Steuerrecht - Abgabenordnung


Berichtigungsmöglichkeit des Steuerbescheides nach § 129 AO ist aus Schreib-, Rechenfehler und ähnliche Umstände (wie mechanische Fehler) beschränkt

BFH, Urteil vom 12.02.2020 - X R 27/18 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Der Kläger hatte seine an das Versorgungswerk geleisteten Beiträge fehlerhaft nicht als Versicherungsbeiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung gem. § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG an der dafür vorgesehenen Stelle des Formulars für die Einkommensteuer eingetragen, sondern als Beiträge zur „Rentenversicherung mit kapitalwahlrecht und Kapitallebensversicherung mit mindestens 12 Jahren Laufzeit und Laufzeitbeginn sowie erste Beitragszahlung vor dem 01.01.2005“. Von daher wurden die Beitragszahlungen vom beklagten Finanzamt (FA) als nur beschränkt abziehbare Vorsorgeaufwendungen behandelt, weshalb sich die Beitragszahlungen steuerlich nicht auswirkten. Die aufgrund der so ausgefüllten und verbeschiedenen Steuererklärungen ergangenen Steuerbescheide wurden bestandskräftig.  Im Juni 2016 beantragte der Kläger eine Änderung der Steuerfestsetzung gem. § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO wegen unzutreffender Erfassung der Beiträge. Dies lehnte das FA ab. Nach dem erfolglosen Einspruchsverfahren erhob der Kläger Klage und vertrat die Auffassung, dass eine die Berichtigung nach § 128 AO ermöglichende offenbare Unrichtigkeit vorläge.

 

§ 129 AO lautet:

 

Die Finanzbehörde kann Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen. Wird zu einem schriftlich ergangenen Verwaltungsakt die Berichtigung begehrt, ist die Finanzbehörde berechtigt, die Vorlage des Schriftstücks zu verlangen, das berichtigt werden soll.

 

Die Klage wurde vom Finanzgericht (FG) abgewiesen. Die daraufhin vom Kläger erhobene Revision wurde vom BFH zurückgewiesen.

 

Nach dem Wortlaut der Norm, auf den der BFH verwies, kann das FA Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offensichtliche Unrichtigkeiten berichtigen.

 

Vorliegend müsste es sich um eine „offenbare Unrichtigkeit“ handeln. Dies, so der BFH, seien mechanische Versehen wie Eingabe- oder Übertragungsfehler. Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts würde sich nicht als offenbare Unrichtigkeit iSv. § 129 AO darstellen. Auch sei § 129 AO dann nicht anwendbar, wenn die ernsthafte Möglichkeit bestünde, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet sei oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruhe. Der offenbare Fehler, der die Berichtigungsmöglichkeit nach § 128 AO ermögliche, müsse in der Sphäre des den Verwaltungsakt (Steuerbescheid) erlassenden FA entstanden sein. Da sich die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst ergeben müsse, sei § 129 AO auch anwendbar, wenn das FA offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernehme.

 

Die Beurteilung richte sich nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage. Es handele sich um eine Tatfrage.

 

Danach sei die Auffassung des FG nicht zu beanstanden, dass die fehlerhafte Eintragung durch den Kläger nicht aufgrund eines mechanischen Versehens, sondern bewusst aufgrund eines Tatsachen- und Rechtsirrtums vorgenommen worden sei. Ohne dass hier dem Sachbearbeiter des FA kein mechanischer Fehler unterlaufen sei, der lediglich die Angabe des Klägers übernahm, käme eine Berichtigung nach § 129 AO nicht in Betracht.

 

 

Der Umstand, dass die fehlerhafte Angabe auch in den Folgejahren erfolgte, ändere für diese weiteren bescheide nicht die Grundlage des § 129 AO. Ursächlich bliebe stets die ohne erneute Prüfung der rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen Überbahne des irrigen Prüfergebnisses des Erstjahres mit den jeweils aktuellen Beiträgen zum Versorgungswerk.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Die Revision der Kläger gegen das Urteil des Finanzgerichts Baden-Württemberg vom 07.05.2018 - 8 K 2881/16 wird als unbegründet zurückgewiesen.

