Zur Frage, ob Einrichtungsgegenstände/Einbauten des
Vormieters Bestandteile der Mietsache im
Verhältnis zwischen Nachmieter und Vermieter wurden
BGH, Beschluss vom 27.09.2017 -
XII ZR 54/16 –
Kurze Inhaltsangabe:
Die Parteien streiten hier noch um die Räumungspflicht nach Kündigung und Zahlung rückständigen Mietzinses. Die Klägerin hatte von der Streithelferin der jetzigen Beklagten (und Vermieterin)
Gewerberäume angemietet, in denen es zu einem Wasserschaden kam. Nachdem weder die Streithelferin noch die Beklagte bereit waren, den Wasserschaden zu beseitigen. Stellte die Klägerin die
Mietzahlungen für den Zeitraum August 2013 bis Februar 2014 ein und nahm die Reparaturen selbst vor. Dabei handelte es sich um einen auf dem Fußboden verklebten Teppichboden, eine
Trockenbauwand und einem als Holzkonstruktion errichteten Barpodest. Die Beklagte kündigte das Mietverhältnis und verlangte Zahlung, gegen die die Klägerin Aufrechnung mit ihrem
Schadensersatzanspruch erklärte.
Streitentscheidend war, ob es sich bei den beschädigten Sachen um Mietsachen handele (so die Klägerin) oder nicht. Das OLG stellte in seiner die Klage abweisenden und auf der auf Räumung und
Zahlung des Mietzinses gerichteten Widerklage des Beklagten stattgebenden Entscheidung darauf ab, dass es sich nicht um Mietgegenstände handele, weshalb die Klägerin für diese selbst
verantwortlich sei. Dies ergäbe sich aus dem am 20.03.2009 zwischen der Klägerin und der Vormieterin abgeschlossenen Kaufvertrag, wonach das gesamte „bewegliche und unbewegliche Inventar“ an die
Klägerin verkauft sei. Gegen die Behauptung der Klägerin, dass die bodenständig verbundenen Gegenstände (wie die das Barpodest) nicht mit veräußert worden wäre, spräche bereits die Höhe des
vereinbarten Kaufpreises (der sich schlüssig anders nicht erklären ließe) als auch der eindeutige Wortlaut des Kaufvertrages. Den für den von der Klägerin benannten Zeugenbeweisantrag dazu,
welche Gegenstände mit der Formulierung im Kaufvertrag gemeint seien, ging das OLG nicht nach.
Der BGH hob im Umfang der Revision das Urteil auf und verwies den Rechtsstreit an das OLG zurück. Das OLG habe das rechtliche Gehör (Art. 103 GG) der Klägerin verletzt. Es habe seine Überzeugung,
dass insbesondere die Trockenbauwand und das Barpodest vertragsgegenständlich seien, lediglich aus dem Begriff „unbewegliches Inventar“ in der Vertragsurkunde entnommen. Zwar obliege dem
Tatrichter die Auslegung einer Individualvereinbarung, wie sie hier vorläge, und der Wortlaut einer Vereinbarung sei Ausgangspunkt für eine Auslegung. Allerdings gingen der übereinstimmende
Parteiwille dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vor, auch dann, wenn dieser Wille in der Urkunde keine oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden habe. Die Klägerin habe ihr
abweichendes Verständnis des Inhalts der Urkunde im Sinne eines gemeinschaftlichen Willens von ihr und dem Vormieter unter Beweis gestellt. Damit hätte dem das OLG nachgehen müssen. Es sei nicht
auszuschließen, dass der angebotene Beweis zu einem anderen Verständnis der Reichweite der Vereinbarung zwischen der Klägerin und der Vormieterin führe. Hätte der Mieter (die Klägerin) die
Gegenstände nicht vom Vormieter übernommen, hänge es von der Auslegung des Mietvertrages zwischen der Klägerin und dem Vermieter ab, ob die vom Vormieter zurückgelassenen Einrichtungsgegenstände
als Bestandteile der Mietsache mitvermietet worden seien. Sei dies der Fall (wovon bei den mit der Mietsache fest verbundenen Einbauten mangels einer anderweitigen Vereinbarung im Zweifel
auszugehen sei), erstrecke sich die Gebrauchsgewährungsverpflichtung des Vermieters nach § 535 Abs. 1 S. 2 BGB auch auf diese.
