Kurze Inhaltsangabe (mit weitergehenden Verweis)
Gegenstand der Entscheidung des BGH sind Schadensersatzansprüche, nachdem die Mieterin wegen Nichtzurverfügungstellung der angemieteten Räume Ersatzräume mietete und die Frage, ob ein (beantragtes) Sachverständigengutachten zur Frage der Gleichwertigkeit als Grundlage des Schadensersatzanspruchs vom Gericht einzuholen ist.
Nachdem ein Mietvertrag nicht durchgeführt werden konnte, stritten die Parteien um die Mehrkosten einer Ersatzimmobilie, die die Mieterin (Klägerin) gegenüber dem mit der Vermieterin (Beklagte) vereinbarten Mietzins aufbringen musste. Hintergrund war die Anmietung von noch vom Vermieter herzustellenden Gewerberäumen in W. (383 qm in einem zur Sanierung vorgesehenen alten Wasserwerk) nebst zwei Pkw-Stellplätzen). Die auf fünf Jahre befristete Mietzeit sollte am 01.07.2019 beginnen, der Mietzins netto € 4.215,59/Monat (entspricht € 10,99/qm) zuzüglich € 70,00 für die Stellplätze betragen. Der Beklagten gelang die Finanzierung nicht. Im Februar 2019 mietete die Beklagte im Hafenviertel von D. gelegene Räumlichkeiten (454 qm) an, und zwar zu € 12,00/qm, wobei ein Teilbetrag davon Entgelt für eine ca. 279 qm große Gemeinschaftsfläche war, zuzüglich € 200,00 für vier Tiefgaragenstellplätze. Mietbeginn war der 01.10.2019, die Mietzeit auf fünf Jahre beschränkt. Am 30.07.2019 erklärte die Beklagte mit der Begründung der Nichtgewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs die fristlose Kündigung des Mietvertrages mit der Beklagten und machte Schadenersatzansprüche u.a. in Höhe von € 410,41/Monat für fünf Jahre im Hinblick auf die Mietdifferenz zwischen dem nunmehr angemieteten Objekt und dem von der Beklagten vermieteten Objekt geltend (§ 259 ZPO). Das Landgericht gab der Klage statt. Die Berufung der Beklagten war erfolgreich; das Oberlandesgericht (OLG) hob das Urteil auf und wies die Klage ab. Das OLG negierte die Gleichwertigkeit (bei Annahme eines höheren Gebrauchs- und Nutzwertes der Immobilie in D.) der Mieträume, ohne einen diesbezüglich Sachverständigenbeweis der Klägerin zu erheben. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten führte zur Aufhebung des Urteils des OLG und Zurückverweisung an dieses (§ 544 Abs. 2 9 ZPO).
Der BGH sah die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision als gegeben an, da dies gem. § 543 Abs. 2 S. 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung geboten sei. Es läge ein Verstoß gegen Art. 103 GG (Verletzung rechtlichen Gehörs) vor, da das OLG nicht den beklagtenseits angebotenen Sachverständigenbeweis erhoben habe. Nach Art. 103 Abs. 1 GG habe das Gericht die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und zu erwägen. Danach gebiete Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung auch die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Deren Nichtberücksichtigung verstoße, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze fände, gegen Art. 103 GG (BGH, Beschluss vom 10.03.2021 - XII ZR 54/20 -). Dies gelte insbesondere auch dann, wenn der Beweisantrag wegen einer bereits gewonnenen Überzeugung kein Gewicht mehr beimesse (BGH, Beschluss vom 10.03.2021 - XII ZR 54/20 -).
Die Klägerin hatte den Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache gestellt, dass die ursprünglich in W. angemieteten Gewerberäume nach Art und Lage gleichwertig mit den in D. gemieteten Gewerberäume sind; sie habe das Übergehen dieses Beweisangebots durch das OLG im Rahmen der Nichtzulassungsbeschwerde gerügt. Dieses Übergehen fände, so der BGH, in der Prozessordnung keine Stütze.
Das Gericht dürfe von der Einholung eines beantragten Sachverständigengutachtens zu entscheidungserheblichen Parteivortrag nur absehen, wenn es selbst über die notwendige Sachkunde zur Beurteilung des Wahrheitsgehalts der unter Beweis gestellten Behauptung verfüge (z.B. BGH, Beschluss vom 09.01.2018 - VI ZR 106/17 -; ständige Rechtsprechung); diese liegen Sachkunde sei in der Entscheidung darzulegen (z.B. BGH, Beschluss vom 12.05.2021 - XII ZR 153/19 - ständige Rechtsprechung). Dem habe das OLG nicht Rechnung getragen und den angebotenen Sachverständigenbeweis erheben müssen, statt eine eigene Wertung vorzunehmen.
