Schadensersatz


Verdienstausfallschaden und berufsbedingte Aufwendungen

OLG München, Urteil vom 26.03.2019 - 24 U 2290/18 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Das OLG Nürnberg musste u.a. aus Anlass eines Verkehrsunfalls über einen vom Kläger geltend gemachten Verdienstausfallschaden entscheiden. Dabei handelt es sich um einen Anspruch nach § 252 BGB. Vorliegend ging es um die Frage, ob der Kläger den gesamten Verdienstausfall geltend machen kann. Das Landgericht hatte, wogegen sich insofern die Berufung der Beklagten richtete, diesen Schaden ohne jeden Abzug zuerkannt.

 

Geltend gemacht wurde vom Kläger ein Verdienstausfall vom 14.11.2016 (nach Ablauf der Lohnfortzahlung gem. § 3 EFZG durch den Arbeitgeber) bis Juli 2017 von € 3.141,79 nach Abzug des Krankengeldes; das Landgericht gab der Klage insoweit statt. Ferner machte er einen Verdienstausfall aus einer Nebentätigkeit mit € 2.543,80, der vom Landgericht abgewiesen wurde, da insoweit der Kläger seinen Lohnfortzahlungsanspruch nach § 3 EFZG gegenüber dem Arbeitgeber nicht geltend gemacht habe.

 

Beide Parteien hatten Berufung bzw. Anschlussberufung  gegen das Urteil eingelegt.

 

Der Verdienstausfall ist ein ersatzfähiger Schaden iSv. § 252 BGB. Das OLG führte aus, dass nach dem Zweck der Bestimmung (Beweiserleichterung) derjenige Gewinn als entgangenen gelten würde, der nach m gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden könne. In diesem Fall würde vermutet, dass er auch erzielt worden wäre. Einer vollen Gewissheit iSv. § 286 BGB bedürfe es nicht (BGH, Urteil 26.07.2005 - X ZR 134/04 -).

 

Der Kläger, der vier Monat vor dem Unfall den Nebenjob als Limousinenfahrer angenommen habe, habe durch den Unfall diesen Job verloren, weshalb auch insoweit ein Erstattungsanspruch bestünde. Der Umstand, dass er seinen Lohnfortzahlungsanspruch gem. § 3 EFZG nicht geltend gemacht habe, sei unschädlich, da es sich hier nicht um eine Obliegenheit des Klägers zum Schutze des Schädigers im Sinne einer Schadensminderung handele. Es handele sich hier um eine Abwälzung des Schadens des Klägers auf einen Dritten, der diesen dann selbst geltend machen könne, § 6 EFZG.

 

Zu prüfen blieb danach, ob hier bei den jeweiligen Einkünften aus nichtselbständiger Tätigkeit Abzüge für ersparte Aufwendungen vorzunehmen sind.  Es handele sich, so das OLG, um eine Vorteilsausgleichung, da ersparte Aufwendungen in einem inneren Zusammenhang mit dem erlittenen und vom Schädiger zu tragenden Erwerbsschaden stünden. Würden keine besonderen, vom Geschädigten vorzutragenden und ggf. zu beweisenden Umstände vorlägen, aus denen sich niedrigere Aufwendungen ergäben, sei pauschal von Aufwendungen in Höhe von 10% des Nettoeinkommens auszugehen (so auch OLG München, Urteil vom 29.04.2011 - 10 U 4208/10 -; OL des Landes Sachsen-Anhalt, Urteil vom 23.09.1998 - 12 U 31/98 -).

 

Im Zusammenhang mit dem Hauptberuf des Klägers habe dieser dargelegt, dass er keine Aufwendungen erspart habe. Berufskleidung als Maler sei gestellt worden und er habe vom Arbeitgeber ein (einschließlich Benzin) finanziertes Fahrzeug gehabt, mit dem er zur Arbeitsstelle und zurück habe fahren können. Mitgliedsbeiträge für Berufsgenossenschaften oder andere Verbände und Kosten für Fachliteratur seien nach dem Ergebnis der Beweisaufnahm auch nicht angefallen. Auch habe der Kläger glaubhaft angegeben, dass er jeweils eine Brotzeit von zuhause zur Arbeit mitgenommen habe, weshalb er auch keinen Verpflegungsmehraufwand erspart habe. Vor diesem Hintergrund sei hier ein Abzug für ersparte Aufwendungen nicht vorzunehmen.

