Baustellenschild: Verkehrssicherungspflicht und Umsturz bei
Sturm
LG Köln, Urteil vom 11.02.2022 -
5 O 313/19 -
Kurze Inhaltsangabe:
Gegenstand der Klage war ein Schaden an dem ordnungsgemäß in einer Parktasche geparkten Fahrzeug des Klägers. In diesem Bereich hatte die Fa. TC Wochen zuvor Arbeiten auf der Straße durchgeführt
und hatte in diesem Rahmen Verkehrsschilder aufgestellt und nach Beendigung der Arbeiten (dies lag zeitlich nach dem Schadensfall) wieder entfernt. Am Schadenstag soll in Köln (dem Schadensort)
ein Sturm mit der Windstärke 10 geherrscht haben. Dabei soll ein von der Fa. TC aufgestelltes Baustellenschild (Zeichen 123), welches noch nicht entfernt worden sei, wegen ungenügender Sicherung
auf das Fahrzeug gefallen sein und den Schaden verursacht haben. Der Kläger verklagte die für die Erneuerung der Straße zuständige Behörde.
Ein Schadensersatzanspruch wurde vom Landgericht negiert. Insbesondere auch ein solcher aus § 839 BGB iVm. Art. 34 GG. Voraussetzung wäre eine Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht, die
nicht habe festgestellt werden können.
Vom Landgericht wurde ein Sachverständigengutachten eingeholt. Nach dessen Gutachten müssten Verkehrszeichen eine festgesetzte Windlast aufnehmen, ohne umzufallen; nur wenn diese Windlast
überschritten würde, dürften sie umfallen. Nach den Zusätzliche Technische Vertragsbedingungen und Richtlinien für Sicherungsarbeiten an Arbeitsstellen an Straßen (ZTV-SA) zu 6.2.4 sei innerorts
eine Windlast von 0,25 kN/Quadratmeter vorgeschrieben, die Schilder dem Winddruck standhalten müssten ohne umzufallen. Das streitbefangene Schild habe eine Fläche von 0,35 m² und sei etwa 2,00 m
hoch. Die Windlast wirke anteilig auf die das Schild ein und werde durch die Hebelwirkung des Schaftrohres verstärkt. Daraus ergäbe sich bei einer angenommenen Windlast von 0,25 kN/Quadratmeter
ein Kippmoment von rund 200 kNm. In den ZTV-SA für die Ausstellvorrichtungen der Verkehrszeichen seinen Standsicherheitsklassen K1 - K9 festgelegt, die nach der Schilderfläche und der Höhe über
der Abstellfläche bestimmt würden. In den TL-Aufstellvorrichtungen 97 seien der Standsicherheit und den verschiedenen Sicherheitsklassen die entsprechenden Prüfkräfte zugewiesen, die in Höhe von
1,00 m auf die Aufstellvorrichtungen aufzubringen seien. Da es sich hier um ein dreieckiges Schild handele, welches eine Aufstellhöhe von mehr als 1,50 m habe, seien danach zwei Fußplatten als
Sicherung vorgesehen. Bei einer Windgeschwindigkeit von 32,7 m/s (dabei handele es sich um die mittlere Windgeschwindigkeit der Windstärke 12) wirke ein Drehmoment von 508,5 Nm. Das Schild kippe
dann trotz ordnungsgemäßer Sicherung um. Das Schild wäre nur bis zu einer Windstärke von 8 nicht umgefallen. Damit käme es hier nicht auf die tatsächliche Windstärke an, da insoweit der Aufbau
des Schildes ordnungsgemäß gewesen sei.
Weiterhin habe der Sachverständige aus den Lichtbildern die Ausrichtung des Schildes geprüft. Die Längsseiten der Fußplatten hätten im 90° -Winkel zum angebrachten Verkehrszeichen gestanden,
weshalb auch die Ausrichtung korrekt gewesen sei.
