Mietrecht

Stellplatzmietvertrag: Der vom Wohnraummietvertrag isolierte Stellplatzmietvertrag und die Krux mit der Schriftform

BGH, Urteil vom 15.01.2020 - XII ZR 46/19 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Im Kern streiten die Parteien um die Frage, ob die Kündigung eines Stellplatzmietvertrages bei nicht schriftlicher vereinbarter Vertragsdauer mit ordentlicher Kündigungsfrist möglich ist. Hintergrund (verkürzt wiedergegeben) war der Mietvertrag aus 1990 des (inzwischen verstorbenen) Ehemanns der Beklagten mit seinem damaligen Vermieter der Wohnung über einen Einstellplatz. Die Beklagte heiratete den Mieter 1993 und zog mit in die Wohnung ein. In 2005 verstarb der Ehemann der Beklagten.  Die Beklagte blieb in der Wohnung wohnen und nutzte den Stellplatz weiter, zahlte auch dafür das zuvor mit ihrem Ehemann bereits vereinbarte Entgelt. Die Klägerin erwarb in  2016 eine Eigentumswohnung, die mit dem Sondernutzungsrecht zu der hier fraglichen Stellplatz verbunden war. Sie kündigte den Stellplatzmietvertrag und begehrte das Unterlassen der Nutzung durch die Beklagte. Ihre Klage war im Berufungsrechtszug erfolgreich; die (zugelassene) Berufung der Beklagten wurde vom BGH zurückgewiesen.

 

Grundsätzlich würde gelten: Für den Fall, dass der Vermieter eines in einem einheitlichen Vertrag vermieteten Stellplatzes und einer Wohnung ist, einen Teil des Mietobjekts abtrennt und veräußert, tritt der Erwerber des Stellplatzes ebenfalls in den Mietvertrag ein. Gleiches gilt, wenn der Mieter von vornherein mittels zweier voneinander getrennter Verträge mit dem gleichen Vermieter von die Wohnung und den Stellplatz anmietet und sodann der Vermieter Wohnung und Stellplatz getrennt veräußert.  

 

Der BGH ging davon aus, dass es sich bei dem Stellplatz um jenen im schriftlichen Mietvertrag mit dem Ehemann der Beklagten handeln würde. Allerdings würden hier Wohnraummietvertrag und Stellplatzmietvertrag keine rechtliche Einheit bilden, weshalb der Übergang des Wohnraummietvertrages auf die Beklagte gem. § 563 BGB (Eintrittsrecht bei Tod des Mieters) nicht auch zu einem Übergang des Stellplatzvertrages geführt habe. Zwar sei nach dem Tod des Ehemanns der Beklagten von einem konkludenten Abschluss eines Stellplatzvertrages zwischen dem Vermieter und der beklagten auch zu den Bedingungen des Stellplatzvertrages auszugehen, da weiterhin eine Nutzung erfolgte und die Miete gezahlt worden sei und die Beklagte auch als Mieterin angeschrieben worden sei. Allerdings sei der Stellplatzmietvertrag gem. §§ 578, 576 BGB gesondert von der anderweitig zugeordneten Wohnung auf die Klägerin übergegangen (nicht die Wohnung). Es habe sich um einen vom Wohnraummietvertrag isolierten Stellplatzvertrag zwischen dem verstorbenen Ehemann der Beklagten und dem damaligen Vermieter gehandelt; eine Verbindung beider Verträge sei nicht vereinbart gewesen.

 

 

Zwar sei der ursprüngliche schriftliche Mietvertrag über den Stellplatz über eine längere Zeitdauer als ein Jahr abgeschlossen gewesen, wie die Staffelung des Mietzinses in dem Vertrag zeige. Der mit der Beklagten konkludent neu abgeschlossene Mietvertrag wahre aber nicht die Verträge mit einer Vertragslaufzeit von mehr als einem Jahr vorgesehene Schriftform, §§ 578, 550 BGB, mit der Folge, dass er ordentlich nach § 580a BGB kündbar sei. Der Umstand, dass davon auszugehen sei, dass der neue Vertrag der Beklagten mit dem Vermieter nach dem Ableben ihres Ehemanns die gleichen Bedingungen enthalte, wie der Vertrag mit ihrem Ehemann, ändere daran nichts. Es ermangelt an einer von beiden Parteien unterzeichneten Vertragsurkunde. Die Beklagte habe erst (und damit verspätet und unbeachtlich) im Revisionsverfahrens geltend gemacht, sie sei Erbin ihres verstorbenen Ehemanns geworden und als solche Rechtsnachfolgerin von ihm im (schriftlichen) Mietvertrag über den Stellplatz.

