Kurze Inhaltsangabe:
Der Kläger machte zunächst gegen die Beklagten den rückständigen Mietzins für die Monate Januar bis Mai 2020 sowie eine Nachzahlung aus der Betriebskostenabrechnung 2019 mit insgesamt € 4.396,46 geltend. Nachdem die Beklagte Erfüllung der Mietforderungen für Januar bis März 2020 einwandten, machte der Kläger nunmehr insoweit einen Mietrückstand für die Monate April bis Juni 2020, eine Nutzungsentschädigung für Juli 2020 und Mietrückstände für August sowie Dezember 2019 mit insgesamt € 5.091,94 geltend. Das Amtsgericht verurteilte die Beklagten zur Zahlung von € 4.551,46 zuzüglich Zinsen und außergerichtlicher Anwaltsgebühren und erlegte die Kosten des Rechtsstreits zu 62% den Beklagten und zu 38% dem Kläger auf; den Streitwert setzte das Amtsgericht mit Beschluss vom 13.04.2021 auf € 7,401,94 fest. Die Höhe des Streitwerts begründete es mit den durch die Klageerweiterung vorgenommenen dortigen Klageantrag von € 5.091,94 sowie den zuvor geltend gemachten Mieten Januar bis März 2929 und der Betriebskostennachzahlungsforderung, hinsichtlich derer die Klage im Zuge der Klageerweiterung konkludent zurückgenommen worden sei.
Gegen den Streitwertbeschluss richtete sich die Beschwerde des Klägers, der die Festsetzung eines Streitwerts von € 5.091,94 begehrte. Es habe keine konkludente Klagerücknahme vorgelegen, sondern eine sachdienliche Klageänderung. Dem folgten das Landgericht und (auf die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde) das Oberlandesgericht nicht.
Das Landgericht folgte dem Kläger dahingehend, dass es sich bei seinem neuen Klageantrag (teilweise) um eine Klageänderung gem. § 263 ZPO gehandelt habe, insoweit die Mietforderung für Januar bis März zurückgenommen worden sei und gleichzeitig die Klage für die Mietforderungen aus den Monaten August und Dezember 2019 und Juni 2020 sowie (in Bezug auf eine Nutzungsentschädigung) für Juli 2020 erweitert worden sei.
Sodann setzte sich das Landgericht mit der unterschiedlichen Rechtsprechung der Oberlandesgerichte auseinander, ob bei einer Klageänderung wie vorliegend bei wirtschaftlich nicht identischen Streitgegenständen die Streitwerte gem. § 39 Abs. 1 GKG zu addieren seien. Es schloss sich der Ansicht an, dass eine Addition stattzufinden habe. Eine Begrenzung der vorzunehmenden Zusammenrechnung auf gleichzeitig anhängige Ansprüche ließe sich dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 GKG nicht entnehmen. Eine Vorschrift, welche die Zusammenrechnung wie § 45 GKG von besonderen Voraussetzungen abhängig mache, würde fehlen. Auch sei der Wortlaut des § 39 Abs. 1 GKG weit gefasst und erlaube gegenüber der allgemeinen Verweisung in § 48 Abs. 1 S. 1 GKG ein anderes Verständnis für den Gebührenstreitwert, da § 489 GKG für die Frage der Zuständigkeit entscheidend sei. Anders als bei dem Zuständigkeitsstreitwert gäbe es bei der Bemessung des Gebührenstreitwerts an Hand der anhängig gewordenen Streitgegenstände gem. §§ 40, 47 GKG keinen Grund, die Zusammenrechnung auf gleichzeitig erhobene Ansprüche zu beschränken.
Das Oberlandesgericht folgte dem Landgericht in seiner Bewertung. Es verwies ergänzend darauf, dass auch für eine Addition der Werte aller je in das Verfahren eingeführten Streitgegenstände ein praktischer Gesichtspunkt spräche: Seien Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen (Anm.: wie die Miete aus einem Mietvertrag) zu erfüllen, hätten es die Parteien je nach Verfahrenslänge in der Hand, den Verfahrenswert konstant niedrig zu halten, indem sie von der Verfolgung erfüllter Monatsraten „formfrei Abstand nehmen“ könnten und den Nominalbetrag des Klageantrages jeweils mit neuen in Rückstand geratenen Klagen auffüllen. Der Streitwert bliebe in diesem Fall jeweils unverändert, obwohl sich das Gericht jeweils mit der nicht absehbaren Anzahl von Monaten auseinanderzusetzen hätte.
