Schuldrecht allgemein


Beschränkt die zeitliche Beschränkung der Hauptvollmacht auch die Untervollmacht ?

KG, Beschluss vom 14.02.2017 – 1 W 20/17 -

 

Kurze Inhaltsangabe:

 

Der Geschäftsführer der Beteiligten zu 1. Erteilte einem Herrn P. eine auf den Zeitraum 08.08. – 09.10.2016 beschränkte notarielle Vollmacht, alle Rechtsgeschäfte im Zusammenhang mit der Veräußerung bestimmter Grundstücke vorzunehmen, Eintragungen jeder Art zu bewilligen und zu beantragen und Untervollmachten sowie Belastungsvollmachten zu erteilen. Am 08.08.2016 schloss Herr P.  einen notariellen Kaufvertrag mit der Beteiligten zu 1., in dem der Beteiligten zu 2. Eine zeitlich nicht beschränkte Belastungsvollmacht erteilt wurde. Im November 2016 bewilligte die Beteiligte zu 1. auch im Namen der Beteiligten zu 2. (unter Bezugnahme auf die Belastungsvollmacht) die Wahrung einer Gesamtbuchgrundschuld und beantragte deren Wahrung im Grundbuch. Dies wies das Grundbuchamt in einer Zwischenverfügung unter Verweis auf die zeitliche Beschränkung der Hauptvollmacht des Herrn P. darauf hin, dass es dem nicht folgen will.

 

Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Kammergericht (KG) statt.

 

Zwar könne die Untervollmacht nicht weiter gelten als die Hauptvollmacht (BGH NJW 2013, 297, 298). Es würde daher vertreten, dass bei einer zeitlich befristeten Hauptvollmacht auch die Untervollmacht entsprechend zeitlich befristet ist. Allerdings vertrete das KG die Ansicht, dass die zeitliche Befristung der Hauptvollmacht die Möglichkeit der Erteilung einer zeitlich unbefristeten Untervollmacht nicht grundsätzlich ausschließe.

 

Abzustellen sei auf Wortlaut und Sinn der zeitlich befristet erteilten Hauptvollmacht, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung darstelle. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürften nur insoweit berücksichtigt werden, als sie für jedermann klar erkennbar wären.

 

Danach gelte, dass im Zweifel der Geschäftsherr nach Ablauf der zeitlichen Frist für die Hauptvollmacht die Angelegenheit wieder selbst wahrnehmen wolle. Diese Zweifel würden aber hier nicht bestehen. Es handele sich um eine Finanzierungsvollmacht für den Erwerber und es ließe sich nicht erkennen, dass der Geschäftsherr (hier die Beteiligte zu 2.) selbst anders gehandelt hätte, also die Vollmacht zeitlich befristet hätte. Die Gesamtgrundschuld diene der Abwicklung des Rechtsgeschäfts (Kaufvertrag). Während die zeitliche Befristung der hauptvollmacht auf das Hauptgeschäft, die Veräußerung, gerichtet gewesen sei, welches nach Fristablauf die Beteiligte zu 2. Wieder selbst vornehmen wollte, kann diese Interessenslage bei der reinen Abwicklung des gewollten Rechtsgeschäfts (Kaufvertrag) nicht angenommen werden; vielmehr dient hier die Belastungsvollmacht gerade der Verwirklichung des gewollten angebahnten und abgeschlossenen Vertrages, um so das Verfahren zu vereinfachen (es müssen nicht beide Kaufvertragsbeteiligten selbst mitwirken).

 

Aus den Gründen:

Tenor

Punkt 2 der Zwischenverfügung wird aufgehoben.

Gründe

I.