 

Die Kosten des Revisionsverfahrens haben die Kläger zu tragen.

 

Tatbestand

 

I.

 

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden in den Streitjahren 2011 bis 2014 zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.

 

Der Kläger ist Mitglied eines berufsständischen Versorgungswerks. In seinen Einkommensteuererklärungen für die Streitjahre erfasste er seine an das Versorgungswerk geleisteten Beiträge (2011: 16.740 €, 2012: 17.370 €, 2013: 19.170 €, 2014: 20.889,60 €) fehlerhaft nicht als Versicherungsbeiträge an eine berufsständische Versorgungseinrichtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a des Einkommensteuergesetzes (EStG), sondern als Beiträge zu "Rentenversicherungen mit Kapitalwahlrecht und Kapitallebensversicherung mit mindestens zwölf Jahren Laufzeit und Laufzeitbeginn sowie erster Beitragszahlung vor dem 1.1.2005" in den jeweils hierfür vorgesehenen Feldern der Erklärungsformulare. Dadurch wirkten sich die Beitragszahlungen des Klägers, die als (nur) beschränkt abziehbare Vorsorgeaufwendungen behandelt wurden, steuerlich nicht aus; sämtliche Steuerbescheide wurden bestandskräftig. Der in den Einkommensteuerbescheiden für 2011 bis 2013 enthaltene Vorbehalt der Nachprüfung wurde im März 2016 aufgehoben.

 

Im Juni 2016 beantragten die Kläger u.a. eine Änderung der Steuerfestsetzungen gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 der Abgabenordnung (AO) wegen der unzutreffenden Erfassung der Beiträge zum Versorgungswerk. Dies lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) ab.

 

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage begründeten die Kläger damit, dass eine die Berichtigung nach § 129 AO ermöglichende offenbare Unrichtigkeit vorliege. Die Erstellung ihrer Steuererklärungen ab dem Jahr 2008 habe ein neuer Steuerberater übernommen. Dieser habe sich des Steuererklärungsprogramms der Firma DATEV bedient und die Steuererklärungen mithilfe des elektronischen Steuerprogramms ELSTER an das FA übermittelt. Die Mitarbeiterin des Steuerberaters habe hinsichtlich der Einkommensteuererklärung für 2008 bei der manuellen Übernahme der Werte aus der Steuererklärung 2007 die Beiträge des Klägers zum Versorgungswerk unter Auslassen der richtigen Zeile mechanisch falsch eingegeben. Aus dem Eintragungsfehler sei ein Übernahmefehler des FA geworden. Dem Finanzbeamten sei es ohne zusätzliche Ermittlungsbemühungen erkennbar gewesen, dass die Eintragung der Vorsorgeaufwendungen im Formular des Kalenderjahres 2008 in der falschen Zeile erfolgt sei. Den übersandten Steuererklärungen 2008 bis 2014 hätten Bescheinigungen des Versorgungswerks beigelegen, aus denen ersichtlich gewesen sei, dass es sich um Beiträge zu einer berufsständischen Versorgungseinrichtung gehandelt habe. In den Folgejahren --ab 2009-- habe die Mitarbeiterin des neuen Steuerberaters die aktuellen Beitragszahlungen an das Versorgungswerk durch Überschreiben der Vorjahreszeilen eingetragen, ohne erneute Überlegungen anzustellen. Daher habe zumindest bezüglich der Streitjahre kein Rechtsirrtum vorgelegen.

 

