Mietrecht


Wohnraumkündigung wegen verspäteter Zahlungen durch staatliche Stellen (Transferleistungen) ?

BGH, Urteil vom 29.06.2016 – VIII ZR 173/15 -

Kurze Inhaltsangabe mit Anmerkung:

 

Die Beklagte zu 1. hatte von der Klägerin eine Wohnung für sich und ihre erwachsenen Töchter (die Beklagten zu 2. und 3.) gemietet. Der Mietzins sollte gemäß vertraglicher Vereinbarung jeweils zum dritten Werktag eines jeden Monats im Voraus an die Klägerin  gezahlt werden. Nach einem Zahlungsverzug von zwei Monatsmieten kündigte die Klägerin und erhob im März 2013 Räumungsklage. Innerhalb der Schonfrist wurde vom Bezirksamt der Mietrückstand ausgeglichen und die Räumungsklage in der Hauptsache für erledigt erklärt. In der Folge übernahm das Jobcenter die Mietzahlungen. Im August 2013 wurde ein Teilbetrag der Miete nicht gezahlt, neuerlich im Oktober 2013, wobei von diesem Rückstand im Oktober 2013 am 30.10.2013 wiederum ein Teilbetrag gezahlt wurde. Mit Schreiben vom 28.10.2014 mahnte die Klägerin die Beklagte zu 1. ab und verlangte künftighin die rechtzeitige Zahlung der vollständigen Miete. Im November 2013 zahlte die Beklagte zu 1. Einen Teilbetrag von € 613,19 nicht, woraufhin die Klägerin Ende November das gerichtliche Mahnverfahren einleitete. Danach erfolgte der Ausgleich der Miete für November. Im März 2014, am 10.3., war von der Märzmiete noch ein Betrag von € 276,81 offen, der erst am 11.03.2014 gezahlt wurde. Mit Schreiben vom 10.03.2014 kündigte die Klägerin das Mietverhältnis in Ansehung des Zahlungsverhaltens der Beklagten zu 1. fristlos, vorsorglich hilfsweise fristgerecht zum nächst möglichen Kündigungstermin. Nachdem die Beklagte zu 1. Und ihre Töchter nicht auszogen, erhob die Klägerin Räumungsklage. Das Amtsgericht gab dieser statt; das Landgericht wies sie zurück. Auf die vom Landgericht zugelassene und von der Klägerin eingelegte Revision hob der BGH das landgerichtliche Urteil auf und verwies den Rechtsstreit zurück an das Landgericht..

 

Vom BGH wurde dem Landgericht in seiner Auffassung zugestimmt, dass das Jobcenter, welches hier jeweils die Zahlungen geleistet hatte, nicht Erfüllungsgehilfe der Beklagten zu 1. Sei und von daher ein mögliches Verschulden desselben im Zusammenhang mit verspäteten Zahlungen nicht der Beklagten zu 1. zugerechnet werden könne. Wie auch von Amts- und Landgericht richtig festgestellt, liegt ein wichtiger Grund für eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB vor, wenn dem Vermieter unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein Festhalten an dem Vertrag bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder einem sonstigen Beendigungszeitpunkt nicht zugemutet werden kann.

 

Der BGH weist darauf hin, dass nach ständiger Rechtsprechung (auch des Senats) im Rahmen der Daseinsvorsorge von einer Behörde erbrachte Transferleistungen nicht dazu führen würden, dass diese Behörde Erfüllungsgehilfe des Mieters würde. Vielmehr werde die Behörde im Rahmen hoheitlicher Aufgaben zur Grundsicherung von Hilfsbedürftigen tätig. Nachlässigkeit oder Zahlungsunwilligkeit des Mieters würden für den Vermieter die Gefahr auch zukünftiger Zahlungsausfälle begründen und von daher eine Fortsetzung des Mietverhältnisses als für den Vermieter unzumutbar erscheinen lassen. Diese Situation sie mit dem Zahlungsverhalten der Behörde nicht ohne weiteres vergleichbar.

