Kurze Inhaltsangabe:
Die Klägerin verlangte von den Beklagten die Räumung und Herausgabe von zwei Räumen in einem Büropark sowie Miete. Im Mietvertrag wurden die angemieteten Räume als Büroräume bezeichnet. In 2020 bis 2023 leistete die Beklagte keine Mietzahlungen; eine Kündigung des „Gewerbemietvertrages“ (so die Angabe im Kündigungsschreiben) erfolgte mit Schreiben vom 07.09.2020 und wurde mit der 2023 erhobenen Klage wiederholt. Die Beklagten wandten ein, die Parteien seien bei Mietvertragsabschluss übereingekommen, dass die Räume zu einer Wohnung ausgebaut werden; sie hätten sich über die Falschbezeichnung als „Geschäftsräume“ im Vertrag keine Gedanken gemacht.
Das Landgericht wies die Parteien auf die von ihm angenommene fehlende sachliche Zuständigkeit hin und wies mangels eines Verweisungsantrages der Klägerin (auf Verweisung an das Amtsgericht, § 23 Nr. 2a GVG) als unzulässig ab. Die dagegen erhobene Berufung führte zur Aufhebung des Urteils und Rückverweisung an das Landgericht, da dieses ausschließlich zuständig sei.
Unabhängig vom Streitwert ist nach § 23 Nr. 2a GVG, § 29a Abs. 1 ZPO das Amtsgericht für alle Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Wohnraummietverhältnis und über Streitigkeiten über das Bestehen eines solchen Rechtsverhältnisses ausschließlich und örtlich zuständig, in dessen Bezirk sich der Wohnraum befindet. Die sachliche Zuständigkeit, so das OLG als Berufungsgericht, beruhe auf dem zweistufigen ortsnahen Instanzenzug, wie er regelmäßig nur durch die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts als Eingangsgericht und des Landgerichts als Rechtsmittelinstanz gewährleistet erscheine (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 04.07.2005 - I-24 W 20/05 -). Damit korrespondiere die örtliche Zuständigkeit nach § 29a Abs. 1 ZPO.
Die Klärung, ob für die Zuständigkeit ein Wohnraum- oder ein Geschäftsraummietverhältnis zugrunde zu legen ist, ist in den Fällen zu klären, in denen der Streitwert des Verfahrens den Wert von € 5.000,00 überschreitet, § 23 Abs. 1 GVG. Dies war vorliegend der Fall. In diesem Fall käme es für die Zuständigkeitsbestimmung auf den schlüssigen Sachvortrag des Klägers, nicht dessen Rechtsauffassung, an, da sich danach der Streitgegenstand bestimme (so die hM, so z.B. KG, Beschluss vom 06.03.2008 - 2 AR 12/08 -). Ein Bestreiten des entsprechenden Sachvortrags durch den Beklagten sei insofern unbeachtlich, da dies ohne Einfluss auf den Streitgegenstand bleibe. Der dem entgegenstehenden Rechtsansicht des OLG Düsseldorf (im Beschluss vom 08.11.2007 - 24 U 117/07 -) schloss sich das OLG ausdrücklich nicht an. Das OLG Düsseldorf sah in der schlüssigen Geltendmachung von Gegenrechte aus einem Wohnraummietverhältnis die Zuständigkeit des Amtsgerichts nach § 23 Nr. 2a GVG als begründet an. Vom OLG wurde im vorliegenden Verfahren (zutreffend) darauf verwiesen, dass dann, wenn die zuständigkeitsbegründenden Tatsachen eine doppelrelevante Tatsache ist, also diese zugleich auch Voraussetzung für die Begründetheit der Klage, das Vorbringen des Klägers über die Zulässigkeit der Klage als wahr zu unterstellen sei (RGZ 29, 371m 373 f; BGH, Urteil vom 25.11.1993 – IX ZR 32/93 -). Diese „Erleichterung für den Kläger“ für den Kläger sei gerechtfertigt, da für den Fall, dass sich das Vorbringen des Beklagten als wahr erweise und die (auch) die zuständigkeitsbegründende Tatsache nicht vorliege, die Klage als unbegründet abzuweisen sei. Letztlich würde so der Kläger nicht gänzlich von seiner Beweislast bezüglich (auch) der zuständigkeitsbegründenden Tatsache befreit, vielmehr beschränke sich sein Vorteil nur darauf, dass er an einem für ihn (Anm.: zumindest nach seiner subjektiven Auffassung) günstigeren Gerichtsstand streiten dürfe. Zudem wäre es auch für den Beklagten von Nachteil, wenn die Klage nur als durch Abweisung wegen Unzulässigkeit als klageabweisendes Prozessurteil statt als klageabweisendes Sachurteil ergehen würde.