 

 

Anders allerdings sei dies bei dem Nebenjob. Zum Firmensitz habe er 13km zurückzulegen, wobei er nur bei schönen Wetter gefahren sei, weshalb, da ein Teil der Arbeitsunfähigkeit in die Winterzeit gefallen sei, davon auszugehen sei, dass er Fahrtkosten gehabt hätte. Auch habe er selbst für seine Arbeitskleidung (er selbst habe von einem Smoking gesprochen) aufkommen müssen, für die Reinigungskosten angefallen wären. Damit sei auf das Nettogehalt für den Nebenjob ein Abzug von 10% vorzunehmen. 

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Augsburg vom 05.06.2018, Az. 031 O 3546/17, teilweise abgeändert und wie folgt neu gefasst:

 

1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 79,62 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.05.2017 sowie weitere 440,15 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 01.01.2017 zu bezahlen.

 

2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.141,79 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 15.08.2017 zu bezahlen, aus einem Betrag von 2.771,05 € vom 15.07.2017 bis zum 14.08.2017, aus einem Betrag von 2.400,31 € vom 15.06.2017 bis zum 14.07.2017, aus einem Betrag von 2.029.57 € vom 15.05.2017 bis zum 14.06.2017, aus einem Betrag von 1.658,83 vom 15.04.2017 bis zum 14.05.2017, aus einem Betrag von 1.288,09 € vom 15.03.2017 bis zum 14.04.2017, aus einem Betrag von 917,35 € vom 15.02.2017 bis zum 14.03.2017, aus einem Betrag von 553,10 € vom 15.01.2017 bis zum 14.02.2017, aus einem Betrag von 200,06 € vom 15.12.2016 bis zum 14.01.2017.

 

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.289,40 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 09.05.2017 zu bezahlen.

 

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger die von diesem auf den Ersatz des Verdienstausfalls zu bezahlenden Steuern zu erstatten.

 

5. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Prozessbevollmächtigten des Klägers außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 650,34 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 11.10.2017 zu bezahlen.

 

6. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

 

II. Die weitergehende Berufung des Klägers und die Anschlussberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

 

III. Die Beklagten haben als Gesamtschuldner die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen zu tragen.

 

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

 

Gründe

 

I.

 

Der Kläger macht gegen die Beklagten Schadensersatzansprüche nach einem Verkehrsunfall vom 29.06.2016 an der Einmündung der B.straße in die B. Allee in A. geltend. Am Unfall beteiligt waren der Kläger als Motorradfahrer und der Beklagte zu 2) als Fahrer eines Pkws. Die Beklagte zu 1) ist Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten Pkws.

 

Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Beklagten als Gesamtschuldner zu 100% für den unfallbedingten Schaden haften.

 

Der Kläger erlitt bei dem Unfall folgende Verletzungen:

 

• Unterarmschaftfraktur rechts

• Querfortsatzfrakturen an den Lendenwirbelkörpern 2 - 4

• Fraktur des Nasenbeins

• Schürfwunden.

 

Der Kläger befand sich vom 29.09.2016 bis zum 04.10.2016 in stationärer Behandlung im Zentralklinikum A. Dort erfolgte ein offene Reposition der Frakturen. Elle und Speiche wurde mittels einer Plattenosteosynthese fixiert. In der Folgezeit heilte die Unterarmfraktur nicht wie gewünscht aus. Der Kläger musste sich deshalb Ende Mai/Anfang Juli 2017 einem weiteren stationären Eingriff in der H.-Klinik in A. unterziehen.

 

Der Kläger hat in der Klageschrift vom 07.07.2017 geltend gemacht, er sei wegen der Verletzung des rechten Arms fortdauernd arbeitsunfähig. Er hat die Beklagten deshalb vor dem Landgericht auf Zahlung von Schadensersatz in Anspruch genommen.

 

1. a) Zuzahlungen für Medikamente und Kosten für Krankengymnastik in Höhe von zusammen 79,62 €.

