Nachbarrechtlicher Ausgleichsanspruch (§ 906 Abs. 2 S. 2
BGB) und Umsatzsteuer
OLG Zweibrücken, Urteil vom
20.08.2024 - 8 U 47/24 -
Hintergrund war der Streit der Nachbarn wegen eines Überwuchses eines Baumes sowie von Entschädigungsansprüchen wegen durch den Überwuchs entstandener Schäden. Im Hinblick auf den geltend
gemachten Entschädigungsanspruch erkannte stellte das Landgericht auf ein eingeholtes Sachverständigengutachten ab, welches den Kostenaufwand mit netto € 7.600,00, brutto (d.h. einschließlich
Umsatzsteuer) mit € 9.044,00 angab. Gegen das Urteil legten die Beklagten Berufung ein du monierten, dass auch die Umsatzsteuer zugesprochen worden sei.
Das OLG gab der Berufung statt. Das Landgericht hätte die Umsatzsteuer nicht zusprechen dürfen, da der Kläger seinen Entschädigungsanspruch gem. § 906 Abs. 2 S. 2BGB lediglich fiktiv abgerechnet
habe.
Vom Ausgangspunkt her sei der Ausgleichsanspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bemessen und die §§ 249 ff BGB nicht anzuwenden (BGH, Urteil vom
25.10.2013 - V ZR 230/12 -). Bei Substanzschäden könne die Enteignungsentschädigung den vollen Schaden (also auch die Beseitigungskosten) abdecken (BGH, Urteil vom 04.07.1997 - V ZR 48/96 -). Da
bei einem Schadensersatzanspruch nach § 249 Abs. 2 S. 2 BGB die Umsatzsteuer nur ersetzt verlangt werden könne, wenn sie angefallen sei, der Anspruch auf Enteignungsentschädigung bereits vom
Grundsatz auf eine Vermögenseinbuße abstelle, gäbe es keinen Grund, bei fiktiver Geltendmachung des Anspruchs ohne entsprechende Vermögenseinbuße die Umsatzsteuer zuzusprechen. Auch das OLG
Koblenz (Urteil vom 24.02.2011 - 5 U 1146/10 -) habe zu $ 906 Abs. 2 S. 2 BGB bereits entschieden, dass die auf den Ausgleichbetrag entfallende Umsatzsteuer als Überkompensation eines Anspruchs
außer Betracht bleiben müsse; erst wenn die Sanierung tatsächlich erfolgt sei, sei dies anders zu betrachten. Entsprechend habe auch das OLG Hamm (Urteil vom 04.02.2022 – 11 U 96/21 -)
entschieden, dass bei einem öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch die Umsatzsteuer nur ersetzt verlangt werden könne, wenn die Arbeiten auch tatsächlich durchgeführt worden seien.
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) vom 30.03.2022, Az. 6 O 229/20 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
1. Die Beklagten werden verurteilt, als Gesamtschuldner an den Kläger zu 1) 7.600,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 17.09.2020 zu
zahlen.
2. Die weitergehende Klage wird abgewiesen.
3. Von den Gerichtskosten (einschließlich derjenigen des selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Frankenthal (Pfalz) zum Aktenzeichen 6 OH 6/19) haben der Kläger zu 1) 32%, die
Klägerin zu 2) 50% und die Beklagten 18% als Gesamtschuldner zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten des Klägers zu 1) (einschließlich derjenigen des selbständigen Beweisverfahrens vor dem
Landgericht Frankenthal (Pfalz) zum Aktenzeichen 6 OH 6/19) haben die Beklagten 36% als Gesamtschuldner zu tragen. Von den außergerichtlichen Kosten der Beklagten (einschließlich derjenigen des
selbständigen Beweisverfahrens vor dem Landgericht Frankenthal (Pfalz) zum Aktenzeichen 6 OH 6/19) und der Streithelferin haben der Kläger zu 1) 32% und die Klägerin zu 2) 50% zu tragen. Im
Übrigen haben die Parteien sowie die Streithelferin ihre außergerichtlichen Kosten jeweils selbst zu tragen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der Kosten der Streithelferin hat der Kläger zu 1) zu tragen.
III. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I
Die Parteien streiten über Beseitigungsansprüche wegen Überwuchses eines Baumes sowie über Entschädigungsansprüche aufgrund etwaiger, durch Überwuchs eines Baumes entstandener Schäden.
Die Parteien sind Grundstücksnachbarn. Die Kläger bewohnen das Grundstück B.-Weg ... in Ludwigshafen; ob diese Eigentümer des Hausgrundstücks sind, steht zwischen den Parteien in Streit. Die
Beklagten bewohnen das Grundstück B.-Weg ... in Ludwigshafen. In unmittelbarer Nachbarschaft der Grenze der beiden Grundstücke steht auf dem Grundstück der Beklagten eine Eiche, deren Äste auf
das Grundstück der Kläger ragen. Ferner wachsen die Seitenwurzeln der Eiche in das Grundstück der Kläger hinein und drücken auf die auf der Grundstücksgrenze der Parteien errichtete Garage der
Kläger, wodurch an dieser Risse entstanden sind.
Die Kläger haben erstinstanzlich vorgetragen,
sie seien Eigentümer des streitgegenständlichen Hausgrundstücks. Bei der streitgegenständlichen Eiche handele es sich nicht um ein Naturdenkmal. Es sei zu betonen, dass das Kappen und Ausgraben
der oberflächennahen Wurzeln die Eiche in ihrer Standfestigkeit und Vitalität nicht beeinträchtige. Der derzeitige Zustand, der infolge des Wachstums des Baumes eingetreten sei, bestehe erst seit
kürzerem.
Auch der beanspruchte Rückschnitt der Äste zeitige keine negativen Folgen für den Baum. Die streitgegenständlichen Risse hätten sich erst durch die starke Ausbildung der Oberflächenwurzeln
ergeben. Eine Werterhöhung der streitgegenständlichen Garage trete durch die sachverständigenseits vorgeschlagenen Maßnahmen nicht ein, vielmehr werde lediglich die alte Standfestigkeit
wiederhergestellt, auch ein Abzug „neu für alt“ sei nicht vorzunehmen.
Mit der vorliegenden Klage machen die Kläger in der Hauptsache einerseits Sanierungskosten für die Mauerrisse in Höhe von 9.044,00 € brutto (= 7.600,00 € netto) sowie andererseits einen Anspruch
auf Beseitigung des Überhangs der auf dem Beklagtengrundstück befindlichen Eiche geltend.
Die Kläger hatten zunächst ein selbständiges Beweisverfahren beim Landgericht Frankenthal durchgeführt, das dort unter dem Az. 6 OH 6/19 geführt und in dem Beweis erhoben worden ist durch
Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen Dr.-Ing. M... vom 11.11.2019 (Bl. 77 ff. d. Akte 6 OH 6/19) sowie eines Gutachtens des Sachverständigen Dr. F. vom 16.09.2016 (Bl. 106 ff. d. Akte
6 OH 6/19). Auf die diesbezügliche Akte wird Bezug genommen.
Die Kläger haben weiterhin erfolglos versucht, die Streitigkeit vor dem Schiedsamt der Stadt Ludwigshafen einvernehmlich beizulegen (vgl. die Erfolglosigkeitsbescheinigung v. 10.03.2020, Anlage
K2, Bl. 8 f. LGA).
Mit Schriftsatz vom 24.02.2021 ist die Stadt Ludwigshafen am Rhein dem Rechtsstreit als Streithelferin auf Seiten der Beklagten beigetreten.
Die Kläger haben erstinstanzlich beantragt,
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt an die Kläger als Gesamtgläubiger einen Betrag 9.044,00 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der
EZB seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
2. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, den Überhang der auf ihrem Grundstück B-Weg ..., ... L... wachsenden Eiche auf das Grundstück der Kläger B-Weg ..., ... L... dahingehend zu
beseitigen, dass hier ein Rückschnitt des Überhanges in mittel, oben und seitlich mindestens in einer Größenordnung von drei Metern vorgenommen wird, dass die Schnittkante die Außenwand der auf
dem Grundstück der Kläger befindlichen Garage, aus Straßensicht, links gesehen, mindestens erreicht.
