Nachbarrecht


Laubfall – kein nachbarlicher Abwehr- oder Ausgleichsanspruch

AG München, Urteil vom 26.02.2013 – 114 C 31118/12 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Das AG München musste sich mit der Frage auseinandersetzen, ob ein Grundstückseigentümer Ansprüche wegen Laubfalls auf sein Grundstück durch den Baum auf dem Nachbargrundstück geltend machen kann. Das Amtsgericht verneinte den Anspruch.

 

Die Parteien sind benachbarte Grundstückseigentümer. Auf dem Grundstück der Beklagten steht ein alter Lindenbaum, dessen Äste sogar über die Grundstücksgrenze auf das Grundstück der Klägerin ragen. Die Klägerin behauptet, jedes Jahr würde ihr Grundstück durch Samen, Blätter, Äste usw. des Lindenbaums in einem Radius von 30m bedeckt, es würden sich auf der Garagenzufahrt und dem Garagentor Laubhügel bilden und die Regenrinne würde vom Laub verstopft. Wegen dieser Beeinträchtigungen begehrte sie eine „Laubrente“ in Höhe von € 500,00/Jahr.

 

Das Amtsgericht verweist auf § 906 BGB. Wesentliche Beeinträchtigungen durch die ortsübliche Benutzung eines Grundstücks, müssen vom Nachbar geduldet werden, wenn dies nicht durch angemessene Maßnahmen verhindert werden kann. In diesem Fall hat der Grundstücksnachbar einen Anspruch auf einen angemessenen Ausgleich in Geld.

 

 Die hier von der Klägerin benannten Beeinträchtigungen zählt das Amtsgericht zu ähnlichen Einwirkungen i.S.v. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB. Es lässt allerdings dahinstehen, ob es sich um wesentliche Beeinträchtigungen handelt, die hier von der Klägerin vorgetragen wurden. Denn es läge auf Seiten des Beklagten eine ortsübliche Nutzung vor, und der Laubfall stelle eine ortsübliche Einwirkung dar, da, da eine entsprechende Gartenbepflanzung hier dem Charakter des Gebiets entspräche.

 

Die Beklagten könnten die vom Baum ausgehende Beeinträchtigung auch nicht mit wirtschaftlich zumutbaren Maßnahmen verhindern.

 

 

Und entscheidend ist, dass  - so das Amtsgericht – die Einwirkungen das Grundstück der Klägerin nicht über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigen würden. Abzustellen wäre hier auf das Empfinden eines Durchschnittnutzers. Selbst wenn die Klägerin, wie sie vorträgt, 3-4mal im Jahr die Regenrinne reinigen müsse und jährlich 10-15 80 Liter-Tonnen an Laub entsorge (und dies 90% des Laubs des Lindenbaums sind, wäre dies vom Durchschnittsbenutzer hinzunehmen, da dies vom Gebietscharakter geprägt wird. 

 

Aus den Gründen:

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leisten.

Beschluss

Der Streitwert wird auf 2.900,00 € festgesetzt.

Tatbestand

Die Parteien streiten um Ansprüche auf Geldrente rückwirkend seit dem Jahr 2010.

Die Parteien sind benachbarte Eigentümer der Grundstücke in der A.- Straße in H.. Die Grundstücke befinden sich in einer begrünten Wohngegend. Auf dem Grundstück der Beklagten steht ein alter Lindenbaum mit großen Volumen. Der Stamm des Baumes ist ca. 10 bis 12 Meter von der Grundstücksgrenze der Klägerin entfernt. Die Äste des Lindenbaumes ragen nicht über die Grundstücksgrenze. Die Beklagten wurden mit anwaltlichen Schreiben vom 15.09.2010 aufgefordert eine Laubrente in Höhe von € 500,00 im Jahr zu bezahlen. Eine Zahlung erfolgte nicht.

Die Klägerin behauptet, durch Blüten, Samen, Blätter und Äste vom Lindenbaum der Beklagten sei ihr Grundstück mehrmals im Jahr in einem Radius von mindestens 30 m bedeckt, im Herbst bilde sich aus Blättern eine mehr als 10 cm dicke Schicht. Vom streitgegenständlichen Lindenbaum wehe fast alles auf ihr Grundstück, in einem Verhältnis von ca. 90 % zu 10 %. Dadurch seien nicht nur der gepflegte Rasen und der Gemüsegarten bedeckt, sondern auch die Regenrinnen verstopft. Zudem würden sich auf der Garagenzufahrt und vor dem Garagentor Laubhaufen bilden. Die Pflege des Gartens sei der Klägerin dadurch erheblich erschwert, dass sie die Regenrinnen mindestens 3-4 mal im Jahr reinigen und jährlich 10-15 80 I Tonnen an Laub entsorgen müsse. Außerdem trägt sie vor, die Äste zum hinteren Teil des klägerischen Grundstücks würden allenfalls einen Abstand von 1 Meter zur Grundstücksgrenze einhalten. Sie meint, die Beeinträchtigung durch Blüten-, Laub-, Samen und Ästefall überschreite die ortsübliche Benutzung ihres Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus.