 

Aus den Gründen:

 

 Tenor

Die Revision gegen das Urteil der 83. Zivilkammer des Landgerichts Berlin vom 1. April 2019 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen. 

 

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

 

Die Klägerin verlangt von der Beklagten, es bei Meidung eines Ordnungsgelds zu unterlassen, die Nutzung des Pkw-Stellplatzes der Klägerin zu stören, insbesondere durch Abstellen eines Kraftfahrzeugs.

 

Die Klägerin erwarb im September 2016 eine Eigentumswohnung, die mit einem Sondernutzungsrecht an dem in der Teilungserklärung mit der Nummer 4 bezeichneten oberirdischen PKW-Stellplatz verbunden ist.

 

Der inzwischen verstorbene Ehemann der Beklagten war Mieter einer anderen Wohnung im gleichen Anwesen. Er hatte im November 1990 zusätzlich einen "Einstellplatz" gemietet, der im schriftlichen Mietvertrag mit "1" bezeichnet wurde. In die Mietwohnung zog die Beklagte nach der Heirat im Jahr 1993 mit ein. Der Ehemann der Beklagten verstarb im Jahr 2005. Seitdem nutzt die Beklagte die Mietwohnung und den in der Teilungserklärung mit der Nummer 4 bezeichneten oberirdischen PKW-Stellplatz. Ob dieser Stellplatz mit dem im schriftlichen Mietvertrag aus dem Jahr 1990 mit "1" bezeichneten Stellplatz identisch ist, ist zwischen den Parteien streitig.

 

Im August und im Oktober 2017 kündigte die Klägerin einen etwa bestehenden Stellplatzmietvertrag vorsorglich fristlos wegen Zahlungsverzugs. Darüber hinaus erklärte sie mit Schriftsatz vom 31. Januar 2018 die ordentliche Kündigung.

 

Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht die Beklagte verurteilt, es zu unterlassen, die Nutzung des Pkw-Stellplatzes Nummer 4 durch die Klägerin zu stören, insbesondere durch Abstellen eines Kraftfahrzeugs; ferner hat es die Beklagte verurteilt, die Klägerin von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 € freizustellen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klagabweisungsantrag in vollem Umfang weiter.

 

Entscheidungsgründe

 

Die Revision hat keinen Erfolg.

 

1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klägerin habe das Sondernutzungsrecht an dem in der Teilungserklärung mit der Nummer 4 bezeichneten Stellplatz erworben. Selbst wenn der verstorbene Ehemann der Beklagten Mieter dieses Stellplatzes gewesen sei, könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Wohnungsmietvertrag des Ehemanns der Beklagten und der Stellplatzmietvertrag eine rechtliche Einheit bildeten. Daher sei nur der Wohnungsmietvertrag nach § 563 BGB auf die Beklagte übergegangen, nicht aber der Stellplatzmietvertrag. Allerdings sei von einem konkludenten Abschluss eines Stellplatzmietvertrages zu den mit dem Ehemann der Beklagten vereinbarten Bedingungen auszugehen, da die Beklagte weiterhin den Stellplatz genutzt, die Miete gezahlt und auch als Mieterin angeschrieben worden sei. Der Stellplatzmietvertrag sei entsprechend §§ 578, 567 BGB auf die Klägerin als Sondernutzungsberechtigte übergegangen und von ihr ordentlich gekündigt worden. Die ordentliche Kündigung sei weder dadurch ausgeschlossen gewesen, dass die Parteien die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung mit verkürzter Frist geregelt hätten, ohne die Möglichkeit einer ordentlichen Kündigung zu erwähnen, noch dadurch, dass die Dauer des Stellplatzmietverhältnisses an die Dauer des zwischen denselben Vertragsparteien geschlossenen Wohnungsmietvertrags gekoppelt worden sei und der Stellplatzmietvertrag ohne besondere Kündigung zum gleichen Termin wie der Wohnungsmietvertrag enden sollte.

