Betriebskosten: Sind „Notdienstpauschalen“ im
Wohnraummietverhältnis umlagefähig ?
AG Berlin-Charlottenburg, Urteil
vom 21.02.2018 - 215 C 311/17 -
Kurze Inhaltsangabe:
Die Klägerin als Vermieterin von Wohnraum rechnete wie in den Jahren zuvor gegenüber den Beklagten als Mietern die Betriebskosten ab und machte dort u.a. eine
Position „Notdienstpauschale“ geltend. Die Klägerin war zum einen der Annahme, die Beklagten könnten deshalb keine Einwendungen erheben, da sie diese im Vorjahr akzeptiert hätten, zum Anderen,
dass es sich um umlagefähige Betriebskosten nach der (vereinbarten) II. BV handele. Beiden Argumenten folgte das Amtsgericht (zutreffend) nicht.
Der BGH brachte zum Ausdruck, dass einer Abrechnung binnen einer Jahresfrist nach Vorlage zu widersprechen ist, wozu auch gehöre, dass eine Position gar nicht abrechenbar wäre, § 566 Abs. 3 S. 5
BGB (Urteil vom 10.10.2007 - VIII ZR 279/06 -). Das Unterlassen würde aber eine Geltendmachung im nachfolgenden Jahr nicht hindern können.
Die „Notdienstpauschale“ sei auch nicht umlegungsfähig. Es würde sich hier nicht um allgemeine Betriebskosten iSv. § 27 II. BV (und damit letztlich auch nicht um Betriebskosten nach § 2 BetrKV)
handeln. Bezeichnend für Betriebskosten sei, dass es sich um laufende Aufwendungen des Eigentümers im Rahmen des bestimmungsgemäßen Gebrauchs handeln würde. Darunter könne die Notdienstpauschale
nicht subsumiert werden, bei der es sich um Kosten handele, die dafür anfallen würden, dass auch außerhalb der normalen Geschäftszeiten bei Schadensfällen pp. eine Person erreichbar ist. Es
handele sich also nicht um Gebrauchskosten, sondern um bereitschaftskosten. So sei die Notdienstpauschale beispielsweise nicht mit den Kosten für die Kontrolle der rettungs- und Fluchtwege
vergleichbar, da sie nicht ein Tätigwerden betreffen würde. Es handele sich vielmehr um Verwaltungskosten, die (unabhängig davon, ob ein Hausmeister beschäftigt wird oder nicht) generell nicht
umlegungsfähig seien. Verwaltungskosten seien nach § 26 Abs. 1 II. BV (vgl. auch § 1 Abs. 2 Nr. 1 BetrKV) die (im Rahmen von Wohnraummietverhältnissen) nicht umlegbaren Kosten der Aufsicht,
Entgegennahme von Schadensmeldungen, Veranlassung von Reparaturmaßnahmen.
Anmerkung: Die Entscheidung gilt für die Wohnraummiete. Anderes ist grundsätzlich im Rahmen der Geschäftsraummiete möglich, wenn die Parteien eine Vereinbarung diesbezüglich treffen
sollte.
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die Klage wird
abgewiesen.
2. Die Kosten des
Rechtsstreits werden der Klägerin auferlegt.
3. Das Urteil ist vorläufig
vollstreckbar.
4. Die Berufung wird nicht
zugelassen.
Tatbestand
Von der Darstellung des
Tatbestandes wird gemäß § 313 a Abs. 1 S. 1 ZPO abgesehen.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist zulässig, aber
unbegründet.
1. Die Klägerin hat keinen
Anspruch auf Zahlung einer anteiligen Nachforderung aus der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2016 vom 12. Mai 2017 in Höhe von streitigen 101,11 € gemäß § 535 Abs. 2 i.V.m. § 556
Abs. 3 BGB sowie mit dem zwischen den Parteien bestehenden Mietvertrag gegen die Beklagten.
Die Klägerin ist nämlich nicht
berechtigt, die insofern streitige Notdienstpauschale (inklusive darauf entfallendem Umlageausfallwagnis) auf die Beklagten als Mieter umzulegen.
