Übergang von Beklagten zur Nebenintervention nach
Streitverkündung und Rechtsmittel des Streithelfers
BAG, Beschluss vom 26.05.2018 - 8
AZN 974/17 –
Kurze Inhaltsangabe:
Die Beklagte zu 2. wurde von der Klägerin im erstinstanzlichen Verfahren vor dem Arbeitsgericht unter der Bedingung einer Erfolglosigkeit ihrer gegen die Beklagte zu 1. erhobenen Klage in
Anspruch genommen. Das Arbeitsgericht entschied die Klage gegen die Beklagte zu 2. nicht (und nach Verkündung und Zustellung des Urteils wurde von keiner der Parteien ein Urteilsergänzungsantrag
gestellt). Die Klägerin verkündete allerdings der Beklagten zu 2. im Berufungsverfahren vor dem Landesarbeitsgericht den Streit und die (ehemalige) Beklagte zu 2. trat dem Rechtsstreit auf
Seiten der Klägerin bei. Das Landesarbeitsgericht wies die Klage gegen die Beklagte zu 1. nach mündlicher Verhandlung, zu der die ehemalige Beklagte zu 2. und zwischenzeitliche
Streithelferin der Klägerin nicht geladen wurde, ab. Dagegen erhob die Beklagte zu 2. als Streithelferin der Klägerin Nichtzulassungsbeschwerde. Diese war zulässig und begründet.
Die Streitverkündung sei wirksam, insbesondere die Beklagte zu 2. „Dritter“ iSv. § 72 ZPO. Zwar wurde die Beklagte zu 2. Partei des erstinstanzlichen Verfahrens; die gegen sie erhobene Klage sei
aber unzulässig gewesen, da die Klägerin die Beklagte zu 2. nicht unbedingt sondern unzulässig unter einer Bedingung (nämlich für den Fall der Erfolglosigkeit ihrer Klage gegen die Beklagte zu
1.) in Anspruch genommen habe (unzulässige eventuelle subjektive Klagehäufung, BAG vom 23.01.2010 – 2 AZR 720/08 -). Auch wenn durch eine unzulässige Klage ein Prozessrechtsverhältnis begründet
würde, sei dieses allerdings nach dem erstinstanzlichen Urteil mangels Antrages auf Urteilsergänzung nach § 321 ZPO nach Ablauf der dafür bestimmten Frist des § 321 Abs. 2 ZPO entfallen und
sei die Beklagte zu 2. damit Dritter.
Damit habe die Beklagte zu 2. als Streithelferin der Klägerin zulässig das Rechtsmittel (hier der Nichtzulassungsbeschwerde) eingelegt, auch wenn die Klägerin von diesem Rechtsmittel keinen
Gebrauch gemacht habe. Das Rechtmittel des Streithelfers (Nebenintervenienten) sei stets ein Rechtsmittel der Hauptpartei, weshalb sich die Beschwer auch nach dessen Beschwer und
nicht nach einer Beschwer des Streithelfers richten würde.
Vorliegend läge der absolute Revisionsgrund des § 547 Nr. 4 ZPO vor, der auch als besondere Ausprägung der Versagung rechtlichen Gehörs die Nichtladung zur mündlichen Verhandlung beinhalte,
weshalb weder die Partei noch deren gesetzlicher Vertreter hätten teilnehmen können. Zwar habe die Beklagte zu 2. nicht als Partei geladen werden müssen, da ihre Parteistellung mit
Ablauf der Frist des § 321 Abs. 2 beendet worden sei; allerdings habe die Beklagte zu 2. im Berufungsverfahren die Stellung einer Nebenintervenientin gehabt und wäre damit iSv. § 547 Nr. 4 ZPÜO
als „Partei“ zu behandeln gewesen.
Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts wurde aufgehoben und der Rechtsstreit dorthin zurückverwiesen.
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Beschwerde der Beklagten
zu 2. wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 31. August 2017 - 2 Sa 73/17 - aufgehoben. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch
über die Kosten des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Der Wert des
Beschwerdeverfahrens wird auf 5.472,00 Euro festgesetzt.
Gründe
I. Die Beschwerde der Beklagten
zu 2. ist zulässig und begründet. Der von ihr geltend gemachte absolute Revisionsgrund in entsprechender Anwendung von § 547 Nr. 4 ZPO (§ 72a Abs. 3 Satz 2
Nr. 3 Alt. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG) liegt vor. Dies führt zur Aufhebung des anzufechtenden Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das
Landesarbeitsgericht zur neuen Verhandlung und Entscheidung (zur analogen Anwendung von § 72a Abs. 7 ArbGG bei einem Verstoß gegen § 547 Nr. 1 bis 5 ZPO vgl. BAG
5. Juni 2014 - 6 AZN 267/14 - Rn. 36, BAGE 148, 206; vgl. auch BAG 23. Juni 2016 - 8 AZN 205/16 - Rn. 6).
1. Die Nichtzulassungsbeschwerde
ist zulässig. Der Zulässigkeit der Beschwerde steht insbesondere nicht entgegen, dass die Klägerin ihrerseits keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat. Entgegen der Rechtauffassung der
Beklagten zu 1. fehlt es der Beklagten zu 2. auch nicht an der für ihre Nichtzulassungsbeschwerde erforderlichen Beschwer. Die Beschwer der Beklagten zu 2. richtet sich nach der Beschwer der
Hauptpartei, mithin der Klägerin. Diese wurde durch die Abweisung ihrer Klage gegen die Beklagte zu 1. beschwert.