 

b) Kosten für das Rasieren, das der Kläger aufgrund der Verletzung seines rechten Arms nicht vornehmen konnte, sowie Zuzahlungen für Ergotherapie, Medikamente und Hilfsmittel sowie für Nachbehandlungen des Klinikums und Kosten der Übersendung der Krankmeldungen an den Arbeitgeber in Höhe von zusammen 440,15 € (vgl. Schriftsatz vom 15.05.2018, Bl. 49/50 d. A.).

 

c) Insoweit hat das Landgericht die Beklagten in dem angefochtenen Urteil vom 05.06.2018 antragsgemäß verurteilt. Berufung und Anschlussberufung wenden sich nicht dagegen.

 

2. Verdienstausfall für die Zeit vom 14.11.2016 (nach Ablauf der Lohnfortzahlung) bis einschließlich Juli 2017 in Höhe von 3.141,79 € (nach Abzug des Krankengeldes) nebst Zinsen aus der Tätigkeit des Klägers als angestellter Maler für die Fa. V.

 

Insoweit hat das Landgericht der Klage stattgegeben.

 

3. Verdienstausfall für die Zeit vom Unfall bis einschließlich Juli 2017 in Höhe von 2.543,80 € nebst Zinsen aus der Nebentätigkeit des Klägers als Limousinenfahrer für die Fa. E.-Limousines W. L. in K.

 

Insoweit hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil der Kläger insoweit den ihm zustehenden Anspruch auf Lohnfortzahlung nicht geltend gemacht habe, wozu er aber verpflichtet gewesen sei.

 

4. Feststellung der Pflicht zur Erstattung von Steuern und Sozialversicherungsbeiträgen auf den Verdienstausfall.

 

Insoweit hat das Landgericht der Klage stattgegeben.

 

5. Außergerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 746,73 € nebst Zinsen.

 

Insoweit hat das Landgericht die Klage abgewiesen, weil der Kläger seine Aktivlegitimation nicht nachgewiesen habe.

 

Gegen das Urteil wendet sich der Kläger mit der Berufung, mit der er die Klageabweisung in den Punkten 3. und 5. angreift. Zum Verdienstausfall aus der Nebentätigkeit als Limousinenfahrer wendet der Kläger ein, der Anspruch werde nicht dadurch beseitigt, dass er gegenüber seinem Arbeitgeber keine Lohnfortzahlung geltend gemacht habe. Die Freistellung des Schädigers sei nicht Zweck der Lohnfortzahlung; bei deren Geltendmachung hätte er den Anspruch nach § 6 EFZG verloren.

 

Den Anspruch auf Erstattung der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten habe das Landgericht zu Unrecht abgewiesen. Die Beklagten hätten keine Zahlung durch eine Rechtsschutzversicherung behauptet, sondern nur bestritten, dass der Kläger bereits bezahlt habe. Der Kläger stellt seinen Klageantrag in der Berufungsinstanz auf Zahlung an seinen Rechtsanwalt um.

 

Der Kläger beantragt

 

unter Abänderung des am 05.06.2018 verkündeten Urteils des Landgericht Augsburg

 

1. die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an den Kläger 79,62 € nebst 5 % Zinsen hieraus über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit 09.05.2017 zu bezahlen sowie weitere 440,15 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit 01.01.2017.

 

2. Die Beklagten werden als samtverbindlich verurteilt, an den Kläger 3.141,79 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit 15.08.2017 zu bezahlen, aus einem Betrag von 2.771,05 € vom 15.07.2017 bis zum 14.08.2017, aus einem Betrag von 2.400,31 € vom 15.06.2017 bis zum 14.07.2017, aus einem Betrag von 2.029.57 € vom 15.05.2017 bis zum 14.06.2017, aus einem Betrag von 1.6.58,83 vom 15.04.2017 bis zum 14.05.2017, aus einem Betrag von 1.288,09 € vom 15.03.2017 bis zum 14.04.2017, aus einem Betrag von 917,35 € vom 15.02.2017 bis zum 14.03.2017, aus einem Betrag von 553,10 € vom 15.01.2017 bis zum 14.02.2017, aus einem Betrag von 200,06 € vom 15.12.2016 bis zum 14.01.2017.