Die Beklagten haben erstinstanzlich beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben erstinstanzlich vorgetragen,
einer Fällung oder Beschneidung der Äste der streitgegenständlichen Eiche stimme die Stadt L... nicht zu, da diese Maßnahmen die Eiche in ihrem Bestand gefährdeten. Dies gelte in gleicher Weise
für ein Kappen der Wurzeln, deren Beseitigung einer Zerstörung des Baumes gleichkomme. Es handele sich bei der Eiche um ein ortsbildprägendes Naturdenkmal. Weiter sei davon auszugehen, dass die
Äste schon 50 Jahre auf das Grundstück der Kläger ragten. Ferner sei der klägerseits geforderte Rückschnitt auch nicht zumutbar, da die Eiche hierbei 40% ihrer Krone verliere und an ihrer
Substanz selbst geschädigt werde. Ein etwaiger Anspruch der Kläger gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB scheitere jedenfalls auch daran, dass sich vorliegend aus § 65 BNatSchG eine
Duldungspflicht ergebe; in diesem Zusammenhang seien auch die Wertungen des öffentlichen Rechts miteinzubeziehen. Schließlich sei davon auszugehen, dass die Risse in der Garagenwand bereits vor
30 Jahren vorhanden gewesen seien, sicher aber bereits vor mehr als zehn Jahren. Weiterhin stehe die Garage der Kläger zu einem nicht unerheblichen Teil, d.h. insbesondere mit der Wand, die
Rissbildungen aufweise, auf ihrem (der Beklagten) Grundstück; es liege mithin eine unrechtmäßige Überbauung vor.
Überdies würde die sachverständigenseits vorgeschlagene Sanierung zu einer Wertverbesserung der Garage sowie der Garagenwand führen, weil sich durch die vom Sachverständigen vorgeschlagene
Sanierung mit Spiralankern die Standfestigkeit und Stabilität erhöhe, es sei daher ein Abzug „neu für alt“ vorzunehmen. Zudem trete durch die sachverständigenseits vorgeschlagenen Maßnahmen
insofern eine Wertverbesserung ein, als die Wandanstriche beidseitig erneuert würden, dies insbesondere vor dem Hintergrund, dass die Garagenwand der Kläger gar nicht gestrichen gewesen sei.
Die Beklagten haben die Einrede der Verjährung erhoben. Sie haben hierzu vorgetragen, der Anspruch auf Rückschnitt herüberragender Äste aus § 1004 Abs. 1 BGB sei verjährt; die Äste des
Baumes der Beklagten ragten schließlich schon Jahrzehnte über das Grundstück der Kläger.
Die Streithelferin hat sich erstinstanzlich dem Abweisungsantrag der Beklagten angeschlossen und weiterhin beantragt,
den Klägern die durch die Nebenintervention verursachten Kosten aufzuerlegen.
Die Akte des Landgerichts Frankenthal zum Az. 6 OH 6/19 ist erstinstanzlich beigezogen worden. Sie ist Gegenstand der mündlichen Verhandlung in der ersten Instanz gewesen.
Der Erstrichter hat Beweis erhoben durch mündliche Anhörung der Sachverständigen Dr. F. und Dr. M. Wegen des Inhalts und des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf das Protokoll der mündlichen
Verhandlung v. 30.06.2021 (Bl. 205 ff. LGA) verwiesen.