Aus einer veränderten Stellung bzw. Aufstellung würden sich nach Angaben des Sachverständigen nur eine marginal veränderte Windwirkung auf das Schild ableiten lassen. Nach dem Schadensbild am
Fahrzeug sei zu schließen, dass der Fuß des Schildes weitestgehend parallel zur Fahrbahn bzw. Der Bordsteinkante aufgestellt gewesen sei. Eine Neigung der Parkfläche zur Fahrbahn hin ziehe eine
Neigung des Schildes im oberen Bereich zur Fahrbahn hin nach sich, weshalb die abschüssige Aufstellfläche eher begünstige, dass das Schild keinen Kontakt mit dem Fahrzeug habe. Zudem wäre das
Schild auch auf ebender Fläche aufgrund der hier vorgegebenen Windgeschwindigkeit umgekippt.
Aus den Gründen:
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits einschließlich der Kosten der Nebenintervention.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung durch die Beklagte beziehungsweise ihrer Streithelferin gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des auf
Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Beklagte beziehungsweise ihre Streithelferin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden
Betrages leistet.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten Schadensersatz wegen der behaupteten Beschädigung seines Fahrzeuges durch ein umgefallenes Verkehrsschild.
Am Sonntag, dem 10.03.2019, parkte das Fahrzeug mit dem amtlichen Kennzeichen X-XX 0000 vor dem Wohnhaus des Klägers in einer Parktasche. Etwa an dieser Stelle hatte die Firma TC GmbH, der der
Streit verkündet worden ist, zwischen dem 07.02. und 13.02.2019 in den Wochen zuvor Arbeiten auf der Fahrbahn der Mstraße durchführen lassen. Im Zuge dieser Maßnahme plante dieses Unternehmen
selbst das Aufstellen von Verkehrsschildern, veranlasste die Aufstellung und deren Entfernung.
Am 10.03.2019 herrschte in Köln ein Sturm mit der Windstärke 11.
Mit anwaltlichem Schreiben vom 16.05.2019 wurde die Beklagte erfolglos unter Fristsetzung zum 29.05.2019 zur Begleichung des Schadenbetrages aufgefordert. Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom
24.05.2019 eine Regulierung ab.
Der Kläger behauptet, Halter und Eigentümer des PKW mit dem amtlichen Kennzeichen X-XXX 0000 zu sein.
Am 10.03.2019 sei dieses Fahrzeug durch ein umgefallenes Baustellenschild (Zeichen 123) beschädigt worden. Dieses Schild sei nach Abschluss der Bauarbeiten und völliger Wiederherstellung an der
Fahrbahn verblieben.
Der Kläger behauptet, dieses Schild sei mit Beginn der durch die Beklagte veranlassten Bauarbeiten auf der Mstraße , Höhe Grünanlage N, vor dem durch den Kläger bewohnten Haus aufgestellt worden.
Er ist der Auffassung, die Streitverkündete habe als Verwaltungshelferin gehandelt. Sie sei von der Beklagten beauftragt worden, an der Unfallstelle Bauarbeiten vorzunehmen und entsprechende
Verkehrsschilder aufzustellen.
Das Schild sei erst auf Veranlassung des Zeugen D, Mitarbeiter des Rechts- und Versicherungsamtes der Beklagten, nach dem Unfall entfernt worden. Das Vergessen des Schildes stelle einen
eklatanten Verstoß gegen die Verkehrssicherungspflichten dar.
Bereits die Art der Beschädigung und die Form der Farbspur auf dem klägerischen Fahrzeug, ein bogenförmiger Kreisausschnitt, zeigten, dass die Beschädigung durch das umgefallene Schild entstanden
sei. Die Spur beschreibe einen Bogen, der mit der Höhe des Verkehrsschildes korrespondiere. Auch die Farbe der Beschädigungsspur (weiß) lasse auf das Schild schließen, da das Zeichen um das rote
Dreieck herum noch einen weißen Streifen habe.
An der Fahrerseite des PKW des Klägers sei eine tiefe Schramme ausgehend vom Dach über das Seitenfenster bis unten an das Fahrzeug entstanden. Es sei ein Schaden in Höhe von 3.398,38 EUR
entstanden (Reparaturkosten von 2.260,36 EUR und Gutachterkosten von 638,55 EUR). Zuzüglich stehe dem Kläger eine Kostenpauschale in Höhe von 25,00 EUR zu.