 

3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 2.543,80 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit 10.08.2017 zu bezahlen, aus einem Betrag von 2.289,42 € vom 05.07.2017 bis zum 14.08.2017, aus einem Betrag von 2.035,04 € vom 15.06.2017 bis zum 14.07.2017, aus einem Betrag von 1.780,66 vom 15.05.2017 bis zum 14.06.2017, aus einem Betrag von 1.528,28 € vom 15.04.2017 bis zum 14.05.2017, aus einem Betrag von 1.271,90 € vom 15.03.2017 bis zum 14.04.2017, aus einem Betrag von 1.017,52 € vom 15.02.2017 bis zum 14.03.2017, aus einem Betrag von 763,14 € vom 15.01.2017 bis zum 14.02.2017, aus einem Betrag von 508,76 € vom 15.12.2016 bis zum 14.01.2017, aus einem Betrag von 254,38 € vom 15.11.2016 bis zum 14.12.2016 zu bezahlen.

 

4. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger die von diesem auf den Ersatz des Verdienstausfalls zu bezahlenden Steuern zu erstatten.

 

5. Die Beklagten werden verpflichtet, gesamtschuldnerisch an den Prozessbevollmächtigten des Klägers außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 746,73 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu bezahlen.

 

Die Beklagten beantragen

 

1. die Berufung des Klägers zurückzuweisen,

 

2. das Urteil Landgericht Augsburg, 031 O 3546/17 abzuändern und die Klage abzuweisen, soweit

 

a) die Beklagten samtverbindlich verurteilt worden sind, an den Kläger mehr als 79,62 € nebst 5 % Zinsen hieraus über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit 09.05.2017 zu bezahlen sowie weitere 440,15 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit 01.01.2017.

 

b) die Beklagten samtverbindlich verurteilt worden sind, an den Kläger mehr als 2.827,61 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 % über dem jeweils gültigen Basiszinssatz seit 15.08.2017 zu bezahlen, aus einem Betrag von 2.771,05 € vom 15.07.2017 bis zum 14.08.2017, aus einem Betrag von 2.400,31 € vom 15.06.2017 bis zum 14.07.2017, aus einem Betrag von 2.029.57 € vom 15.05.2017 bis zum 14.06.2017, aus einem Betrag von 1.6.58,83 vom 15.04.2017 bis zum 14.05.2017, aus einem Betrag von 1.288,09 € vom 15.03.2017 bis zum 14.04.2017, aus einem Betrag von 917,35 € vom 15.02.2017 bis zum 14.03.2017, aus einem Betrag von 553,10 € vom 15.01.2017 bis zum 14.02.2017, aus einem Betrag von 200,06 € vom 15.12.2016 bis zum 14.01.2017, zu bezahlen.

 

Sie beanstanden, dass das Landgericht keinen Abzug für berufsbedingt ersparte Aufwendungen vorgenommen hat.

 

Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Anschlussberufung.

 

Der Senat hat mit den Parteien am 12.02.2019 mündlich verhandelt und den Kläger angehört. Ergänzend wird auf das angefochtene Urteil, die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze sowie das Protokolle der mündlichen Verhandlung vom 12.02.2019 Bezug genommen.

 

II.

 

Berufung und Anschlussberufung sind zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben und begründet worden. Während die Berufung des Klägers überwiegend begründet ist, erweist sich die Anschlussberufung der Beklagten als unbegründet.

 

1. Weder die Berufung noch die Anschlussberufung wenden sich gegen die Verurteilung der Beklagten unter Ziffer 1 des landgerichtlichen Urteils und gegen die Zinsstaffel in Ziffer 2 des Urteils.

 

2. Berufung des Klägers

 

2.1. Die Berufung des Klägers ist überwiegend begründet, soweit er Verdienstausfall aufgrund seiner Nebentätigkeit als Limousinenfahrer geltend macht. Der Kläger hat insoweit einen Anspruch gemäß §§ 7 Abs. 1, 11 StVG, 823 Abs. 1, 252 BGB, bezüglich der Beklagten zu 1) i. V. m. §§ 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 VVG, 1 PflVG.

 

a) Die Haftung der Beklagten zu 100 % für die Folgen des Verkehrsunfalls vom 29.09.2016 ist unstreitig.