Erhebe also der Kläger wie vorliegend eine Räumungsklage vor dem Landgericht mit der Behauptung der wirksamen Kündigung eines Geschäftsraummietvertrages und wendet der Beklagte ein, es bestünde ein nicht (wirksam) gekündigter Wohnraummietvertrag, läge eine doppelrelevante Tatsache vor. Es müsse sowohl zur Zulässigkeit als auch zur Begründetheit geprüft werden, ob ein Wohnraummietverhältnis vorliege.
Vor diesem Hintergrund sei das Vorbringen der Klägerin für die Zuständigkeit als wahr zu unterstellen. Da die Klägerin bestritten hebe, es habe niemals ein Wohnraummietverhältnis vorgelegen, ermangele es an einem Vortrag in Bezug auf ein Wohnraummietverhältnis und ergäbe sich damit auch keine amtsgerichtliche Zuständigkeit nach § 23 Nr. 2a GVG. Der Vortrag der Beklagten könne nur dann zu einer Zuständigkeit des Amtsgerichts für Wohnungsmietsachen führen, wenn die Klägerin dem nicht entgegen getreten wäre (OLG Köln, Urteil vom 12.06.2015 – 1 U 16/14 -), was hier allerdings erfolgt sei.
Das Amtsgericht würde auch nach § 23 Nr. 2a GVG nicht zuständig, da das Bestehen eines Mietverhältnisses (Geschäfts- oder Wohnraum) geprüft werden müsse. Dies würde zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung des Beklagten führen, da dieser dem Kläger durch unrichtige Behauptungen einen bestimmten Gerichtsstand aufzwingen könne. Eines entsprechenden Schutzes bedürfe der Beklagte auch nicht, da die Klage im falschen Gerichtsstand zur Abweisung der Klage als unbegründet führe.
Anmerkung: Auch wenn eine Räumungsklage z.B. Kündigung wegen Zahlungsrückständen erhoben wird, ist es von Bedeutung, ob es sich um einen Geschäftsraum oder um Wohnraum handelt, da z.B. der Gewerberaummieter keinen Rechtsanspruch auf die Einräumung einer Räumungsfrist nach § 771 ZPO hat.
Aus den Gründen:
Tenor
1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 26.06.2023, Az. 18 O 375/23, aufgehoben und die Sache zu erneuter Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, an das Landgericht Frankfurt (Oder) zurückverwiesen.
2. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
3. Der Berufungsstreitwert beträgt 13.391,34 €.
Gründe
I.
Die Klägerin klagt gegen die Beklagten auf Räumung und Herausgabe von zwei Räumen in einem Büropark sowie Zahlung ausstehender Miete für diese.
Mit Vertrag vom 11.01.2017 mieteten die Beklagten von der Klägerin befristet bis zum 31.01.2027 zwei im 2. OG gelegene, als Büroräume bezeichnete Räumlichkeiten im Gebäudes („Adresse 01“). Die Nettokaltmiete betrug zunächst 135,00 € und erhöhte sich nach Ablauf der ersten zwei Vertragsjahre auf 180,00 € netto.
Für die Jahre 2020, 2021, 2022 und 2023 leisteten die Beklagte keine Zahlungen an die Klägerin für die Nutzung der genannten Räumlichkeiten.
Mit Schreiben vom 07.09.2020 erklärte die Klägerin die Kündigung „des .... Gewerbemietvertrages“ wegen Zahlungsverzuges, die sie mit der streitgegenständlichen Klage wiederholt hat.
