Höhe von 5.382 Euro (siehe oben) streitig. Nachweise hierfür hat die Klägerin trotz mehrfacher Aufforderung nicht vorgelegt.

Betriebsausgaben sind nach § 4 Abs. 4 EStG die Aufwendungen, die durch den Betrieb anfallen. Die oben genannten Aufwendungen konnte die Klägerseite nicht durch Rechnungen belegen. Dass für die Durchführung von Ausstellungen Aufwendungen anfallen, liegt auf der Hand. Nach dem von der Beklagtenseite die streitigen Ausstellungen nicht mehr grundsätzlich bestritten worden sind, sind mangels Nachweises die Aufwendungen zu schätzen. Das Gericht schätzt die Aufwendungen auf insgesamt 1.000 Euro. Grundlage für diese Schätzung sind die jeweiligen Kosten für Einladungskarten, die sich in einer Größenordnung von 225 bis 275 Euro bewegen. Hinzuzurechnen wären dann noch Aufwendungen für Getränke, weil es bei Vernissagen üblich ist, ein Getränk für die Ausstellungsbesucher bereit zu halten. Die Schätzung von 1.000 Euro insgesamt für diese Aufwendungen bewegt sich am unteren Rand. Wenn deutlich höhere Aufwendungen entstanden waren, wäre es Sache der Klägerseite gewesen, die entsprechenden Belege aufzubewahren, um die notwendigen Nachweise führen zu können.

Die streitigen Steuerbescheide für 2002 sind entsprechend dieser Schätzung dahingehend zu ändern, dass die bisher berücksichtigten Betriebsausgaben um weitere 1.000 Euro erhöht werden.

III.

Die Kosten des Verfahrens fallen der Klägerin gem. § 136 Abs. 1 FGO zur Last, denn die angestrengte Klage war nur hinsichtlich der hinzugeschätzten Aufwendungen für die Durchführung der Ausstellungen, und damit nur zu einen geringen, kostenmäßig zu vernachlässigenden Teil, erfolgreich.

IV.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen hierfür gem. § 115 Abs. 2 FGO nicht vorliegen.