Das Landgericht hat der Klage den Antrag zu Ziff. 1) sowie den Kläger zu 1) betreffend vollumfänglich stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen. Der Erstrichter hat - soweit für die Berufung von
Bedeutung - ausgeführt, die Klägerin zu 2) sei nicht aktivlegitimiert, da allein der Kläger zu 1) im Grundbuch eingetragen sei. Es bestehe weiter ein Anspruch des Klägers zu 1) auf Zahlung von
9.044,00 € gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Insbesondere sei der Kläger zu 1) - rechtlich oder tatsächlich - gehindert gewesen, diese Einwirkungen gemäß § 1004 Abs. 1 BGB zu
unterbinden, da vorliegend im Erdreich befindliche Wurzeln die Mauer beeinträchtigt hätten und dieser Umstand dem Kläger erst nach Eintritt von Schäden bekannt geworden sei. Dies gelte umso mehr,
als das Nachbargrundstück mit der streitgegenständlichen Eiche für den Kläger zu 1) nicht ohne weiteres einsehbar gewesen sei. Weiter hätten die Beklagten an dem Baum ein Schild „Naturdenkmal“
angebracht, obwohl dies nicht den tatsächlichen Gegebenheiten entsprochen habe. Dem Anspruch stehe die Vorschrift des § 65 BNatschG nicht entgegen. Der Anspruch sei ferner durchsetzbar, da
den Beklagten der ihnen obliegende Beweis dafür, dass die Risse sich schon vor so langer Zeit gebildet haben, dass der Anspruch des Klägers zu 1) bereits verjährt wäre, nicht gelungen sei. Der
Anspruch richte sich vorliegend auf den für die Beseitigung der eingetretenen Schäden erforderlichen Geldbetrag. In Summe betrage der Kostenaufwand 7.600,00 € netto, d.h 9.044,00 € brutto. Dieser
Geldbetrag sei zur Beseitigung der durch überwachsenden Wurzeln gemäß dem Gutachten des Sachverständigen Dr. M... erforderlich. Ein Abzug „neu für alt“ sei nicht vorzunehmen, da nach den
nachvollziehbaren Angaben des Sachverständigen keinerlei Wertverbesserung durch die angedachte Maßnahme eingetreten sei.
Demgegenüber sei ein etwaiger Beseitigungsanspruch (§ 1004 Abs. 1 S. 1 BGB) des Klägers zu 1) hinsichtlich der auf das Grundstück des Klägers zu 1) herübergewachsenen Baumkrone
verjährt. Die Verjährung dieses (der Regelverjährung unterliegenden) Anspruchs beginne ab dem Zeitpunkt, ab dem der Gläubiger Kenntnis oder grobfahrlässige Unkenntnis des erstmaligen
Herüberwachsens habe. Das erstmalige Herüberwachsen liege jedoch bereits Jahrzehnte zurück, dies ergebe sich allein aufgrund der Lage des Baumes an der Grundstücksgrenze. Ein etwaiger
Duldungsanspruch des Klägers zu 1) aus § 910 BGB sei nicht zuzusprechen gewesen, da es sich insoweit um ein „Aliud“ zum Beseitigungsanspruch handele.
Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die - im Wesentlichen unter Bezugnahme auf den erstinstanzlichen Vortrag - wie folgt begründet wird:
Das Urteil des Landgerichts Frankenthal, das insoweit angegriffen werde, als die Beklagten zur Zahlung eines Betrages von mehr als 7.600,00 € verurteilt worden seien, sei insofern
rechtsfehlerhaft, als auch die Umsatzsteuer i.H.v. 1.444,00 € durch den Erstrichter zugesprochen worden sei. Der Erstrichter habe diesbezüglich - obwohl die Kläger unstreitig auf Gutachtenbasis
abrechneten - argumentiert, die Vorschrift des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB gelte nur für Schadensersatzansprüche, nicht jedoch den Anspruch aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Die
Entschädigung erschöpfe sich in der Kompensation entstandener Nachteile und stelle damit im Vergleich zum Schadensersatz ein „Weniger“ dar.
Die Beklagten beantragen,
das Urteil des Landgerichts Frankenthal vom 30.03.2022, Az. 6 O 229/20 wird in Ziffer 1) dahingehend abgeändert, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verurteilt werden, an den Kläger 7.600,00 €
nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz seit 17.09.2020 zu zahlen.
Die Klage wird in Höhe von 1.444,00 € abgewiesen.
Der Kläger zu 1) beantragt sinngemäß,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung unter Bezugnahme auf die tragenden Gründe des landgerichtlichen Urteils und trägt weiter vor,
der Erstrichter habe zutreffend ausgeführt, dass der Anspruch gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB auf den zur Beseitigung eingetretener Schäden erforderlichen Bruttobetrag gerichtet sei,;
für eine analoge Anwendung von § 249 Abs. 2 S. 2 BGB sei kein Raum.
