Nachzügler: Haftung(sverhältnis) bei Keuzungskollision
Saarländisches
Oberlandesgericht Saarbrücken, Urteil vom
20.09.2024 - 3 U 28/24 -
Kurze Inhaltsangabe:
Die Situation: Der Kläger fuhr bei Umschalten auf „Grün“ in den Kreuzungsbereich hinein. Links von ihm befand sich ein Lkw, der nach links abbiegen wollte. Die Beklagte befand sich (eventuell)
noch im Kreuzungsbereich (sogen. Nachzügler), konnte aber vom Kläger infolge der Sichtbehinderung durch den abbiegenden Lkw nicht gesehen werden; sie umfuhr den Lkw auf einer nicht von ihr zu
nutzenden Fahrspur und stieß so mit dem klägerischen, von rechts kommenden Fahrzeug des Klägers zusammen. Das OLG ging von einer Haftungsverteilung von 2/3 zu Lasten der Beklagten zu 1/3 zu
Lasten des Klägers aus.
Rechtlicher Ausgangspunkt sei hier, dass beide Verkehrsteilnehmer für die Folgen des Unfallgeschehens nach §§ 7, 17, 18 StVG einzustehen hatten, da die Unfallschäden bei dem Betrieb der Fahrzeuge
entstanden seien und keine höhere Gewalt vorläge, ferner es sich für keine der Parteien um höhere Gewalt iSv. § 17 Abs. 3 StVG handele. Diese Haftungsverteilung nach § 17 StVG würde aufgrund
festgestellter (also unstreitiger, zugestandener oder nach § 286 ZPO bewiesener) Umstände nicht zur Alleinhaftung der Beklagten führen:
Ein Rotlichtverstoß sei für die Beklagte nicht bewiesen. Es streite dafür auch kein Anscheinsbeweis. Der Anscheinsbeweis setze eine Geschehensablauf voraus, bei dem sich nach allgemeiner
Lebenserfahrung der Schluss aufdränge, dass ein Verkehrsteilnehmer seine im Verkehr erforderlichen Sorgfaltspflichten schuldhaft verletzt habe und das Unfallgeschehen dafür typisch sei (BGH,
Urteil vom 10.10.2023 - VI ZR 287/22 -). Der Umstand, dass der Kläger erst nach Grünanzeige für ihn losgefahren sei ließe nicht den Schluss zu, dass die Beklagt bei Rot in den
Kreuzungsbereich reingefahren sei; da der Lkw die Beklagte an der Überquerung der Kreuzung gehindert habe, sei es mithin auch möglich, dass sie auch bei Grün in die Kreuzung einfuhr und dort den
Abbiegevorgangs des Lkw abgewartet habe.
Allerdings sei bei der Beklagten ein Verstoß gegen § 1 As. 2 StVO zu berücksichtigen, da selbst dann, wenn es sich bei ihr um einen echten Nachzügler handele (was nicht feststünde), hätte sie die
Kreuzung nur vorsichtig und unter sorgfältiger Beachtung des einsetzenden Gegen- oder Querverkehrs verlassen dürfen (OLG Hamm, Urteil vom 26.08.2016 - 7 U 22/16 -). Die Beklagte habe aber ein
besonders gefährliches Fahrmanöver vorgenommen, indem sie eine dem Linksabbiegerverkehr aus einer anderen Straße vorbehaltenen Bereich trotz der Sichtbehinderung durch den Lkw nutzte und die
Kreuzung ohne Beachtung des von rechts kommenden Verkehrs überquerte. Damit habe sie die ihr obliegende Sorgfalt in erheblichen Maße vermissen lassen.