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage mit in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 147 veröffentlichtem Urteil abgewiesen. Die Voraussetzungen für eine Änderung der streitigen Einkommensteuerbescheide lägen nicht vor. Die Einkommensteuerfestsetzungen für 2011 bis 2014 enthielten hinsichtlich der Beiträge des Klägers zum Versorgungswerk keine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO, so dass sie nicht berichtigt werden könnten. Der Eintrag in die falsche Zeile der Einkommensteuererklärung für 2008 beruhe nicht auf einem mechanischen Versehen, insbesondere nicht auf einem bloßen "Verrutschen" in der Zeile. Vielmehr habe die als Zeugin vernommene Mitarbeiterin des Steuerberaters in mehreren Schritten unter Zuhilfenahme der Eingabemaske des DATEV-Steuererklärungsprogramms am PC bewusst und unter Verkennung der tatsächlichen und rechtlichen Gegebenheiten das unzutreffende Eingabefeld ausgewählt und die Beiträge zum Versorgungswerk dort eingetragen. Durch die entsprechende Übernahme des Erklärungsgehalts der Steuererklärung habe das FA diesen Fehler in dem betreffenden Jahr übernommen. Diese Vorgehensweise habe sich bei der Bearbeitung der Steuererklärungen für die Folgejahre ab 2009 durch dieselbe Mitarbeiterin des Steuerberaters in vergleichbarer Weise fortgesetzt. Zwar habe letztere nicht mehr alle Eingabeschritte durchlaufen. So sei sie durch Betätigung des Programmbefehls "Jahresübernahme" direkt zur Eingabemaske, hinterlegt mit den Vorjahreszahlen, geleitet worden. Die Mitarbeiterin habe aber auch in den Folgejahren ganz bewusst ihre Bearbeitungstätigkeit aus dem Vorjahr --verbunden mit den vorgelagerten Begleitumständen-- bestätigen und als Grundlage des darauffolgenden Jahres mit den aktuellen Werten fortführen wollen. Somit habe sie sich ihr ursprünglich fehlerhaftes Verhalten aus dem Jahr 2008 immer wieder zu eigen gemacht. Ein mechanisches Versehen sei daher auch in den Folgejahren ab 2009 --also auch für die Streitjahre-- nicht gegeben. Abgesehen von dem Nichtvorliegen eines mechanischen Fehlers seien die übrigen Voraussetzungen für eine Berichtigung nach § 129 AO erfüllt, denn die Unrichtigkeit sei offenbar i.S. der Vorschrift gewesen. Für die Entscheidung komme es darauf aber nicht mehr an. Eine Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO sei ebenfalls nicht möglich, da es an einer nachträglich bekannt gewordenen Tatsache fehle. Die Tatsache, dass es sich bei den fehlerhaft eingetragenen Beträgen um Beitragsleistungen des Klägers an das Versorgungswerk gehandelt habe, sei aus den dem FA bei den jeweiligen Veranlagungen vorliegenden Bescheinigungen ersichtlich gewesen.

 

Die Kläger stützen ihre Revision allein auf die Verletzung des § 129 AO. Das FG habe die Klage anhand eines im Gesetz so nicht vorgesehenen Tatbestandsmerkmals abgewiesen. Nach dem Gesetz müsse --bei der Übernahme einer unzutreffenden Erklärung einer steuererheblichen Tatsache-- die offenbare Unrichtigkeit nur bei Erlass des Verwaltungsakts vorliegen, nach Ansicht des FG müsse sie aber bereits im Rahmen der Steuererklärung auf Seiten des Steuerpflichtigen oder seines Steuerberaters unterlaufen sein. Letztlich werde von der Vorinstanz zusätzlich gefordert, dass der Schreibfehler, Rechenfehler oder die ähnliche offenbare Unrichtigkeit sich in den Akt des Erlasses eines Verwaltungsakts fortsetze. Bei Anwendung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH), der entsprechend der gesetzlichen Formulierung nur auf die Umstände beim Erlass der Steuerbescheide abstelle, habe aber im Streitfall beim Ergehen der Einkommensteuerbescheide für 2011 bis 2014 --wie das FG selbst erkannt habe-- eine offenbare Unrichtigkeit vorgelegen.

 

Die Kläger beantragen sinngemäß,

unter Aufhebung des angefochtenen Urteils, des ablehnenden Bescheides vom 14.06.2016 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom 01.09.2016 die Einkommensteuerbescheide für 2011 bis 2014 vom 21.03.2016 dahingehend zu ändern, dass Beiträge an das Versorgungswerk in Höhe von 16.740 € (2011), 17.370 € (2012), 19.170 € (2013) und 20.890 € (2014) als Sonderausgaben gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. a EStG berücksichtigt werden.

