Auftrags- oder Gefälligkeitsverhältnis bei
Ehegattenvollmacht ?
OLG Celle, Beschluss vom
13.01.2023 - 6 U 89/22 -
Die Eheleute hatten sich nach über 50-jähriger Ehe eineVollmacht erteilt. Die Klägerin ist deren Tochter. Nach dem Tod der Mutter war sie Miterbin derselben und machte gegen ihren Vater
klageweise einen auf §§ 662, 666 BGB gestützten Auskunftsanspruch geltend. Das Landgericht wies die Klage ab. Das Oberlandesgericht (LG) wies die Klägerin darauf hin, dass es gedenke, ihre
Berufung als offenbar unbegründet zurückzuweisen, § 522 ZPO.
Ein Auftragsverhältnis ist ein Vertragsverhältnis. Dies zugrundelegend wies das OLG darauf hin, dass die Klägerin ein besonderes persönliches Vertrauensverhältnis zwischen ihren Eltern nicht
bestritten habe. Es nahm nunmehr die Abgrenzung zwischen einem (rechtsgeschäftlichen) Auftragsverhältnis und einem reinen Gefälligkeitsverhältnis vor, da lediglich im Rahmen des Auftrages nach §
662 BGB eine Auskunftsanspruch des Auftraggebers (hier der Ehefrau und in deren Rechtsnachfolge der Klägerin) bestehen würde. Entscheidend sei für die Abgrenzung der Rechtsbindungswille. Dieser
sei im Einzelfall nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Umstände und der Verkehrssitte zu ermitteln (BGH, Urteil vom 22.06.1956 - I ZR 198/54 -). Abzustellen sei dabei darauf, ob der
Leistungsempfänger aus dem Handeln des Leistenden unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben und der Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste, mithin darauf, wie sich dem
objektiven Beobachter das Handeln des Leistenden dargestellt habe.
Ein Rechtsbindungswille könnet sich bei erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung (die hier in Ansehung der Vermögensverhältnisse zweifelhaft erscheine) ergeben. Bedeutung könne dagegen gewinnen,
dass mit notarieller Urkunde vom 27.06.1958 eine Vereinbarung der Gütertrennung getroffen wurde, und zum Zeitpunkt der Generalvollmacht nebst Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und
Patientenverfügung die Ehe bereits über 50 Jahre bestanden habe. Ferner sei von Bedeutung, dass weder vorgetragen noch ersichtlich sei, das die Erblasserin zwischen Vollmachtserteilung und ihrem
Tod jemals wegen mit der Vollmacht getätigter Geschäfte Auskunft und Rechenschaft vom Beklagten verlangt hätte. In diesem Fall könne ein Abrechnungsverlangen durch Erben gegen Treu und Glauben (§
242 BGB) verstoßen (OLG Hamm, Urteil vom 18.10.2018 - 10 U 91/17 -).
In einem Beschluss des OLG Koblenz vom 10.06.2020 - 12 U 7/20 - sei ein Gefälligkeitsverhältnis negiert worden, wenn eine Vertrauensperson ohne verwandtschaftlichem Verhältnis EC-Karte nebst PIN
übergeben würden und damit diese Vertrauensperson über erhebliche Vermögenswerte (Bankguthaben von mehr als € 50.000,00) verfügen könne. Dies läge vorliegend anders. Gerade bei Eheleuten könne
die Annahme eines Vertragsverhältnisses und damit die Annahme des § 666 BGB unangemessen erscheinen (BGH, Urteil vom 05.07.2000 - XUU ZR 26/98 -; OLG Köln Urteil vom 19.09.2012 - 16 U 196/11 -;
OLG Düsseldorf, Urteil vom 28.03.2006 - 4 U 10/05 -).
Zudem käme auch eine konkludente Freistellung von Auskunftspflichten nach § 666 BGB in Betracht, da § 666 BGB dispositiv sei.
Mit Beschluss vom 08.02.2023 wies das OLG die Berufung zurück.
Tenor
Der Senat beabsichtigt, die Berufung der Klägerin gegen das am 6. Oktober 2022 verkündete Teilurteil des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des Landgerichts Verden ohne mündliche Verhandlung durch
Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen.
Die Klägerin erhält Gelegenheit, zu diesem Beschluss bis zum 6. Februar 2023 schriftsätzlich Stellung zu nehmen.
Bis zum 6. Februar 2023 können die Parteien zum Streitwert für das Berufungsverfahren Stellung nehmen.
Gründe
Der Senat hält die Voraussetzungen des § 522 Abs. 2 ZPO für gegeben. Insbesondere hat die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg. Die Ausführungen des Landgerichts im
angefochtenen Urteil begegnen keinen durchgreifenden Bedenken.
