Haushaltsführungsschaden: Nicht bei Ausfall als Hilfe im
Haushalt eines unterstützungsbedürftigen Dritten
Schleswig-Holsteinisches OLG,
Urteil vom 03.04.2018 - 11 U 93/17 -
Kurze Inhaltsangabe:
Zum ersatzfähigen Schadensumfang eines Geschädigten gehört auch sein Haushaltsführungsschaden: Ist der Geschädigte verletzungsbedingt nicht mehr in der Lage, seinen Haushalt selbst zu besorgen,
hat er einen Ersatzanspruch in Geld, soweit ein Ausfall vorliegt. Im vorliegenden Verfahren stützte die Klägerin den von ihr geltend gemachten Haushaltsführungsschaden darauf, dass sie
verletzungsbedingt ihrer 98-jährigen Mutter, die in einer eigenen Wohnung alleine lebe, nicht mehr den Haushalt (wie bisher) hätte führen können.
Während das Landgericht der Klägerin einen Haushaltsführungsschaden in Höhe von € 2.240,00 zusprach, änderte das OLG auf die Berufung der Beklagten das Urteil ab und wies die Klage insoweit
ab.
Der Hauhaltsführungsschaden, so das OLG, habe seine Rechtsgrundlage in § 843 Abs. 1 BGB. Danach wäre dem Verletzten Schadensersatz durch Zahlung einer Geldrente zu leisten, wenn infolge einer
Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert würde oder eine Vermehrung der Bedürfnisse eintrete. Soweit der verletzte einen eigenen Haushalt führe
(was auch beim mitführen des Haushalts gilt), seien seine Bedürfnisse vermehrt, da er eine Haushaltshilfe benötige, ohne dass es darauf ankäme, ob er diese in Anspruch nähme oder nicht. Wird die
Unterhaltsleistung gegenüber der Familie eingeschränkt, sei die Erwerbstätigkeit gemindert; derjenige Ehegatte, der in der Ehe den Haushalt führe, erbringe seinen nach § 1360 BGB geschuldeten
Beitrag zum Familienunterhalt durch Einbringung und Verwertung seiner Arbeitskraft . Daraus folge, dass im Falle eines Unvermögens durch Verletzung seiner Person er einen eigenen, wirtschaftlich
messbaren Schaden erleide, der vom Schädiger zu ersetzen sei.
Würde kein wirtschaftlich messbarer Schaden entstehen, also das Vermögen nicht gemindert, könne Schadensersatz nicht begehrt werden. Nach § 253 Abs. 1 BGB könne nur für einen Schaden, der nicht
Vermögensschaden sei, Entschädigung in Geld nur für die durch Gesetz bestimmten Fälle gefordert werden. Eine gesetzliche Regelung, Nachteile zu entschädigen, die dadurch entstehen würden, dass
einer sittlichen Verpflichtung nicht nachgekommen werden könne, fehle. Zwar seien sittliche Verpflichtungen, wie § 814 BGB zeige, nicht irrelevant. Doch bedürfe es für eine Erweiterung im
Deliktsrecht einer hier fehlenden gesetzlichen Regelung, weshalb eine analoge Anwendung nicht möglich sei. Der Umstand, dass es für den Verletzten belastend sein könne, wenn er seine
pflegebedürftige Eltern nicht unterstützen könne, wäre im Rahmen der Schmerzensgeldbemessung zu berücksichtigen.
