Prozessrecht


Sicherheitsleistung: Getrennte Festsetzung im Urteil bei möglicher „gemischter Vollstreckung“

OLG Rostock, Teilurteil vom 26.09.2024 - 3 U 56/24 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Das Landgericht hatte der Klage auf Räumung des Pachtgegenstandes und auf Zahlung rückständiger Pacht stattgegeben. Das Urteil wurde gegen Sicherheitsleistung in Höhe von € 150.425,00 für vorläufig vollstreckbar erklärt. Die Beklagte legte gegen das Urteil Berufung ein. Vom Kläger wurde in Bezug auf den Räumungsausspruch gem. § 718 ZPO eine Vorabentscheidung über die Vollstreckbarkeit des Räumungsanspruchs begehrt, wonach der Räumungsanspruch ohne Sicherheitsleistung vollstreckbar sein sollte. Diesen Antrag sah das OLG als zulässig, aber nur teilweise als begründet an.

 

Die Grundlage des Antrages, § 718 S. 1 ZPO, lässt eine Vorabentscheidung des Berufungsgerichts über die Vollstreckbarkeit zu, die ohne mündliche Verhandlung durch Teilurteil ergehen kann, § 718 S. 2 ZPO. Der Antrag kann auch von der Partei gestellt werden, die selbst keine eigene Berufung oder Anschlussberufung eingelegt hat. 

 

Vom OLG wird darauf verwiesen, dass § 718 Abs 1 ZPO anwendbar sei, wenn das Urteil in der Hauptsache angegriffen würde, und die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung der §§ 708, 709 und 711 S. 1 ZPO beruhe. Diese Voraussetzungen sah das OLG allerdings hier nicht.

 

So sei die Annahme des Klägers fehlerhaft, § 708 Nr. 7 ZPO käme zur Anwendung, weshalb der Räumungsanspruch ohne Sicherheitsleistung zulässig sei. § 708 N. 7 ZPO greife ausschließlich für Mietverhältnisse (entspr. § 23 Nr. 2a GVG), nicht für Pachtverhältnisse. Dafür spreche der Ausnahmecharakter der Norm, der allein die besondere Eilbedürftigkeit bei Mietsachen im Auge habe (OLG Düsseldorf, Teilurteil vom 24.06.2008 - I-24 U 74/08 -). Die Gegenansicht des OLG Celle (16.05.2023 - 2 U 37/23 -) mit Verweis auf § 227 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO überzeuge nicht, zumal die benannte Norm wegen des unterschiedlichen Wortlauts der Normen nicht tragen würde.

 

 

Zu einem Hilfs-Hilfsantrag des Klägers verwies das OLG darauf, dass es auch danach bei der vorläufigen Vollstreckbarkeit gegen Sicherheitsleistung nach § 709 ZPO verbleibe. Allerdings träfe die Auffassung des Klägers zu, dass bei einer „gemischten Vollstreckung“ (hier Geldforderung und Räumung, letztere als vertretbare Handlung) zu differenzieren sei und für den Räumungsanspruch und die Geldforderung gesonderte Sicherheitsleistungen festzusetzen seien. Dies berücksichtigend sei von den Werten der begehrten Ansprüche (Räumung € 75.000,00 und Geldforderung € 61.750) ein Zuschlag von jeweils 10% hinzuzurechnen, wobei sich das OLG insoweit an der Kommentierung von Herget in Zöller, ZPO, 25. Auf. Zu § 709 Rn. 6 orientierte, der den Zuschlag mit möglichen Schäden des Schuldners aus der Vollstreckung (im Falle seines Obsiegens im weiteren Verfahren) begründet. Das ergab rechnerisch für den Räumungsanspruch eine Sicherheitsleistung in Höhe von € 82.500,00. Für die Geldforderung wurde gemäß § 709 ZPO die Sicherheitsleistung im Hinblick auch auf den Aufschlag von 10% auf 110% des zu vollstreckenden Betrages festgesetzt.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

1. Auf den Vorabentscheidungsantrag des Klägers vom 09.07.2024 wird das Urteil des Landgerichts Stralsund vom 10.06.2024, Az.: 7 O 283/23, teilweise abgeändert und in Ziffer 6. wie folgt neu gefasst

a) Das Urteil ist, soweit es den Herausgabe- und Räumungsanspruch (Ziffer 1 des Tenors) betrifft, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 82.500,- € vorläufig vollstreckbar.

b) Das Urteil ist, soweit es die Zahlungsansprüche (Ziffer 2, 3 und 4 des Tenors) und die Kosten (Ziffer 5) betrifft, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Im Übrigen wird der Vorabentscheidungsantrag des Klägers zurückgewiesen.

2. Die Kostenentscheidung bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

 

Gründe

 

I. 1. Die Parteien streiten über die Räumung und Herausgabe eines Pachtobjekts sowie über die Zahlung rückständiger Pacht. Das Landgericht hat der Klage stattgegeben und in diesem Zusammenhang die Vollstreckbarkeit des Urteils gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 150.425,- € erklärt.