Folgerichtig sei zudem nach Ansicht des Oberlandesgerichts die Addition der Streitwerte auch deshalb, da § 40 GKG darauf beruhe, dass der den jeweiligen Streitgegenstand betreffende Antrag maßgebend sei, der den Rechtszug einleite. Dieser Norm hätte es nicht bedurft, wenn die Addition eine zeitgleiche Verfahrenseinleitung voraussetze. Wenn aber eine zeitgleiche Einleitung nicht erforderlich sei, müssten auch die Streitgegenstände nicht bis zum Verfahrensabschluss verfolgt werden, wenn - wie hier - eine Partei wegen erkannter Teilerfolglosigkeit der Klage eine Teilrücknahme dadurch zu umgehen versucht und eine Erklärung nur deshalb nicht abgibt, um eine nachteilige Kostenlast zu vermeiden.
Anmerkung: Der Streitwert ist Grundlage für die Berechnung der Gerichtskosten und der anwaltlichen Gebühren, ebenso für eine Kostenverteilung im Urteil.
Aus den Gründen:
A. LG Stendal, Beschluss vom 14.07.2021 - 25 T 86/21 -
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Amtsgerichts Salzwedel vom 13. April 2021 -31 C 142/20 (III)- wird zurückgewiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.
Die weitere Beschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger hat rückständigen Mietzins und eine Nachzahlung aus einer Betriebskostenabrechnung gegen die Beklagten geltend gemacht. Mit der Klageschrift vom 13. Mai 2020 hat er in der Hauptsache den Antrag angekündigt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 4.396,46 Euro zu zahlen. Zur Begründung hat er ausgeführt, die Beklagten hätten den Mietzins in Höhe von jeweils 770,00 Euro (Nettomiete zuzüglich Betriebskostenvorauszahlung) für die Monate Januar bis einschließlich Mai 2020, insgesamt also 3.850,00 Euro, sowie eine Nachforderung aus der Betriebskostenabrechnung 2019 in Höhe von 546,46 Euro nicht bezahlt. Nachdem die Beklagten mit Schriftsatz vom 26.08.2020 vorgetragen haben, dass für den Zeitraum Januar bis einschließlich März 2020 die Mietzahlungen erfolgt seien, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25. September 2020 vorgetragen, dass in den Monaten April bis einschließlich Juni 2020 keine Miete gezahlt worden sei, außerdem auch nicht in den Monaten August und Dezember 2019. Es seien fünf Zahlungsbeträge offen, wie im Klagantrag aufgeführt. Mit Schriftsatz vom 04.01.2021 hat der Kläger schließlich die Klage in der Hauptsache erweitert und in der Hauptsache den Antrag angekündigt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 5.091,94 Euro zu verurteilen. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass die Beklagten die Miete in Höhe von jeweils 770,00 Euro für die Monate August 2020, Dezember 2020 sowie April bis einschließlich Juni 2020 und die Betriebskostennachforderung in Höhe von 546,46 Euro nicht gezahlt hätten und darüber hinaus für den Monat Juli 2020 eine Nutzungsentschädigung in Höhe von 695,48 Euro schuldeten. Durch Urteil vom 13. April 2021 hat das Amtsgericht Salzwedel im schriftlichen Verfahren gemäß § 128 Abs. 2 ZPO die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 4.551,46 Euro nebst Zinsen und vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten verurteilt und im Übrigen die Klage abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits hat es den Beklagten zu 62 % und dem Kläger zu 38 % auferlegt. Zur Begründung der Kostenentscheidung hat es unter anderem ausgeführt, dass die konkludente Klagerücknahme hinsichtlich der Nettomiete und der Betriebskostenvorauszahlungen für die Monate Januar bis März 2020 mit zu berücksichtigen seien.
