Mietrecht / Pacht


Eigenbedarfskündigung: Welche Tatsachen müssen im Kündigungsschreiben (nicht) benannt werden

BGH, Beschluss vom 09.02.2021 - VIII ZR 346/19 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Kläger sprachen mit Kündigungsschreiben vom 30.07.2017 eine Eigenbedarfskündigung gegenüber der Beklagten aus und gaben dazu an, ihr Sohn benötige die (62qm große) Wohnung, da er einen größeren Wohnraumbedarf habe und insbesondere für seine regelmäßige Home-Office-Tätigkeit  ausreichend Platz benötige. Das Amtsgericht wies die Räumungsklage ab, da die Kündigung in Ermangelung ausreichender Begründung gem. § 573 Abs. 3 S. 1 BGB aus formellen Gründen unwirksam sei. Das Landgericht wies die dagegen von den Klägern eingelegte Berufung mit Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurück. Es schloss sich der Rechtauffassung des Amtsgerichts an und vertrat die Auffassung, es hätten im Kündigungsschreiben Angaben zur Größe der bisherigen Wohnung und Anzahl der Zimmer gemacht werden müssen, damit der Mieter zumindest überschlägig die gemachten Angaben überprüfen könne.

 

Die Kläger erhoben Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH. Nach Beschwerdebegründung und -erwiderung erklärten die Parteien den Rechtsstreit übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt. Der BGH hob die Kosten gegeneinander auf. Für die Kostenentscheidung käme es darauf an, wie das Verfahren letztlich ohne das erledigende Ereignis ausgegangen wäre. Dann wäre, so der BGH, die Revision zugelassen, das landgerichtliche Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit an das Landgericht zurückverwiesen worden.

 

Anders als Amts- und Landgericht sah der BGH die Angaben im Kündigungsschreiben als ausreichend an. Nach § 573 Abs. 3 S. 1 BGB seien im Kündigungsschreiben die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses mitzuteilen.  Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drucks. 6/1549, S. 6f zu § 564a Abs. 1 S. 2 BGB a.F.) solle dies dem Mieter zum frühest möglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition verschaffen und in die Lage versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen. Erforderlich und im Allgemeinen ausreichend sei, wenn der Kündigungsgrund identifizierbar bezeichnet würde, sich mithin von anderen Gründen unterscheiden könne. Ausreichend sei daher bei der Wohnraumkündigung wegen Eigenbedarfs die Angabe zur Person, für die die Wohnung benötigt würde, und die Angabe des Interesses, welches diese Person an der Erlangung der Wohnung habe.

 

Zwar habe das Berufungsgericht die rechtlichen Maßstäbe erkannt und zitiert. Allerdings habe es die Anwendung nahezu in das Gegenteil verkehrt, da es nicht den entscheidenden Gesichtspunkt der Individualisierung des Kündigungsgrundes bedacht habe. Die Individualisierung diene dazu, dass Kündigungsgründe voneinander unterschieden werden können und es so dem Vermieter verwehrt wird, nachträglich dem Kündigungsbegehren einen anderen Grund zu benennen (unzulässiges Auswechseln des Kündigungsgrundes). Diese Individualisierung sei durch die Angaben zur Bedarfsperson (Sohn der Kläger), Interesse (größerer Raumbedarf im Hinblick auf Home-Office) erfolgt. Mit diesen Angaben könne der Mieter, der die Kündigung nicht hinnehmen will, seine Verteidigung auf den angegebenen Kündigungsgrund ausrichten, dessen Auswechseln durch das Begründungserfordernis der Kündigung ausgeschlossen sei.

 

Der BGH folgte ausdrücklich nicht dem Berufungsgericht, dass das Begründungserfordernis auch dazu diene, dem Mieter durch Angabe von Details eine Überprüfung des vom Vermieter geltend gemachten Bedarfs zu ermöglichen oder gar ihn schon im Vorfeld eines Kündigungsprozesses auf rechtliche Verteidigungsmöglichkeiten hinzuweisen. Die Frage, ob der identifizierbare Kündigungsgrund tatsächlich besteht, sei eine Frage der materiellen Begründetheit der Kündigung, nicht einer formalen Voraussetzung für eine solche, und von daher im Falle des Bestreitens des Kündigungsgrundes im Prozess durch den Mieter durch Beweiserhebung des Gerichts zu klären.