 

Allerdings habe das Landgericht verkannt, dass sich nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung alleine schon durch die unpünktliche Zahlungsweise herleiten ließe, da darin eine objektive Pflichtverletzung liege und sich für den Vermieter daraus negative Folgen ergeben könnten (z.B. wenn er die pünktliche Zahlung für die Abzahlung von Krediten eingeplant habe oder seinen Lebensunterhalt aus den Mieteinnahmen finanziere). Auch kann in den zu unterschiedlichen Zeiten erfolgten Zahlungen ein unzumutbarer Verwaltungsaufwand liegen. Darüber hinaus könne es eine Rolle spielen, ob das Mietverhältnis bisher mit Ausnahme der unpünktlichen Zahlungen störungsfrei verlief, was hier in Ansehung der in 2013 erfolgten Zahlung innerhalb der Schonfrist nicht gegeben sei.

 

Weiterhin sei zu prüfen, ob in Ansehung der verspäteten Zahlungen durch die Behörde den Mieter auch ein eigenes Verschulden treffe. Dieses würde bei Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung wie hier vermutet (BGH, Urteil vom 13.04.2016 – VIII ZR 39/15 -, Rechtsgedanke des § 280 Abs. 1 BGB). Alleine dadurch, dass der Mieter auf Transferleistungen angewiesen sei, würde diese Vermutung noch nicht widerlegen. Es sei vielmehr Sache des Mieters darzulegen und zu beweisen, dass er alles dafür getan habe, dass die Zahlungen rechtzeitig erfolgen (also rechtzeitige Antragsstellung, Überlassung vollständiger Unterlagen an die Behörde und, bei etwaigen Zahlungssäumnissen der Behörde wie hier, bei dieser auf eine pünktliche Zahlung zu drängen, insbesondere dann, wenn wie hier eine qualifizierte Abmahnung erfolgte. Hierzu aber hatten Amts- und Landgericht keine Feststellungen getroffen.

 

 

Anmerkung: Die Entscheidung beruht auf einem Gedanken des „sozialen Mietrechts“, der zu Lasten des Vermieters geht. Grundsätzlich stellt sich der Umstand, dass jemand kein Geld hat, nicht als ein Umstand der, der einen Verzug ausschließt. Und Verzug setzt ein Verschulden voraus. Damit gilt der Grundsatz „Geld hat man zu haben“.  Vorliegend wird aber der Umstand der fehlenden eigenen Zahlungsfähigkeit des Mieters berücksichtigt und damit dem Vermieter letztlich das Risiko überbürdet, dass er die Miete nicht oder nicht rechtzeitig erhält, da die Behörde eventuell aus Gründen, auf die der Mieter keinen Einfluss hat, nicht oder nicht rechtzeitig leistet. Dies findet im Gesetz selbst keine Stütze. Rieble hat dies in einem vom BGH zitierten Aufsatz (NJW 2010, 816f) als Gefühlrecht jenseits der Dogmatik bezeichnet. Ob diese vom Gesetz losgelöste Überlegung mit einer Sozialbindung vereinbar ist, halte ich für eher zweifelhaft. Denn der Einzelne kann nicht für etwas aufkommen müssen, was nicht in seiner Sphäre liegt, zumal er selbst bei einem solchen Verhalten in wirtschaftliche Schwierigkeiten (z.B. nicht rechtzeitige Zahlung von Kreditraten mit der Folge der Kündigung des Darlehensvertrages und der daraus resultierenden sofortigen Fälligstellung des Darlehens) geraten kann, ohne dass dann ein Verschulden verneint würde oder auch über die Sozialbindung die Kündigung des Darlehensvertrages als unwirksam bewertet würde.  Damit muss an sich zwingend die Nichteinhaltung der Regelung zur rechtzeitigen Mietzahlung unabhängig davon, ob der Mieter Einfluss nehmen kann oder nicht, stets zu Lasten des Mieters gehen. 

 

Aus den Gründen:

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landgerichts Hamburg - Zivilkammer 11 - vom 17. Juli 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen

Tatbestand

Die Beklagte zu 1 ist Mieterin einer Wohnung der Klägerin in Hamburg, die sie zusammen mit ihren volljährigen Töchtern, den Beklagten zu 2 und 3, bewohnt. Die jeweils am dritten Werktag eines Monats im Voraus zu zahlende Miete beläuft sich auf 872,23 €.

Bereits mit Schreiben vom 11. Februar 2013 hatte die Klägerin das Miet-verhältnis wegen Zahlungsverzugs gekündigt und Räumungsklage erhoben. Nachdem das Bezirksamt Hamburg-Mitte innerhalb der Schonfrist (§ 569 Abs. 3 Nr. 2 Satz 1 BGB) eine Verpflichtungserklärung abgegeben hatte, erklärten die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Die Kosten wurden mit Beschluss vom 13. Juni 2013 der Beklagten zu 1 auferlegt.