Die Klägerin beantragt,

I. Die Beklagten werden verurteilt, an die Klägerin € 1.500,00 an rückständiger Laubrente für die Jahre 2010 bis 2012 zu zahlen.

II. Es wird festgestellt, dass die Beklagten zur Zahlung einer Laubrente von € 500,00 jährlich an die Klägerin verpflichtet sind.

Die Beklagten beantragen Klageabweisung. Die Äste stünden in einem Abstand von mindestens 3,5 Meter zum nachbarschaftlichen Grundstück der Klägerin. Das Laub könne nur erschwert auf das gegnerische Grundstück geweht werden, weil der Baum auf einem abgedeckten Teil des Grundstücks stehe. Die Laubmengen, die durch die Klägerin entsorgt werden müssten, beträfen den gesamten Laubanfall auf dem Grundstück der Klägerin, keinesfalls stammen diese überwiegend von ihrem Lindenbaum.

Im Übrigen wird zur Ergänzung des Parteivorbringens Bezug genommen auf die gewechselten Schriftsätze von 21.11.2012 und 21.1.2013 und auf das Protokoll der öffentlichen Sitzung vom 5.2.2013.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Laubrente in Höhe von jährlich 500,00 €, weder für die Jahre 2010 bis 2012 noch für die zukünftigen Jahre.

1. Der Klägerin steht gegen die Beklagten kein Anspruch auf Zahlung von € 1.500,00 gemäß § 906 Abs. 2 S. 2 BGB zu. Der Laubanfall durch den streitgegenständlichen Lindenbaum stellt eine ortsübliche Benutzung dar, die die Klägerin dulden muss, da sie nicht über das zumutbare Maß hinausgeht.

Gehen von der ortsüblichen Benutzung eines Grundstücks Einwirkungen i. S. v. § 906 Abs. 1 S. 1 BGB auf ein anderes Grundstück aus und beeinträchtigen sie dessen Benutzung wesentlich, muss der betroffene Grundstückseigentümer die Einwirkungen dulden, wenn die Beeinträchtigungen nicht durch Maßnahmen verhindert werden können, die Benutzern dieser Art wirtschaftlich zumutbar sind, § 906 Abs. 2 S. 1 BGB. In diesem Fall kann der Grundstückseigentümer von dem Benutzer des anderen Grundstücks einen angemessenen Ausgleich in Geld nach § 906 Abs. 2 S. 2 BGB verlangen, wenn die Einwirkung eine ortsübliche Benutzung seines Grundstücks oder dessen Ertrag über das zumutbare Maß hinaus beeinträchtigt.

Das Abfallen von Lindenlaub und Lindenblüten auf ein Nachbargrundstück gehört zu den ähnlichen Einwirkungen i. S. des § 906 Abs. 1 S. 1 BGB. Für die Beurteilung der Beeinträchtigung als wesentlich oder unwesentlich ist maßgebend, in welchem Ausmaß die Benutzung nach der tatsächlichen Zweckbestimmung des Grundstücks gestört wird (Münch-Komm, 5. Aufl., § 906 Rn. 34). Maßstab ist dabei das Empfinden eines verständigen Durchschnittsbenutzers des betroffenen Grundstücks in seiner, durch Natur, Gestaltung und Zweckbestimmung geprägten konkreten Beschaffenheit und nicht durch das subjektive Empfinden des Gestörten (Pal., 70. Aufl., § 906 Rn. 17). Für ein Wohngrundstück ist maßgeblich, ob das Wohnen an Annehmlichkeiten verliert und der Grundstückswert dadurch gemindert wird. Soweit die Klägerin geltend macht, ihr Grundstück sei im Frühjahr mit Blüten und im Herbst mit Laub vom streitgegenständlichen Lindenbaum bedeckt, handelt es sich um jahreszeitlich bedingte und beschränkte Einwirkungen. Ein durchschnittlich empfindender und denkender Anwohner ohne besondere Empfindlichkeit würde die geschilderten Beeinträchtigungen ohne Entschädigungsverlangen hinnehmen. Die wesentliche Beeinträchtigung könnte nur dann bejaht werden, wenn die Einwirkungen des Lindenbaums bereits objektiv feststellbare physische Auswirkungen auf das Eigentum der Klägerin hätten. Insoweit fehlt es aber an einem Vortrag der Klägerin.