Der Mieter, dem die angemieteten Räume nicht zur Verfügung gestellt werden, könne in diesem Fall zur Anmietung von Ersatzräumen berechtigt sein und gegebenenfalls Mehrkosten als Schadensersatz beim Vermieter geltend machen (BGH, Urteil vom 02.11.2016 - XII ZR 153/15 -). Voraussetzung sei, dass der Mieter die Vertragsverletzung des Vermieters berechtigterweise zum Anlass nähme, den Umständen nach angemessene neue Räume anzumieten (BGH aaO.). Vorliegend habe die Klägerin bereits in der Klageschrift die Einholung eines Sachverständigengutachtens dazu beantragt, dass die angemieteten Gewerberäume und das Ersatzobjekt nach Art und Lage gleichwertig seien. Dieser Beweisantrag sei erheblich, da die behauptete Gleichwertigkeit der Räumlichkeiten in D. und W. für die Beurteilung der Angemessenheit der Ersatzräume von Bedeutung sei.
Ohne den Beweisantrag der Klägerin anzusprechen und eine eigene Sachkunde für die Bewertung der Räumlichkeiten darzulegen, habe das OLG den höheren Mietzins der Gewerberäume in D. auf deren höheren Nutz- und Gebrauchswert zurückgeführt. Dies aber käme einer vorweggenommen Beweiswürdigung gleich, die dem Prozessrecht fremd sei.
Bei dem unter Sachverständigenbeweis gestellten Vortrag der Klägerin handele es sich um eine dem Beweis zugängliche Tatsachenfrage. Die Frage der Gleichwertigkeit sei zwar von einer Wertung abhängig, die aber an beweisbare Eigenschaften der Mieträumlichkeiten sowie Bedürfnisse und Wertvorstellungen der maßgeblichen Verkehrskreise, mithin innere und äußere Tatsachen, anknüpfe. Es bedürfe daher regelmäßig zur Ermittlung einer Gebrauchswertdifferenz der Einholung eines Sachverständigengutachtens (BGH, Urteil vom 29.03.2017 - VIII ZR 44/16 -:
„Insbesondere hat das Berufungsgericht nicht berücksichtigt, dass die Feststellung eines streitigen Mietdifferenzschadens nach unberechtigter Wohnungskündigung regelmäßig nur mittels eines Gutachtens eines mit dem örtlichen Mietmarkt vertrauten Sachverständigen möglich sein wird und dieser die erforderlichen (wertenden) Feststellungen zum Wohnwert üblicherweise nach einer Besichtigung zumindest der neuen Wohnung trifft. Es stellte daher eine Überspannung der Substantiierungsanforderungen dar, von der Partei vorab konkrete Darlegungen zur Vergleichbarkeit der Wohnwerte zu verlangen und die Durchführung einer Beweisaufnahme davon abhängig zu machen.“).
Für die Bewertung von Gewerbeimmobilien bedürfe es regelmäßig besonderer Erfahrungen und Kenntnisse über ortsbezogene und wirtschaftliche Begleitumstände sowie die Interessen der am Wirtschaftsleben beteiligten Verkehrskreise, die sich nicht aus einer allgemeinen Lebenserfahrung ergäben und die auch nicht bei den an der Berufungsentscheidung beteiligten Richtern aufgrund ihrer richterlichen Tätigkeit zu unterstellen sei. Eine unterschiedliche Wertigkeit, die evtl. eine Mietdifferenz gerechtfertigt hätte, ergäbe sich nicht bereits aus der Lage der Immobilien und von (vom LG angesprochenen) Nutzungsvorteilen der Ersatzimmobilie. Der Gebrauchswert, auf den es entscheidend ankäme, ergäbe sich aus einer Gesamtschau einer Vielzahl von Faktoren von gegebenenfalls unterschiedlichen Gewicht. Eine einzelne Eigenschaft von Räumlichkeiten (z.B. eine besonders hervorstechendes, einzigartiges Erscheinungsbild) könne den Wert anderer Eigenschaften auf- oder überwiegen und daher den Gebrauchswert maßgeblich bestimmen. Die für de Entscheidung erforderliche Vergleichsbetrachtung könne sich daher nicht in einer Gegenüberstellung einzelner wertbildender Eigenschaften erschöpfen.