Durch Beschluss vom 13. April 2021 hat das Amtsgericht den Streitwert des Rechtsstreits auf 7.401,94 Euro festgesetzt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass sich die Summe aus der mit der Klageerweiterung geltend gemachten Ansprüchen in Höhe von 5.091,94 Euro sowie der Nettomiete und Betriebskostenvorauszahlungen für die Monate Januar bis März 2020, hinsichtlich derer die Klage im Zuge der Erweiterung vom 04. Januar 2021 konkludent zurückgenommen worden sei, errechne.
Gegen den ihm am 20. April 2021 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 28. April 2021 Beschwerde eingelegt und beantragt, den Streitwert auf 5.091,94 Euro festzusetzen. Es habe keine konkludente Klagerücknahme stattgefunden, sondern eine sachdienliche Klageänderung. Aus dem neu festzusetzenden Streitwert ergebe sich auch eine zu ändernde Kostenquote.
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 14. Juni 2021 nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Stendal -Beschwerdekammer- zur Entscheidung vorgelegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass aufgrund des zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriffs von einer Klagerücknahme auszugehen sei, die in den Gebührenstreitwert einzubeziehen sei und die Höhe des Gebührenstreitwerts nicht reduziere.
B. Die Streitwertbeschwerde ist gemäß §§ 68 Abs. 1 S. 1 und 3, 63 Abs. 2 und 3 S. 2 GKG zulässig, insbesondere form- und fristgerecht eingelegt worden.
Sie hat in der Sache indes keinen Erfolg. Der Streitwert des Rechtsstreits beträgt 7.401,94 Euro gemäß §§ 39 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG iVm § 3 ZPO.
Zutreffend hat das Amtsgericht ausgehend von dem zweigliedrigen Streitgegenstandsbegriff (vgl. G. Vollkommer in: Zöller, ZPO, 33. Aufl., Einleitung Rn 63, 72, 83 mwN) angenommen, dass der Kläger mit Schriftsatz vom 04. Januar 2021 die Klage hinsichtlich des Mietzinses für die Monate Januar bis März 2020 teilweise zurückgenommen und gleichzeitig die Klage um den Mietzins für die Monate August 2019, Dezember 2019 und Juni 2020 sowie die Nutzungsentschädigung für den Monat Juli 2020 erweitert hat. Es handelt sich, wie die Beschwerde richtig erkannt hat, um eine Klageänderung im Sinne von § 263 ZPO, mit der das ursprüngliche Rechtsschutzbegehren teilweise aufgegeben worden ist (Greger aaO, § 263 Rn 6).
Die Frage, ob bei einer Klageänderung bei wie hier gegebenen, wirtschaftlich nicht identischen Streitgegenständen die Streitwerte gemäß § 39 Abs. 1 GKG zu addieren sind, ist umstritten. Nachdem in der obergerichtlichen Rechtsprechung zunächst überwiegend die Ansicht vertreten worden war, dass eine Addition gemäß § 39 GKG voraussetze, dass die Streitgegenstände gleichzeitig verfolgt werden (vgl. Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 28. Februar 2012 - 17 W 1/12, juris; OLG Stuttgart, Beschluss vom 20. Dezember 2011 - 4 W 74/11, juris; OLG Nürnberg, Beschluss vom 27. September 2010 - 8 W 1685/10, juris; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 16. August 2010 -I-24 W 9/10-, juris; OLG Frankfurt, Beschluss vom 04. März 2009 - 3 W 3/09, juris; OLG Dresden, Beschluss vom 29. Dezember 2006 -5 W 1517/06-, juris), wird in der jüngeren obergerichtlichen Rechtsprechung nunmehr mehrheitlich vertreten, dass eine Addition gemäß § 39 GKG auch bei nacheinander verfolgten Streitgegenständen zu erfolgen habe (vgl. OLG Rostock, Beschluss vom 08. Januar 2020 - 4 W 25/19, juris; OLG München, Beschluss vom 13. Dezember 2016 - 15 U 2407/16, juris; Sächsisches Landesarbeitsgericht, Beschluss vom 21. Oktober 2016 - 4 Ta 168/16 (5), juris; OLG Celle, Beschluss vom 09. Juni 2015 -2 W 132/15, juris; Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg, Beschluss vom 03. November 2014 - 5 Ta 125/14, juris; KG Berlin, Beschluss vom 27. August 2007 - 8 W 53/07, juris; OLG Koblenz, Beschluss vom 28. Dezember 2005 - 5 W 829/05, juris; OLG Hamm, Beschluss vom 12. Mai 2005 - 24 U 7/05, juris).