Letztlich kann aber die Wesentlichkeit der Beeinträchtigung dahinstehen. Diese Beeinträchtigungen sind hinzunehmen, denn sie sind auf eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Beklagten zurückzuführen und können durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen nicht verhindert werden. Ortsüblich ist eine Nutzung dann, wenn sie typisch ist, d. h. die Mehrheit der Vergleichsgrundstücke des Bezirks so genutzt werden, dass diese nach Art und Maß in annähernd gleicher Weise wie das störenden Grundstück Beeinträchtigungen der Umgebung zur Folge haben. Maßgebend ist das Gepräge, das sich aus der Betrachtung des aktuellen, tatsächlichen Zustands der Mehrheit der Vergleichsgrundstücke ergibt (vgl. MünchKomm, 5. Aufl., § 906 Rn. 92). Danach liegt bei Laubfall von einem Nachbargrundstück eine ortsübliche Einwirkung vor, sofern eine solche Bepflanzung von Gartengrundstücken dem Charakter der Gegend entspricht. Dabei ist die Frage der Ortsüblichkeit nicht an der einzelnen Art des Laubbaumes zu orientieren. In einer stark durchgrünten Wohngegend, wo auf nahezu allen Grundstücken Laubbäume unterschiedlicher Art stehen, wird der Charakter des Gebiets durch die Baumbepflanzung schlechthin geprägt. Aufgrund der vorhandenen Fotos der Umgebung konnte sich das Gericht den Eindruck verschaffen, dass es sich vorliegend um eine durchgrünte Wohngegend handelt. Die Mehrheit der Grundstücke in der fraglichen Gegend sind stark mit Bäumen unterschiedlicher Art bepflanzt, wobei auch andere Lindenbäume vorhanden sind. Die starke Bepflanzung der Vergleichsgrundstücke mit Laubbäumen unterschiedlicher Art beeinflusst daher das Profil der Gegend und spricht für die Ortsüblichkeit der Bepflanzung des Grundstücks der Beklagten mit einem Lindenbaum. An der Ortsüblichkeit bestehen auch deshalb keine Zweifel, weil der streitgegenständlicher Lindenbaum den nach Art. 47 Abs. 1 BayAGBGB gebotenen Grenzabstand einhält.

Die Beklagten können die von dem Lindenbaum ausgehenden Einwirkungen auch nicht durch wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen verhindern.

Die Einwirkungen beeinträchtigen eine ortsübliche Benutzung des Grundstücks der Klägerin entgegen ihrer Ansicht nicht über das zumutbare Maß hinaus i. S. des § 906 Abs. 2 S. 2 BGB. Auch hinsichtlich der Unzumutbarkeit ist auf das Empfinden eines verständigen Durchschnittsbenutzers, nicht des konkreten Benutzers des betroffenen Grundstücks, in seiner örtlichen Beschaffenheit, Ausgestaltung und Zweckbestimmung, abzustellen. Die Klägerin trägt vor, sie müsse die Regenrinnen mindestens 3-4 mal im Jahr reinigen und jährlich 10-15 80 I Tonnen an Laub entsorgen, das zu 90 % Laub des streitgegenständlichen Lindenbaumes sei. Abgesehen von Zweifeln des Gerichts, dass – wegen der Lage der Baumes auf dem Grundstück auf einem abgedeckten Teil und der Entfernung bis zur Grundstücksgrenze –, 90 % des Laubes vom Baum auf das Nachbargrundstück geweht werden sollen, ist der vorgetragene Reinigungsaufwand durch einen durchschnittlich empfindenden und denkenden verständigen Durchschnittsbenutzer hinzunehmen. Die benachbarten Grundstücke befinden sich in einem seit vielen Jahren gewachsenen Wohngebiet mit hohem Baumbestand. Infolgedessen ist das Grundstück der Klägerin wie auch die Mehrheit der Vergleichsgrundstücke dem Abfallen von Laub, Blüten und Ästen der fremden und eigenen Bäume ausgesetzt. Deshalb muss die Klägerin, ebenso wie auch andere Grundstücksnutzer in der Gegend, regelmäßig Reinigungsarbeiten vornehmen, wozu auch die Reinigung von Regenrinnen und Beseitigung von Laub gehört, auch wenn es Zeit und Geld kostet. Das Alter und das eigene Vermögen des Grundstücksbenutzers spielen dabei keine Rolle. Die Klägerin genießt das Wohnen im Grünen als Lagevorteil, daher muss sie den damit verbundenen Nachteil der erhöhten Grundstücksverschmutzung durch pflanzliche Bestandteile in Kauf nehmen. Auch das gewachsene Umweltbewusstsein in weiten Kreisen der Bevölkerung, welches das Anpflanzen und Halten von Bäumen auch in Wohngebieten als erstrebenswert ansieht, spricht gegen die Beeinträchtigung der Klägerin in der ortsüblichen Benutzung ihres Grundstücks über das zumutbare Maß hinaus.

2. Auf Grund des fehlenden Anspruchs gem. § 906 Abs. 2 S. 2 BGB ist auch der Feststellungsantrag unbegründet.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 708 Nr. 11, 711 ZPO.

Die Streitwertfestsetzung richtet sich nach §§ 3, 9 ZPO, 63 Abs. 2 GKG.