Dabei kann dahinstehen,
inwiefern schon die Auflistung der umlegbaren Betriebskosten in § 3 Abs. 3 lit. a) des Mietvertrages der Geltendmachung der Notdienstpauschale den Beklagten gegenüber entgegenstehen
würde. Zwar weisen die Beklagten insofern zutreffend darauf hin, dass eine Kostentragungspflicht des Mieters für nicht vereinbarte Betriebskostenarten nicht gegeben ist. Die Berufung darauf ist
den Beklagten in Abweichung von der Auffassung der Klägerin auch nicht dadurch verwehrt, dass diese im Rahmen der Nebenkostenabrechnung 2015 keinen Einwand gegen die Umlage der Notdienstpauschale
erhoben haben. Das von der Klägerin insofern zitierte Urteil des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 10. Oktober 2007, AZ: VIII ZR 279/06) hat die Klägerin falsch verstanden, wenn sie davon ausgeht,
der Bundesgerichtshof habe dem Mieter den Einwand, es fehle für eine bestimmte Betriebskostenposition an einer vertraglichen Vereinbarung, für immer verwehrt, wenn dieser nicht bei der
erstmaligen Umlage innerhalb der gesetzlichen Einwendungsfrist erhoben werde. Der Bundesgerichtshof hat vielmehr lediglich ausgeurteilt, dass auch der erwähnte Einwand zu den von § 556
Abs. 3 S. 5 BGB erfassten gehört, der Mieter auch diesen also innerhalb der zwölfmonatigen Frist nach Zugang der Nebenkostenabrechnung mitzuteilen hat. Diese Entscheidung betrifft aber,
wie sich schon aus der Systematik ergibt, lediglich die jeweilige konkrete Abrechnung, die allein von § 556 Abs. 3 BGB erfasst ist, so dass es dem Mieter nicht verwehrt ist, den Einwand
bei einer späteren Abrechnung (fristgerecht) zu erheben. Das haben die Beklagten aber mit ihrem Schreiben vom 21. Juni 2017 hinsichtlich der Nebenkostenabrechnung für das Jahr 2016 vom 12. Mai
2017 getan. Für die daher wegen eines Verhaltens gegenüber einer früheren Abrechnung einzig in Betracht kommende Verwirkungseinrede fehlt es aber vorliegend an sämtlichen Voraussetzungen, d.h.
sowohl am Zeit- als auch am Umstandsmoment.
Die Frage, ob vorliegend die
Notdienstpauschale in den als umlagefähig vereinbarten "allgemeine(n) Betriebskosten" enthalten sein könnte, bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil es sich bei der Notdienstpauschale generell
nicht um eine Betriebskostenposition i.S.v. § 27 II. BV handelt. Betriebskosten sind danach diejenigen, die dem Eigentümer durch das Eigentum am Grundstück oder den bestimmungsgemäßen
Gebrauch des Gebäudes, des Grundstücks oder der Anlagen des Grundstücks laufend entstehen. Unter diese Definition passt jedoch die Notdienstpauschale nicht. Diese umfasst diejenigen Kosten, die
dafür anfallen, dass auch außerhalb der normalen Geschäftszeiten bei Schadensfällen, Havarien oder ähnlichen Notfällen eine Person erreichbar ist. Diese Kosten entstehen nicht wie beispielsweise
die Grundsteuer aus dem Eigentum am Grundstück an sich und sie betreffen auch nicht den bestimmungsgemäßen Gebrauch von Grundstück, Gebäude oder Anlagen. Es geht eben gerade nicht um
Gebrauchskosten, sondern es handelt sich um klassische Bereitschaftskosten. Insofern treffen auch die von der Klägerin mit Schriftsatz vom 02. Januar 2018 zitierten Urteile nicht zu. Die
Notdienstpauschale ist nicht mit der Kontrolle der Rettungs- und Fluchtwege vergleichbar, weil sie nicht die Kosten eines Tätigwerdens betrifft.
Vielmehr handelt es sich um
klassische Verwaltungskosten, die - insofern kommt es eben auch nicht darauf an, ob ein Hauswart beschäftigt ist oder nicht - generell nicht umlagefähig sind und bei Beschäftigung eines Hauswarts
auch mit Verwaltungs- und etwaigen Instandsetzungsaufgaben aus dessen umlagefähigen Kosten konkret oder prozentual herauszurechnen sind.