Auch bei dem Kläger sei ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO festzustellen. Zwar müsste er im Allgemeinen nicht damit rechnen, dass bei einem Einfahren bei Grün in die Kreuzung Querverkehr unter
Missachtung des Rotlichts für diesen von der Seite in die Kreuzung einfahre. Das ihm zustehende Vorfahrtsrecht entbinde aber nicht von der Verpflichtung, den aufgrund vorangegangener Lichtphase
der Ampeln in die Kreuzung eingefahrenen Verkehrsteilnehmern, die diese nicht mehr rechtzeitig hätten räumen können, das Vorrecht einzuräumen (BGH, Urteil vom 09.11.1976 - VI ZR 264/75 -). Auch
bei Grün dürfe daher eine unübersichtliche Kreuzung nur vorsichtig mit Anhaltebereitschaft durchfahren werden, da mit Nachzüglern zu rechnen sei. Auf einen Vertrauensgrundsatz, dass sich keine
Nachzügler mehr im Kreuzungsbereich aufhalten würden, könne er sich nicht berufen (BGH, Urteil vom 20.12.1967 – 4 StR 382/67 -).
Hier habe sich der Kläger, dessen Sicht nach links durch den Lkw versperrt gewesen sei, nicht vergewissert, ob sich von dort kommend Nachzügler im Kreuzungsbereich befanden (die Vorrang hätten).
Der Umstand, dass der Lkw zum Zeitpunkt des Anfahrens des Klägers noch die Spur nach links blockierte und das Fahrmanöver der Beklagten unter Umfahrung desselben sorgfaltswidrig gewesen sei, käme
es nicht an, da es nicht so atypisch gewesen sei, dass der Kläger mit einem solchen Fahrmanöver nicht hätte rechnen müssen. Dieses sorgfaltswidrige Verhalten sei zu Lasten des Kläger
unabhängig davon zu berücksichtigen, ob es sich bei der Beklagten um einen „echten Nachzügler“ handele.
Bei der Abwägung dieser Verursachungs- und Verschuldensbeiträge der Beteiligte nach § 17 Abs. 1 StVG nahm das OLG eine Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zu Lasten der Beklagten an.
Aus den Gründen:
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 5.4.2024 – 1 O 291/22 – unter Zurückweisung des Rechtsmittels im Übrigen teilweise abgeändert und wie folgt
gefasst:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 3.601,08 € sowie vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 1.134,55 €, jeweils nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 20.10.2022, zu zahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die ... Versicherungen als Kaskoversicherer des Klägers 5.705,79 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem
Basiszinssatz seit dem 20.10.2022 zu zahlen.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Die Kosten der ersten Instanz tragen der Kläger zu 55 % und die Beklagten als Gesamtschuldner zu 45 %. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger zu 18 % und die Beklagten als
Gesamtschuldner zu 82 %.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Der Kläger nimmt die Beklagten aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, der sich am 31.8.2022 in ... im Kreuzungsbereich ... ereignet hat.
Der Kläger befuhr mit seinem Fahrzeug Mercedes Benz 212 K/E350 CDI (amtl. Kz.: ...) die ... Straße aus Richtung Innenstadt kommend in Richtung .... Die Erstbeklagte befuhr mit dem bei der
Zweitbeklagten haftpflichtversicherten Fahrzeug Mercedes Benz 245G/CLA 180 (amtl. Kz.: ...) die ... in Richtung .... Im Kreuzungsbereich auf der ... Straße kam es im Zusammenhang mit dem
Abbiegevorgang eines LKW von der ... nach links in die ... Straße in Richtung Innenstadt zur Kollision der beiden Fahrzeuge. Der Kläger ließ sein Fahrzeug zu einem Betrag von 15.553,47 €
reparieren, der von seinem Kaskoversicherer bis auf eine Selbstbeteiligung von 300,- € reguliert wurde.
Mit der Klage hat der Kläger die Beklagten zuletzt auf Zahlung von 4.294,21 € (300,- € Selbstbeteiligung + 100,- € Wertminderung + 25,- Kostenpauschale + 1.815,21 € Gutachterkosten + 2.054,-
Nutzungsausfall) nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten von 1.375,88 € an sich selbst und Zahlung weiterer 5.705,88 € nebst Zinsen an seinen Kaskoversicherer in Anspruch genommen. Die
Beklagten sind der Klage entgegengetreten.