Die Kammer schließt sich der letztgenannten Meinung an. Eine Begrenzung der vorzunehmenden Zusammenrechnung auf gleichzeitig anhängige Ansprüche lässt sich dem Wortlaut des § 39 Abs. 1 GKG nicht entnehmen. Auch systematische Gründe sprechen dagegen. § 39 GKG ist vorrangig gegenüber § 48 Abs. 1 Satz 1 GKG, so dass § 5 erster Halbsatz ZPO gerade keine Anwendung seit der Einführung des § 39 GKG durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 mehr findet. Eine Vorschrift, welche die Zusammenrechnung wie § 45 GKG von besonderen Voraussetzungen abhängig macht, fehlt. Die Entstehungsgeschichte liefert keinen klaren Anhaltspunkt für einen im Gesetz zum Ausdruck gekommenen Willen des Gesetzgebers. Der Gesetzgeber hat die Regelung des § 39 Abs. 1 GKG allein deshalb in das GKG durch das Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 eingestellt, weil sie für alle Gerichtsbarkeiten Geltung erlangen sollte (vgl. BT-Drs. 15/1971 Seite 154: "Die Grundregel, dass in demselben Verfahren und in demselben Rechtszug die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet werden, ergibt sich derzeit allein durch die Verweisung § 12 Abs. 1 GKG auf Vorschriften der Zivilprozessordnung, hier auf § 5 Hs. 1 ZPO. Diese Regelung soll in das GKG eingestellt werden, weil sie für alle Gerichtsbarkeiten gelten soll."). Daraus folgt nicht zwingend, dass der Gesetzgeber den Grundsatz der Zusammenrechnung nach § 39 GKG im Sinne des § 5 ZPO verstanden haben wollte. Der Wortlaut des § 39 Abs. 1 GKG ist weiter und erlaubt gegenüber der allgemeinen Verweisung in § 48 Abs. 1 S. 1 GKG ein anderes Verständnis für den Gebührenstreitwert, dem eine andere Funktion zukommt als dem Zuständigkeitsstreitwert. Bei letzterem wäre es sinnwidrig, auf früher anhängige, dann aber nicht mehr geltend gemachte Ansprüche zur Bestimmung der sachlichen Zuständigkeit abzustellen. Insoweit spricht auch die teleologische Auslegung nach Sinn und Zweck der Vorschrift dafür, § 39 Abs. 1 GKG auch auf nacheinander anhängige Ansprüche anzuwenden. Anders als bei der Bestimmung des Zuständigkeitsstreitwerts gibt es bei der Bemessung der Gerichtsgebühren an Hand der anhängig gewordenen Streitgegenstände gemäß §§ 40, 47 GKG keinen Grund, die Zusammenrechnung auf gleichzeitig geltend gemachte Ansprüche zu beschränken. Dem Gerichtskostensystem in der heute geltenden Fassung ist eine Reduzierung des (Gebühren)Streitwerts im Verlauf des Verfahrens vielmehr fremd, da das Pauschalgebührensystem, dessen Einführung mit dem Kostenrechtsänderungsgesetz 1994 eingeleitet und mit dem 1. KostRMoG vom 05. Mai 2004 (BGBl. I S. 835) abgeschlossen worden ist, eine Privilegierung nur bei Beendigung des gesamten Verfahrens kennt. Darüber hinaus ermöglicht – wie der vorliegende Rechtsstreit zeigt – nur die Addition der nacheinander verfolgten Streitgegenstände eine prozessadäquate Kostenverteilung ohne Wertungswiderspruch zu der sonstigen Kostenfolge einer Klagerücknahme (vgl. OLG München, Beschluss vom 13. Dezember 2016, Az.: 15 U 2407/16, juris, auch zur Gegenmeinung).
Der Ausspruch zu den Kosten folgt aus § 68 Abs. 3 GKG.
Die weitere Beschwerde war gemäß § 68 Abs. 1 S. 5 GKG iVm § 66 Abs. 4 S. 1 GKG wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage zuzulassen. Die Rechtsfrage, ob § 39 GKG auch bei nacheinander verfolgten Streitgegenständen einschlägig ist, hat grundsätzliche Bedeutung, da sie durch das für die weitere Beschwerde zuständige Oberlandesgericht Naumburg, soweit hier ersichtlich, noch nicht entschieden worden ist.