 

b) Ebenso unstreitig ist, dass der Kläger jedenfalls bis zum Ende des streitgegenständlichen Zeitraums bis Juli 2017 aufgrund des Unfalls arbeitsunfähig war. Wie er in seiner Anhörung durch den Senat angegeben hat, ist er nach einer sechswöchigen Eingliederung erst seit Mitte November 2018 wieder bei seinem bisherigen Arbeitgeber als Maler tätig.

 

c) Zu dem ersatzfähigen Schaden zählt nach §§ 252 BGB, 11 StVG der Verdienstausfall. Für die Schadensfeststellung gilt nach § 252 S. 2 Alt. 1 BGB derjenige Gewinn als entgangen, der nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte. Zweck der Bestimmung ist es, dem Geschädigten den Beweis zu erleichtern. Ist ersichtlich, dass der Gewinn nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge oder den besonderen Umständen mit Wahrscheinlichkeit erwartet werden konnte, dann wird vermutet, dass er gemacht worden wäre. Volle Gewissheit, dass der Gewinn gezogen worden wäre, ist nicht erforderlich (BGH, Urteil vom 26. 07. 2005 - X ZR 134/04 - NJW 2005, 3348 m. w. N.). Der Kläger war zur Zeit des Unfalls seit vier Monaten, seit dem Juni 2016 als Limousinenfahrer tätig. Er hat den Nebenjob aufgrund der unfallbedingten Verletzungen verloren. Anhaltspunkte dafür, dass er ihn aus anderen Gründen im streitgegenständlichen Zeitraum verloren hätte, liegen nicht vor. Daher haben die Beklagten den Verdienstausfall aus dieser Tätigkeit zu ersetzen.

 

d) Entgegen der Ansicht des Landgerichts entfällt der Anspruch nicht deshalb, weil der Kläger gegen seinen Arbeitgeber keine Lohnfortzahlung geltend gemacht hat. Die Geltendmachung von Lohnfortzahlungsansprüchen ist keine Obliegenheit, die der verletzte Arbeitnehmer dem Schädiger zur Schadensminderung schuldet. Sie hat nur eine Abwälzung des Schadens zur Folge, die dem Schädiger, weil der Anspruch kraft Gesetzes - § 6 Abs. 1 Entgeltfortzahlungsgesetz - auf den Arbeitgeber übergeht. Damit kommt eine Entgeltfortzahlung im Ergebnis dem Schädiger nicht zugute (BGH, Urteil vom 28. 01. 1986 - VI ZR 151/84 -, Rn. 12, NJW 1986, 1486). Ohnehin hätte ein Anspruch auf Lohnfortzahlung nur für sechs Wochen bestanden, während dem Kläger wenigstens für zehn Monate ein Verdienstausfallschaden entstanden ist.

 

e) Bei der Ermittlung der Einkünfte, die der Kläger ohne die Verletzung in den Monaten Oktober 2016 bis Juli 2017 erzielt hätte, ist auf die durchschnittlichen Einkünfte aus den Monaten Juni bis September 2016 abzustellen, auch wenn diese stark schwanken. Unstreitig ergibt sich ein durchschnittlicher monatlicher Verdienst von 254,38 €.

 

f) Der Kläger hat sich durch den Wegfall seiner Beschäftigung berufsbedingte Aufwendungen erspart, die im Wege der Vorteilsausgleichung anzurechnen sind, weil sie in einem inneren Zusammenhang mit dem erlittenen und vom Schädiger zu tragenden Erwerbsschaden stehen. In Ermangelung anderer Angaben nimmt der Senat mit dem 10. Zivilsenat (OLG München, Urteil vom 29. April 2011 - 10 U 4208/10 -, Rn. 43) eine Pauschalierung der berufsbedingten Aufwendungen in Höhe von 10 % des Nettoeinkommens vor, wenn keine besonderen, vom Geschädigten vorzutragenden (und ggfs. zu beweisenden) Umstände vorliegen, aus denen sich niedrigere Aufwendungen ergeben.