Voraussetzung für den Ersatz des Haushaltsführungsschadens sei damit, dass eine vertragliche oder gesetzliche Pflicht zur Haushaltsführung bestand. Soweit nach § 1601 BGB Verwandte in gerader
Linie zum Unterhalt verpflichtet seien, lägen hier die Voraussetzungen nicht vor. Auch wenn von dem Unterhaltspflichtigen vom Berechtigten nach § 1612 Abs. 1 S. 2 BGB verlangt werden könne, wenn
besondere Gründe dies rechtfertigen, statt nach § 1612 Abs. 1 S. 1 statt einer Geldrente Naturalunterhalt zu erhalten(bejaht für die Unterhaltspflicht der Eltern gegenüber dem volljährigen
Kind), würde dies immer die Unterhaltsbedürftigkeit voraussetzen. Dass die 98—jährige Mutter bei der Haushaltsführung Hilfe benötige, sei naheliegend. Es läge zwar damit ein Unterhaltsbedarf vor;
unterhaltsberechtigt sei aber nur derjenige, der außerstande sei, mit Einsatz eigenen Einkommens und Vermögens den eigenen Bedarf zu decken. Bei Pflegebedürftigkeit seien die Leistungen aus der
Pflegeversicherung zu berücksichtigen. Weiterhin hier das eigene Vermögen der Mutter. Dass die Mutter den hier vom Landgericht zugesprochenen Betrag von € 2.240,00 nicht selbst hätte aufbringen
können, sei von der Klägerin nicht vorgetragen worden. Zumal, worauf das OLG ergänzend verweist, die Klägerin nur eine Rente von € 855,91 bezog und von dieser Betrag den Selbstbehalt im Rahmen
des Elternunterhalts bei weitem unterschreite. Außerdem würde sie nicht alleine für den Unterhaltsbedarf der Mutter einzustehen habe, sondern zusammen mit ihren Schwestern, die nach ihren Angaben
während ihres Ausfalls neben dem Pflegedienst tätig geworden seien.
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten
wird das Urteil der Einzelrichterin der 13. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 28.06.2017 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagte zu 1. wird
verurteilt, an die Klägerin ein Schmerzensgeld in Höhe von 7.500,00 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.03.2015 zu zahlen.
2. Es wird festgestellt,
dass die Beklagte zu 1. der Klägerin alle materiellen und immateriellen Schäden aus dem Unfallereignis vom 14.02.2012 zu ersetzen hat, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen
sind;
3. Die Beklagte zu 1. wird
verurteilt, an die Klägerin weitere 2.880,39 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 22.03.2015 zu zahlen;
4. Die Beklagte zu 1. wird
verurteilt, an die Klägerin vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.150,49 € zu erstatten.
Im Übrigen wird die Klage
abgewiesen.
Die Parteien tragen die Kosten
des ersten Rechtszugs wie folgt:
Von den Gerichtskosten sowie den
außergerichtlichen Kosten der Klägerin trägt die Beklagte zu 1. 31 %. Die Klägerin trägt die Gerichtskosten zu 69 %, die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1. zu 39 % und die
außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2. voll.
Die Kosten des
Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
Der Wert des Berufungsverfahrens
beträgt 2.240,00 €.
Gründe
I.
Die Parteien streiten im
Berufungsverfahren darum, ob die Klägerin von der Beklagten zu 1 wegen der Verletzung von Streupflichten Ersatz für Haushaltsführungsschäden verlangen kann. Die Klägerin hat unter anderem einen
Haushaltsführungsschaden darauf gestützt, dass sie wegen ihrer Verletzung ihrer zum Unfallzeitpunkt 98 Jahre alten Mutter, die allein in einer eigenen Wohnung lebte, den Haushalt nicht mehr habe
führen können. Das Landgericht hat der Klägerin deswegen einen Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.240,00 € gegen die Beklagte zu 1 zugesprochen.
Von der weiteren Darstellung der
tatsächlichen Feststellungen wird nach §§ 540 Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO abgesehen. Ein Rechtsmittel gegen das Urteil ist unzweifelhaft nicht gegeben (§ 26 Nr. 8
EGZPO).
II.
Die auf einen Teil des
landgerichtlichen Urteils beschränkte Berufung der Beklagten zu 1 hat in diesem Umfang Erfolg.
1. Die Klägerin hat gegen die
Beklagte keinen Schadensersatzanspruch in Höhe von 2.240,00 € aus § 823 Abs. 1 BGB wegen unfallbedingter Einschränkungen bei der Haushaltsführung für ihre Mutter. Hierfür fehlt es an
einer Anspruchsgrundlage.