B. OLG Naumburg, Beschluss vom 20.10.2021 - 3 W 19/21 -
Tenor
Die weitere Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Landgerichts Stendal vom 14. Juli 2021, Az. 25 T 86/21, wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Gründe
I.
Mit seiner ursprünglichen Klage vom 13. Mai 2020 auf Zahlung von 4.396,46 € hatte der Kläger von den Beklagten u.a. rückständige Wohnraummiete in Höhe von monatlich 770,00 € für die Monate Januar, Februar, März, April und Mai 2020, insgesamt 3.850,00 € begehrt. Nachdem die Beklagten mit Schriftsatz vom 26. August 2020 unbestritten vorgetragen hatten, dass die Miete für Januar bis März 2020 vor Klageerhebung bezahlt worden sei, hat der Kläger mit Schriftsatz vom 25. September 2020 vorgetragen, dass in den Monaten April bis Juni 2020 auch keine Miete gezahlt worden sei, außerdem nicht in den Monaten August und Dezember 2019. Mit Schriftsatz vom 04. Januar 2021 hatte er die Hauptsache um den Antrag, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 5.091,94 Euro zu verurteilen, erweitert. Die Beklagten hätten die Monatsmiete über 770 Euro für die Monate August 2019 und Dezember 2019 und außerdem für die Monate April 2020 bis einschließlich Juni 2020 nicht gezahlt. Neben der Betriebskostennachforderung 2019 über 546,46 Euro schuldeten die Beklagten für den Monat Juli 2020 eine Nutzungsentschädigung über 695,48 Euro.
Mit Beschluss vom 13. April 2021 hat das Amtsgericht den Streitwert auf 7.401,94 Euro festgesetzt und darin neben den mit der Klageerweiterung vom 04. Januar 2021 geltend gemachten Ansprüchen in Höhe von 5.091,94 Euro auch die Miete für die Monate Januar bis März 2020 in Höhe von 2.310,00 Euro einbezogen.
Gegen den am 21. April 2021 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 28. April 2021, am gleichen Tag beim Amtsgericht eingegangen, Streitwertbeschwerde erhoben und beantragt, den Streitwert auf lediglich 5.091,94 Euro festzusetzen. Zu keiner Zeit sei ein höherer Klagantrag gestellt worden. Es habe sich um eine sachdienliche Klageänderung gehandelt und nicht - wie das Amtsgericht meine - um eine mit Schriftsatz vom 04. Januar 2021 konkludent erklärte Klagerücknahme.
Mit Beschluss vom 14. Juli 2021 hat das Landgericht - wegen der Bedeutung der Sache in der Besetzung mit drei Berufsrichtern - die Beschwerde zurückgewiesen. § 39 GKG komme auch dann zur Anwendung, wenn wirtschaftlich nicht identische Streitgegenstände nicht gleichzeitig, sondern - wie hier - nacheinander geltend gemacht würden. Die Frage werde in der Rechtspraxis uneinheitlich gesehen und sei für das Land Sachsen-Anhalt noch nicht obergerichtlich entschieden. Für Einzelheiten wird auf die Beschlussgründe Bezug genommen und verwiesen.
Gegen den am 03. August 2021 zugestellten Beschluss hat der Kläger mit Schriftsatz vom 03. September 2021, beim Landgericht am gleichen Tag eingegangen, die vom Landgericht zugelassene weitere Beschwerde erhoben, der das Landgericht mit Beschluss vom 16. September 2021 nicht abgeholfen hat.
II.
Die weitere Beschwerde des Klägers ist nach §§ 68 Abs. 1, 66 Abs. 4 GKG form- und fristgerecht erhoben und begründet worden, mithin zulässig. Der Senat hat in der Besetzung mit drei Berufsrichtern zu entscheiden, weil auch das Landgericht mit drei Berufsrichtern über die Streitwertbeschwerde entschieden hat (§§ 68 Abs. 2 S. 7, 66 Abs. 1 GKG, 122 Abs. 1 GVG).
