Kurze Inhaltsangabe:
Recht (auch in Form von Gesetzen) und Rechtsanspruch (in Form der Geltendmachung des kodifizierten Rechts) sind zwei Seiten derselben Medaille. Dies mussten die Kläger, die die Beklagte wegen behaupteter Verstöße gegen ein Lkw-Durchfahrtsverbot in Anspruch nahmen, erfahren. Die Kläger hatten ein Vereinsgelände (auf dem Gelände befanden sich das Vereinsheim und eine Kindertagesstätte) bzw. ein Wohnhaus an der H-Straße bzw. neben der H-Straße in der Straße Am W. in Stuttgart-Hedelfingen innerhalb der Stuttgarter Umwelt- und Lkw-Durchfahrtsverbotszone. Das Lkw-Durchfahrtsverbot war durch Zeichen 253 zu § 41 Abs. 1 StVO mit dem Zusatzzeichen nach § 38 Abs. 3 StVO „Lieferverkehr frei“ angeordnet worden.
Nach der Behauptung der Kläger verstoße die Beklagte, die eine Spedition betreibe, mehrmals täglich gegen das Durchfahrtsverbot. Daher sei ihre Gesundheit und die der Kinder durch die Feinstaub- und Stickoxidbelastung gefährdet. Sie begehrten eine Verurteilung auf Unterlassung der Befahrung der H-Straße mit Lkw mit einem höheren Gesamtgewicht als 3,5 Tonnen, sofern die Fahrt nicht dem Ziel der Verbringung von Gütern in die Verbotszone oder von Gütern aus der Zone diene.
Die Klage wurde vom Amtsgericht abgewiesen, die dagegen eingelegte Berufung zurückgewiesen. Auch die zugelassene Revision zum BGH blieb erfolglos.
Das Unterlassungsbegehren ließe sich nicht aus § 1004 Abs. 1 iVm. § 823 Abs. 1 BGB aufgrund der Gesundheitsverletzung ableiten. Auch sei der Beklagten auf der Grundlage des klägerischen Vortrages keine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung der klägerischen Grundstücke iSd. § 906 BGB zuzurechnen, weshalb ein Anspruch aus § 1004 Abs. 1 S. 2 iVm. § 906 BGB ausscheide.
Streitig war - im Revisionsverfahren - ob ein Anspruch der Kläger analog § 823 Abs. 2 iVm § 1004 Abs. 1 S. 2 BGB bestünde. Dass aber hätte zur Voraussetzung, dass die Beklagte wegen der behaupteten Missachtung des durch Zeichen 253 nach § 41 Abs. 1 StVO im Wege eines Verwaltungsakts in Gestalt einer Allgemeinverfügung (BVerwG, Urteil vom 06.04.2016 - 3 C 10/15 -) angeordnetes Lkw-Durchfahrtverbot gegen ein auf das Rechtsschutzbegehren der Kläger ausgerichtetes Verbotsgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB verstoßen haben müssten, was der BGH verneinte.
Für einen Verstoß gegen ein Schutzgesetz sei erforderlich, dass es zumindest auch dazu dient, dem Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsguts oder Rechtsinteresses zu schützen. Nicht ausreichend sei, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als Reflex objektiv erreicht werden könne, vielmehr müsse der Individualschutz im Aufgabenbereich der Norm liegen (z.B. BGH, Urteil vom 13.03.2018 - VI ZR 307/18 -). In diesem Fall könne dies auch zu deliktischen Ansprüchen führen, auch wenn die im Einzelfall zur Konkretisierung der Ge- oder Verbote noch der Konkretisierung durch Verwaltungsakte bedürfen (BGH, Urteil vom 14.06.2005 - VI ZR 185/04 -). Das Schutzgesetz sei dann nicht der Veraltungsakt als solcher, sondern die jeweilige Eingriffsnorm, auf die der Verwaltungsakte beruhe.
Nicht nur müsse ein Gebot oder Verbot als Schutzgesetz das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und den Kreis der geschützten Personen hinreichend klarstellen und bestimmt sein. Weitere Voraussetzung sei, dass die Schaffung eines individuellen deliktischen Anspruchs sinnvoll und im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheine. Dazu müsse der gesamte Regelungszusammenhang, in den die Norm gestellt sei, dahingehend geprüft werden, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen könne, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden mit allen damit zugunsten des Geschädigten Haftungs- und Beweislasterleichterungen zu knüpfen (BGH, Urteil vom 23.07.2019 - VI ZR 307/18 -).