Das Schild sei nicht ordnungsgemäß gesichert gewesen. Es sei kein Fußplattenträger zur Fixierung der Fußplatten benutzt worden. Es seien lediglich zwei Fußplatten lose übereinander gestapelt
worden, durch welche dann das Schaftrohr, an dem das Verkehrsschild befestigt gewesen sei, durchgeführt worden sei.
Der Kläger beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 3.398,38 EUR nebst Verzugszinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 30.05.2019 sowie außergerichtliche
Rechtsanwaltskosten in Höhe von 413,64 EUR zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Streithelferin schließt sich dem Antrag der Beklagten an.
Die Beklagte meint, die vom Kläger beschriebene Lage des Schildes spreche gegen die Verursachung, denn das Schild habe offenbar vor dem Fahrzeug unmittelbar am Straßenrand gestanden und sei auf
die Straße geschleudert worden. Genauso gut hätte das Fahrzeug auch durch andere umherwehende Gegenstände beschädigt werden können.
Die Beklagte behauptet, die Streitverkündete habe nach Abschluss der Arbeiten sämtliche Schilder beseitigt.
Der Kläger müsse sich zudem an die Streitverkündete, die Firma TC GmbH halten.
Die Befestigung des Schildes mit zwei Fußplatten sei üblich und nicht zu beanstanden. Aus der ZTV-SA (Anlage B1) gehe hervor, dass das dreieckige Schild in der Standsicherheitsklasse K2
einzustufen sei. Dieses könne entweder durch zwei aufeinanderliegende oder zwei parallelliegende Fußplatten gesichert werden.
Bei der letzten Straßenbegehung am 07.02.2019 um 12:16 Uhr und 12:19 Uhr hätten sich an der streitgegenständlichen Stelle keinerlei Auffälligkeiten ergeben.
Den Kläger treffe ein Mitverschulden, weil er zu nah am Verkehrsschild geparkt habe und sich die Wetterlage vor dem Schadensereignis angekündigt habe.
Die Streitverkündete behauptet, alle aufgestellten Verkehrsschilder ordnungsgemäß aufgestellt und sämtlich ordnungsgemäß nach Abschluss der Arbeiten wieder entfernt zu haben. Die Streitverkündete
habe zum streitgegenständlichen Zeitpunkt des Unfalls über insgesamt acht Verkehrsschilder mit dem streitgegenständlichen Baustellensymbol verfügt. Der Geschäftsführer der Streitverkündeten habe
diese zum Zwecke der Identifikation auf der Rückseite mit einem auf die Firma der Streitverkündeten hindeutenden Aufkleber mit der Aufschrift "TC GmbH" versehen. Der Geschäftsführer der
Streitverkündeten habe seinen Bestand an Verkehrsschildern nach Abschluss der Arbeiten überprüft und hierbei keinerlei Fehlbestand festgestellt.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Vernehmung der Zeugen I und L sowie die Einholung eines Sachverständigengutachtens. Bezüglich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die schriftlichen
Bekundungen der Zeugen (Bl. 188 ff. d.A.) sowie auf das schriftliche Gutachten des Sachverständigen Dipl.-Ing. T1 vom 12.02.2021 (Bl. 263 ff. d.A.), das Ergänzungsgutachten vom 27.07.2021 (Bl.
344 ff. d.A.) und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 21.01.2022 verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist nicht begründet. Dem Kläger steht unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt, insbesondere nicht aus § 839 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 34 GG, ein Anspruch auf Schadensersatz
zu. Der Kläger hat nicht nachgewiesen, dass die Beklagte schuldhaft eine ihr obliegende Verkehrssicherungspflicht verletzt hat.