Die Klägerin hat bereits erstinstanzlich behauptet, die Beklagten hätten die Räume als Gewerberäume angemietet, da sie für ihre Tätigkeit als Bauingenieure ein Büro benötigten. Die Räume seien zu Wohnzwecken nicht geeignet, da sie keine Küche und kein Bad hätten.
Die Beklagten haben sich darauf berufen, die Parteien seien bei Vertragsschluss dahingehend übereingekommen, dass die Mieträume zu einer Wohnung ausgebaut werden sollten; über die Falschbezeichnung als „Geschäftsräume“ hätten sie, die Beklagten, sich keine Gedanken gemacht. Die im Vertrag enthaltene Befristung sei angesichts der vereinbarten Nutzung zu Wohnzwecken unwirksam. Das Vertragsverhältnis sei im übrigen bereits dadurch wirksam beendet worden, dass die Klägerin das Objekt mit Vertrag vom 12.07.2017 an die („Firma 01“) (neu vermietet habe, die die streitgegenständlichen Wohnräume ihnen anschließend untervermietet habe; aufgrund dessen hätten sie weitere Zahlungen stets an die („Firma 01“) und nicht an die Klägerin geleistet.
Das Landgericht, das die Parteien auf seine mutmaßlich fehlende sachliche Zuständigkeit hingewiesen hatte, hat die Klage nach Ausbleiben eines Verweisungsantrags im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO als unzulässig abgewiesen.
Zur Begründung seiner Entscheidung hat es im wesentlichen ausgeführt, die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts nach § 23 Nr. 2a GVG für Wohnraummietsachen hänge nicht von der zufälligen Verteilung der Parteirollen ab bzw. davon, wer zuerst klage. Es reiche aus, dass zwischen den Parteien eine „Streitigkeit“ über den Bestand eines Wohnraummietverhältnisses bestehe. Die Zuständigkeit des Amtsgerichts werde deshalb auch dann begründet, wenn der beklagte Mieter das Bestehen eines Wohnraummietverhältnisses einwende, selbst wenn ein solches vom klagenden Vermieter bestritten werde (OLG Düsseldorf, Hinweisbeschluss vom 08.11.2007 - 24 U 117/07; LG Berlin Beschl. v. 13.2.2020 – 67 O 78/19, BeckRS 2020, 1676, beck-online). Dabei komme es nicht darauf an, ob es sich um ein Haupt- oder Untermietverhältnis handele. Klage der Vermieter unmittelbar gegen den Untermieter, etwa auf Herausgabe nach § 546 Abs. 2 BGB oder auf Nutzungsentschädigung, sei ebenfalls nach § 23 Nr. 2a GVG die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts gegeben, und zwar auch dann, wenn das Hauptmietverhältnis ein gewerbliches sei. So sei es hier. Die Beklagten trügen vor, einen Untermietvertrag für Wohnraum mit der („Firma 01“) geschlossen zu haben. Es handele sich bei den Beklagten auch nicht um juristische Personen, bei denen man von einer gewerblichen Vermietung ausgehen könnte. Zudem habe die Klägerin in ihrer Klageschrift die Adresse der streitgegenständlichen Räume als zustellungsfähige Adresse angegeben, so dass es sich insoweit - es handele sich um natürliche Personen - gemäß § 130 Nr. 1 ZPO um den Wohnort gehandelt haben werde.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung.