Der von der Klägerin erklärten Aufrechnung habe auch das im Mietvertrag enthaltene formularmäßige Aufrechnungsverbot nicht entgegengestanden. Eine Klausel, die die Möglichkeit der Aufrechnung mit
einer unbestrittenen Forderung zusätzlich (wie hier) davon abhängig mache, dass sie durch den Vermieter anerkannt werden müsse, würde den Mieter iSv. § 307 BGB unangemessen benachteiligen und
wäre somit insgesamt unwirksam mit der Folge, dass ein Aufrechnungsverbot nicht greifen würde.
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 7. April 2016 zugelassen, soweit darin die
Berufung der Klägerin gegen ihre auf die Widerklage erfolgte Verurteilung zur Räumung und Herausgabe sowie zur Zahlung von mehr als 9.971,91 € nebst Zinsen in Höhe von 8
Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 5.271,70 € seit dem 5. Juli 2014 und aus einem Betrag von 4.700,21 € seit dem 5. Juni 2014 zurückgewiesen worden ist.
Auf die Revision der Klägerin wird das vorgenannte Urteil im Kostenpunkt und im Umfang der Zulassung aufgehoben. Die Sache wird im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und
Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Wert: 92.558 €
Gründe
I.
Die Klägerin schloss im März 2009 mit der Streithelferin des Beklagten einen gewerblichen Mietvertrag über ein als Club ("Varieté-Theater") genutztes Objekt. In § 5.3 des
Vertrags war formularmäßig vorgesehen, dass der Mieter gegenüber Ansprüchen des Vermieters nur mit Gegenansprüchen aufrechnen oder ein Zurückbehaltungsrecht ausüben darf, wenn der
Gegenanspruch oder das Zurückbehaltungsrecht vom Vermieter anerkannt oder rechtskräftig festgestellt wurde. Im August 2011 ereignete sich ein Starkregen, in dessen Folge Wasser in die
Mieträume eindrang. Die Klägerin macht insbesondere geltend, dass dadurch Wasserschäden an dem auf dem Fußboden verklebten Teppichboden, an einer Trockenbauwand sowie an einem als
Holzkonstruktion errichteten Barpodest entstanden seien. Nachdem weder die Streithelferin noch der Beklagte, der die Immobilie im Jahr 2012 von der Streithelferin erworben hatte, zur
Beseitigung der Wasserschäden oder zur Kostenübernahme bereit waren, zahlte die Klägerin zwischen August 2013 und Juli 2014 keine Miete mehr. Der Beklagte kündigte das Mietverhältnis
im Februar 2014 fristlos wegen Zahlungsverzugs.
Die Klägerin hat mit ihrer Klage von dem Beklagten die Kosten für die von ihr veranlassten Reparaturen der Wasserschäden sowie für einen Betriebsausfallschaden in einer Gesamthöhe von
71.724,99 €, gegebenenfalls unter Verrechnung der nicht gezahlten Mieten geltend gemacht. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen und die Klägerin auf die Widerklage des Beklagten
zur Räumung und Herausgabe der Mieträume und zur Zahlung von 63.260,40 € rückständiger Miete nebst Zinsen verurteilt. Mit ihrer dagegen gerichteten Berufung hat die Klägerin ihr
Zahlungsbegehren noch in einer Höhe von 66.202,50 € weiterverfolgt und Abweisung der Widerklage beantragt. Das Oberlandesgericht hat die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin wendet sich mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde nur noch gegen ihre Verurteilung zur Räumung und Herausgabe der Mieträume sowie gegen ihre Verpflichtung zur Zahlung
rückständiger Miete von mehr als 9.971,91 € nebst Zinsen.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist begründet. Die zuzulassende Revision führt im Umfang der Anfechtung des Berufungsurteils durch
die Klägerin zu dessen Aufhebung und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht (§ 544 Abs. 7 ZPO).