Mit dem angefochtenen Urteil hat das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen gemäß § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO ergänzend Bezug genommen wird, der Klage bis auf
einen Teil der vorgerichtlichen Anwaltskosten stattgegeben. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein Rotlichtverstoß bzw. eine überhöhte Geschwindigkeit eines der Unfallbeteiligten könne nicht
festgestellt werden. Die Erstbeklagte habe aber gegen § 1 Abs. 2 StVO verstoßen, da sie ohne freie Sicht und ohne auf von rechts kommende Fahrzeuge zu achten trotz des noch nicht
vollständig abgebogenen LKW unter Nutzung des dem Linksabbiegerverkehr aus der ... vorbehaltenen Bereichs angefahren sei. Damit habe sie grob fahrlässig gehandelt, sodass die allein verbleibende
Betriebsgefahr des Klägerfahrzeugs vollständig zurücktrete.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie eine Haftungsteilung anstreben. Der Kläger verteidigt die angefochtene Entscheidung.
II.
Die Berufung ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht erhoben. In der Sache hat sie teilweise Erfolg.
1. Das Landgericht ist davon ausgegangen, dass sowohl die Kläger- als auch die Beklagtenseite grundsätzlich für die Folgen des streitgegenständlichen Unfallgeschehens gemäß §§ 7, 17,
18 Straßenverkehrsgesetz (StVG) i.V.m. § 115 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) einzustehen haben, da die Unfallschäden jeweils bei dem Betrieb eines Kraftfahrzeuges entstanden sind, der
Unfall nicht auf höhere Gewalt zurückzuführen ist und für keinen der beteiligten Fahrer ein unabwendbares Ereignis i.S.d. § 17 Abs. 3 StVG darstellt. Dies wird von den Parteien nicht in
Zweifel gezogen und begegnet keinen Bedenken.
2. Die danach gebotene Entscheidung über eine Haftungsverteilung im Rahmen des § 17 StVG, die aufgrund aller festgestellten, d.h. unstreitigen, zugestandenen oder nach § 286 ZPO
bewiesenen Umstände des Einzelfalls vorzunehmen ist, die sich auf den Unfall ausgewirkt haben (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2023 - VI ZR 287/22, Rn. 12, juris), führt hier zwar zur
überwiegenden, entgegen dem Landgericht aber nicht zur Alleinhaftung der Beklagten.
a) Keinen Bedenken begegnet, dass das Landgericht auf Beklagtenseite einen Rotlichtverstoß der Erstbeklagten für nicht bewiesen erachtet hat. Für einen solchen streitet entgegen der
Auffassung des Klägers auch kein Anscheinsbeweis.
aa) Die Anwendung des Anscheinsbeweises setzt stets einen Geschehensablauf voraus, bei dem sich nach der allgemeinen Lebenserfahrung der Schluss aufdrängt, dass ein Verkehrsteilnehmer
seine Pflicht zur Beachtung der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt verletzt hat. Dabei muss das gesamte feststehende Unfallgeschehen nach der Lebenserfahrung typisch dafür sein, dass derjenige
Verkehrsteilnehmer, zu dessen Lasten im Rahmen des Unfallereignisses der Anscheinsbeweis Anwendung finden soll, schuldhaft gehandelt hat (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2023 - VI ZR 287/22, Rn.
18, juris).
bb) Danach kommt ein Anscheinsbeweis für einen Rotlichtverstoß der Erstbeklagten hier nicht in Betracht. Dass der Kläger erst angefahren ist, nachdem die für ihn geltende
Lichtzeichenanlage Grün anzeigte, lässt unter den gegebenen Umständen nach der Lebenserfahrung nicht den Schluss zu, dass die Erstbeklagte bei für sie angezeigtem Rotlicht in die Kreuzung
eingefahren sein muss. Da der abbiegende LKW den aus der ... kommenden Verkehr an der Überquerung der Kreuzung hinderte, bleibt ebenso möglich, dass die Erstbeklagte ebenfalls bei Grün in die
Kreuzung eingefahren ist und dort den Abbiegevorgang des LKW abgewartet hat. Soweit der Kläger meint, in diesem Fall habe der LKW nicht ohne Inanspruchnahme der Linksabbiegerspur der klägerischen
Fahrtrichtung abbiegen können, trifft dies ausweislich der Skizze im Gutachten des Sachverständigen ... nicht zu (Bl. 167 GA).