Das Landgericht habe festgestellt, dass das Lkw-Durchfahrtsverbot eine im „Lauftreinhalte- und Aktionsplan“ für Stuttgart vorgesehene Maßnahme zur Verbesserung der Luftqualität sei, welche also planerische Vorgaben iSv. § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG umsetze. Umgesetzt würden die durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegten Immissionsgrenzwerte. Für den Straßenverkehr sei in Bezug auf Feinstaub- und Stickstoffdioxidkonzentrationen die 39. BImSchV vom 02.08.2010 als Umsetzung europäischer Normen von Bedeutung.
Maßgeblich sei daher für die Beurteilung der Schutzgesetzqualität des Durchfahrtsverbots § 40 Abs. 1 S. 1 BImSchG, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften beschränke oder verbiete, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristige Maßnahmen nach § 47 Abs. 1 oder 2 BImSchG dies vorsehe. Nach den dargelegten Maßstäben sei daher das im „Luftreinhalte- und Aktionsplan“ vorgesehene Lkw-Durchfahrtsverbot kein Schutzgesetz iSv. § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der einzelnen Anwohner innerhalb der Durchfahrtsverbotszone.
Zweck des § 40 Abs. 1 S. 1 BImSchG sei die Durchsetzung von Verkehrsbeschränkungen, die in Rechtsverordnungen nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegt worden seien. Dies diene dem Gesundheitsschutz. Daraus ließe sich aber (entgegen anderweitiger Ansicht) noch nicht ergeben, dass es in der Intention des Gesetzgebers lag, dem Einzelnen generell einen individuellen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch bei Zuwiderhandlungen zu gewähren. Im Streitfall sei das Lkw-Durchfahrtverbot für bestimmte Straßen zur Reduzierung der die dortigen Anlieger beeinträchtigenden Schadstoffkonzentrationen angeordnet worden, um die Luftqualität zu verbessern und einer Überschreitung der Immissionsgrenzwerte entgegenzuwirken. Die Kläger seien nur als Teil der Allgemeinheit davon begünstigt, was bereits gegen den Schutz von Einzelinteressen spräche. Schon durch die Größe der Verbotszone könne nicht angenommen werden, könne nicht angenommen werden, dass die an einer beliebigen Stelle der Verbotszone durch Kraftfahrzeuge verursachten Immissionen für jeden Anlieger in der Zone eine Gefahr der Überschreitung der Werte an seinem Aufenthaltsort und damit eine potentielle Gesundheitsgefährdung verursachen könnten. Dafür, dass die streitgegenständlichen Planmaßnahmen einen Anspruch auf Normvollzug zwischen einzelnen Bürgern begründen sollten, sei nichts ersichtlich.
Auch könnten sich die Kläger nicht auf das Gebot einer möglichst wirksamen Anwendung des Gemeinschaftsrechts (effet utile) berufen. Zwar seien nach der Richtlinie 2008/50/EG über Luftqualität und saubere Luft für Europa Verstöße gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen Vorschriften zu sanktionieren; da aber der Verstoß gegen das Lkw-Durchfahrtsverbot eine Verkehrsordnungswidrigkeit sei (§ 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 24 Abs. 1 StVG) gäbe es diese Sanktionen, wenn auch die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach dem Opportunitätsprinzip im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörde liege (§ 47 Abs. 1 OWiG).
Aus den Gründen:
Tenor
Die Revision der Kläger gegen das Urteil der 5. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 11. März 2021 wird zurückgewiesen.
Die Kläger tragen die Kosten des Revisionsverfahrens je zur Hälfte (§ 97 Abs. 1, § 100 Abs. 1 ZPO).
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger nehmen die Beklagte wegen behaupteter Verstöße gegen ein Lkw-Durchfahrtsverbot auf Unterlassung in Anspruch.