Die Klägerin rügt eine Falschanwendung der Vorschriften zur sachlichen Zuständigkeit. Ihrer Meinung nach kommt es allein darauf an, "ob sich die sachliche Zuständigkeit des Gerichtes aus dem zur Begründung des Anspruchs vom Kläger vorgebrachten Tatsachen ergibt." (BGH Urteil vom 09.07.14 - VIII ZR 376/13; BGH Urteil vom 25.11.93 - IX ZR 32/93, BGHZ 124, 237; OLG Karlsruhe OLGR Karlsruhe 2006, 206 KG NJW-RR 2001, 1509). Für die doppelt relevanten Tatsachen sei maßgeblich auf den Klägervortrag abzustellen. Das vom Landgericht zur Begründung seiner Gegenauffassung zitierte Urteil vom 13.02.20 wolle offensichtlich der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes nicht folgen. Darauf komme es allerdings hier nicht an. Ein schlüssiger Vortrag der Beklagten dahingehend, dass ein Wohnraummietvertragsverhältnis begründet wurde, fehle, da kein entsprechender schriftlicher Vertrag vorgelegt und auch kein Zeugenbeweis angeboten worden sei. Das weitere Argument, mit dem das Landgericht seine Entscheidung begrün- det habe, dass unter der Anschrift der Beklagten die Klage zugestellt worden ist, überzeuge ebenfalls nicht. Die Klage gegen die Beklagten als Gewerbemieter habe selbstverständlich in den Gewerberäumen zugestellt werden können, wie hier geschehen. Die Zustellung der Klage sage nichts darüber aus, ob es sich um ein Wohn- oder ein Gewerberaummitverhältnis handele. Maßgeblich sei vielmehr der zwischen den Parteien vereinbarte Vertragszweck, der vorliegend, wie durch Vorlage der Mietvertragsurkunde bewiesen, eine gewerbliche Vermietung belege (feste Vertragslaufzeit, Umsatzsteuerpflicht, ohne Bad und Küche).
Die Klägerin beantragt,
die Beklagten unter Abänderung des Urteils des Landgerichtes Frankfurt/Oder vom 26.06.23, Az.: 18 O 375/23,
1. zu verurteilen, die Gewerbefläche im Büropark („Adresse 01“) 2.Obergeschoss, die in beiliegender Anlage A 1 schraffierten zwei Räume, zu räumen und geräumt an sie herauszugeben,
2. gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an sie 10.049,82 € nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozent punkten über dem Basiszinssatz nach § 247 BGB aus 2.129,70 € seit dem 04.12.20 sowie aus 3.341,52 € seit dem 06.12.21 sowie aus 3.662,88 € seit dem 06.12.22 und aus 915,72 € seit dem 06.03.23 zu zahlen,
und den Rechtsstreit insoweit gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO an das Landgericht Frankfurt (Oder) zurückzuverweisen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie stützt die erstinstanzliche Entscheidung: Da Ansprüche über den Bestand eines Wohnraummietverhältnisses streitig seien, habe das Landgericht zurecht seine sachliche Unzuständigkeit angenommen. Für die Frage, ob ein Wohnraummietverhältnis vorliege, komme es nach der Rechtsprechung nicht nur auf den Tatsachenvortrag des Klägers, sondern ebenso auf ein erhebliches Gegenvorbringen an, denn die Beurteilung der Frage der sachlichen Zuständigkeit des Amtsgerichts für Wohnraummietsachen könne nicht von der zufälligen Verteilung der Parteirollen abhängen, nämlich davon, wer zuerst klage (OLG Düsseldorf, LG Berlin aaO): Dementsprechend sei die Zuständigkeit des Amtsgerichts auch dann begründet, wenn der beklagte Mieter das Bestehen eines Wohnraummietverhältnisses einwende, selbst wenn ein solches vom klagenden Vermieter bestritten werde. Unerheblich sei insofern auch, ob es sich um ein Haupt- oder Untermietverhältnis handele. Hinzu komme, dass die Beklagte überhaupt keiner gewerblichen Tätigkeit nachgegangen