1. Das Berufungsgericht hat - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - seine Entscheidung wie folgt begründet: Der Klägerin stünden nicht deswegen Ansprüche zu, weil der
Beklagte als Vermieter mit der Beseitigung der von ihm nicht zu vertretenden Wasserschäden in Verzug geraten wäre. Die Pflicht des Vermieters zur Instandhaltung gelte nicht für
Einbauten wie Theken, Podeste oder Wandverkleidungen, die der Mieter selbst eingebracht habe. Sie umfasse lediglich Einrichtungen wie Fußböden oder Türen, Fenster und Wände, die zum
festen Bestandteil der Mietsache gehörten. Im vorliegenden Fall mache die Klägerin ganz überwiegend Schäden an solchen Einrichtungen geltend, die nicht im Eigentum des Beklagten
stünden, sondern für deren Instandhaltung die Klägerin als Eigentümerin selbst verantwortlich sei. Dies ergebe sich aus dem am 20. März 2009 abgeschlossenen Kaufvertrag zwischen der
Klägerin und der Vormieterin des Objektes, wonach das gesamte "bewegliche und unbewegliche Inventar" des Clubs für einen Kaufpreis von 70.000 € an die Klägerin verkauft worden sei.
Gegen die Behauptung der Klägerin, dass die bodenfest verbundenen Gegenstände - insbesondere das in Form einer Holzkonstruktion aufgebaute Barpodest - nicht mit veräußert worden
seien, spreche der eindeutige Wortlaut des Kaufvertrags und der Umstand, dass sich der hohe Kaufpreis von 70.000 € allein durch den Verkauf des beweglichen Mobiliars, welches in einem
gebrauchten Zustand gewesen sei, nicht schlüssig erklären lasse. Anhaltspunkte für einen möglichen "Anspruch aus § 535 Abs. 1 Satz 2 BGB" seien daher allein
hinsichtlich der zerstörten Fußböden denkbar. Die von der Klägerin eingereichten Abrechnungen und Auflistungen über die im Mietobjekt durchgeführten Sanierungsarbeiten ermöglichten
aber wegen fehlender Differenzierung keine Überprüfung, ob der Klägerin zumindest ein Teilbetrag wegen der Erneuerung des Fußbodens zugesprochen werden könne.
2. Zu Recht beanstandet die Klägerin, dass das Berufungsgericht seine Feststellungen zum Vertragsgegenstand der schriftlichen Vereinbarung vom 20. März 2009 unter Verletzung des
Anspruchs der Klägerin auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) getroffen hat.
a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Dabei soll das Gebot des
rechtlichen Gehörs als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und
Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die
Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine
Stütze findet (Senatsbeschlüsse vom 5. Oktober 2016 - XII ZR 130/15 - juris Rn. 10 und vom 7. September 2011 - XII ZR 114/10 - GuT 2012, 268 Rn. 9 mwN). Das gilt auch und insbesondere
dann, wenn diese Nichtberücksichtigung auf vorweggenommener tatrichterlicher Beweiswürdigung beruht, also der von einer Partei angebotene Beweis nicht erhoben wird, weil das Gericht
dem unter Beweis gestellten Vorbringen wegen seiner bereits gewonnenen Überzeugung kein Gewicht mehr beimisst (BGH Beschluss vom 19. Januar 2012 - V ZR 141/11 - WuM 2012, 164 Rn. 8
mwN).