Das Vereinsgelände des Klägers zu 1 liegt an der H. Straße in Stuttgart-Hedelfingen innerhalb der Stuttgarter Umwelt- und Lkw-Durchfahrtsverbotszone. Auf dem Gelände befinden sich sowohl das Vereinsheim als auch eine Ganztages-Kindertagesstätte. Das Wohnhaus des Klägers zu 2 liegt ebenfalls innerhalb der vorgenannten Zone und neben der H. Straße in der Straße "Am W.". Das Lkw-Durchfahrtsverbot ist durch das Vorschriftzeichen 253 zu § 41 Abs. 1 StVO mit dem Zusatzzeichen nach § 39 Abs. 3 StVO "Lieferverkehr frei" (Nr. 1026-35 Verkehrszeichenkatalog) angeordnet und gilt grundsätzlich für das gesamte Stadtgebiet.
Die Kläger machen geltend, die Beklagte, die eine Spedition betreibt, verstoße mehrmals täglich gegen das Durchfahrtsverbot, indem sie das Gebiet mit Lkw befahre. Die Kläger sehen im Hinblick auf die Feinstaub- und Stickoxidbelastung sowohl ihre als auch die Gesundheit der Kinder gefährdet, die die Kindertagesstätte besuchen. Sie begehren die Verurteilung der Beklagten es zu unterlassen, die H. Straße in Stuttgart-Hedelfingen Richtung Heumaden mit Lkw mit einem höheren Gesamtgewicht als 3,5 Tonnen zu befahren, sofern die Fahrt nicht zum Transport von Gegenständen in die hinter dem Verbotsschild liegende Lkw-Durchfahrtsverbotszone oder zum Transport von Gegenständen aus dieser Zone dient. Daneben verlangen die Kläger Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Kläger ist vor dem Landgericht erfolglos geblieben. Mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, ein Unterlassungsanspruch gemäß § 1004 Abs. 1 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB wegen einer Verletzung der Gesundheit bestehe nicht, da es unstreitig nicht zu einer Körperverletzung oder Gesundheitsbeschädigung der Kläger oder der die Tagesstätte besuchenden Kinder gekommen sei und eine lediglich abstrakte Gesundheitsgefahr nicht ausreiche, um einen Unterlassungsanspruch zu begründen. Auch ein Unterlassungsanspruch aus § 1004 Abs. 1, § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. dem Luftreinhalteplan für die Landeshauptstadt Stuttgart bzw. der Umsetzung von EU-Recht durch Schaffung von Durchfahrtsverbotszonen sei im Ergebnis abzulehnen. Dabei könne offenbleiben, ob das Zeichen 253 im Zusammenhang mit dem Luftreinhalteplan als Schutzgesetz anzusehen sei. Es fehle jedenfalls an der gemäß § 906 BGB erforderlichen, der Beklagten zurechenbaren wesentlichen Beeinträchtigung der geschützten Interessen der Kläger. Eine etwaige Beeinträchtigung von Eigentum und Gesundheit sei hier der Beklagten nicht messbar als Störer zuzuordnen. Von der stark befahrenen Durchgangsstraße gingen ohnehin erhebliche Immissionen aus, weshalb nicht allein der Beklagten die Verantwortung für mögliche abstrakte Gesundheitsbeeinträchtigungen auferlegt werden könne. Die Kläger hätten weder zur Häufigkeit oder Anzahl der behaupteten Durchfahrten vorgetragen noch zur Frage, inwieweit die Durchfahrten der Lkw der Beklagten zu einer erhöhten Belastung der Grundstücke mit Immissionen führten. Die Kläger hätten auch nicht vorgetragen, dass die nach § 906 Abs. 1 BGB beachtlichen immissionsschutzrechtlichen Grenzwerte an der streitgegenständlichen Straße bzw. im Bereich ihrer Grundstücke tatsächlich (dauerhaft, regelmäßig oder punktuell) überschritten würden.
II.
Die Revision der Kläger ist unbegründet. Das angefochtene Urteil hält der rechtlichen Überprüfung im Ergebnis stand. Den Klägern steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu.
1. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach sich das Unterlassungsbegehren der Kläger nicht auf § 1004 Abs. 1 i.V.m. § 823 Abs. 1 BGB aufgrund einer Gesundheitsverletzung stützen lässt, ist nicht zu beanstanden. Hiergegen wendet sich die Revision auch nicht. Sie greift zudem nicht die Annahme des Berufungsgerichts an, der Beklagten sei auf der Grundlage des klägerischen Vortrags keine wesentliche Beeinträchtigung der Benutzung der klägerischen Grundstücke im Sinne des § 906 BGB zuzurechnen. Insoweit sind Rechtsfehler auch nicht ersichtlich. Damit scheidet ein auf die Eigentümerstellung der Kläger gestützter Unterlassungsanspruch nach § 1004 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 906 BGB ebenfalls aus.