Am 8. August 2016 erteilte die Geschäftsführerin der Beteiligten zu 2 Herrn J... P... zur UR-Nr. N 1... /2... des Notars Dr. R... N... in I... Vollmacht, für sie mit Wirkung vom 8. August 2016 bis zum 9. Oktober 2016 betreffend die im Beschlusseingang näher bezeichneten Grundstücke u.a. “alle Rechtshandlungen und Rechtsgeschäfte, welche die Veräußerung der benannten Grundstücke betreffen, vorzunehmen und entgegenzunehmen (…) über die Grundstücke zu verfügen, diese zu verkaufen (…) Eintragungen jeder Art zu bewilligen und zu beantragen; Untervollmachten und Belastungsvollmachten zu erteilen (…)”.

Unter Bezugnahme auf diese Vollmacht veräußerte Herr P... am 8. August 2016 zur UR-Nr. 1... /2... des Notars T... B... in B... im Namen der Beteiligten zu 2 die Grundstücke an die Beteiligte zu 1. In § 11 der Urkunde wurde der Beteiligten zu 1 eine Belastungsvollmacht erteilt, die keine zeitlichen Beschränkungen enthält.

Am 29. November 2016 bewilligte und beantragte der Geschäftsführer der Beteiligten zu 1 in deren und im Namen der Beteiligten zu 2 unter Berufung auf diese Belastungsvollmacht die Eintragung einer Gesamtbuchgrundschuld über 4,8 Mio EURO in den Grundbüchern.

Der Urkundsnotar hat seine UR-Nr. 3... /2... mit Schriftsatz vom 30. November 2016 bei dem Grundbuchamt eingereicht und die Eintragung der Gesamtbuchgrundschuld beantragt. Das Grundbuchamt hat mit Zwischenverfügung vom 7. Dezember 2016 darauf hingewiesen, die Beteiligte zu 2 habe wegen der Herrn P... nur befristet erteilten Vollmacht die in ihrem Namen erteilten Erklärungen zu genehmigen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Beteiligten zu 1 vom 30. Dezember 2016, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 11. Januar 2017 nicht abgeholfen hat.

II.

1. Die im Namen der Beteiligten zu 1 erhobene Beschwerde ist zulässig. Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist allein das in der angefochtenen Zwischenverfügung aufgezeigte Eintragungshindernis (Demharter, GBO, 30. Aufl., § 71, Rdn. 34). Der darüber hinausgehende Antrag, die begehrte Grundbucheintragung zu vollziehen, geht ins Leere. Der Eintragungsantrag selbst ist nicht Gegenstand einer gegen eine Zwischenverfügung gerichteten Beschwerde (Senat, Beschluss vom 8. Dezember 2015 - 1 W 518/15 - ZWE 2016, 82; Demharter, a.a.O., § 77, Rdn. 15).

2. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg. Das von dem Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis besteht nicht, so dass die Zwischenverfügung nicht veranlasst war, vgl. § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO.

a) Die Eintragung einer Grundschuld im Grundbuch erfolgt auf Antrag, § 13 Abs. 1 S. 1 GBO, wenn sie derjenige bewilligt, dessen Recht von ihr betroffen wird, § 19 GBO. Die Bewilligung muss nicht persönlich abgegeben werden. Sie kann auch von einem Vertreter erklärt werden. In diesem Fall ist dem Grundbuchamt dessen Vertretungsmacht in der Form des § 29 Abs. 1 GBO nachzuweisen. Bei Handlungen eines Unterbevollmächtigten ist die gesamte Vertretungskette nachzuweisen (Senat, Beschluss vom 14. Juli 2015 - 1 W 688-689/15 - FGPrax 2015, 195). Das aber ist vorliegend geschehen.