sei und der Beklagte zu 2 seiner gewerblichen Tätigkeit als Architekt ausschließlich in anderen als den streitgegenständlichen Räumen ausgeübt habe. Unter Berücksichtigung der Einzelfallumstände lasse sich jedenfalls kein Schwerpunkt der gewerblichen Nutzung feststellen, so dass auch mit dem BGH die Vorschriften über Wohnraummietverhältnisse gern. §§ 549 ff. BGB aufgrund der Schutzbedürftigkeit von Wohnraummietern anzuwenden seien, weil ansonsten die zum Schutz des Wohnraummieters bestehenden zwingenden Sonderregelungen, insbesondere die eingeschränkten Kündigungsmöglichkeiten des Vermieters (§§ 573, 543, 569 BGB) und die ausschließliche sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts, unterlaufen werden würden (BGH Urt. v. 09.07.2014 - VIII ZR 376/13; LG Köln, Urt. v. 08.12.2020-14 O 191/20). Demgegenüber könne die Klägerin nicht mit Erfolg mit ihrer Rechtsauffassung unter Berufung auf das BGH-Urteil vom 09.07.14 - VIII ZR 376/13 durchdringen, wonach es ,,allein darauf ankomme, ob sich die sachliche Zuständigkeit des Gerichtes aus dem zur Begründung des Anspruchs vom Kläger vorgebrachten Tatsachen " ergäbe. Diese durch den BGH geäußerte Rechtsauffassung dürfte nicht nur unglücklich und im Widerspruch zu seinen sonstigen Entscheidungsgründen gewählt, sondern durch die Rechtsprechung der Instanzgerichte mit durchgreifenden rechtsdogmatischen Erwägungen auch widerlegt worden und damit überholt sein. So habe sich das LG Berlin - Az.: 67 O 78/19 - mit Beschluss vom 13.02.2020 in einem dem vorliegenden Rechtsstreit vergleichbaren Fall mit dogmatisch überzeugender Begründung (u.H.a auf das Genügen eines Streits über das Vorliegen eines Wohnraummietverhältnisses) für sachlich unzuständig erklärt.
II.
Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.
1. Das Landgericht ist für den vorliegenden Rechtsstreit erstinstanzlich ausschließlich zuständig.
Gemäß § 23 Nr. 2a GVG, § 29a I ZPO ist das Amtsgericht ohne Rücksicht auf den Streitwert (nur) für alle Streitigkeiten über Ansprüche aus einem Wohnraummietverhältnis oder über das Bestehen eines solchen Rechtsverhältnisses ausschließlich sachlich und örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Wohnraum gelegen ist. Die vorgeschriebene sachliche Zuständigkeit in Wohnraummietsachen (§ 23 Nr. 2a GVG) beruht auf dem Gedanken eines zweistufigen ortsnahen Instanzenzugs, wie er regelmäßig nur durch die ausschließliche Zuständigkeit des Amtsgerichts als Eingangsgericht und des Landgerichts als Rechtsmittelinstanz gewährleistet erscheint (vgl. OLG Düsseldorf, MDR 2006, 327 = ZMR 2006, 274 m.w. Nachw.) und korrespondiert mit der örtlichen Zuständigkeitsnorm (§ 29a I ZPO), die dafür sorgt, dass derartige Streitigkeiten von den genannten Gerichten der belegenen Mietsache entschieden werden.
Ob für die Zuständigkeit ein Wohnraum- oder ein Geschäftsraummietverhältnis zugrundezulegen ist, ist allerdings allein nach dem Antrag und dem schlüssigen Sachvortrag des Klägers - nicht hingegen nach dessen bloßer Rechtsauffassung - zu entscheiden, da sich hiernach der Streitgegenstand bestimmt (KG NZM 2008, 837; OLG Düsseldorf NZM 2007, 799; OLG Karlsruhe BeckRS 2006, 0032; OLG München MDR 1077, 497; 1979, 939; LG Köln BeckRS 204630; Bub/Treier, Hdb d Gesch.- u Wohnraummiete, 4. Aufl. IX Rz. 13; Zöller/Lückemann, ZPO, 34. Aufl § § 23 GVG Rn. 8; aA OLG Düsseldorf NZM 2008, 479). Das diesbezügliche Bestreiten des Beklagten ist insofern unbeachtlich, da es ohne Einfluss auf den Streitgegenstand bleibt.