2. Einen Unterlassungsanspruch der Kläger gegen die Beklagte analog § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB - und in der Folge einen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten - hat das Berufungsgericht im Ergebnis ebenfalls zu Recht verneint. Die Beklagte hat durch eine etwaige Missachtung des durch § 41 Abs. 1 StVO in Verbindung mit Verkehrszeichen 253 im Wege eines Verwaltungsakts in Gestalt einer Allgemeinverfügung (vgl. zur st. Rspr. des BVerwG zur Rechtsnatur von Verkehrszeichen etwa BVerwGE 154, 365 Rn. 16 mwN) angeordneten Lkw-Durchfahrtsverbots kein auf das Rechtsschutzbegehren der Kläger ausgerichtetes Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verletzt.
a) Nach ständiger Rechtsprechung des BGH ist eine Rechtsnorm ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise gegen die Verletzung eines bestimmten Rechtsgutes oder eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes an, also darauf, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mit gewollt hat. Es genügt, dass die Norm auch das in Frage stehende Interesse des Einzelnen schützen soll, mag sie auch in erster Linie das Interesse der Allgemeinheit im Auge haben. Andererseits soll der Anwendungsbereich von Schutzgesetzen nicht ausufern. Es reicht deshalb nicht aus, dass der Individualschutz durch Befolgung der Norm als Reflex objektiv erreicht werden kann; er muss vielmehr im Aufgabenbereich der Norm liegen (vgl. nur Senatsurteile vom 23. Juli 2019 - VI ZR 307/18, NJW 2019, 3003 Rn. 12; vom 13. März 2018 - VI ZR 143/17, BGHZ 218, 96 Rn. 27; vom 22. Juni 2010 - VI ZR 212/09, BGHZ 186, 58 Rn. 26; BGH, Urteile vom 13. März 2018 - II ZR 158/16, BGHZ 218, 80 Rn. 14; vom 27. November 1963 - V ZR 201/61, BGHZ 40, 306, juris Rn. 1; jeweils mwN). Dann allerdings kann eine im Gesetz angelegte drittschützende Wirkung der Norm auch zu deliktischen Ansprüchen führen, wenn sie in Bezug auf die im Einzelfall zu erlassenden Ge- und Verbote noch der Konkretisierung durch einen Verwaltungsakt bedarf (vgl. Senatsurteile vom 14. Juni 2005 - VI ZR 185/04, VersR 2005, 1449, 1450, juris Rn. 8; vom 18. November 2003 - VI ZR 385/02 - VersR 2004, 255 f., juris Rn. 12; BGH, Urteile vom 27. September 1996 - V ZR 335/95, VersR 1997, 367, 368, juris Rn. 9; vom 26. Februar 1993 - V ZR 74/92, BGHZ 122, 1, 3 ff., juris Rn. 10 ff.; vom 22. April 1974 - III ZR 21/72, BGHZ 62, 265, 266 f., juris Rn. 6). Als Schutzgesetz betrachtet wird dabei nicht der Verwaltungsakt als solcher, sondern die jeweilige Eingriffsnorm, auf der er beruht (vgl. BGH, Urteile vom 26. Februar 1993 - V ZR 74/92, BGHZ 122, 1, 3, 6 f., juris Rn. 10 und 18 f.; vom 14. Oktober 1994 - V ZR 76/93, NJW 1995, 132, 134, juris Rn. 24; vom 27. September 1996 - V ZR 335/95, VersR 1997, 367, 368, juris Rn. 9). Ein gesetzliches Gebot oder Verbot ist als Schutzgesetz nur geeignet, soweit das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichend klargestellt und bestimmt sind (Senatsurteil vom 23. Juli 2019 - VI ZR 307/18, NJW 2019, 2003 Rn. 12; BGH, Urteile vom 11. Dezember 2018 - II ZR 455/17, MDR 2019, 419 Rn. 32; vom 27. November 1963 - V ZR 201/61, BGHZ 40, 306, 307, juris Rn. 2).