1. Die Klägerin ist nach dem Tod ihrer Mutter (Erblasserin) neben dem Beklagten, ihrem Vater, und dem am Rechtsstreit nicht beteiligten Bruder, Miterbin. Unter Miterben besteht
grundsätzlich kein Anspruch auf Auskunft. Die Klägerin hat als Rechtsnachfolgerin der Erblasserin eigene Ansprüche auf Auskunft gegenüber Banken etwa im Hinblick auf Schließfächer, Depots und
Konten, sowie eigene Ansprüche auf Einsichtnahme in das Handelsregister sowie in die zum Handelsregister eingereichten Dokumente; von den Eintragungen und den eingereichten Dokumenten kann sie
Ausdrucke bzw. Abschriften verlangen (vgl. i. E. § 9 HGB).
Im Einzelfall kann zwar ein Anspruch auf Auskunft nach § 242 BGB bestehen (s. aber auch BGH, NJW 1980, 2463, zit. nach juris), einen solchen allerdings macht die Klägerin ausdrücklich nicht
geltend. Sie beschränkt sich auf Ansprüche nach §§ 662, 666 BGB.
a) Nach dem Vortrag der Klägerin im Schriftsatz vom 6. Januar 2023 dürfte die auf die §§ 662, 666 BGB gestützte Klage unschlüssig (geworden) sein.
Die von der Klägerin in Bezug genommene und als Anlage K2 vorgelegte Vollmacht datiert vom 22. Dezember 2008. In dem genannten Schriftsatz führt die Klägerin unter Bezugnahme auf einen ärztlichen
Bericht vom 16. April 2008 aus, dass es der Erblasserin „gänzlich unmöglich“ gewesen sei, „ihre geschäftlichen Angelegenheiten in eigener Person zu erledigen“. Die Alzheimererkrankung sei der
Anlass für die Unterzeichnung der Generalvollmacht vom 22. Dezember 2008 gewesen. Damit soll offenbar zum Ausdruck gebracht werden, dass die Erblasserin sich im Sinne von § 104 Nr. 2
BGB zu dieser Zeit in einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit befunden habe. Dann liegt allerdings auch mangels Geschäftsfähigkeit der
Erblasserin kein wirksamer Vertrag im Sinne von § 662 BGB vor.
b) Geht man unter Außerachtlassung dieser Bedenken von der Geschäftsfähigkeit der Erblasserin aus, ist damit nicht die Frage geklärt, ob ein Vertragsverhältnis vorlag. Ein besonderes
persönliches Vertrauensverhältnis zwischen der Erblasserin und ihrem Ehemann, dem Beklagten, nimmt die Klägerin ausweislich des Schriftsatzes vom 6. Januar 2023 nicht in Abrede.
Die Abgrenzung zwischen einem Auftragsverhältnis und einem bloßen Gefälligkeitsverhältnis erfolgt mittels des Kriteriums des „Rechtsbindungswillens“. Dieser ist „im konkreten Einzelfall nach Treu
und Glauben unter Rücksicht auf die Umstände und die Verkehrssitte“ zu beurteilen (vgl. BGHZ 21, 102 ff.). „Ob ein Rechtsbindungswille vorhanden ist, ist nicht nach dem nicht in Erscheinung
getretenen inneren Willen des Leistenden zu beurteilen, sondern danach, ob der Leistungsempfänger aus dem Handeln des Leistenden unter den gegebenen Umständen nach Treu und Glauben mit Rücksicht
auf die Verkehrssitte auf einen solchen Willen schließen musste. Es kommt also darauf an, wie sich dem objektiven Beobachter das Handeln des Leistenden darstellt“ (ebenda).
Für einen Rechtsbindungswillen kann sprechen, dass eine Angelegenheit erhebliche wirtschaftliche Bedeutung hat, was vorliegend in Anbetracht der Vermögensverhältnisse zweifelhaft erscheint.
Besondere Bedeutung kommt dem Umstand zu, dass ausweislich der notariellen Urkunde zur Vereinbarung der Gütertrennung vom 27. Juni 1958 (Anlage K1) bei Erteilung der „Generalvollmacht nebst
Vorsorgevollmacht, Betreuungsverfügung und Patientenverfügung“ die Ehe zwischen der Erblasserin und dem Beklagten bereits seit mehr als 50 Jahren bestand. Bedeutung kommt vorliegend daneben dem
Umstand zu, dass weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Erblasserin in der Zeit zwischen Vollmachterteilung und ihrem Tod jemals wegen mit der Vollmacht getätigter Geschäfte Auskunft
und Rechenschaft vom Beklagten verlangt hätte; ein nachträgliches Auskunfts- bzw. Abrechnungsverlangen durch den Erben kann in einem solchen Fall gegen Treu und Glauben, § 242 BGB, verstoßen
(vgl. OLG Hamm, 10 U 91/17).