1.1. Gesetzliche Grundlage des
Anspruchs auf Ersatz eines Haushaltsführungsschadens ist § 843 Abs. 1 BGB. Danach ist dem Verletzten Schadensersatz durch Entrichtung einer Geldrente zu leisten, wenn infolge einer
Verletzung des Körpers oder der Gesundheit die Erwerbsfähigkeit aufgehoben oder gemindert wird oder eine Vermehrung der Bedürfnisse eintritt. Soweit der Verletzte den eigenen Haushalt führt, sind
seine Bedürfnisse vermehrt, weil eine Haushaltshilfe benötigt wird (vgl. BGH NJW-RR 1990, 34 Juris Rn. 8), unabhängig davon, ob diese tatsächlich in Anspruch genommen wird oder nicht. Wenn die
Unterhaltsleistung gegenüber Familienangehörigen eingeschränkt ist, ist die Erwerbsfähigkeit gemindert (vgl. Palandt/Sprau, 77. Aufl., § 843 BGB Rn. 8). Derjenige Ehegatte, der in der Ehe
den Haushalt führt, bringt seinen nach § 1360 BGB geschuldeten Beitrag zum Familienunterhalt durch Einbringung und Verwertung seiner Arbeitskraft. Daraus folgt, dass er im Falle der
Verletzung seiner Person und einem sich daraus ergebende Unvermögen zur Erfüllung der Haushaltsführungspflicht einen eigenen, wirtschaftlich messbaren Schaden erleidet, den der Schädiger zu
ersetzen verpflichtet ist (vgl. OLG Düsseldorf NJW-RR 2006, 1553-1537, Juris Rn. 16).
Kein Schadensersatz kann dagegen
verlangt werden, wenn kein wirtschaftlich messbarer Schaden entsteht, das Vermögen also nicht gemindert wird. Denn gemäß § 253 Abs. 1 BGB kann wegen eines Schadens, der nicht
Vermögensschaden ist, Entschädigung in Geld nur in den durch das Gesetz bestimmten Fällen gefordert werden. Eine gesetzliche Bestimmung, die für Nachteile entschädigt, die dadurch entstehen, dass
jemand im Falle einer Verletzung des Körpers einer sittlichen Verpflichtung nicht nachkommen kann, fehlt. Sittliche Verpflichtungen werden zwar gesetzlich nicht als irrelevant angesehen, sie sind
aber beispielsweise in § 814 BGB berücksichtigt und können damit Rechtswirkungen entfalten. Eine Erweiterung von Ersatzpflichten im Bereich des Deliktsrechts bedarf allerdings einer
entsprechenden gesetzlichen Regelung (vgl. OLG Düsseldorf, am angegebenen Ort, Juris Rn. 21). Die analoge Anwendung des § 843 Abs. 1 BGB auf diesen Fall ist deshalb nicht möglich. Zudem
können derartige Beeinträchtigungen im Rahmen des Schmerzensgeldes berücksichtigt werden. Dass es für Verletzte sehr belastend sein kann, wenn sie die eigenen pflegebedürftigen Eltern nicht durch
Hilfe im Haushalt und Alltag unterstützen können, liegt auf der Hand.
1.2. Voraussetzung für den
Ersatz des Haushaltsführungsschadens ist damit, dass eine vertragliche oder gesetzliche Pflicht zur Haushaltsführung vorlag. Daran fehlt es hier. Eine vertragliche Verpflichtung wird nicht
behauptet. Eine gesetzliche Verpflichtung kam nach § 1601 BGB infrage, bestand im Ergebnis aber ebenfalls nicht. Nach dieser Vorschrift sind Verwandte in gerader Linie verpflichtet, einander
Unterhalt zu gewähren. Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Elternunterhalt liegen nicht vor.
Dahinstehen kann dabei, ob
überhaupt ein Anspruch auf Unterhaltsleistung in Form der Haushaltsführung bestehen konnte. Gemäß § 1612 Abs. 1 Satz 1 BGB ist der Unterhalt nämlich grundsätzlich durch Leistung
einer Geldrente zu gewähren und nicht durch Haushaltsführung. Allerdings kann gemäß § 1612 Abs. 1 Satz 2 BGB der Verpflichtete auch verlangen, dass Naturalunterhalt geleistet wird,
wenn besondere Gründe dies rechtfertigen. Für die Unterhaltsverpflichtung gegenüber einem volljährigen Kind ist dies bejaht worden, hier können die Eltern auch zum Naturalunterhalt verpflichtet
sein, bei Ausfall der Fähigkeit zu Leistung dieses Unterhalts also auch Ersatz verlangen (vgl. BGH Versicherungsrecht 2006, 1081, Juris Rn. 19).