Voraussetzung für die Annahme eines Schutzgesetzes ist zudem, dass die Schaffung eines individuellen deliktischen Anspruchs sinnvoll und im Lichte des haftungsrechtlichen Gesamtsystems tragbar erscheint. Dabei muss in umfassender Würdigung des gesamten Regelungszusammenhangs, in den die Norm gestellt ist, geprüft werden, ob es in der Tendenz des Gesetzgebers liegen konnte, an die Verletzung des geschützten Interesses die deliktische Einstandspflicht des dagegen Verstoßenden mit allen damit zugunsten des Geschädigten gegebenen Haftungs- und Beweiserleichterungen zu knüpfen (vgl. Senatsurteile vom 23. Juli 2019 - VI ZR 307/18, NJW 2019, 3003 Rn. 13; vom 22. Juni 2010 - VI ZR 212/09, BGHZ 186, 58 Rn. 26, 29; BGH, Urteil vom 13. März 2018 - II ZR 158/16, BGHZ 218, 80 Rn. 14; jeweils mwN).
b) Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ist das streitgegenständliche Lkw-Durchfahrtsverbot eine im "Luftreinhalte- und Aktionsplan" für die Landeshauptstadt Stuttgart vorgesehene Maßnahme zur Verbesserung der Luftqualität, setzt also planerische Vorgaben im Sinne von § 47 Abs. 1 und 2 BImSchG um. § 47 Abs. 1 Satz 1 BImSchG schreibt die Aufstellung eines Luftreinhalteplans bei Überschreitung der durch eine Rechtsverordnung nach § 48a Abs. 1 BImSchG festgelegten Immissionsgrenzwerte vor. § 47 Abs. 2 BImSchG betrifft die Aufstellung eines Plans für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen (in der bis zum 5. August 2010 gültigen Fassung: "Aktionsplan", vgl. Bekanntmachung der Neufassung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 26. September 2002, BGBl. I S. 3830, 3845), wenn die Gefahr einer Überschreitung der in der Rechtsverordnung festgelegten Immissionsgrenzwerte oder Alarmschwellen besteht. Nach § 48a Abs. 1 BImSchG kann die Bundesregierung zur Erfüllung von bindenden Rechtsakten der Europäischen Gemeinschaften oder der Europäischen Union Rechtsverordnungen unter anderem über die Festsetzung von Immissions- und Emissionswerten erlassen. Für den Straßenverkehr ist in Bezug auf Feinstaub- und Stickstoffdioxidkonzentrationen derzeit die - auch auf § 48a Abs. 1 BImSchG gestützte - 39. BImSchV (Verordnung über Luftqualitätsstandards und Emissionshöchstmengen vom 2. August 2010, BGBl. I S. 1065, zuletzt geändert durch Artikel 112 der Verordnung vom 19. Juni 2020, BGBl. I S. 1328) von Bedeutung, die unter anderem der Umsetzung der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 vom 11. Juni 2008 S. 1) dient.
Die für die Beurteilung der Schutzgesetzqualität des Durchfahrtsverbots maßgebliche Ermächtigungsnorm ist demnach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG, wonach die zuständige Straßenverkehrsbehörde den Kraftfahrzeugverkehr nach Maßgabe der straßenverkehrsrechtlichen Vorschriften beschränkt oder verbietet, soweit ein Luftreinhalteplan oder ein Plan für kurzfristig zu ergreifende Maßnahmen (in der bis zum 5. August 2010 gültigen Fassung: "Aktionsplan", vgl. Bekanntmachung der Neufassung des Bundes-Immissionsschutzgesetzes vom 26. September 2002, BGBl. I S. 3830, 3845) nach § 47 Abs. 1 oder 2 BImschG dies vorsehen. Nach den oben dargelegten Maßstäben ist § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG in Verbindung mit dem im "Luftreinehalte- und Aktionsplan" für die Landeshauptstadt Stuttgart vorgesehenen Lkw-Durchfahrtsverbot kein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB zugunsten der einzelnen Anwohner innerhalb der Durchfahrtsverbotszone, das es diesen ermöglicht, dem Verbot Zuwiderhandelnde zivilrechtlich auf Unterlassung in Anspruch zu nehmen.