So muss es schon fraglich erscheinen, ob es zutreffend ist, wenn die Klägerin im Schriftsatz vom 6. Januar 2023 die Auffassung vertritt, dass bei Erledigung von Geldgeschäften für einen
Familienangehörigen im Regelfall von einem Auftrag mit rechtlichen Verpflichtungen auszugehen sei. Für den konkreten Einzelfall ist damit aber ohnehin nichts gewonnen. Eine Auseinandersetzung mit
dem konkreten Sachverhalt und darauf möglicherweise anzuwendender Rechtsprechung lässt auch die Berufung vermissen.
Nach OLG Koblenz, 12 U 7/20, kann vom Vorliegen eines bloßen Gefälligkeitsverhältnisses nicht ausgegangen werden, wenn eine Erblasserin einer Vertrauensperson, die in keinem verwandtschaftlichen
Verhältnis zu ihr steht, EC-Karte nebst PIN übergibt und die von der Vertrauensperson hierdurch erlangte Verfügungsbefugnis ganz erhebliche Vermögenswerte der Erblasserin (mehr als 50.000 €
Kontoguthaben) umfasst. Aus den genannten Gründen liegt der vorliegende Fall aber anders. Gerade bei Eheleuten kann die Annahme eines Vertragsverhältnisses und damit die Anwendung von § 666
BGB unangemessen erscheinen (vgl. BGH, XII ZR 26/98 zu § 667 BGB; gegen einen Rechtsbindungswillen OLG Düsseldorf, 4 U 102/05 für die Partner einer Lebensgemeinschaft; OLG Köln, 16 U 196/11:
kein Auftragsvertrag, wenn Vollmachtnehmer dasjenige Kind ist, das sich um die Mutter und Vollmachtgeberin gekümmert hat).
Zu keinem anderen Ergebnis kommt man, wenn man mit ähnlicher Argumentation annimmt, es liege ein Fall einer konkludenten Freistellung von Auskunftspflichten vor; § 666 BGB ist dispositiv.
c) Die Klägerin missachtet ferner, dass eine auf § 666 BGB gestützte Auskunftsverpflichtung von vornherein beschränkt ist auf das Auftragsverhältnis. Ihr undifferenzierter Antrag
lässt diese Beschränkung nicht erkennen. Sie hätte vortragen müssen, dass der Beklagte unter Verwendung der Vollmacht (bestimmte) Rechtsgeschäfte getätigt hat. Daran fehlt es aber. Es genügt
nicht vorzutragen oder sogar nur anzudeuten, dass bestimmte Sachen aus dem Haushalt ihrer Eltern (die zumindest im Miteigentum der Erblasserin gestanden haben müssten), nicht mehr vorhanden sind.
d) Die Klägerin lässt weiter außer Acht, dass bereits in erster Instanz vom Beklagten mehrfach Auskunft erteilt worden ist. Von daher war es geboten, spätestens mit der Berufungsbegründung
den erstinstanzlichen Antrag anzupassen, wobei hier vernachlässigt werden soll, dass auch aus anderem Grund, nämlich im Hinblick auf die gebotene Bestimmtheit, § 253 Abs. 2 Nr. 2
ZPO, erhebliche Bedenken bestehen, etwa soweit von „wertvollen Schmuckstücken“ oder „wertvollen Gemälden“ die Rede ist.
In besonderer Weise unverständlich ist etwa die Wiederholung des Antrags hinsichtlich der Auskunft über die Verwendung eines Guthabens der Erblasserin bei der Postbank. Unstreitig ist unter
Verwendung der erteilten Vollmacht vom Beklagten das Konto im Jahr 2012 aufgelöst worden (die Behauptung des Beklagten, er habe von der Vollmacht keinen Gebrauch gemacht, dürfte schon deswegen
unrichtig sein). Die Klägerin hat aber selbst eingeräumt, dass der Vortrag des Beklagten (Schriftsatz vom 6. Juli 2022) zutrifft, wonach ihr im Jahr 2014 das Guthaben überwiesen worden ist
(Schreiben der Klägerin, Anlage zum Protokoll vom 15. September 2022). Die Erfüllung, § 362 BGB, ist mithin unstreitig.
2. Der Senat gibt den Parteien Gelegenheit, zum Streitwert des Berufungsverfahrens Stellung zu nehmen.
Maßgeblich ist insoweit das – nach § 3 ZPO zu schätzende – Interesse der Klägerin an der gewünschten Auskunft. Der Senat beabsichtigt, den Wert weit unterhalb des Wertes anzusetzen, den das
Landgericht für die erste Instanz angesetzt hat (vorläufige Festsetzung auf 40.000 € gemäß Beschluss vom 12. April 2022), wobei insoweit die während des Rechtsstreits erster Instanz erfolgten
Auskünfte unberücksichtigt bleiben mussten, also nicht zu einer Reduzierung des Streitwerts für die Instanz führen konnten (§ 40 GKG).