Im August 2013 blieb von der Miete ein Teilbetrag in Höhe von 40,21 € offen. Am 28. Oktober 2013 war von der Oktobermiete noch ein Teilbetrag von 279,41 € offen, der erst am 30. Oktober 2013 gezahlt wurde. Mit Schreiben vom 28. Oktober 2013 sprach die Klägerin deshalb eine Abmahnung aus und ver-langte für die Zukunft pünktliche Zahlung der (vollständigen) Miete. Im November 2013 blieb die Beklagte zunächst einen Betrag von 613,19 € schuldig, woraufhin die Klägerin Ende November 2013 das gerichtliche Mahnverfahren einleitete. Am 29. November 2013 wurde der für den Monat November bestehende Rückstand ausgeglichen. Am 10. März 2014 war von der Märzmiete noch ein Betrag von 276,81 € offen, der erst am 11. März 2014 gezahlt wurde.

Mit Schreiben von 10. März 2014 erklärte die Klägerin wegen des vor-stehend dargestellten Zahlungsverhaltens die fristlose, hilfsweise die ordentliche Kündigung des Mietverhältnisses.

Das Amtsgericht hat der Klage auf Räumung und Herausgabe der Wohnung sowie auf Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten stattgegeben, das Landgericht hat sie unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des amtsgerichtlichen Urteils.

Entscheidungsgründe

Die Revision hat Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung, soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

Die Räumungsklage sei unbegründet, weil die Kündigung der Klägerin vom 10. März 2014 das Mietverhältnis nicht beendet habe. Die Voraussetzungen für eine fristlose Kündigung nach § 543 Abs. 1 BGB oder eine ordentliche Kündigung (§ 573 Abs. 2 Nr. 1 BGB) seien nicht gegeben, insbesondere liege der von der Klägerin geltend gemachte Kündigungsgrund nachhaltig verspäteter Mietzahlungen nicht vor.

Zwar seien wiederholt Teilzahlungen verspätet geleistet und dieses Verhalten ungeachtet einer Abmahnung der Klägerin fortgesetzt worden. Es bestehe jedoch die Besonderheit, dass die Beklagte zu 1 ihren Mietanteil über das Jobcenter zahle, während die restliche Miete von den Beklagten zu 2 und 3 erbracht werde, wobei für letztere wiederum das Jobcenter den Mietanteil im Wege der Direktzahlung erbringe. Der klägerseits geltend gemachte Verzug sei somit nicht durch verspätete Zahlungen der Beklagten zu 1 selbst entstanden, sondern durch jeweils verspätete Leistungen des Jobcenters für die Beklagten zu 1 und 3; die Beklagte zu 2 habe den auf sie entfallenden Mietanteil jeweils pünktlich gezahlt.

Verspätete Zahlungen des Jobcenters für die Beklagte zu 1 könnten jedoch keinen zur Kündigung berechtigenden Verzug begründen. Denn nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei das Jobcenter nicht Erfüllungsgehilfe des hilfebedürftigen Mieters, wenn es für diesen die Kosten der Unterkunft übernehme. In gleicher Weise könnten auch die verspäteten Teilzahlungen des Jobcenters für die Beklagte zu 3 keinen der Beklagten zu 1 zurechenbaren Verzug und damit keinen Kündigungsgrund begründen. Auch insoweit sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte zu 3 - ebenso wie die Beklagte zu 1 - Leistungen des Jobcenters erhalte, das insoweit ihren Mietanteil direkt an die Klägerin zahle. Dass die Beklagte zu 3 nicht selbst Mieterin der Wohnung sei, sondern diese lediglich als Familienangehörige bewohne, sei nicht erheblich. In beiden Fällen treffe die Beklagte zu 1 als Mieterin kein Verschulden an der verspäteten Teilzahlung und sei die fristlose Kündigung deshalb nicht berechtigt.

II.

Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann die Wirksamkeit der fristlosen Kündigung vom 10. März 2014 und dementsprechend auch die Begründetheit des auf diese Kündigung gestützten Anspruchs auf Räumung und Herausgabe (§ 546 Abs. 1, 2, § 985 BGB) nicht verneint werden.