aa) Zweck des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG ist, wie sich aus den oben wiedergegebenen Normen ergibt, die Durchsetzung von Verkehrsbeschränkungen, die in EU-rechtlich bedingten Maßnahmeplänen gemäß § 47 Abs. 1 oder Abs. 2 BImSchG in Verbindung mit einer auf der Grundlage des § 48a Abs. 1 BImSchG erlassenen Rechtsverordnung festgelegt wurden, also letztlich die Einhaltung von Grenzwerten und Alarmschwellen des EU-Luftqualitätsrechts im Bereich des Straßenverkehrs (vgl. Jarass, BImSchG, 13. Aufl., § 40 Rn. 1 mwN). Dies dient auch dem Gesundheitsschutz (vgl. z.B. § 4 Abs. 1 und 2 der 39. BImSchV; BVerwG, NVwZ 2014, 64 Rn. 40; BVerwGE 121, 57, 60, juris Rn. 22; EuGH, NVwZ 2008, 984 Rn. 37 [Janecek]). Daher wird vertreten, dass denjenigen Personen, die unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung der Grenzwerte oder Alarmschwellen betroffen sind, gegenüber den zuständigen Behörden ein subjektiv öffentliches Recht auf die Umsetzung der in einem Maßnahmeplan vorgesehenen Verkehrsbeschränkungen nach § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG zusteht (vgl. zum Drittschutz der in einem Aktions- oder Luftreinhalteplan festgelegten Maßnahmen BVerwG, NVwZ 2007, 695 Rn. 27; VG Hannover, ZUR 2010, 208, 210, juris Rn. 19; Jarass, BImSchG, 13. Aufl., § 40 Rn. 21; BeckOK UmweltR/Reese, 60. Ed. 1.12.2017, BImSchG § 40 Rn. 13; Storost in Ule/Laubinger/Repkewitz, BImSchG, § 40 C10; Scheidler in Feldhaus, Bundesimmissionsschutzrecht, 2. Aufl., § 40 BImSchG Rn. 99; Steenbuck NVwZ 2005, 770, 771; Klinger/Löwenberg, ZUR 2005, 169, 173).
bb) Aus einer derartigen im Verhältnis zwischen Bürger und Staat drittschützenden Wirkung der Norm folgt jedoch noch nicht, dass es in der Intention des Gesetzgebers lag, dem Einzelnen generell einen individuellen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch bei einem Verstoß gegen Verkehrsbeschränkungen, die auf der Grundlage des § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG angeordnet wurden, an die Hand zu geben, wie ihn die Kläger geltend machen. Vielmehr ist insoweit Inhalt und Zweckrichtung der durch die Verkehrsbeschränkung umgesetzten Planmaßnahme in den Blick zu nehmen.
Im Streitfall wurde das Lkw-Durchfahrtsverbot nicht für bestimmte Straßen zur Reduzierung der die dortigen Anlieger beeinträchtigenden Schadstoffkonzentrationen, sondern grundsätzlich für das gesamte Stadtgebiet angeordnet, um allgemein die Luftqualität zu verbessern und der Überschreitung von Immissionsgrenzwerten entgegenzuwirken. Die Kläger sind insoweit nur als Teil der Allgemeinheit begünstigt. Bereits dies spricht gegen die Annahme, ein Schutz von Einzelinteressen in der von den Klägern begehrten Weise sei Intention des streitgegenständlichen Lkw-Durchfahrtsverbots. Unter dem potentiell drittschützenden Aspekt des Gesundheitsschutzes käme auch ein Unterlassungsanspruch des Einzelnen hinsichtlich des Befahrens der gesamten Verbotszone nicht in Betracht. Denn schon angesichts der Größe der Verbotszone kann nicht angenommen werden, dass die an einer beliebigen Stelle der Verbotszone durch Kraftfahrzeuge verursachten Immissionen für jeden Anlieger innerhalb dieser Zone die unmittelbare Gefahr einer Überschreitung der Immissionsgrenzwerte an seinem gewöhnlichen Aufenthaltsort und damit eine potentielle Gesundheitsbeeinträchtigung verursachen. Im Ergebnis lässt sich daher im Streitfall kein Personenkreis bestimmen, der durch das Lkw-Durchfahrtsverbot seinem Zweck entsprechend im Wege der Einräumung eines individuellen deliktischen Unterlassungsanspruchs bei Verstößen gegen das Verbot geschützt werden sollte. Es ist nichts ersichtlich dafür, dass § 40 Abs. 1 Satz 1 BImSchG i.V.m. der streitgegenständlichen Planmaßnahme einen Anspruch auf Normvollzug zwischen einzelnen Bürgern begründen will.