 

 

Da hier die Zulassung der Revision zur Zurückverweisung des Verfahrens geführt haben würde, dort am Landgericht dann die materielle Berechtigung zur Kündigung (durch Beweisaufnahme) zu klären gewesen wäre, sei der Prozessausgang offen, was nach der Erledigungserklärung eine Kostenaufhebung rechtfertige.  

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Die Kosten des Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben (§ 91a ZPO).

 

Gründe

 

I.

 

Die Kläger haben die Beklagte im vorliegenden Verfahren aufgrund einer Eigenbedarfskündigung auf Räumung der ihr im Jahr 2016 vermieteten Wohnung mit einer Fläche von 62 qm (monatliche Nettokaltmiete 750 €) in Anspruch genommen. In dem Kündigungsschreiben vom 30. Juli 2017 wird ausgeführt, der Sohn der Kläger benötige die Wohnung, weil er einen größeren Wohnraumbedarf habe und insbesondere für seine regelmäßigen Home-Office-Tätigkeiten ausreichend Platz brauche.

 

Das Amtsgericht hat die Klage - ohne Beweisaufnahme über den streitigen Eigenbedarf - mit der Begründung abgewiesen, die Kündigung sei bereits mangels ausreichender Begründung nach § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB aus formellen Gründen unwirksam. Das Landgericht hat die Berufung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, das Amtsgericht habe die Kündigung zu Recht bereits daran scheitern lassen, dass die Kündigungserklärung vom 30. Juli 2018 nicht ausreichend begründet gewesen sei. Die Angabe, dass der Sohn der Kläger eine größere Wohnung benötige und deshalb in die Wohnung der Beklagten einziehen wolle, genüge nicht. Vielmehr seien konkrete Angaben zu der bisherigen Wohnung des Sohnes nach Größe und Anzahl der Zimmer erforderlich. Denn der Mieter müsse in die Lage versetzt werden, den geltend gemachten Bedarf anhand der Angaben im Kündigungsschreiben zumindest überschlägig zu überprüfen; insoweit genügten die mitgeteilten und nicht durch ausreichende Tatsachen belegten “Leerformeln“ nicht.

 

Gegen diese Entscheidung haben sich die Kläger mit der Nichtzulassungsbeschwerde gewendet und diese unter anderem damit begründet, das Berufungsgericht sei in einer die Zulassung der Revision erfordernden Weise von der Rechtsprechung des Senats abgewichen, indem es weit übersteigerte Anforderungen an die Begründung der Kündigung gestellt habe. Nach Eingang der Beschwerdeerwiderung haben die Parteien den Rechtsstreit in der Hauptsache übereinstimmend für erledigt erklärt und widerstreitende Kostenanträge gestellt.

 

II.

 

Nachdem der Rechtsstreit im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren von den Parteien mit den Schriftsätzen vom 5. Juni 2020 und 16. Juni 2020 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt worden ist, ist gemäß § 91a Abs. 1 ZPO - nach billigem Ermessen unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands - (nur) noch über die Kosten des Rechtsstreits zu befinden. Dabei ist der mutmaßliche Ausgang des Beschwerde- und gegebenenfalls des Revisionsverfahrens zu berücksichtigen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 1. März 2007 - I ZR 249/02, NJW-RR 2007, 694 Rn. 12; vom 9. Juni 2010 - XII ZR 183/08, juris Rn. 2). Es kommt daher darauf an, ob die Nichtzulassungsbeschwerde der in den Vorinstanzen unterlegenen Kläger zur Zulassung der Revision geführt und - falls dies zu bejahen ist - welchen Ausgang der weitere Rechtsstreit im Anschluss daran voraussichtlich genommen hätte. Bei Anlegung des vorgenannten Prüfungsmaßstabs sind im Streitfall die Kosten des Rechtsstreits gegeneinander aufzuheben.

 

1. Die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger hätte voraussichtlich zur Zulassung der Revision geführt. Denn das Berufungsgericht hat die Anforderungen an eine formell ordnungsgemäße Begründung einer Eigenbedarfskündigung in einer eine Wiederholungsgefahr besorgenden Weise überspannt, so dass die Zulassung der Revision zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO) geboten gewesen wäre.