 

Das FA beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

 

Es hält die erstinstanzliche Entscheidung --jedenfalls im Ergebnis-- für zutreffend. Es liege ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Rechtsirrtum seitens der im Steuerberaterbüro mit den Steuererklärungen der Kläger befassten Mitarbeiterin vor. Mangels mechanischen Versehens sei keine ähnliche offenbare Unrichtigkeit i.S. der Vorschrift gegeben. Daher komme es --abweichend vom FG-- nicht mehr darauf an, ob das FA sich den Fehler des Steuerpflichtigen bzw. des Steuerberaterbüros zu eigen gemacht habe. Im Übrigen sei die Unrichtigkeit im Streitfall nicht offenbar gewesen.

 

Entscheidungsgründe

 

II.

 

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

 

Das FG hat zu Recht eine Berichtigung der streitigen Einkommensteuerbescheide nach § 129 AO abgelehnt (1.) und zudem rechtsfehlerfrei entschieden, dass eine Änderung der Bescheide nach § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO nicht möglich ist (2.).

 

1. Nach § 129 Satz 1 AO kann die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit (innerhalb der Verjährungsfrist) berichtigen. Bei berechtigtem Interesse des Beteiligten ist zu berichtigen (§ 129 Satz 2 AO).

 

a) Offenbare Unrichtigkeiten i.S. von § 129 AO sind mechanische Versehen wie beispielsweise Eingabe- oder Übertragungsfehler. Dagegen schließen Fehler bei der Auslegung oder Anwendung einer Rechtsnorm, eine unrichtige Tatsachenwürdigung oder die unzutreffende Annahme eines in Wirklichkeit nicht vorliegenden Sachverhalts eine offenbare Unrichtigkeit aus. § 129 AO ist ferner nicht anwendbar, wenn auch nur die ernsthafte Möglichkeit besteht, dass die Nichtbeachtung einer feststehenden Tatsache in einer fehlerhaften Tatsachenwürdigung oder einem sonstigen sachverhaltsbezogenen Denk- oder Überlegungsfehler begründet ist oder auf mangelnder Sachverhaltsaufklärung beruht. Die Berichtigungsmöglichkeit gemäß § 129 AO setzt voraus, dass der offenbare Fehler in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde entstanden ist (s. z.B. BFH-Urteil vom 16.09.2015 - IX R 37/14, BFHE 250, 332, BStBl II 2015, 1040, Rz 17). Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist die Vorschrift auch dann anwendbar, wenn das Finanzamt offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (ständige BFH-Rechtsprechung, vgl. z.B. Urteil vom 27.08.2013 - VIII R 9/11, BFHE 242, 302, BStBl II 2014, 439, Rz 15, m.w.N.).

 

Ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliegt, muss nach den Verhältnissen des Einzelfalls und dabei insbesondere nach der Aktenlage beurteilt werden (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 05.02.1998 - IV R 17/97, BFHE 185, 345, BStBl II 1998, 535; vom 16.03.2000 - IV R 3/99, BFHE 191, 226, BStBl II 2000, 372; vom 11.07.2007 - XI R 17/05, BFH/NV 2007, 1810; jeweils m.w.N.). Dabei handelt es sich im Wesentlichen um eine Tatfrage, die der revisionsgerichtlichen Prüfung nur in eingeschränktem Umfang unterliegt (vgl. BFH-Urteile vom 01.07.2010 - IV R 56/07, BFH/NV 2010, 2004, Rz 20; vom 13.06.2012 - VI R 85/10, BFHE 238, 295, BStBl II 2013, 5, Rz 18).

 

b) Die Würdigung des FG, mit der es eine Berichtigung der Einkommensteuerbescheide 2011 bis 2014 gemäß § 129 AO abgelehnt hat, hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

 

aa) Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und damit den Senat gemäß § 118 Abs. 2 FGO bindenden Feststellungen ist das FG unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls zur Überzeugung gelangt, dass die Mitarbeiterin des mit der Erstellung der Einkommensteuererklärung für 2008 beauftragten Steuerberaters die Eintragung der in Rede stehenden Beiträge des Klägers an das Versorgungswerk in die falsche Zeile nicht aufgrund eines mechanischen Versehens, sondern bewusst aufgrund eines Tatsachen- und Rechtsirrtums vorgenommen hat. Diese Würdigung der Gesamtumstände, insbesondere auch der dahingehenden Bekundungen der als Zeugin vernommenen Mitarbeiterin des Steuerberaters, ist möglich.