 

Hiergegen hat die Beklagte Berufung eingelegt, mit der sie die Abweisung der Klage begehrt. Der Kläger macht die Zurückweisung der Berufung geltend. Daneben hat der Kläger - soweit es den Räumungsausspruch des Urteils gemäß Ziffer 1) des Tenors betrifft - gem. § 718 ZPO eine Vorabentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beantragt, wonach der Räumungsausspruch u.a. ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären ist.

 

2. Der zulässige Antrag ist nur teilweise begründet.

 

a) Das Berufungsgericht kann gemäß § 718 Satz 1 ZPO auf Antrag eine Vorabentscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit treffen, wobei die Entscheidung gemäß § 718 Abs. 1 Satz 2 ohne mündliche Verhandlung ergehen kann und durch Teilurteil erfolgt. Eine Zustimmung zu einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren ist dabei nicht erforderlich (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 718 Rn. 3 m.w.N.). Der Antrag kann dabei auch von demjenigen gestellt werden, der keine eigene Berufung oder Anschlussberufung eingelegt hat (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., Rn. 3).

 

§ 718 Abs. 1 ZPO ist anwendbar, wenn das Urteil in der Hauptsache angegriffen wird und die Vollstreckbarkeitsentscheidung auf einer fehlerhaften Anwendung der §§ 708, 709 und 711 Satz 1 ZPO beruht (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., Rn. 1 m.w.N.). Diese Voraussetzung ist vorliegend indes nicht erfüllt.

 

Soweit der Kläger rügt, dass das Landgericht fehlerhaft davon ausgegangen sei, dass vorliegend § 708 Nr. 7 ZPO nicht zur Anwendung komme, so dass der geltend gemachte Räumungsanspruch ohne Sicherheitsleistung für vorläufig vollstreckbar zu erklären gewesen wäre, vermag der Senat dem nicht zu folgen. § 708 Nr. 7 ZPO ist nach Auffassung des Senats vielmehr allein auf Mietverhältnisse (entsprechend § 23 Nr. 2a GVG), nicht jedoch analog auch auf Pachtverhältnisse anwendbar. Gegen die entsprechende Anwendung auf Pachtverhältnisse spricht vielmehr der Ausnahmecharakter der Regelung, der allein die besondere Eilbedürftigkeit bei Mietsachen im Auge hat (vgl. OLG Düsseldorf, Teilurteil v. 24.06.2008 - I-24 U 74/08 -, juris Rn. 16; Zöller/Herget, a.a.O., § 708 Rn. 9 m.w.N.; Stein/Jonas/Heinze, ZPO, 23. Aufl., § 708 Rn. 29; Musielak/Voit/Lack- mann, ZPO, 21. Aufl., § 708 Rn. 7 m.w.N.; Wieczorek/Schütze/Hess, ZPO, 4. Aufl., § 708 Rn. 7 m.w.N.; Anders/Gehle/Schmidt, ZPO, 82. Aufl., § 708 Rn. 10; Thomas/Putzo/Seiler, ZPO, 43. Aufl., § 708 Rn. 8). Die gegenteilige Auffassung des OLG Celle in seiner Entscheidung vom 16.05.2023 (Az.: 2 U 37/23), auf die der Kläger explizit hinweist, vermag daher nicht zu überzeugen, zumal der hierin enthaltene Hinweis auf den Vergleich mit § 227 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO schon wegen des unterschiedlichen Wortlauts der Normen nicht trägt (vgl. Musielak/Voit/Lackmann, a.a.O., § 708 Rn. 7 / Fußnote 8),

 

b) Für den Hilfsantrag gilt nichts anderes.

 

c) Soweit es den Hilfs-Hilfsantrag betrifft, bleibt es ebenfalls bei einer vorläufigen Vollstreckbarkeit nach § 709 ZPO. Der Senat teilt aber in diesem Zusammenhang die Auffassung des Klägers, dass im Fall einer sogenannten „gemischten Vollstreckung“ (Geldforderung/vertretbare Handlung) bei der Sicherheitsleistung zu differenzieren ist und für den Räumungsanspruch und die auf Geldforderungen gerichteten Ansprüche gesonderte Sicherheitsleistungen festzusetzen sind (vgl. Zöller/Herget, ZPO, 35. Aufl., § 709 Rn. 6 m.w.N.). Dies hat vorliegend zur obigen Abänderung von Ziffer 6 des Urteilstenors geführt, wobei allerdings dem Wert der begehrten Ansprüche (75.000,- € + 61.750,- €) jeweils ein Aufschlag von 10 % hinzuzurechnen war (vgl. Zöller/Herget, a.a.O., § 709 Rn. 6).

 

II. Die Kostenentscheidung ist der die Instanz abschließenden Entscheidung vorzubehalten.

 

 

Dieses Urteil ist unanfechtbar (§ 718 Abs. 2 ZPO).