Die Bevollmächtigung der Beteiligten zu 2, im Namen der Beteiligten zu 1 zu handeln, folgt aus der in Ausfertigung bei den Grundakten in befindlichen UR-Nr. 1... /2... . Die Herrn P... zur UR-Nr. N 1... /2... von der Beteiligten zu 2 erteilte Vollmacht liegt ebenfalls vor.

b) Die zur UR-Nr. 3... /2... erklärte Bewilligung des Geschäftsführers der Beteiligten zu 1 wirkt für und gegen die Beteiligte zu 2, §§ 164 Abs. 1, 167 Abs. 1 BGB. Daran ändert es nichts, dass die Beteiligte zu 2 nicht unmittelbar von der Beteiligten zu 1 zu deren Vertretung bevollmächtigt worden war, sondern durch den seinerseits im Namen der Beteiligten zu 2 bevollmächtigten Herrn P... . Hierzu war Herr P... hingegen berechtigt. Die Vollmacht vom 8. August 2016 umfasste ausdrücklich das Recht zur Erteilung von Untervollmacht sowie Belastungsvollmacht. Diese (Haupt-)Vollmacht war im Zeitpunkt der Beurkundung zur UR-Nr. 1... /2... auch (noch) wirksam. Das war rechtlich erforderlich, aber auch ausreichend.

aa) Die Wirksamkeit der einmal erteilten Untervollmacht zur unmittelbaren Vertretung des Geschäftsherrn ist grundsätzlich nicht vom weiteren Fortbestand der Hauptvollmacht abhängig (OLG Frankfurt, NZG 2014, 909, 910; OLG München, Beschluss vom 29. Mai 2015 - 34 Wx 152/15 - juris; Senat, a.a.O.; Beschluss vom 21. Dezember 1908 - 1 Wx 412/08 - KGJ 37 A 239, 242; Böttcher, in: Meikel, GBO, 11. Aufl., Einl E, Rdn. 34; Reetz, in: Hügel, GBO, 3. Aufl., Vertretungsmacht, Rdn. 40; Schaub, in: Bauer/von Oefele, GBO, 3. Aufl., AT VII, Rdn. 40; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., Rdn. 3565; Bous, RNotZ 2004, 483, 484).

Hieran ändert es vorliegend nichts, dass die Herrn P... erteilte (Haupt-)Vollmacht befristet erteilt und im Zeitpunkt der Bewilligung vom 29. November 2016 bereits nicht mehr bestand, §§ 163, 158 Abs 2 BGB. Allerdings kann die Untervollmacht nicht weiter gehen als die Hauptvollmacht (BGH, NJW 2013, 297, 298). Es wird deshalb vertreten, dass bei einer befristet erteilten Hauptvollmacht keine unbefristete Untervollmacht erteilt werden könne (Böttcher, a.a.O., Rdn. 33; Schaub, a.a.O., Rdn. 39; Schöner/Stöber, a.a.O.; Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 167, Rdn. 12).

Demgegenüber hat der Senat bereits in seiner Entscheidung vom 21. Dezember 1908 (a.a.O., 244) ausgeführt, dass die zeitliche Begrenzung der Hauptvollmacht die Möglichkeit zur Erteilung einer zeitlich unbeschränkten Untervollmacht im Namen des Geschäftsherrn grundsätzlich nicht ausschließe. Hieran ist festzuhalten, weil es maßgeblich auf den Willen des Geschäftsherrn bei Erteilung der Hauptvollmacht ankommt (Senat, a.a.O.; OLG München, a.a.O.; OLG Frankfurt, a.a.O., 911; Bous, a.a.O., 487; Reetz, a.a.O.; Schubert, in: Münchener Kommentar, BGB, 7. Aufl. § 167, Rdn. 84; Schilken, in: Staudinger, BGB, 2014, § 167, Rdn. 67).

bb) Allerdings enthält die Hauptvollmacht keine Ausführungen zur Gestattung einer über ihre Befristung hinausgehenden Befugnis zur Erteilung von Untervollmacht. Sie ergibt sich aber durch Auslegung der zur UR-Nr. N 1... /2... erfolgten Erklärung der Beteiligten zu 2.