cc) Die Streitsache ist insoweit nicht mit den Fällen vergleichbar, in denen der Bundesgerichtshof dem Drittbegünstigten eines bestandskräftigen Verwaltungsaktes analog § 823 Abs. 2 i.V.m. § 1004 Abs. 1 Satz 2 BGB einen quasinegatorischen Anspruch auf Einhaltung der zu seinen Gunsten getroffenen Anordnung - unabhängig von den Voraussetzungen des § 906 BGB - zugestanden hat (vgl. BGH, Urteile vom 26. Februar 1993 - V ZR 74/92, BGHZ 122, 1, 3, 6 f., juris Rn. 10 ff.; vom 14. Oktober 1994 - V ZR 76/93, NJW 1995, 132, 134, juris Rn. 24; vom 27. September 1996 - V ZR 335/95, VersR 1997, 367 f., juris Rn. 9 f.). Dort ergab sich aus der jeweils nachbarschützenden Norm in der Konkretisierung durch den Verwaltungsakt eine hinreichend bestimmte Schutzrichtung des verletzten nachbarschützenden Gebots in den jeweiligen Anordnungen der Behörden. Hiermit ist das Verhältnis der einzelnen Bewohner innerhalb der Stuttgarter Umwelt- und Lkw-Durchfahrtsverbotszone zu einem potentiellen Störer, der mit seinem Lkw die Zone verbotswidrig befährt, nicht zu vergleichen.
dd) Entgegen der Auffassung der Revision ist der geltend gemachte Unterlassungsanspruch auch nicht aufgrund des Gebots einer möglichst wirksamen Anwendung des Gemeinschaftsrechts (effet utile) zu bejahen.
Zwar weist die Revision zu Recht darauf hin, dass die Mitgliedstaaten nach Art. 30 der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. L 152 vom 11. Juni 2008 S. 1) verpflichtet sind, für Verstöße gegen die aufgrund dieser Richtlinie erlassenen innerstaatlichen Vorschriften Sanktionen festzusetzen, die wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sind (vgl. auch Erwägungsgrund 26). Da ein Verstoß gegen das Lkw-Durchfahrtsverbot nach § 49 Abs. 3 Nr. 4 StVO, § 24 Abs. 1 StVG eine Verkehrsordnungswidrigkeit darstellt, sind insoweit jedoch hinreichende Sanktionsmöglichkeiten (Bußgeld, Fahrverbot, Entziehung der Fahrerlaubnis) vorhanden. Dass die Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten nach dem Opportunitätsprinzip im pflichtgemäßen Ermessen der Verfolgungsbehörden liegt (§ 47 Abs. 1 OWiG), ändert daran - anders als die Revision meint - nichts.
Auch aus dem von der Revision angeführten Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 25. Juli 2008 - C-237/07 ergibt sich die von den Klägern gewünschte Rechtsfolge nicht. Dort wurde zu der der Richtlinie 2008/50/EG vorhergehenden Richtlinie 96/62/EG des Rates vom 27. September 1996 über die Beurteilung und die Kontrolle der Luftqualität (ABl. L 296 vom 21. November 1996 S. 55) entschieden, dass es mit dem zwingenden Charakter einer Richtlinie, die den Schutz der öffentlichen Gesundheit bezweckt, unvereinbar sein kann, grundsätzlich auszuschließen, dass eine mit der Richtlinie auferlegte Verpflichtung von einer betroffenen Person geltend gemacht werden kann. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat daraus aber lediglich gefolgert, dass Personen, die unmittelbar von der Gefahr einer Überschreitung von Grenzwerten betroffen sind, bei den zuständigen Behörden, ggf. unter Anrufung des zuständigen Gerichts, die in der Richtlinie für diesen Fall zwingend vorgesehene Erstellung eines Aktionsplans erwirken können müssen (EuGH, NVwZ 2008, 984 Rn. 35 ff. [Janecek]). Aus dem Grundsatz des effet utile ergibt sich dagegen auch unter Berücksichtigung dieser Entscheidung eindeutig nicht das Gebot, dem Einzelnen einen zivilrechtlichen Unterlassungsanspruch bei Verstößen gegen eine Planmaßnahme der streitgegenständlichen Art zu gewähren. Ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union (Art. 267 Abs. 3 AEUV) ist daher nicht veranlasst.