Die Frage der Unterhaltsart kann
aber letztlich offen bleiben, denn die gesetzlichen Voraussetzungen der Unterhaltspflicht, nämlich Unterhaltsbedürftigkeit der Berechtigten und Leistungsfähigkeit der Verpflichteten, fehlen. Der
Unterhaltsbedarf der 98 Jahre alten Mutter bestand. Dass sie bei der Bewältigung ihres Haushalts Hilfe benötigte, ist ganz naheliegend. Nicht ersichtlich ist aber, dass die Mutter
unterhaltsbedürftig war. Nach § 1602 Abs. 1 BGB ist unterhaltsberechtigt nur, wer außerstande ist, sich selbst zu unterhalten. Das setzt voraus, dass die Mutter unter Einsatz ihres
Einkommens und Vermögens nicht in der Lage war, ihren Bedarf zu decken. Soweit sie pflegebedürftig war, waren dabei auch Leistungen der Pflegeversicherung zu berücksichtigen. Ebenso war
vorhandenes Vermögen zur Deckung des eigenen Unterhaltsbedarfs einzusetzen. Dieser Bedarf bestand nach dem landgerichtlichen Urteil nur in Höhe von 2.240,00 €. Dass die Mutter diesen Betrag nicht
aufbringen konnte, ist nicht zu erkennen. Zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen ihrer Mutter trägt die Klägerin nichts vor. Es ist deshalb möglich, dass sich die Mutter der Klägerin auch
eine Haushaltshilfe für die geltend gemachten 4 Stunden täglich leisten konnte, ggfs. unter Inanspruchnahme der Pflegeversicherung.
Auch die weiteren
Anspruchsvoraussetzungen fehlen: Die Klägerin war zur Leistung des Unterhalts nicht in der Lage, sie war leistungsunfähig. § 1603 Abs. 1 BGB bestimmt, dass unterhaltspflichtig nicht
ist, wer bei Berücksichtigung seiner sonstigen Verpflichtungen außerstande ist, ohne Gefährdung eines angemessenen Unterhalts den Unterhalt zu gewähren. Nach ihrem eigenen Vorbringen bezog die
Klägerin nur eine Rente von 855,91 €. Dieser Betrag unterschreitet den Selbstbehalt im Rahmen des Elternunterhalts weit. Dieser beträgt nach den unterhaltsrechtlichen Leitlinien des
Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts 1.800,00 € (21.3.3 der Leitlinien).
Die Klage ist auch deshalb
unbegründet, weil die Klägerin für einen möglichen Elternunterhalt nicht allein haftet. § 1606 Abs. 3 BGB bestimmt, dass mehrere gleich nahe Verwandte, also die Geschwister der
Klägerin, anteilig nach ihren Erwerbs- und Vermögensverhältnissen haften. Zur Leistungsfähigkeit ihrer Geschwister wird nicht vorgetragen. Die Klägerin behauptet lediglich pauschal, dass diese
weder zu Natural- noch zu Barunterhalt in der Lage gewesen seien. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin in ihrer persönlichen Anhörung vor dem Landgericht haben aber tatsächlich ihre
Schwestern die erforderlichen Tätigkeiten übernommen, solange die Klägerin ausgefallen war. Damit waren diese offenkundig leistungsfähig. Darüber hinaus sei ein Pflegedienst gekommen, so dass
auch soweit die Unterhaltsbedürftigkeit entfiel.
2. Die Kostenentscheidung folgt
aus §§ 92 Abs. 1, 100 Abs. 2, 97 ZPO. Dabei war zu berücksichtigen, dass die Klägerin erstinstanzlich die Verurteilung beider Beklagter als Gesamtschuldner beantragt hat, so dass
sich ihr Unterliegensanteil hinsichtlich der Gerichtskosten erhöhte. Die Vollstreckbarkeitsentscheidung ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO. Der Streitwert errechnet sich wie
folgt: Verurteilung zur Zahlung von 5.120,39 € abzüglich 2.880,39 € = 2.240,00 €.