Der Kläger hat durch Vorlage der Rechnung über das beschädigte Fahrzeug (Anlage K5) zwar seine Aktivlegitimation nachgewiesen. Ein Anspruch scheitert aber jedenfalls daran, dass das Gericht eine
Verletzung einer Verkehrssicherungspflicht nicht feststellen konnte. Der Sachverständige Dipl.-Ing. T1 hat ausgeführt, Verkehrszeichen müssten eine festgesetzte Windlast aufnehmen, bevor sie
umfallen dürften. Gemäß ZTV-SA, 6.2.4 seien für den Innerortsbereich 0,25 kN/Quadratmeter vorgeschrieben. Das streitgegenständliche Schild habe eine Fläche von 0,35 m² und sei etwa 2,00 m hoch.
Die Windlast wirke anteilig auf das Schild ein und werde durch die Hebelwirkung des Schaftrohres verstärkt. Folglich ergebe sich bei einer angenommenen Windlast von 0,25 kN/Quadratmeter ein
Kippmoment von gerundet 200 kNm. In den ZTV-SA für die Ausstellvorrichtungen der Verkehrszeichen seien sogenannte Standsicherheitsklassen K1-K9 festgelegt. Diese würden aufgrund der
Schilderfläche und der Höhe über der Aufstellfläche bestimmt. In den TL-Aufstellvorrichtungen 97 seien der Standsicherheit und den verschiedenen Sicherheitsklassen die entsprechenden Prüfkräfte
zugewiesen, die in Höhe von 1,00 m auf die Aufstellvorrichtungen aufzubringen seien. Da es sich bei dem streitgegenständlichen Schild um ein Dreieck handele, welches auch eine Aufstellhöhe von
mehr als 1,50 m habe, seien demnach zwei Fußplatten vorgesehen. Unstreitig war das streitgegenständliche Schild mit zwei Fußplatten gesichert. Wenn aber die Windgeschwindigkeit 32,7 m/s betrage -
dies beschreibe die mittlere Windgeschwindigkeit der Windstärke 12 - wirke, so der Sachverständige, ein Drehmoment von 508,5 Nm. Das Schild kippe dann trotz ordnungsgemäßer Sicherung um. Das
Schild wäre den technischen Normen entsprechend nur bis zur Windstärke 8 nicht umgefallen. Auf die tatsächliche Windstärke am Schadenstag komme es daher nicht an.
Auch hat der Sachverständige aus den Lichtbildern die Schlussfolgerung gezogen, dass die Ausrichtung des Schildes korrekt war, weil die Längsseiten der Fußplatten im 90° Winkel zum angebrachten
Verkehrszeichen gestanden hätten.
Der Sachverständige hat des Weiteren erläutert, dass aus einer veränderten Stellung beziehungsweise Aufstellung sich nur eine marginal veränderte Windwirkung auf das Schild ableiten lasse. Aus
dem Schadensbild am Fahrzeug schließt der Sachverständige, dass der Fuß des aufgestellten Schildes weitestgehend parallel zur Fahrbahn beziehungsweise der Bordsteinkante aufgestellt gewesen sei.
Ansonsten wäre ein Kontakt der unteren rechten Kante des Schildes mit dem Fahrzeug in Höhe der B-Säule nicht möglich gewesen. Eine Neigung der Parkfläche zur Fahrbahn hin ziehe eine Neigung des
Schildes im oberen Bereich ebenfalls zur Fahrbahn hin nach sich. Die abschüssige Aufstellfläche begünstige eher, dass das Schild keinen Kontakt mit dem Fahrzeug habe. Im Übrigen wäre das Schild,
wie bereits ausgeführt, aufgrund der Windgeschwindigkeit auch auf einer ebenen Fläche umgekippt.
Das Gericht schließt sich diesen nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Ausführungen des Sachverständigen nach eigener kritischer Würdigung umfänglich an. Der Sachverständige hat die
technischen Normen erläutert und nach eigenen Berechnungen ermittelt, welche Sicherung für das Schild vorgesehen ist.
Da vorliegend demnach keine Verkehrssicherungspflicht verletzt wurde, kann dahinstehen ob die Beklagte überhaupt passivlegitimiert war, weil die Streitverkündete als ihre Verwaltungshelferin
tätig wurde, und wer das Schild überhaupt aufgestellt hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91 Abs. 1, 101 Abs. 1 1. Hs. ZPO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.