 

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis stand.

 

a) Die Anforderungen an ein Berufungsurteil nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO sind noch erfüllt. Danach muss ein Berufungsurteil zwar keinen Tatbestand enthalten, grundsätzlich ist aber eine Bezugnahme auf die tatsächlichen Feststellungen in dem erstinstanzlichen Urteil mit einer Darstellung etwaiger Änderungen oder Ergänzungen erforderlich, wozu zumindest auch die sinngemäße Wiedergabe der Berufungsanträge gehört (vgl. etwa BGH Urteile vom 14. Januar 2005 - V ZR 99/04 - FamRZ 2005, 701; BGHZ 156, 216, 218 = FamRZ 2004, 265 und BGHZ 154, 99, 100 f. = FamRZ 2003, 747). Obwohl das Berufungsgericht hier lediglich auf die tatbestandlichen Feststellungen des amtsgerichtlichen Urteils Bezug genommen hat, lässt sich dem angefochtenen Urteil eine sinngemäße Wiedergabe der Berufungsanträge noch entnehmen. Denn das Berufungsgericht hat das klagabweisende Urteil des Amtsgerichts dahingehend abgeändert, dass der Klage vollumfänglich stattgegeben wird. Daraus ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit, dass die Klägerin ihr ursprüngliches Begehren im Berufungsverfahren weiterverfolgt hat (vgl. Senatsurteil vom 11. August 2010 - XII ZR 102/09 - FamRZ 2010, 1637 Rn. 20 ff.).

 

b) Zu Recht haben weder das Amts- noch das Berufungsgericht die Prozessführungsbefugnis der Klägerin in Frage gestellt, da die Klägerin hinsichtlich des in der Teilungserklärung mit der Nummer 4 bezeichneten oberirdischen PKW-Stellplatzes in der Hauptsache ausschließlich Unterlassungsansprüche nach § 1004 BGB geltend macht (vgl. BGH Urteil vom 13. Oktober 2017 - V ZR 45/17 - NJW-RR 2018, 333 Rn. 5 ff. mwN).

 

c) Ob der in der Teilungserklärung mit der Nummer 4 bezeichnete oberirdische PKW-Stellplatz mit dem im schriftlichen Mietvertrag aus dem Jahr 1990 mit "1" bezeichneten Stellplatz identisch ist, hat das Berufungsgericht offen gelassen. Diese Identität im Revisionsverfahren zu Gunsten der Beklagten unterstellt, ist die Klägerin als Sondernutzungsberechtigte an dem in der Teilungserklärung mit der Nummer 4 bezeichneten Stellplatz nach §§ 578, 567 BGB als Vermieterin in den mit der Beklagten bestehenden Stellplatzmietvertrag eingetreten. Denn für den Fall, dass der Eigentümer, der zugleich Vermieter einer Wohnung und eines Stellplatzes im Rahmen eines einheitlichen Mietvertrags ist, einen Teil des Mietobjekts abtrennt und veräußert, hat der Bundesgerichtshof bereits entschieden, dass der Erwerber des Stellplatzes gemäß §§ 580, 571 Abs. 1 BGB a.F. (jetzt: §§ 578, 566 Abs. 1 BGB) in den Mietvertrag eintritt (BGH Urteil vom 28. September 2005 - VIII ZR 399/03 - NJW 2005, 3781 Rn. 8 f. mwN). Dasselbe gilt, wenn der Mieter - wie hier - seine Wohnung und seinen Stellplatz von vornherein durch getrennte Verträge von einem Vermieter angemietet hat und die Wohnung und der Stellplatz dann vom Vermieter getrennt veräußert werden.

 

Dabei kann dahinstehen, ob das Sondernutzungsrecht im Ergebnis genauso wie Sondereigentum zu behandeln ist (so im Ergebnis BGH Urteil vom 28. September 2005 - VIII ZR 399/03 - NJW 2005, 3781 Rn. 8 f. mwN) oder dem umstrittenen Rechtscharakter des Sondernutzungsrechts als dingliches oder bloß schuldrechtliches Rechtsinstitut (zu den in der Literatur vertretenen Auffassungen vgl. Schmidt-Futterer/Streyl Mietrecht 14. Aufl. § 566 BGB Rn. 83 mwN) Rechnung getragen werden muss. Denn nach allen Auffassungen tritt der Erwerber des Sondernutzungsrechts (nach §§ 566, 567 BGB direkt oder analog iVm § 578 BGB) als Vermieter in den Vertrag hinsichtlich des Stellplatzes ein.