b) Das Berufungsgericht hat seine Überzeugung, dass insbesondere die Trockenbauwand und das aus Holz gefertigte Podest von der Vereinbarung zwischen der Klägerin und der
ausscheidenden Mieterin umfasst gewesen seien, aus seinem Verständnis des in der Vertragsurkunde verwendeten Begriffs "unbewegliches Inventar" gewonnen, den das Berufungsgericht für
eindeutig hält. Zwar gehört zu den anerkannten Grundsätzen für die - an sich dem Tatrichter vorbehaltene - Auslegung einer Individualvereinbarung, dass der Wortlaut der Vereinbarung
den Ausgangspunkt einer Auslegung bildet. Jedoch geht der übereinstimmende Parteiwille dem Wortlaut und jeder anderen Interpretation vor, selbst wenn er im Inhalt der Erklärung keinen
oder nur einen unvollkommenen Ausdruck gefunden hat (Senatsbeschluss vom 30. April 2014 - XII ZR 124/12 - juris Rn. 17 mwN; BGH Beschluss vom 11. November 2014 - VIII ZR 302/13 - NJW
2015, 409 Rn. 11 mwN). Im Streitfall hat die Klägerin sowohl in erster als auch in zweiter Instanz zu einem abweichenden Verständnis des Kaufvertrags vorgetragen und durch Vernehmung
des Zeugen S. unter Beweis gestellt, dass mit "unbeweglichem Inventar" lediglich die Bar und die Theke des Lokals gemeint gewesen sein sollen. Da sich aus der Erhebung des von der
Klägerin angebotenen Beweises wesentliche Erkenntnisse für die Auslegung des Kaufvertrags hätten ergeben können, konnte es diesen Beweisantrag nicht unter Hinweis auf einen
vermeintlich eindeutigen Vertragswortlaut übergehen, ohne dadurch den Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör zu verletzen (vgl. Senatsbeschluss vom 30. April 2014 - XII ZR 124/12
- juris Rn. 17; BGH Urteil vom 15. Februar 2017 - VIII ZR 284/15 - MDR 2017, 597 Rn. 28). Die vom Berufungsgericht zur Stützung seines Auslegungsergebnisses angestellten Erwägungen
zum schlüssigen Zusammenhang zwischen der Höhe des Kaufpreises und dem Gegenstand des Kaufvertrags stellen insoweit lediglich eine - unzulässige - vorweggenommene Beweiswürdigung dar,
für die es im Übrigen an einer belastbaren tatsächlichen Grundlage fehlt.
3. Der von der Klägerin gerügte Gehörsverstoß ist auch entscheidungserheblich.
a) Es ist nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht bei Erhebung des gebotenen Beweises zu einem abweichenden Verständnis von der Reichweite der Vereinbarung zwischen der
Klägerin und dem Vormieter gelangt wäre. Hat der neue Mieter die von dem Vormieter in die Mietsache eingebrachten Einrichtungen (hier insbesondere den Fußbodenbelag, die in
Leichtbauweise errichtete Zwischenwand und das Holzpodest) und das damit verbundene Recht zur Wegnahme dieser Einrichtungen (§ 539 Abs. 2 BGB) nicht im Wege einer
Ablösungsvereinbarung übernommen, hängt es von der Auslegung des Mietvertrags zwischen dem Vermieter und dem Nachmieter ab, ob die von dem Vormieter in den Mieträumen zurückgelassenen
Einrichtungen als Bestandteile der Mietsache mitvermietet worden sind oder nicht. Ist dies der Fall, wovon jedenfalls bei solchen, fest mit der Mietsache verbundenen Einbauten mangels
einer ausdrücklich entgegenstehenden Vereinbarung im Zweifel auszugehen sein dürfte, erstreckt sich die Gebrauchsgewährungspflicht (§ 535 Abs. 1 Satz 2 BGB) des
Vermieters auch auf diese Einrichtungen. Dann ist es auch nicht auszuschließen, dass das Berufungsgericht beim Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen des § 536 a Abs. 2
Nr. 1 BGB einen Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin wegen Verzugs des Beklagten - und/oder der Streithelferin - mit der Beseitigung der streitgegenständlichen Wasserschäden
insbesondere an der Trockenbauwand und dem Holzpodest bejaht hätte.
b) Die Entscheidung des Berufungsgerichts erweist sich - soweit sie angefochten worden ist - auch nicht aus anderen Gründen ganz oder teilweise als richtig. Insbesondere stand der
Aufrechnung mit einem etwaigen Aufwendungsersatzanspruch der Klägerin gegen die laufende Miete - was schon das Berufungsgericht zutreffend erkannt hat - das im vorliegenden
Mietvertrag formularmäßig vereinbarte Aufrechnungsverbot nicht entgegen. Der Mieter von Geschäftsräumen wird durch eine Formularklausel, die dahingehend ausgelegt werden kann, dass
die Möglichkeit der Aufrechnung mit einer unbestrittenen Forderung zusätzlich von deren Anerkennung durch den Vermieter abhängig ist, im Sinne von § 307 BGB unangemessen
benachteiligt, so dass die Klausel insgesamt unwirksam ist (vgl. Senatsurteil vom 27. Juni 2007 - XII ZR 54/05 - NJW 2007, 3421, 3422; vgl. auch BGH Urteile vom 16. März 2006 - I ZR
65/03 -NJW-RR 2006, 1350, 1351 und vom 1. Dezember 1993 - VIII ZR 41/93 - NJW 1994, 657 f.).