a) Die Beschwerde ist nicht
deshalb unzulässig, weil die Klägerin ihrerseits keine Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt hat. Die Beklagte zu 2. hatte im Berufungsverfahren die Stellung einer Nebenintervenientin. Als solche
war es ihr nach § 67 ZPO unbenommen, den der Klägerin zustehenden Rechtsbehelf einzulegen, auch wenn diese hiervon abgesehen hatte.
aa) Nachdem die Klägerin der
Beklagten zu 2. in der Berufungsinstanz den Streit verkündet hatte, war diese mit Schriftsatz vom 22. Mai 2017 wirksam dem Rechtsstreit auf Seiten der Klägerin beigetreten und hatte
hierdurch die Stellung eines Nebenintervenienten erlangt.
Gegen die Wirksamkeit der
Streitverkündung bestehen keine Bedenken, insbesondere war die Beklagte zu 2. „Dritter“ iSv. § 72 ZPO. Die Beklagte zu 2. ist erstinstanzlich Partei des Verfahrens geworden, obwohl der gegen
sie gerichtete Antrag unzulässig war. Die Klägerin hat die Beklagte zu 2. nämlich nicht unbedingt in Anspruch genommen, sondern nur unter der Bedingung der Erfolglosigkeit ihrer gegen die
Beklagte zu 1. gerichteten Klage. Damit lag insoweit eine unzulässige eventuelle subjektive Klagehäufung vor (vgl. hierzu etwa BAG 23. Februar 2010 - 2 AZR
720/08 - Rn. 35 mwN; 13. Juni 2007 - 7 AZR 759/06 - Rn. 30). Auch durch eine solche unzulässige Klage wird ein Prozessrechtsverhältnis
begründet (BAG 31. März 1993 - 2 AZR 467/92 - zu B II 2 b aa der Gründe, BAGE 73, 30). Dieses Prozessrechtsverhältnis ist allerdings in
der Folge erloschen. Das Arbeitsgericht hatte rechtsfehlerhaft nicht über die Klage gegen die Beklagte zu 2. entschieden und weder die Klägerin noch die Beklagte zu 2. hatten einen Antrag auf
Ergänzung des Urteils gemäß § 321 ZPO gestellt. Damit war mit Ablauf der Antragsfrist des § 321 Abs. 2 ZPO die Rechtshängigkeit der gegen die Beklagte zu 2. gerichteten Klage
entfallen und sie wurde „Dritter“ iSv. § 72 ZPO (vgl. etwa BAG 7. Juni 2016 - 3 AZR 193/15 - Rn. 63; BGH 20. Januar 2015 - VI ZR 209/14 -
Rn. 5).
bb) Die Beklagte zu 2. ist kraft
ihrer Stellung als Nebenintervenientin nach § 67 ZPO berechtigt, den der Klägerin zustehenden Rechtsbehelf einzulegen, auch wenn diese hiervon abgesehen hatte.
Dem Nebenintervenienten ist es
nach § 67 ZPO unbenommen, das einer Hauptpartei zustehende Rechtsmittel oder einen dieser zustehenden Rechtsbehelf einzulegen, auch wenn die Hauptpartei hiervon absieht (BGH
9. Februar 2017 - I ZR 91/15 - Rn. 17 für eine Rechtsmitteleinlegung; für eine Nichtzulassungsbeschwerde vgl. BGH 24. Mai 2012 - VII ZR 24/11 -
Rn. 3). Etwas Anderes gilt zwar, wenn die Hauptpartei der Einlegung des Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs widerspricht, wobei dieser Widerspruch nicht ausdrücklich erklärt werden muss,
sondern auch durch schlüssiges Verhalten der Hauptpartei zum Ausdruck gebracht werden kann (BGH 9. Februar 2017 - I ZR 91/15 - Rn. 19 mwN). Die Klägerin
hat der Einlegung der Nichtzulassungsbeschwerde durch die Beklagte zu 2. indes weder ausdrücklich widersprochen noch lässt sich ein sonstiges Verhalten der Klägerin feststellen, aus dem ein
entsprechender entgegenstehender Wille der Klägerin erkennbar würde.
b) Der Beklagten zu 2. fehlt es
auch nicht an der für ihre Nichtzulassungsbeschwerde erforderlichen Beschwer. Das Rechtsmittel des Nebenintervenienten ist stets ein Rechtsmittel für die Hauptpartei (BGH 23. August
2016 - VIII ZB 96/15 - Rn. 17 ff. mwN). Entsprechendes muss für einen Rechtsbehelf wie die Nichtzulassungsbeschwerde gelten. Die Beschwer richtet sich damit nach der
Beschwer der Hauptpartei (vgl. BAG 31. Januar 2008 - 8 AZR 10/07 - Rn. 39), hier mithin der Klägerin, die durch die Abweisung ihrer Klage gegen die Beklagte
zu 1. beschwert ist.