 

a) Gemäß § 573 Abs. 3 Satz 1 BGB setzt die Wirksamkeit einer Kündigungserklärung voraus, dass die Gründe für ein berechtigtes Interesse des Vermieters an der Beendigung des Mietverhältnisses in dem Kündigungsschreiben angegeben sind. Der Zweck dieser Vorschrift besteht darin, dem Mieter zum frühestmöglichen Zeitpunkt Klarheit über seine Rechtsposition zu verschaffen und ihn dadurch in die Lage zu versetzen, rechtzeitig alles Erforderliche zur Wahrung seiner Interessen zu veranlassen (vgl. BT-Drucks. 6/1549, S. 6 f. zu § 564a Abs. 1 Satz 2 BGB aF). Diesem Zweck wird im Allgemeinen Genüge getan, wenn das Kündigungsschreiben den Kündigungsgrund so bezeichnet, dass er identifiziert und von anderen Gründen unterschieden werden kann; bei einer Kündigung wegen Eigenbedarfs ist daher grundsätzlich die Angabe der Person, für die die Wohnung benötigt wird, und die Darlegung des Interesses, das diese Person an der Erlangung der Wohnung hat, ausreichend (Senatsurteile vom 27. Juni 2007 - VIII ZR 271/06, NJW 2007, 2845 Rn. 23; vom 17. März 2010 - VIII ZR 70/09, NZM 2010, 400 Rn. 8; vom 30. April 2014 - VIII ZR 284/13, NJW 2014, 2102 Rn. 7; vom 15. März 2017 - VIII ZR 270/15, NJW 2017, 1474 Rn. 15; vom 22. Mai 2019 - VIII ZR 167/17, NJW-RR 2019, 972 Rn. 19).

 

b) Das Berufungsgericht hat diese rechtlichen Maßstäbe zwar zitiert, in der Anwendung dann aber nahezu in ihr Gegenteil verkehrt, indem es nicht auf den - entscheidenden - Gesichtspunkt abgestellt hat, ob der Kündigungsgrund in dem Kündigungsschreiben ausreichend individualisiert worden ist, so dass er von anderen Kündigungsgründen unterschieden werden kann.

 

Eine solche Individualisierung des Kündigungsgrundes wird durch das Kündigungsschreiben jedoch - offensichtlich - ermöglicht. Denn es wird sowohl die Bedarfsperson - der Sohn der Kläger - benannt als auch das Interesse, das letzterer an der Wohnung hat, nämlich dass er aufgrund von Home-Office-Tätigkeiten größeren Raumbedarf habe. Das genügt als Begründung. Denn eine solche Individualisierung ermöglicht es dem Mieter, der die Kündigung nicht hinnehmen will, seine Verteidigung auf den angegebenen Kündigungsgrund auszurichten, dessen Auswechselung dem Vermieter durch das Begründungerfordernis gerade verwehrt werden soll (Senatsurteile vom 15. März 2017 - VIII ZR 270/15, NJW 2017, 1474 Rn. 15; vom 23. September 2015 - VIII ZR 297/14, NJW 2015, 3368 Rn. 11). Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts dient das Begründungserfordernis nicht dazu, dem Mieter durch Angabe von Details eine Überprüfung des vom Vermieter geltend gemachten Bedarfs zu ermöglichen oder ihn schon im Vorfeld eines etwaigen späteren Kündigungsprozesses auf rechtliche Verteidigungsmöglichkeiten hinzuweisen (Senatsurteile vom 15. März 2017 - VIII ZR 270/15, aaO Rn. 16; vom 1. Juli 2015 - VIII ZR 278/13, NJW 2015, 2650 Rn. 19). Vielmehr ist die Frage, ob der - identifizierbar angegebene - Kündigungsgrund tatsächlich besteht, eine Frage der materiellen Begründetheit der Kündigung, die im Falle eines Bestreitens durch den Mieter im Prozess im Rahmen einer Beweisaufnahme zu klären ist.

 

 

2. Die Zulassung der Revision hätte voraussichtlich zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht geführt, damit dort die erforderlichen Feststellungen zum Vorliegen des behaupteten Eigenbedarfs und gegebenenfalls zu den von der Beklagten geltend gemachten Härtegründen hätten getroffen werden können. Angesichts der erforderlichen Beweisaufnahme und des insoweit offenen Prozessausgangs entspricht eine Kostenaufhebung billigem Ermessen im Sinne von § 91a Abs. 1 ZPO.