 

Soweit die Kläger in der Revisionsbegründung ausführen, dass die gerichtliche Prüfung, ob ein mechanisches Versehen oder ein die Berichtigung nach § 129 AO ausschließender Tatsachen- oder Rechtsirrtum vorliege, nach den Verhältnissen des Einzelfalls und insbesondere nach der Aktenlage vorzunehmen sei, legen sie nicht dar, inwieweit die Würdigung des FG diesen Anforderungen nicht gerecht geworden sei. Sollte ihr Hinweis auf die gerichtliche Prüfung "nach Aktenlage" dahingehend zu verstehen sein, dass die Beurteilung, ob ein mechanisches Versehen oder ein Tatsachen- bzw. Rechtsirrtum vorliegt, auf die Erkenntnisse nach Aktenlage zu beschränken wäre, ist der BFH-Rechtsprechung eine derartige Einschränkung --wie das in diesem Zusammenhang verwendete Wort "insbesondere" zeigt (vgl. Senatsurteil vom 26.10.2016 - X R 1/14, BFH/NV 2017, 257, Rz 14)-- nicht zu entnehmen. Das FG konnte daher den Sachverhalt ergänzend durch Einvernahme der Mitarbeiterin des Steuerberaters als Zeugin aufklären.

 

Im Hinblick auf den bindend festgestellten Tatsachen- und Rechtsirrtum, der --das FG spricht von einer Übernahme des Fehlers-- Eingang in den Einkommensteuerbescheid für 2008 gefunden hat und jedenfalls die Annahme einer Unrichtigkeit durch mechanisches Versehen der Kläger, welches das FA übernommen haben könnte, ausschließt, würde eine Berichtigung dieses (nicht streitgegenständlichen) Bescheides nach § 129 AO ausscheiden.

 

bb) Das FG ist in einem zweiten Schritt davon ausgegangen, dass sich der vorstehende irrtumsbedingte Eintragungsfehler in den Folgejahren ab 2009 und damit auch bezüglich der Streitjahre 2011 bis 2014 fortgesetzt habe. Gegen diese --wiederum vertretbare-- Würdigung bestehen auf der Grundlage des vom FG bindend festgestellten Sachverhalts revisionsrechtlich ebenfalls keine Bedenken, auch wenn die Kläger für die Jahre ab 2009 eine bewusste Eintragung in die falsche Zeile in Abrede stellen und lediglich von einer bewussten Aktualisierung der Zahlen sprechen. So hat das FG seine Wertung nachvollziehbar damit begründet, dass dieselbe Mitarbeiterin des Steuerberaters auch die Steuererklärungen für die Jahre 2009 bis 2014 vorbereitet habe. Hierbei habe sie lediglich --ohne erneute Prüfung der tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse und damit unter Übernahme des irrigen Prüfungsergebnisses für das Jahr 2008-- die Vorjahreszahl mit dem aktuellen Wert der Beiträge zum Versorgungswerk überschrieben. Die fehlerhaften Eintragungen für die Streitjahre seien daher gerade nicht aufgrund eines (neuen) mechanischen Versehens, sondern aufgrund des fortgesetzten Tatsachen- und Rechtsirrtums erfolgt. Hiernach hat das FG in zutreffender Weise eine Berichtigungsmöglichkeit der Einkommensteuerbescheide für die Streitjahre nach § 129 AO verneint.

 

cc) Entgegen der Ansicht der Kläger ist dem FG im Zusammenhang mit der Prüfung eines "Übernahmefehlers" im Ergebnis kein Rechtsfehler unterlaufen.