Das Berufungsgericht hat angenommen, eine fristlose Kündigung wegen unpünktlicher Mietzahlungen (§ 543 Abs. 1 BGB) sei ebenso wie eine hierauf gestützte ordentliche Kündigung (§ 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB) wegen unpünktlicher Mietzahlungen (grundsätzlich) ausgeschlossen, wenn die Mietzahlungen von einer Behörde erbracht würden und diese nicht rechtzeitig zahle.

Damit hat das Berufungsgericht hinsichtlich der fristlosen Kündigung die nach der Generalklausel des § 543 Abs. 1 BGB erforderliche Prüfung und Abwägung unterlassen, ob der Klägerin unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls ein Festhalten am Vertrag bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses unzumutbar ist. Darüber hinaus hat es, wie die Revision zu Recht geltend macht, ohne hinreichenden Sachvortrag der Beklagten zu 1 und ohne hierzu erforderliche tatsächliche Feststellungen ein eigenes Verschulden der Beklagten zu 1 an den verspäteten Zahlungen des Jobcenters verneint. Dies betrifft zugleich auch die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung.

Gemäß § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB liegt ein wichtiger Grund zur Kündigung vor, wenn dem Kündigenden unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere eines Verschuldens der Vertragsparteien, und unter Abwägung der beiderseitigen Interessen, die Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum Ablauf der Kündigungsfrist oder bis zur sonstigen Beendigung des Mietverhältnisses nicht zugemutet werden kann.

1. Noch zutreffend hat das Berufungsgericht allerdings angenommen, dass ein Verschulden des Jobcenters bezüglich der unpünktlichen Mietzahlungen dem Mieter nicht zuzurechnen ist.

Nach der Rechtsprechung des Senats wird eine Behörde, die im Rahmen der Daseinsvorsorge staatliche Transferleistungen erbringt, nicht als Erfüllungsgehilfe des Mieters tätig, wenn sie für ihn die Miete an den Vermieter zahlt (Senatsurteile vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09, NJW 2009, 3781 Rn. 27 ff.; vom 4. Februar 2015 - VIII ZR 175/14, BGHZ 204, 134 Rn. 20). Soweit die Revision unter Bezug auf die hieran von einigen Literaturstimmen geäußerte Kritik (Lorenz, WuM 2013, 202, 205 f.; Rieble, NJW 2010, 816) betont, dass die Sozialbehörde Leistungen nur auf Antrag erbringe und somit vom Mieter bei der Mietzahlung gezielt eingeschaltet werde, ändert das nichts daran, dass die Behörde hoheitliche Aufgaben wahrnimmt, um die Grundsicherung des Hilfebedürftigen zu gewährleisten. Mit dieser Stellung ist die Annahme, die Behörde werde vom Leistungsempfänger als Erfüllungsgehilfe im Rahmen des Mietvertrages über seine Unterkunft eingesetzt, nicht vereinbar (Senatsurteil vom 21. Oktober 2009 - VIII ZR 64/09, aaO Rn. 30). Im Übrigen besteht - auch aus Sicht des Vermieters - ein erheblicher Unterschied, ob unpünktliche Zahlungen (allein) auf dem Verhalten einer Behörde beruhen oder vom Mieter zu vertreten sind. Denn im letzteren Fall liegt auf Seiten des Mieters entweder Nachlässigkeit oder Zahlungsunwilligkeit vor, so dass aus Sicht des Vermieters für die Zukunft Zahlungsausfälle zu besorgen sind, die eine Fortsetzung des Vertrages mit dem unzuverlässigen Mieter unzumutbar erscheinen lassen können. Eine vergleichbare Situation ist hingegen nicht ohne weiteres gegeben, wenn unpünktliche Zahlungen ausschließlich auf einem Verhalten der Behörde beruhen.

2. Gleichwohl kann sich - was das Berufungsgericht verkannt hat - ein wichtiger Grund für die fristlose Kündigung im Sinne des § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB auch allein aus der in der unpünktlichen Zahlung liegenden objektiven Pflichtverletzung und den für den Vermieter daraus folgenden negativen Auswirkungen ergeben. Denn das Verschulden einer Vertragspartei ist zwar ein in § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB ausdrücklich hervorgehobener Umstand ("insbesondere"), dem bei der Gesamtabwägung regelmäßig ein erhebliches Gewicht zukommen wird; es stellt jedoch keine zwingende Voraussetzung für das Vorliegen eines wichtigen Grundes dar.