Eine Auslegung kann im Grundbuchverfahren wegen des Bestimmtheitsgrundsatzes und des Erfordernisses urkundlich belegter Eintragungsgrundlagen nur erfolgen, wenn sie zu einem zweifelsfreien und eindeutigen Ergebnis führt. Dabei ist auf Wortlaut und Sinn der Erklärung abzustellen, wie er sich für einen unbefangenen Betrachter als nächstliegende Bedeutung ergibt. Außerhalb der Urkunde liegende Umstände dürfen nur insoweit herangezogen werden, als sie für jedermann ohne weiteres erkennbar sind (BGH, NJW-RR 2015, 645, 646; NJW 1995, 1081,1082, Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl. Rdn. 172; Demharter, a.a.O., § 19, Rdn. 28).

Gemessen hieran sind die Beanstandungen des Grundbuchamts nicht gerechtfertigt. Im Zweifelsfall bedeutet die zeitliche Beschränkung einer Hauptvollmacht, dass der Geschäftsherr nach Fristablauf seine Angelegenheiten wieder selbst wahrnehmen will (Senat, KGJ, a.a.O., 244).

Ein solcher Zweifelsfall liegt jedoch nicht vor in Angelegenheiten, bei denen sich der Geschäftsherr ohnehin regelmäßig eines Vertreters bedient. So ist es gängige notarielle Praxis, den Erwerber beim finanzierten Grundstückskauf zur Belastung des Grundstücks mit Grundpfandrechten zu bevollmächtigen (vgl. Hertel, in: Würzburger Notarhandbuch, 4. Aufl., II 2 Rdn. 423ff; Bous, a.a.O., 487; Everts, in: Beck'sches Notarhandbuch, 6. Aufl., Grundstückskauf Rdn. 266ff). Eine entsprechende Finanzierungsvollmacht zugunsten der Beteiligten zu 1 ist in § 11 der UR-Nr. 1... /2... erteilt worden. Es ist nicht erkennbar, dass die Beteiligte zu 2 ohne Vertretung durch Herrn P... im Rahmen der Beurkundung andere Regelungen angestrebt hätte. Letztlich handelt es sich bei der Bewilligung der Gesamtgrundschuld um ein an den Vertragsschluss vom 8. August 2008 anschließendes Rechtsgeschäft, das lediglich der Abwicklung der beiderseitigen Pflichten und Rechte aus dem Kaufvertrag zu dienen bestimmt ist. Während die Beteiligte zu 2 durchaus ein Interesse daran haben kann, nach Ablauf der Herrn P... befristet erteilten Vollmacht ein bis dahin ggf. noch nicht zustande gekommenes Hauptgeschäft selbst abzuschließen, so dass insoweit eine darüber hinaus erteilte Untervollmacht ihre Wirkung mit der Hauptvollmacht verlöre (vgl. Senat, a.a.O., 244), ist eine solche Interessenlage bei lediglich der Abwicklung des Hauptgeschäfts dienenden Geschäften ersichtlich nicht gegeben. Die der Beteiligten zu 2 erteilte Belastungsvollmacht dient wie regelmäßig in erster Linie dazu, die vertraglichen Ziele auch im Interesse der Beteiligten zu 2 zu erreichen und das hierzu erforderliche Verfahren zu vereinfachen (Bous, a.a.O., 487).

3. Vorsorglich und ohne Bindungswirkung weist der Senat darauf hin, dass die voranstehenden Ausführungen für die den Notariatsangestellten zur UR-Nr. 1... /2... erteilten Durchführungsvollmachten entsprechend gelten dürften (vgl. OLG München, a.a.O.; Bous, a.a.O., 488). Das Grundbuchamt hat in der Zwischenverfügung insoweit lediglich auf ein mögliches künftiges Eintragungshindernis hingewiesen. Ein solcher Hinweis ist nicht anfechtbar, weil es sich nicht um eine Entscheidung im Sinne des § 71 Abs. 1 GBO handelt. Er ist damit nicht Gegenstand des Beschwerdeverfahrens geworden.