Der Senat teilt nicht die abweichende Auffassung des OLG Düsseldorf vom 8.11.2007 - 24 U 117/07 (NZM 2008, 479), wonach eine Zuständigkeit nach § 23 Nr. 2a GVG schon dadurch begründet werde, dass sich der Beklagte in schlüssiger Weise mit Gegenrechten aus einem wohnraummietrechtlichen Vertragsverhältnis verteidigt. Sofern die zuständigkeitsbegründende Tatsache eine doppelrelevante Tatsache – also die zuständigkeitsbegründende Tatsache zugleich Voraussetzung für die Begründetheit der Klage – ist, wird über das Vorliegen dieser Tatsache kein Beweis erhoben, sondern ist das Vorbringen des Klägers für die Entscheidung über die Zulässigkeit als wahr zu unterstellen (vgl. RGZ 29, 371 (373 f.); BGH IX ZR 32/93, BGHZ 124, 237 = NJW 1994, 1413 f.; BGH IX ZR 32/93, BGHZ 124, 237 = NJW 1994, 1413; BGH VIII ZR 376/13, BGHZ 202, 39 = NJW 2014, 2864 (2866) Rn. 23; Münch.Komm./Wöstmann, ZPO, § 1 Rn. 26; Zöller/Schulzky, ZPO, 34. Aufl. § 1 Rn. 14; anders aber LG München BeckRS 2010, 29506). Diese Erleichterung zugunsten des Klägers ist deshalb gerechtfertigt, weil – sollte sich das Vorbringen des Beklagten als wahr erweisen und die (auch) zuständigkeitsbegründende Tatsache doch nicht vorliegen – die Klage als unbegründet abgewiesen wird. Der Kläger wird deshalb nicht etwa gänzlich von der Beweislast bezüglich der (auch) zuständigkeitsbegründenden Tatsache befreit; sein Vorteil beschränkt sich vielmehr darauf, dass er über das Vorliegen dieser Tatsache am für ihn günstigeren Gerichtsstand streiten darf. Zudem wäre es für den Beklagten auch nachteilig, wenn er nur ein klageabweisendes Prozessurteil, nicht aber ein klageabweisendes Sachurteil erstreiten könnte (Münch.Komm. ZPO/Wöstmann, § 1 Rn. 26).
Erhebt demnach der Kläger - wie hier - beim Landgericht die Räumungsklage mit der Behauptung, der ursprünglich bestandene Gewerbemietvertrag sei wirksam gekündigt und verteidigt sich der Beklagte mit dem Einwand, es bestehe ein nicht (wirksam) gekündigter Wohnraummietvertrag, so liegt eine doppelrelevante Tatsache vor. Denn sowohl in der Zulässigkeit als auch in der Begründetheit muss geprüft werden, ob ein Wohnraummietverhältnis vorliegt.
Deshalb ist in diesem Fall das Vorbringen des Klägers für die Zuständigkeit als wahr zu unterstellen und da der Kläger vorgetragen hat, ein Wohnraummietverhältnis habe niemals vorgelegen, fehlt nach diesem Vortrag ein Bezug zu einem Wohnraummietverhältnis und ergibt sich damit auch keine amtsgerichtliche Zuständigkeit nach § 23 Nr. 2a GVG (vgl. Schmidt-Futterer/Fervers, Mietrecht, 15. Auflage 2021, Vorbemerkungen zu § 535 BGB Rn. 327-328). Der Vortrag des Beklagten kann nur dann zu einer Zuständigkeit für Wohnungsmietsachen führen, wenn der Kläger dem (anders als vorliegend) nicht näher entgegentritt (vgl. OLG Köln Urt. v. 12.6.2015 – 1 U 16/14, BeckRS 2015, 14328). Das Amtsgericht wird in einem solchen Fall auch nicht deshalb nach § 23 Nr. 2a) GVG zuständig, weil im Rahmen der Klage das Bestehen eines Mietverhältnisses geprüft werden muss. Denn dies würde zu einer ungerechtfertigten Bevorzugung des Beklagten führen, der – obwohl er eines Schutzes aus den genannten Gründen nicht zwingend bedarf – dem Kläger durch die uU unrichtige Behauptung über das Vorliegen eines Wohnraummietvertrags einen „falschen“ Gerichtsstand aufzwingen könnte (Schmidt-Futterer/Fervers aaO Rz. 331).
2. Der Senat verweist die Sache vor diesem Hintergrund zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Berufungsverfahrens, antragsgemäß gemäß § 538 Nr. 3 ZPO an das Landgericht zurück, um den Parteien den vollständigen Instanzenzug zur Entscheidung in der Sache zu erhalten, da das Instanzgericht nur über die Zulässigkeit der Klage entschieden hat.