II
Die zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg, da das angegriffene Urteil insoweit auf einer Rechtsverletzung beruht (§§ 513
Abs. 1, 546 ZPO), als der Erstrichter auch die Umsatzsteuer zugesprochen hat, obwohl der Kläger seinen Entschädigungsanspruch gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB lediglich fiktiv
abrechnet.
Der Anspruch gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB umfasst bei einer sog. fiktiven Abrechnung nicht die Umsatzsteuer. Im Ausgangspunkt ist insofern festzuhalten, dass der Ausgleichsanspruch
aus § 906 Abs. 2 S. 2 BGB gemäß ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bemessen ist; die §§ 249 ff. BGB sind nicht
anzuwenden (st. Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 25.10.2013 - V ZR 230/12, NJW 2014, 458 [461]; BGH, Urt. v. 19.9.2008 - V ZR 28/08, NJW 2009, 762 [765]; BGH, Urt. v. 1.2.2008 - V ZR 47/07, NJW 2008, 992
[993]; BGH, Urt. v. 30.5.2003 - V ZR 37/02, NJW 2003, 2377 [2380] jeweils m.w.N.). Im Rahmen der Enteignungsentschädigung kann bei Substanzschäden der Anspruch den vollen Schaden abdecken, d.h.
insbesondere die Beseitigungskosten (BGH, Urt. v. 04.07.1997 - V ZR 48/96, NJW-RR 1997, 1374 [1375] m.w.N.).
Hiervon ausgehend sind jedoch - da bereits bei einem Schadensersatzanspruch die Regelung des § 249 Abs. 2 S. 2 BGB gilt, d.h. die Umsatzsteuer nur zu ersetzen ist, wenn sie
angefallen ist - keine durchgreifenden Gründe ersichtlich, bei einem nach den Grundsätzen der Enteignungsentschädigung zu bemessenden Anspruch - über die insoweit beim Schadensersatz geltenden
Grundsätze hinausgehend - auch bei fiktiver Geltendmachung der Beseitigungskosten die Umsatzsteuer zuzusprechen, da die Entschädigung - im Unterschied zum Schadensersatz - die durch die zu
duldende Einwirkung eingetretene Vermögenseinbuße beseitigen soll (vgl. BGH, Urt. v. 23. 7. 2010 - V ZR 142/09, NJW 2010, 3160, Rn. 8). Eine solche Vermögenseinbuße ist jedoch bei fiktiver
Geltendmachung der Beseitigungskosten in Bezug auf die Umsatzsteuer gerade (noch) nicht eingetreten.
Dementsprechend hat etwa auch das OLG Koblenz (Urt. v. 24.2.2011 - 5 U 1146/10, BeckRS 2012, 9670) bezogen auf den nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch entschieden, dass bei einem gemäß
§ 906 Abs. 2 S. 2 BGB zu leistenden Ausgleichsbetrag die darauf entfallende Umsatzsteuer vor dem Hintergrund des allgemeinen ersatzrechtlichen Leitgedankens, wonach eine
Überkompensation tunlichst zu vermeiden ist, außer Betracht bleiben müsse. Dies sei erst dann anders zu beurteilen, wenn die Sanierung tatsächlich erfolgt sei. Übereinstimmend damit hat auch das
OLG Hamm im Zusammenhang mit einem öffentlich-rechtlichen Entschädigungsanspruch entschieden, dass die anfallende Umsatzsteuer erst ersetzt dann verlangt werden kann, wenn die Arbeiten
tatsächlich durchgeführt worden seien (Urt. v. 4.2.2022 - 11 U 96/21, BeckRS 2022, 5494 Rn. 33).
Demnach besteht vorliegend kein Anspruch des Klägers zu 1) auf Erstattung der Umsatzsteuer, so dass das angegriffene Urteil des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) auf die Berufung der Beklagten
abzuändern war.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 91 Abs. 1, 92 Abs. 1, 100 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 10, § 711, § 713 ZPO.