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin wird die Revision gegen das Urteil des 10. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 23. Juni 2022 zugelassen.
Auf die Revision der Klägerin wird das vorgenannte Urteil aufgehoben. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der Kosten der Nichtzulassungsbeschwerde, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.
Wert: 21.752 €
Gründe
I.
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten, der Klägerin nach Scheitern eines Mietvertrags die Mehrkosten für die Anmietung einer Ersatzimmobilie zu erstatten.
Mit Vertrag vom 3. Januar 2018 mietete die in der Modebranche tätige Klägerin von der Beklagten noch herzustellende Gewerberäume mit einer Größe von 383 qm in einem in W. gelegenen, zur Sanierung vorgesehenen alten Wasserwerk sowie zwei im Außenbereich des Grundstücks gelegene Pkw-Stellplätze. Die auf fünf Jahre befristete Mietzeit sollte am 1. Juli 2019 beginnen. Als monatlich zu entrichtende Miete vereinbarten die Parteien eine Nettomiete in Höhe von 4.215,59 €, entsprechend einer Quadratmetermiete von 10,99 €, zuzüglich 70 € monatlich für die beiden Stellplätze.
Nachdem die Beklagte, der die beabsichtigte Sanierung des Gebäudes mangels finanzierungswilliger Investoren nicht gelungen war, der Klägerin eine - von dieser nicht gewünschte - Aufhebung des Mietvertrags angeboten hatte, mietete die Klägerin im Februar 2019 andere in einer sanierten Gewerbeimmobilie im Hafenviertel von D. gelegene Räumlichkeiten mit einer Fläche von 454 qm an. Als monatliche Miete vereinbarte die Klägerin mit der Vermieterin der ersatzweise angemieteten Gewerberäume pro Quadratmeter einen Betrag von 12 €, wobei ein auf 50 qm entfallender Teilbetrag als Entgelt für die Mitbenutzung einer ca. 279 qm großen Gemeinschaftsfläche gelten sollte. Für die Anmietung von vier Tiefgaragenstellplätzen vereinbarten die Vertragsparteien eine Miete von weiteren 200 € monatlich. Beginn der ebenfalls auf fünf Jahre befristeten Mietzeit war der 1. Oktober 2019.
Mit Schreiben vom 30. Juli 2019 erklärte die Klägerin die fristlose Kündigung des mit der Beklagten geschlossenen Mietvertrags wegen Nichtgewährung des vertragsgemäßen Gebrauchs und machte Schadensersatzansprüche in Höhe der Differenz der für die Räumlichkeiten in D. monatlich zu zahlenden Miete gegenüber dem mit der Beklagten vereinbarten Nutzungsentgelt in Höhe von monatlich 410,41 € geltend.
Das Landgericht hat die Beklagte zur Zahlung von 6.976,97 € nebst Zinsen, zur laufenden Erstattung der monatlichen Mietdifferenz in Höhe von 410,41 € für die Zeit von Juni 2021 bis zum Ende der mit der Beklagten vereinbarten Mietzeit, begrenzt durch die Laufzeit des Mietvertrags über die Ersatzimmobilie, sowie zur Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten verurteilt und die Klage im Übrigen abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht das landgerichtliche Urteil aufgehoben und die Klage vollständig abgewiesen. Die Revision hat es nicht zugelassen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Nichtzulassungsbeschwerde, mit der sie eine Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils erstrebt.
II.
Die statthafte und auch im Übrigen zulässige Nichtzulassungsbeschwerde hat Erfolg. Sie führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Berufungsgericht.
1. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Klägerin könne von der Beklagten die Erstattung der geltend gemachten Mietdifferenz nicht verlangen, weil dem höheren Mietpreis für die ersatzweise angemieteten Räumlichkeiten in D. ein entsprechend höherer Gebrauchswert gegenüberstehe, den sich die Klägerin im Wege eines Vorteilsausgleichs anrechnen lassen müsse. Der höhere Gebrauchswert ergebe sich nicht nur aus der - auch verkehrsmäßig - besseren Lage der Gewerberäume in der als „Modestadt“ bekannten Landeshauptstadt, sondern auch aus der Aufteilung und Gestaltung des Gebäudes in D., der nur bei der Ersatzimmobilie möglichen Mitnutzung von Gemeinschaftsflächen, dem dort vorhandenen Angebot einer Kinderbetreuung, der dortigen Existenz eines großen Fahrstuhls sowie aus dem zusätzlichen Komfort von Tiefgaragenparkplätzen.