Verwaltungskosten wiederum sind
gemäß § 26 Abs. 1 II. BV die Kosten der zur Verwaltung des Gebäudes oder der Wirtschaftseinheit erforderlichen Arbeitskräfte und Einrichtungen, die Kosten der Aufsicht sowie der Wert
der vom Vermieter persönlich geleisteten Verwaltungsarbeit. Genau darunter lassen sich aber auch die Kosten der Notdienstpauschale definieren. Die Bereithaltung für die Entgegennahme von Mängel-,
Havarie-, Schadens- und Notfallmeldungen und die darauf folgende etwaige Veranlassung von Reparaturmaßnahmen ist eine Tätigkeit im Zusammenhang mit der Verwaltung des Gebäudes. Dafür spricht
auch, dass während der normalen Geschäftszeiten üblicherweise solche Meldungen auch gegenüber der Hausverwaltung erfolgen und von dort die erforderlichen Maßnahmen veranlasst werden. Es kann aber
für die rechtliche Qualifizierung der Kosten keine Rolle spielen, ob der Notfall sich außerhalb der üblichen Geschäftszeiten ereignet und der Hauseigentümer dafür einen Ansprechpartner bereit
hält. Insofern dient die Einrichtung eines solchen Bereitschaftsdienstes jedenfalls ganz überwiegend dem Interesse des Vermieters und nicht, wie die Klägerin meint, gleichwertig auch dem
Interesse der Mieter z.B. zur Vermeidung von Schäden an deren eingebrachten Sachen. Bei lebensnaher Betrachtung ist nämlich davon auszugehen, dass die Mieter, würde der Vermieter keinen
erreichbaren Notdienst bereitstellen, in einem Notfall, z.B. einem unkontrollierten Wasseraustritt, selbst Notmaßnahmen wie im Beispielfall die Verständigung eines Sanitärdienstes mit
24-Stunden-Service, veranlassen würden. Der Vermieter will daher durch die Bereitstellung eines Ansprechpartners außerhalb der Öffnungszeiten seiner Hausverwaltung ganz vorrangig erreichen, dass
von ihm fachlich und kostenmäßig gebilligte Maßnahmen ergriffen werden. Auch insofern rechtfertigt sich eine Umlage auf die Mieter nicht.
Es bleibt daher festzustellen,
dass die Notdienstpauschale Leistungen umfasst, die zu den Verwaltungsaufgaben des Vermieters gehören und nicht durch den Gebrauch des Gebäudes bzw. Grundstücks veranlasst sind, so dass eine
Umlage nicht zulässig ist.
Die Beklagten sind daher nicht
verpflichtet, die im Rahmen der Nebenkostenabrechnung 2016 vom 12. Mai 2017 ausgewiesenen Kosten für die Notdienstpauschale von 99,13 € zuzüglich des darauf entfallenden Anteils am
Umlageausfallwagnis nachzuzahlen.
Mangels einer
verzugsbegründenden Hauptforderung besteht schließlich auch kein Anspruch auf Zahlung von auf Verzug gestützten Zinsen.
Die Klage war somit in vollem
Umfang abzuweisen.
2. Die Kostenentscheidung beruht
auf § 91 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Ziffer 11, 711, 713 ZPO.
3. Die Berufung war nicht gemäß
§ 511 Abs. 4 Ziffer 1 ZPO zuzulassen, weil die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat und insbesondere auch weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer
einheitlichen Rechtsprechung dies erfordern würden. Bei der Umlage einer Pauschale für einen vom Vermieter vereinbarten Notdienst auf die Mieter handelt es sich der nahezu zwanzigjährigen
Berufserfahrung der erkennenden Richterin entsprechend nicht um eine häufiger vorkommende Problematik, die eine obergerichtliche Entscheidung erfordern würde. Allein der Umstand, dass zwei
Amtsgerichte, davon eines aus dem Zuständigkeitsbereich des Kammergerichts, über eine vergleichbare Frage möglicherweise abweichend entschieden haben, gefährdet dabei auch nicht die
Einheitlichkeit der Rechtsprechung.