 

Dies ist hinsichtlich des Nebenjobs als Limousinenfahrer nicht der Fall. Der Kläger hatte Fahrtkosten zur Arbeit, da er von seiner Wohnung zunächst im Zentrum von A., später in L., zum Firmensitz in K. eine Strecke von einfach jeweils ca. 13 km zurückzulegen hatte. Seine Angabe, er wäre mit dem Fahrrad gefahren, hat der Kläger in der Anhörung dahin eingeschränkt, dass er bei schönem Wetter mit dem Fahrrad gefahren wäre. Da in die Zeit der Arbeitsunfähigkeit auch das Winterhalbjahr fällt, ist davon auszugehen, dass regelmäßig auch Fahrtkosten angefallen wären.

 

Zudem musste der Kläger im Nebenjob selbst für seine Arbeitskleidung sorgen. Für die vorgeschriebene elegante Kleidung - der Kläger erwähnte selbst den Smoking, den er bei manchen Fahrten trug - wären Reinigungskosten entstanden, die der Kläger selbst hätte tragen müssen.

 

Im Hinblick auf beide Positionen ist der Ansatz von berufsbedingten Aufwendungen in Höhe von 10 % des Nettoeinkommens - entspricht ca. 25,50 € im Monat - angemessen.

 

g) Daraus folgt ein Anspruch auf Ersatz des monatlichen Erwerbsschadens in Höhe von 254,38 € minus 10% = 228,94 €. Für zehn Monate von Oktober 2016 bis Juli 2017 ergeben sich 2.289,40 €.

 

h) Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB. Die Beklagten befanden sich erst mit Ablauf der im Schriftsatz des Klägervertreters vom 27.04.2017 (Anlage A4) gesetzten Frist bis zum 08.05.2017 in Verzug. Ein Anspruch auf Verzinsung ab Fälligkeit der fiktiven Ansprüche gegen den Arbeitgeber besteht nicht.

 

2.2. Der Kläger hat auch einen Anspruch auf Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren an den Klägervertreter, wie er ihn in der Berufungsinstanz gemäß Schriftsatz vom 22.01.2019 geltend gemacht hat, jedoch nur in Höhe von 650,34 €.

 

a) Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten gehören zu den nach § 249 Abs. 1 BGB ersatzfähigen Rechtsverfolgungskosten.

 

b) Der Kläger ist als Schuldner der Gebühren gegenüber seinem Anwalt hinsichtlich der Schadensersatzforderung aktivlegitimiert. Nach der Umstellung des Antrags kommt es nicht darauf an, ob er sich vor der Zahlung der Gebührenrechnung auf einen Freistellungsanspruch verweisen lassen muss (vgl. Jahnke in Burmann/Heß/Hühnermann/Jahnke, Straßenverkehrsrecht, 25. Aufl. 2018, BGB § 249 Rn. 365). Jedenfalls den Freistellungsanspruch, der auch den jetzt geltend gemachten Anspruch auf Zahlung an den Klägervertreter umfasst, kann der Kläger bereits geltend machen.

 

c) Einen Forderungsübergang auf eine Rechtsschutzversicherung gemäß § 86 VVG haben die Beklagten noch nicht einmal behauptet, geschweige denn nachgewiesen. Der Klageerwiderung vom 07.12.2017 (S. 5 = Bl. 39 d. A.) ist lediglich zu entnehmen: "Im Zweifel ist ohnehin eine Rechtsschutzversicherung eintrittspflichtig, sodass die Forderung gem. § 86 VVG übergegangen ist." Damit haben die Beklagten lediglich das Bestehen einer Rechtsschutzversicherung als Erfahrungstatsache in den Raum gestellt. Darin liegt keine substantiierte Behauptung, dass eine Rechtsschutzversicherung besteht. Voraussetzung für den Anspruchsübergang wäre ohnehin, dass die Rechtsschutzversicherung auch eingetreten ist. Dies haben die Beklagten nicht behauptet. Der Kläger hat es vorsorglich bestritten.

 

d) Die Höhe des Anspruchs ergibt sich nach dem vorprozessual berechtigt geltend gemachten Schadensersatzanspruch von (mindestens) 6.468,56 €, der auch die außergerichtlich regulierten Positionen der Abschleppkosten und der Fahrbahnreinigung umfasst. Dem Kläger steht Ersatz einer 1,3 Gebühr nach Nr. 2300 VV RVG zu, nicht aber der geltend gemachten 1,5 Gebühr. Eine Gebühr von mehr als 1,3 kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war (Gesetzliche Anmerkung zu Nr. 2300 VV RVG, vgl. BGH, Urteil vom 11. 07. 2012 - VIII ZR 323/11 -, juris). Auch auf Hinweis des Senats hat der Kläger nicht ausreichend zum Umfang der Tätigkeit vorgetragen. Dass sämtliche Verdienstausfallpositionen berechnet und die Unterlagen dafür teilweise sogar selbst beschafft werden mussten, genügt dafür nicht, zumal es sich um jeweils einfache Verdienstausfallberechnungen bei einem abhängig Beschäftigten gehandelt hat.