 

(1) Nach dem Gesetzeswortlaut ("beim Erlass eines Verwaltungsakts") kommt es bei der Frage, ob eine --die Berichtigungsmöglichkeit eröffnende-- offenbare Unrichtigkeit vorliegt, auf deren Entstehung in der Sphäre der den Verwaltungsakt erlassenden Finanzbehörde an. Da die Unrichtigkeit nicht aus dem Bescheid selbst erkennbar sein muss, ist § 129 AO nach ständiger Rechtsprechung auch dann anwendbar, wenn die Finanzbehörde offenbar fehlerhafte Angaben des Steuerpflichtigen als eigene übernimmt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 250, 332, BStBl II 2015, 1040, Rz 16).

 

Das FG ist --ungeachtet der missverständlichen Verwendung des Begriffs "Übernahmefehler" im Zusammenhang mit einem Tatsachen- und Rechtsirrtum-- letztlich der Frage nachgegangen, ob die vorstehend beschriebene Konstellation im Streitfall gegeben ist. Dies hat es auf der Grundlage seiner tatsächlichen Feststellungen ohne Rechtsfehler verneint. Zur Begründung hat es --noch vor der Prüfung, ob die Unrichtigkeit "offenbar" sei-- darauf abgestellt, dass der den Klägern zuzurechnende Tatsachen- und Rechtsirrtum der Mitarbeiterin des Steuerberaters der Annahme einer offenbaren Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO entgegensteht. Somit lag kein mechanischer Fehler seitens der Kläger vor, den das FA als eigenen hätte übernehmen und der eine Berichtigungsmöglichkeit nach § 129 AO hätte eröffnen können.

 

(2) Auch das Vorbringen der Kläger, das FG habe § 129 AO unzutreffend dahingehend ausgelegt, dass die offenbare Unrichtigkeit bereits dem Steuerpflichtigen oder seinem Steuerberater im Rahmen der Steuererklärung unterlaufen sein müsse, kann der Revision nicht zum Erfolg verhelfen.

 

Zum einen missverstehen die Kläger die entsprechenden Ausführungen des angefochtenen Urteils. Tatsächlich ist der unter (1) angeführten höchstrichterlichen Rechtsprechung --von der auch das FG hat ausgehen wollen-- zu entnehmen, dass es bei der Prüfung des § 129 AO auf den Sachbearbeiter des FA bei Erlass des Verwaltungsakts ankommt.

 

Zum anderen wäre der Anwendungsbereich des § 129 AO im Streitfall erst recht nicht eröffnet, wenn man den Klägern darin folgen wollte, dass die vorangegangenen Umstände bei dem Steuerpflichtigen bzw. seinem steuerlichen Berater gänzlich unberücksichtigt bleiben müssten. Da vorliegend dem Sachbearbeiter des FA unstreitig kein eigener mechanischer Fehler unterlaufen ist, käme eine Berichtigung nach § 129 AO auf der Grundlage einer solchen Auffassung von vornherein nicht in Betracht.

 

dd) Soweit sich die Kläger für ihre Auffassung auf das Urteil des FG Düsseldorf vom 17.10.2017 - 13 K 3544/15 E (EFG 2018, 342) berufen, liegt jener Entscheidung --in dem entscheidungserheblichen Punkt-- ein vom vorliegenden Streitfall abweichender Sachverhalt zugrunde. Im Unterschied zu den hier bindend festgestellten Gegebenheiten, dass die Mitarbeiterin des von den Klägern beauftragten Steuerberaters die Eintragung wegen tatsächlichen und rechtlichen Irrtums bewusst in einer bestimmten --allerdings fehlerhaften-- Zeile vorgenommen hatte, konnte das FG Düsseldorf in seinem Urteil keine Anhaltspunkte dafür erkennen, dass der Kläger jenes Verfahrens bei seiner Eintragung einem Rechtsirrtum unterlegen sein könnte (Rz 22).

 

2. Das FG hat --auf der Grundlage seiner bindenden Feststellung, dass die Beitragsbescheinigungen des Versorgungswerks dem FA während der jeweiligen Veranlagung vorlagen-- ebenfalls zu Recht eine Änderung der betroffenen Einkommensteuerbescheide gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 2 AO abgelehnt. Diesbezüglich kann auf die zutreffenden Ausführungen der Vorinstanz verwiesen werden.

 

3. Der Senat hält es für angebracht, ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid zu entscheiden (§ 90a Abs. 1, § 121 Satz 1 FGO).

 

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.