Vielmehr kann die erforderliche Gesamtabwägung auch unabhängig von einem Verschulden des Mieters an den unpünktlichen Zahlungen zu dessen Lasten ausfallen, etwa weil zahlreiche Verspätungen aufgetreten sind, diese jeweils einen erheblichen Zeitraum und erhebliche Beträge betreffen oder der Vermieter in besonderem Maße auf den pünktlichen Erhalt der Miete angewiesen ist, beispielsweise weil er daraus seinen Lebensunterhalt bestreitet oder hiermit Kredite bedienen muss. Auch kann es für den Vermieter einen unzumutbaren Verwaltungsaufwand bedeuten, wenn die Miete oder Teile davon zu jeweils unterschiedlichen Zeitpunkten eingehen. Zudem kann es eine Rolle spielen, ob das Mietverhältnis abgesehen von den unpünktlichen Zahlungen bisher störungsfrei verlaufen ist oder - wie die Klägerin hier in dem Kündigungsschreiben geltend gemacht hat - kurze Zeit vorher bereits eine berechtigte fristlose Kündigung ausgesprochen worden ist, die erst durch eine Zahlung innerhalb der Schonfrist während des Räumungsprozesses unwirksam geworden ist. Allgemein gültige Grundsätze können insoweit allerdings nicht aufgestellt werden; vielmehr obliegt die erforderliche Gesamtabwägung der tatrichterlichen Würdigung im Einzelfall, die das Berufungsgericht nicht vorgenommen hat.

3. Zu Recht rügt die Revision ferner, dass das Berufungsgericht ohne tatsächliche Grundlage davon ausgegangen ist, die Beklagte zu 1 treffe an den Verspätungen kein eigenes Verschulden. Denn das Verschulden wird bei Vorliegen einer objektiven Pflichtverletzung regelmäßig vermutet (Gedanke des § 280 Abs. 1 BGB; Senatsurteil vom 13. April 2016 - VIII ZR 39/15, WuM 2016, 365 Rn. 17). Allein durch den Umstand, dass ein Mieter auf staatliche Transferleistungen angewiesen ist, wird diese Vermutung noch nicht widerlegt. Vielmehr wird der Mieter, wie die Revision zu Recht geltend macht, regelmäßig darlegen und gegebenenfalls auch beweisen müssen, dass er die Leistung rechtzeitig und unter Vorlage der erforderlichen Unterlagen beantragt und bei etwaigen Zahlungssäumnissen der Behörde bei dieser auf eine pünktliche Zahlung gedrungen und insbesondere auf eine bereits erfolgte Abmahnung des Vermieters und die deshalb drohende Kündigung hingewiesen hat.

4. Ohne Erfolg macht die Revision allerdings geltend, ein Verschulden der Beklagten zu 1 liege in jedem Fall vor, soweit das Jobcenter die für die Beklagte zu 3 auf die Kosten der Unterkunft geleisteten Zahlungen zu spät erbracht habe. Insoweit hat das Berufungsgericht zu Recht darauf abgestellt, dass die Beklagte zu 3 als erwachsene Tochter im Haushalt der Beklagten zu 1 lebt, gleichfalls auf staatliche Hilfeleistungen angewiesen ist und vom Jobcenter im Rahmen der Bedarfsgemeinschaft gleichfalls einen Mietanteil durch Direktzahlung an die Klägerin erhält. Ein etwaiges Verschulden der Behörde bezüglich unpünktlicher Zahlungen kann den Beklagten nicht zugerechnet werden. Ein eigenes Verschulden liegt hingegen nicht vor, soweit die Beklagten auf Transferleistungen angewiesen sind und alles Zumutbare getan haben, damit sie (bzw. die Klägerin durch eine Direktzahlung) diese Leistungen auch rechtzeitig (pünktlich) erhalten.

III.

Nach alledem kann das Urteil des Berufungsgerichts keinen Bestand haben; es ist daher aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die nicht entscheidungsreife Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, damit die erforderlichen Feststellungen - gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag der Parteien - getroffen und die nach § 543 Abs. 1 Satz 2 BGB erforderliche Gesamtabwägung beziehungsweise die nach § 573 Abs. 1, 2 Nr. 1 BGB erforderliche Prüfung des berechtigten Interesses vorgenommen werden können.