b) Mit Recht hat das Landgericht auf Beklagtenseite einen Verstoß der Erstbeklagten gegen § 1 Abs. 2 StVO berücksichtigt. Selbst wenn es sich bei der Erstbeklagten – was freilich
nicht feststeht – um einen „echten Nachzügler“ gehandelt haben sollte, hätte sie die Kreuzung nur vorsichtig und unter sorgfältiger Beachtung des einsetzenden Gegen- oder Querverkehrs verlassen
dürfen (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 26. August 2016 - 7 U 22/16, Rn. 24, juris; KG Berlin, Urteil vom 13. Juni 2019 - 22 U 176/17, Rn. 23, juris; OLG Zweibrücken, Beschluss vom 3. Mai 2021 - 1 U
18/20, Rn. 13, juris). Die Erstbeklagte hat demgegenüber – wie das Landgericht zutreffend angenommen hat – ein besonders gefährliches Fahrmanöver durchgeführt, indem sie die Kreuzung unter
Nutzung des dem Linksabbiegerverkehr aus der ... vorbehaltenen Bereichs trotz der Sichtbehinderung durch den abbiegenden LKW und ohne auf den von rechts kommenden Verkehr zu achten überquert hat.
Sie hat damit die gebotene Sorgfalt in erheblichem Maße missen lassen. Dem kann die Berufung nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Nutzung der Gegenfahrbahn schütze den Kläger als querenden
Verkehr nicht, da es keinen Unterschied mache, ob der von links kommende Verkehr die Kreuzung unter Nutzung der eigenen oder der Gegenfahrbahn räume.
c) Aber auch auf Klägerseite ist entgegen dem Landgericht ein Verstoß gegen § 1 Abs. 2 StVO zu berücksichtigen.
aa) Ein Kraftfahrer, der – wie der Kläger – bei Grün in eine Kreuzung einfährt, braucht zwar im Allgemeinen nicht damit zu rechnen, dass Querverkehr unter Missachtung des für ihn geltenden
Rotlichts von der Seite her in die Kreuzung einfährt (vgl. Wern in: Freymann/Wellner, jurisPK-Straßenverkehrsrecht, 2. Aufl., § 37 StVO (Stand: 12.12.2023), Rn. 27 mwN). Dieses ihm an sich
zustehende Vorfahrtrecht entbindet jedoch nicht von der Verpflichtung, den aufgrund vorangegangener Lichtphase in die Kreuzung eingefahrenen Verkehrsteilnehmern, die diese nicht mehr rechtzeitig
verlassen konnten, das Vorrecht einzuräumen (vgl. BGH, Urteil vom 9. November 1976 - VI ZR 264/75, Rn. 9, juris). Eine unübersichtliche Kreuzung darf daher auch bei Grün nur vorsichtig mit
Anhaltebereitschaft durchfahren werden, weil mit Nachzüglern zu rechnen ist (vgl. König in: Hentschel/König/Dauer, 47. Aufl. 2023, StVO § 37 Rn. 14, beck-online mwN). Auf einen
Vertrauensgrundsatz dahingehend, dass sich keine Nachzügler mehr in der Kreuzung aufhalten, kann sich der Einfahrende nicht berufen (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 1967 - 4 StR 382/67, Rn. 6,
juris).
bb) Da dem Kläger hier die Sicht nach links in Richtung der ... durch den abbiegenden LKW versperrt und daher ungewiss war, ob sich von dort kommend Nachzügler in der Kreuzung befanden,
denen er den Vorrang einzuräumen hatte, durfte der Kläger sich dem Kreuzungsbereich nur mit besonderer Vorsicht und in Anhaltebereitschaft nähern. Vor seiner Einfahrt in die Kreuzung musste er
sich vergewissern, dass sich aus der ... kommend keine Nachzügler in der Kreuzung befanden. Der Kläger handelte daher sorgfaltswidrig, wenn er trotz der Sichtbehinderung durch den abbiegenden LKW
und ohne vorherige Vergewisserung nach möglichen Nachzüglern in die Kreuzung einfuhr. Dass der LKW zum Zeitpunkt des Anfahrens des Klägers noch die Spur aus der ... in die ... blockierte, ändert
hieran nichts. Denn das Fahrmanöver der Erstbeklagten, ihre Fahrt in Richtung der ... unter Umfahren des noch im Abbiegen befindlichen LKW fortzusetzen, stellt sich zwar als erheblich
sorgfaltswidrig, aber nicht als so atypisch dar, dass der Kläger mit diesem Verhalten nicht zu rechnen brauchte. Das sorgfaltswidrige Verhalten des Klägers, das zu dem Unfall beigetragen hat, ist
bei der Haftungsabwägung unabhängig davon zu berücksichtigen, ob es sich bei der Erstbeklagten um einen „echten Nachzügler“ handelt.