Die weitere Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landgericht die Streitwertbeschwerde des Klägers zurückgewiesen. Denn § 39 Abs. 1 GKG verlangt nicht, dass mehrere Streitgegenstände in ein- und demselben Verfahren gleichzeitig verfolgt werden. Es genügt, dass in einem Verfahren mehrere Streitgegenstände nacheinander verfolgt werden, um die gebotene Addition der Werte nach § 39 Abs. 1 GKG auszulösen.
Das Landgericht hat die Streitwertfestsetzung auf §§ 39 Abs. 1, 48 Abs. 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO gestützt und - dem Amtsgericht folgend - im Prozessverhalten des Klägers eine (streitwerterhöhende) teilweise Klagerücknahme für die Monate Januar bis März 2020 und eine Klageerweiterung für die Monate August 2019 und Dezember 2019 sowie Juni 2020 gesehen. Der Senat teilt diese Auslegung. Denn nichts anderes als eine teilweise Klagerücknahme liegt vor, wenn ein Kläger erkennbar davon absieht, die für die Monate Januar bis März 2020 erhobene Leistungsklage nach dem Bekanntwerden von Erfüllung vor Rechtshängigkeit ausdrücklich zurückzunehmen, und stattdessen den „frei gewordenen“ Klagebetrag mit neuen rückständigen Monatsmieten so aufzufüllen, dass sich der Nennbetrag des Klageantrags nicht verändert.
Der Senat sieht davon ab, das im angefochtenen Beschluss dargestellte Meinungsbild in der obergerichtlichen Rechtsprechung wiederzugeben. Der Begriff des Streitgegenstands in § 39 Abs. 1 GKG ist weit als „Verfahrensgegenstand“ zu verstehen (OLG Frankfurt, Beschluss vom 17. April 2014, Az. 18 W 28/14, Rn. 10 - zitiert nach juris). Ungeachtet der zutreffenden Rekursion des Landgerichts auf die Gesetzgebungsmaterialien zu § 39 Abs. 1 GKG und auf die Intension des Gesetzgebers spricht für eine Addition der Werte mehrerer Streitgegenstände bei einer auch nur sukzessiven Verfolgung in einem Verfahren ein praktischer Gesichtspunkt: Sind Verbindlichkeiten aus Dauerschuldverhältnissen zu erfüllen, hätten es die Parteien im Zahlungsrechtsstreit je nach Verfahrenslänge in der Hand, den Verfahrenswert konstant „niedrig“ zu halten, indem sie von der Verfolgung erfüllter Monatsraten formfrei „Abstand nehmen“ und den Nominalbetrag des Klageantrags mit zwischenzeitlich in Rückstand geratenen weiteren Monatsraten auffüllen. Käme es nicht zu einer Addition der Werte aller je in das Verfahren eingeführten Streitgegenstände, bliebe der Streitwert unverändert niedrig, obwohl sich das Gericht mit einer nicht absehbaren Anzahl an zusätzlichen Monatsraten inhaltlich zu befassen hat.
Die Addition der Werte mehrerer Streitgegenstände bei sukzessiver Verfolgung in einem Verfahren ist aber vor allem auch deshalb folgerichtig, weil sich § 40 GKG entnehmen lässt, dass Streitgegenstände nicht zu demselben Zeitpunkt rechtshängig zu werden brauchen. Für die Wertberechnung ist der Zeitpunkt „der den jeweiligen Streitgegenstand betreffenden Antragstellung maßgebend, die den Rechtszug einleitet“. Dieser Norm hätte es nicht bedurft, wenn die Addition eine zeitgleiche Verfahrenseinleitung voraussetzen würde. Ist eine zeitgleiche Einleitung aber nicht geboten, brauchen auch nicht alle Streitgegenstände nebeneinander bis zum Abschluss des Verfahrens verfolgt zu werden, wenn - wie hier - eine Partei aufgrund erkannter Teilerfolglosigkeit der Klage eine Teilrücknahme zu umgehen sucht und die Erklärung nur deshalb nicht abgibt, um eine für sie nachteilige Kostenlast zu vermeiden.
III.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet (§ 68 Abs. 3 GKG).
Der Beschluss ist unanfechtbar (§§ 68 Abs. 2 S. 7, 68 Abs. 3 S. 3 GKG).