2. Die Nichtzulassungsbeschwerde
ist auch begründet. Der von der Beschwerde geltend gemachte absolute Revisionsgrund in entsprechender Anwendung von § 547 Nr. 4 ZPO (§ 72a Abs. 3 Satz 2
Nr. 3 Alt. 1, § 72 Abs. 2 Nr. 3 Alt. 1 ArbGG) liegt vor. Das Landesarbeitsgericht hat die Beklagte zu 2. nicht zum Termin zur mündlichen Verhandlung am
31. August 2017 geladen. Infolgedessen hat diese an der mündlichen Verhandlung, aufgrund derer das Berufungsurteil ergangen ist, nicht teilgenommen und war damit in dem Verfahren nicht nach
den gesetzlichen Vorschriften vertreten.
a) Der absolute Revisionsgrund
nach § 547 Nr. 4 ZPO erfasst als besondere Ausprägung der Versagung des rechtlichen Gehörs auch den Fall, dass eine Partei nicht zur mündlichen Verhandlung geladen wurde und deshalb
hieran weder selbst noch durch einen gesetzlichen Vertreter teilnehmen konnte (Stein/Jonas/Jacobs ZPO 22. Aufl. § 547 Rn. 16; Musielak/Voit/Ball ZPO 13. Aufl.
§ 547 Rn. 9; vgl. zur gleichlautenden Regelung des § 133 Nr. 3 VwGO in der bis zum 31. Dezember 1990 geltenden Fassung BVerwG 27. April 1990 - 8 C
38/88 - mwN).
b) Zwar war die vormalige
Beklagte zu 2. vom Landesarbeitsgericht nicht als Partei im engeren Sinne zu laden. Sie war erstinstanzlich Partei des Verfahrens geworden. Die Rechtshängigkeit des gegen sie gerichteten
Anspruchs war aber - wie unter Rn. 5 ausgeführt - mit Ablauf der Antragsfrist des § 321 Abs. 2 ZPO erloschen.
c) Die Beklagte zu 2. hatte im
Berufungsverfahren aber - wie unter Rn. 4 ausgeführt - die Stellung einer Nebenintervenientin erlangt und war in dieser Stellung als „Partei“ iSv. § 547 Nr. 4 ZPO zu
behandeln.
§ 547 Nr. 4 ZPO ist
entsprechend auch auf Dritte anwendbar, die entgegen zwingenden Vorschriften nicht beteiligt wurden (BGH 30. Oktober 2002 - XII ZR 345/00 - zu 1 der Gründe mwN;
27. März 2002 - XII ZR 203/99 - zu 4 der Gründe mwN; Stein/Jonas/Jacobs ZPO 22. Aufl. § 547 Rn. 15; MüKoZPO/Krüger 5. Aufl. § 547 Rn. 13).
Vor dem Hintergrund, dass sich der absolute Revisionsgrund nach § 547 Nr. 4 ZPO - wie unter Rn. 10 ausgeführt - als besondere Ausprägung der Versagung des rechtlichen Gehörs
darstellt, muss dies auch für den Nebenintervenienten gelten, weil dieser gemäß § 71 Abs. 3 ZPO im Hauptverfahren hinzuzuziehen ist, solange nicht die Unzulässigkeit der Intervention
rechtskräftig ausgesprochen ist. Die Verpflichtung, den Nebenintervenienten am Verfahren zu beteiligen, ist eine Ausprägung des diesem originär zustehenden Anspruchs auf rechtliches
Gehör (Zöller/Althammer ZPO 32. Aufl. § 72 Rn. 8). Danach hat der Nebenintervenient ein Recht auf Teilnahme an der mündlichen Verhandlung und auf Beteiligung an ihrer
schriftsätzlichen Vorbereitung. Alle Schriftsätze, Ladungen und Bekanntmachungen von Terminen sind ihm zu übermitteln. Er ist auch berechtigt, in den Grenzen des § 67 ZPO Angriffs- und
Verteidigungsmittel geltend zu machen und alle Prozesshandlungen wirksam vorzunehmen (vgl. etwa BGH 17. Juni 2009 - XII ZB 75/07 - Rn. 14 mwN; BAG 14. Oktober
1987 - 4 AZR 317/87 -, BAGE 56, 214).
3. Auf die Frage, ob das
Landesarbeitsgericht die Beklagte zu 2. darüber hinaus dadurch in ihrem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt hat, dass es diese nicht darauf hingewiesen hat, dass es nicht von einem
Betriebsübergang auf die Beklagte zu 1. ausgehe, kommt es nach alledem nicht an.
II. Die Streitwertfestsetzung
beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.