2. Die Revision ist gemäß § 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung zuzulassen. Denn die Nichtzulassungsbeschwerde rügt zu Recht, dass dem angefochtenen Urteil ein Verstoß gegen Art. 103 Abs. 1 GG zugrunde liegt, weil das Berufungsgericht versäumt hat, den von der Klägerin zu entscheidungserheblichem Sachvortrag angebotenen Sachverständigenbeweis zu erheben.
a) Art. 103 Abs. 1 GG verpflichtet das Gericht, die Ausführungen der Prozessbeteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen. Das Gebot der Gewährung rechtlichen Gehörs soll dabei als Prozessgrundrecht sicherstellen, dass die Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. In diesem Sinne gebietet Art. 103 Abs. 1 GG in Verbindung mit den Grundsätzen der Zivilprozessordnung die Berücksichtigung erheblicher Beweisanträge. Die Nichtberücksichtigung eines erheblichen Beweisangebots verstößt gegen Art. 103 Abs. 1 GG, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (Senatsbeschlüsse vom 10. März 2021 - XII ZR 54/20 - FamRZ 2021, 964 Rn. 12 mwN und vom 12. Mai 2021 - XII ZR 152/19 - FamRZ 2021, 1297 Rn. 10 mwN). Das gilt auch und insbesondere dann, wenn diese Nichtberücksichtigung auf einer vorweggenommenen tatrichterlichen Beweiswürdigung beruht, also der von einer Partei angebotene Beweis nicht erhoben wird, weil das Gericht dem unter Beweis gestellten Vorbringen wegen seiner bereits gewonnenen Überzeugung kein Gewicht mehr beimisst (vgl. Senatsbeschlüsse vom 10. März 2021 - XII ZR 54/20 - FamRZ 2021, 964 Rn. 12 und vom 27. September 2017 - XII ZR 54/16 - NJW-RR 2018, 74 Rn. 7 mwN).
b) Gemessen daran beanstandet die Nichtzulassungsbeschwerde zu Recht, dass das Berufungsgericht den Beweisantrag der Klägerin auf Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die ursprünglich angemieteten Räumlichkeiten in W. mit den in D. gemieteten Gewerberäumen nach Art und Lage gleichwertig sind, übergangen hat. Die Nichtberücksichtigung des Beweisantrags der Klägerin findet im Prozessrecht keine Stütze.
aa) Von der Einholung eines beantragten Sachverständigengutachtens zu entscheidungserheblichem Parteivortrag darf das Tatsachengericht nur absehen, wenn es selbst über die notwendige Sachkunde verfügt, um den Wahrheitsgehalt der unter Beweis gestellten Behauptung zu beurteilen (st. Rspr.; vgl. BGH Beschluss vom 9. Januar 2018 - VI ZR 106/17 - NJW 2018, 2730 Rn. 16 mwN). Etwa vorhandene eigene Sachkunde, derentwegen es die Einholung eines Sachverständigengutachtens für verzichtbar hält, hat es in der Entscheidung darzulegen (st. Rspr.; vgl. Senatsbeschluss vom 12. Mai 2021 - XII ZR 153/19 - juris Rn. 17 mwN).
bb) Dem hat das Berufungsgericht nicht Rechnung getragen. Es hätte den von der Klägerin zu erheblichem Sachvortrag angebotenen Sachverständigenbeweis erheben müssen und hiervon nicht aufgrund eigener Wertung absehen dürfen.
(1) Ist der Vermieter nicht in der Lage, dem Mieter die angemieteten Räumlichkeiten wie geschuldet zur Verfügung zu stellen, kann der Mieter zur Anmietung von Ersatzräumen berechtigt sein und gegebenenfalls die Mehrkosten als Schadensersatz beim Vermieter geltend machen (vgl. Senatsurteil vom 2. November 2016 - XII ZR 153/15 - NJW 2017, 1104 Rn. 11, 19 mwN und BGH Urteil vom 3. Juli 2013 - VIII ZR 191/12 - NZM 2013, 675 Rn. 10). Voraussetzung hierfür ist, dass der Mieter die Vertragsverletzung durch den Vermieter berechtigterweise zum Anlass nimmt, den Umständen nach angemessene neue Räume anzumieten (vgl. BGH aaO).