d) Der Verstoß der Erstbeklagten überwiegt aufgrund des besonders gefährlichen und sorglosen Fahrmanövers den auf Klägerseite zu berücksichtigenden Sorgfaltsverstoß, sodass eine
Haftungsverteilung von 1/3 zu 2/3 zulasten der Beklagten angemessen erscheint.
3. Bei der Schadensberechnung ist das nach Inanspruchnahme der Kaskoversicherung durch den Kläger aus § 86 Abs. 1 VVG resultierende Quotenvorrecht zu berücksichtigen und
demzufolge zwischen quotenbevorrechtigten und nicht quotenbevorrechtigten Schadenspositionen zu unterscheiden. Danach kann der Kläger verlangen:
- Selbstbeteiligung:
300,00 €
- Wertminderung: 100,00 €
- SV-Kosten:
1.815,21 €
- Nutzungsausfall (2/3 aus 2.054,- € =) 1.369,20 €
- Auslagenpauschale (2/3 aus 25,- € =) 16,67 €
3.601,08
€
4. Die Inanspruchnahme des Kaskoversicherers nach Rechtshängigkeit und der damit einhergehende Forderungsübergang (§ 86 VVG) führt nicht zur (Teil-)Erledigung des Rechtsstreits (vgl.
Thüringer Oberlandesgericht, Urteil vom 10. November 2016 - 4 U 211/16, juris; OLG Frankfurt, Urteil vom 28. Oktober 2014 - 22 U 150/13, Rn. 6, juris). Nach § 265 Abs. 2 ZPO bleibt der
Kläger aktivlegitimiert und muss der nach Klageerhebung eingetretenen Rechtsnachfolge – wie geschehen – allein dadurch Rechnung tragen, dass er seinen Antrag auf Zahlung an den Rechtsnachfolger
umstellt (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 9. November 2022 - 11 U 38/22, Rn. 5, juris).
Bei einem Gesamtschaden von 19.547,68 € (15.553,47 € Reparaturkosten + 100,- Wertminderung + 1.815,21 € SV-Kosten + 2.054,- € Nutzungsausfall + 25,- € Auslagenpauschale) ergibt sich ein
Haftungsanteil der Beklagten von 13.030,48 €. Unter Berücksichtigung der dem Kläger weiterhin zustehenden Ansprüche belaufen sich die auf den Kaskoversicherer übergegangenen Ansprüche auf
(13.030,48 € - 3.601,08 € =) 9.429,40 €. Dieser Betrag liegt über dem vom Landgericht zuerkannten Betrag, sodass die Berufung der Beklagten insoweit erfolglos bleibt.
5. Der Kläger kann ferner nach § 249 Abs. 2 Satz 1 BGB Ersatz der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten verlangen, die aus dem Wert der berechtigten Forderung zu ermitteln
sind (vgl. Senat, Urteil vom 20. Oktober 2023 - 3 U 49/23, Rn. 23, juris mwN). Der Anspruch beträgt 1.134,55 € (1,3 Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG + Auslagenpauschale nach
Nr. 7002 VV-RVG + Umsatzsteuer nach Nr. 7008 VV-RVG).
6. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 280 Abs. 1 u. 2, 286 ff. BGB.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 4 ZPO. Die Entscheidung über die Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Die Revision
war nicht zuzulassen, da die Sache keine grundsätzliche Bedeutung hat und keine Veranlassung gibt, eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts sowie zur Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung herbeizuführen (§ 543 Abs. 2 ZPO).