 

d) Nach den vom Berufungsgericht in Bezug genommenen Feststellungen des Amtsgerichts ist der isolierte Stellplatzmietvertrag nicht kraft Gesetzes auf die Beklagte übergegangen. Vielmehr ist von einem konkludenten Abschluss eines (neuen) Stellplatzmietvertrags zu den in dem mit dem verstorbenen Ehemann der Beklagten im November 1990 geschlossenen Mietvertrag niedergelegten Bedingungen auszugehen.

 

e) Entgegen der von der Beklagten erstmalig in der mündlichen Verhandlung im Revisionsverfahren vorgetragenen Behauptung hat das Berufungsgericht nicht festgestellt, dass die Beklagte als Erbin ihres verstorbenen Ehemanns in den Stellplatzmietvertrag eingetreten ist. Zur Erbfolge nach dem Ehemann der Beklagten hat die Beklagte in den Vorinstanzen nichts vorgetragen. Dass das Berufungsgericht die Unterzeichner des Stellplatzmietvertrags aus dem Jahr 1990 als "die jeweiligen Rechtsvorgänger der derzeitigen Mietparteien" bezeichnet hat, kann nicht die Schlussfolgerung rechtfertigen, die Beklagte sei als Alleinerbin ihres verstorbenen Ehemanns in den Mietvertrag eingetreten.

 

f) Damit ist das Berufungsgericht im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass der Stellplatzmietvertrag jedenfalls durch die ordentliche Kündigung der Klägerin vom 31. Januar 2018 wirksam beendet worden ist. Denn der konkludent geschlossene neue Mietvertrag wahrte nicht die nach §§ 578, 550 BGB erforderliche Schriftform und war daher gemäß § 580 a BGB ordentlich kündbar.

 

Dass der schriftliche Mietvertrag aus dem Jahr 1990 über einen längeren Zeitraum als ein Jahr geschlossen worden ist, hat das Berufungsgericht aus der Staffelung der Miete über acht Jahre in § 5 des Vertrags geschlossen. Dies wird von der Revision nicht in Frage gestellt.

 

Anders als die Revision meint, wahrte der mit der Beklagten neu geschlossene Mietvertrag auch nicht etwa deswegen die Schriftform der §§ 578, 550 BGB, weil er inhaltsgleich mit den in der äußeren Form niedergelegten Vertragsbedingungen konkludent abgeschlossen worden ist (vgl. dazu Senatsurteil vom 17. Juni 2015 - XII ZR 98/13 - NJW 2015, 2648 Rn. 33). Denn im Gegensatz zu dem von der Revision in Bezug genommenen Senatsurteil liegt hier schon keine von beiden Parteien unterzeichnete Mietvertragsurkunde vor.

 

g) Im Übrigen wäre die ordentliche Kündigung der Klägerin auch dann wirksam, wenn man davon ausgehen wollte, dass der mit der Beklagten auf der Grundlage des formularmäßigen Mietvertrags aus dem Jahr 1990 konkludent geschlossene Mietvertrag die Schriftform der §§ 578, 550 BGB wahrt. Denn die vertragliche Regelung betrifft in deren § 2 Nr. 3 ausdrücklich nur den Fall, dass Wohnungs- und Stellplatzmietvertrag von denselben Vertragsparteien abgeschlossen wurden. Es widerspräche offensichtlich den redlicherweise zu berücksichtigenden beiderseitigen Interessen, die Beendigung des Stellplatzmietvertrages auch dann noch untrennbar an die Beendigung des Wohnraummietvertrages zu binden, wenn - wie hier - Wohnungseigentum und Sondernutzungsberechtigung auseinanderfallen und damit auf der Vermieterseite keine personelle Identität besteht.

 

h) Soweit das Berufungsgericht die Beklagte schließlich verurteilt hat, die Klägerin von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 147,56 € freizustellen, wird dies von der Revision nicht angegriffen.