(2) Bereits in der Klageschrift hat die Klägerin beantragt, ein Sachverständigengutachten zum Beweis der Gleichwertigkeit der von der Beklagten angemieteten Gewerberäume und des Ersatzobjekts nach Art und Lage einzuholen. Der damit unter Beweis gestellte Vortrag ist entscheidungserheblich, weil die behauptete Gleichwertigkeit der Räumlichkeiten in D. und in W. für die Beurteilung der Angemessenheit der angemieteten Ersatzräumlichkeiten von Bedeutung ist.
(3) Das Berufungsgericht hätte dem auf ausreichende Anknüpfungstatsachen gestützten Beweisantrag der Klägerin entsprechen, mithin das beantragte Sachverständigengutachten einholen und zur Grundlage seiner Entscheidung machen müssen. Es hat indes weder den von der Klägerin angebotenen Sachverständigenbeweis erhoben noch ausgeführt, warum es aus seiner Sicht der beantragten Beweiserhebung nicht bedurfte. Vielmehr hat es, ohne den Beweisantrag der Klägerin anzusprechen und die eigene Sachkunde für die Bewertung von Gewerbeimmobilien darzulegen, den Gebrauchswert der beiden Räumlichkeiten selbst beurteilt und seiner Entscheidung zugrunde gelegt, dass der höheren Miete der von der Klägerin in D. angemieteten Gewerberäume ein entsprechend höherer Nutz- und Gebrauchswert gegenüberstehe. Dies kommt einer vorweggenommenen Beweiswürdigung gleich, die im Prozessrecht keine Stütze findet.
(a) Bei dem von der Klägerin durch Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens unter Beweis gestellten Vortrag handelt es sich um eine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung. Zwar ist die Frage der Gleichwertigkeit der Mietobjekte von Wertungen abhängig; diese knüpfen aber ihrerseits an beweisbare Eigenschaften der Mieträumlichkeiten sowie Bedürfnisse und Wertvorstellungen der maßgeblichen Verkehrskreise, mithin äußere und innere Tatsachen an. Für die Ermittlung einer Gebrauchswertdifferenz im Sinne eines Mietdifferenzschadens bedarf es daher regelmäßig der Einholung eines Sachverständigengutachtens (BGH Urteil vom 29. März 2017 - VIII ZR 44/16 - NJW 2017, 2819 Rn. 42).
(b) Das Berufungsgericht hat nicht dargelegt, dass und woher es über ausreichende eigene Sachkunde für die Beurteilung des unter Beweis gestellten Gebrauchswerts der Immobilien verfügt haben könnte, aufgrund deren es von der Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens hätte absehen dürfen. Für die Bewertung von Gewerbeimmobilien bedarf es regelmäßig besonderer Erfahrungen und Kenntnisse über ortsbezogene und wirtschaftliche Begleitumstände sowie die Interessen der am Wirtschaftsleben beteiligten Verkehrskreise, die sich nicht allein aus der allgemeinen Lebenserfahrung ergeben und die bei den an der Berufungsentscheidung beteiligten Richtern auch nicht aufgrund ihrer richterlichen Tätigkeit zu unterstellen sind. Eine unterschiedliche Wertigkeit der beiden Räumlichkeiten, die gegebenenfalls einen Vorteilsausgleich jedenfalls in Höhe der hier streitigen Mietdifferenz gerechtfertigt hätte, liegt auch nicht etwa bereits aufgrund der Lage der Immobilien und den bei der Ersatzimmobilie zusätzlich gegebenen, vom Berufungsgericht angesprochenen Nutzungsvorteilen auf der Hand. Der Gebrauchswert einer Immobile ergibt sich aus einer Gesamtschau einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren von gegebenenfalls unterschiedlichem Gewicht. So kann bereits eine einzelne Eigenschaft von Räumlichkeiten - beispielsweise ein besonders hervorstechendes, einzigartiges Erscheinungsbild - den Wert anderer Eigenschaften auf- oder überwiegen und daher den Gebrauchswert maßgeblich bestimmen. Die für die Entscheidung erforderliche Vergleichsbetrachtung kann sich daher nicht in einer Gegenüberstellung einzelner wertbildender Eigenschaften erschöpfen.
cc) Die gerügte Gehörsverletzung ist entscheidungserheblich, weil nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Berufungsgericht bei Einholung des beantragten Sachverständigengutachtens zu einer anderen Entscheidung gelangt wäre.
3. Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Die Sache ist gemäß § 544 Abs. 9 ZPO an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil der Senat die erforderlichen Feststellungen zur Gleichwertigkeit der beiden Räumlichkeiten nicht selbst treffen und daher nicht abschließend in der Sache entscheiden kann.