 

Damit ergibt sich folgender Anspruch:

 

VV RVG

Streitwert

6.468,56 €

Nr. 2300

405 x 1,3

526,50 €

Nr. 7002

Portopauschale

    20,00 €

     

     

546,50 €

Nr. 7008

MWSt. 19%

   103,84 €

     

     

650,34 €

 

e) Der Zinsanspruch ergibt sich ab Rechtshängigkeit gemäß §§ 291, 288 Abs. 1 S. 2 BGB. Die vorgerichtlichen Rechtsanwaltsgebühren wurden erstmals in dieser Höhe in der Anspruchsbegründung vom 07.07.2017 geltend gemacht, die der Beklagten zu 1) am 10.10.2017 zugestellt wurde. Dass damals ein Zahlungsanspruch geltend gemacht wurde, schadet nicht, weil der Zahlungsanspruch als Weniger auch den Freistellungsanspruch umfasst (vgl. Jahnke a.a.O., § 249 Rn. 365).

 

3. Anschlussberufung der Beklagten

 

3.1. Nach dem im Schriftsatz vom 09.11.2018 gestellten Antrag wenden sich die Beklagten mit der Anschlussberufung gegen das landgerichtliche Urteil mit Ausnahme der Ziffern 1 (insgesamt) und 2 (soweit die Verurteilung 2.827,61 € nebst Zinsen übersteigt). Damit ist auch der Feststellungsausspruch in Ziffer 3 des Urteils angegriffen. Der Antrag aus dem Schriftsatz 09.11.2018 wurde nach einem Hinweis des Senats auf die insoweit fehlende Begründung der Berufung in der Berufungsverhandlung gestellt.

 

Hinsichtlich des Feststellungsausspruchs enthält der Schriftsatz vom 09.11.2018 keine Ausführungen. Die Anschlussberufung ist daher insoweit unzulässig, §§ 524 Abs. 3 S. 2, 520 Abs. 3 ZPO.

 

3.2. Soweit sie sich gegen eine 2.827,61 € übersteigende Verurteilung in Ziffer 2 des Urteils wendet, ist die Anschlussberufung gemäß § 524 Abs. 1 - 3 ZPO zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

 

Zwar sind grundsätzlich im Weg der Vorteilsausgleichung berufsbedingten Aufwendungen in Höhe von 10 % des Nettoeinkommens abzuziehen, wenn keine besonderen, vom Geschädigten vorzutragende (und ggfs. zu beweisende) Umstände vorliegen, aus denen sich niedrigere Aufwendungen ergeben (vgl. oben 2.1. f). Die Anhörung des Klägers hat jedoch ergeben, dass sich der Kläger in seinem Hauptberuf als Maler durch die Arbeitsunfähigkeit keine berufsbedingten Aufwendungen erspart hat. Ihm stand ein Firmenfahrzeug zur Verfügung, das er in der Nähe seiner Wohnung parken konnte und für das der Arbeitgeber die gesamten Betriebskosten einschließlich des Benzingeldes bezahlte. Die Berufsbekleidung und Ausrüstung wurde zur Verfügung gestellt. Mitgliedsbeiträge für die Gewerkschaft oder andere Berufsverbände und Kosten für Fachliteratur sind nicht angefallen. Schließlich sind dem Kläger während seiner Berufstätigkeit auch keine Mehrkosten für Verpflegung entstanden. Er hat glaubhaft angegeben, dass er sich meistens eine Brotzeit von Zuhause in die Arbeit mitgenommen hat. Damit hat der Kläger sich in den streitgegenständlichen zehn Monaten, während derer er infolge der unfallbedingten Verletzung nicht arbeiten konnte, keine Verpflegungskosten erspart.

 

4. Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 2, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit aus §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor.