OLG
München, Beschluss vom 03.04.2024 - 9 W 421/24 Bau e -)
Kurze Inhaltsangabe mit Anmerkung:
Das Landgericht hatte den Streitwert mit € 355.443,21 festgesetzt. Vom Kläger wurde nunmehr beantragt, den Streitwert für die Streithelferin (Nebenintervenientin) abweichend davon auf € 5.000,00
festzusetzen, da diese nur von fünf von 97 Positionen des Verfahrens betroffen gewesen sei. Von der Streithelferin wurde geltend gemacht, sie sei dem Verfahren insgesamt (und nicht nur bezogen
auf die fünf Positionen) beigetreten. Das Landgericht wies den Antrag zurück. Der dagegen eingelegten Beschwerde half das Landgericht nicht ab und sie wurde vom Oberlandesgericht (OLG)
zurückgewiesen.
Das OLG verwies darauf, dass teilweise die Auffassung vertreten würde, dass auf ein zu schätzendes eigenes Interesse des Streithelfers abzustellen sei (Anm: so z.B. OLG Rostosck, Beschluss vom
21.10.2009 - 3 W 50/08 - mit Hinweis darauf, dass § 101 ZPO auf die „durch eine Nebenintervention bedingten Kosten“ abstelle). Herrschende Meinung sei aber wohl, dass der Streitwert einer
Nebenintervention mit dem Streitwert der Hauptsache übereinstimmen würde, wenn der Nebenintervenient am Prozess im gleichen Umfang beteiligt sei wie die Partei, der er beigetreten sei
(bereits erstmals BGH, Beschluss vom 13.10.1959 - V ZR 294/57 ), unabhängig davon, ob er Anträge stellen würde (BGH, Beschluss vom 12.01.2016 - X ZR 109/12 -).
Das OLG folgte der bereits im Beschluss des BGH in 1959 geäußerten Rechtsansicht. Dort sei in Bezug auf die verfahrensrechtliche Stellung des Nebenintervenienten ausgeführt. Dass dieser mit
seinem Beitritt eigene wirtschaftliche Interessen verfolge, er aber gleichwohl, stelle er keinen eingeschränkten Antrag, im gleichen Umfang am Prozess beteiligt sei wie die Partei, der er
beitrete; für die Art der Prozessführung käme es auf das wirtschaftliche Interesse des Nebenintervenienten nicht an. Zudem, so das OLG, würde häufig eine Ungewissheit über die genaue, etwaige
Beteiligung des Nebenintervenienten an der Hauptsache bestehen, die auch nicht einfach im Wege einer Schätzung gelöst werden könne, ggf. zur Beauftragung eines Gutachters zur
Streitwertbemessung führen könne.
Zwar mag vorliegend eine Eingrenzung, wie der Kläger meint, möglich sein, was aber an der Maßgeblichkeit des Hauptsachestreitwerts nichts ändern könne. Die Beklagte habe der Streithelferin
unbegrenzt den Streit verkündet (§ 72 ZPO) und diese sei dem Rechtsstreit unbeschränkt beigetreten. Wenn die Parteien wirksam unangemessene Ergebnisse bei der Streitwertbemessung vermeiden
wollen, läge es an ihnen, nicht oftmals unzählige unbeschränkte Streitverkündungen auszusprechen, sondern eine Streitverkündung ausdrücklich zu beschränken, was hier nicht erfolgt sei.
Anmerkung: Der vom OLG übernommenen Rechtsprechung des BGH ist grundsätzlich beizutreten und gerade auch zu beachten, dass der Streitverkünder es durch eine Beschränkung des Umfangs
der Streitverkündung (hier auf die klägerseits benannten 5 Positionen) vermeiden kann, dass die Kosten der Nebenintervention aus einem niedrigeren Streitwert zu bemessen sind, als es der
Hauptsreitwert zuließe. Die Kosten des Streithelfers treffen letztlich nur die Partei, der der Streithelfer nicht als Nebenintervenient beitritt, soweit dieser unterliegt (§ 101 ZPO). Allerdings
kann es dem Streitverkünder letztlich egal sein, wenn er sich gewiss ist, dass der Streitverkündete ihm beitritt. Die Partei, die nicht den Streitverkündet, kann nicht eine Beschränkung
erklären. Zu denken wäre daran, dass trotz der Streitverkündung die andere Partei einen Antrag auf Zurückweisung der Nebenintervention stellen kann (§71 ZPO). Dann müsste der
Nebenintervenient in einem Zwischenstreit sein rechtliches Interesse an der Nebenintervention glaubhaft machen und das Gericht durch Zwischenurteil (welches mit sofortiger Beschwerde angefochten
werden kann) entscheiden. Vorliegend lag auch nach Ansicht des Klägers ein rechtliches Interesse (an fünf Positionen) auf Seiten des Nebenintervenienten vor, aber nicht in Bezug auf die anderen
Positionen. Ob dieser Umstand allerdings dazu führen kann, die Nebenintervention - wird ein weitergehendes Interesse durch den Nebenintervenienten nicht glaubhaft gemacht – auf die entsprechenden
Positionen einzuschränken erscheint unwahrscheinlich. Das Gesetz sieht vom Wortlaut keine entsprechende Einschränkung an der Nebenintervention vor, wenn nur ein rechtliches Interesse zu einem
Teil des Streitgegenstandes besteht. Allenfalls ließe sich dies aus § 101 ZPO schließen, auf den das OLG Rostock abstellt, da dort von den durch die Nebenintervention bedingten Kosten abgestellt
wird. Tritt der Nebenintervenient dem Rechtstreit in vollem Umfang bei, ohne dass dies gerügt wird, wird man kaum seine Kosten mit dem erweis auf § 101 ZPO reduzieren können (wie es das OLG
Rostock vornahm), da dadurch die wirksame Nebenintervention zum Rechtsstreit insgesamt in Frage gestellt würde, was aber nach rügeloser Verhandlung mit dem Beigetretenen nicht mehr möglich ist
(OLG Köln, Beschluss vom 04.05.2010 - I-16 W 6/10 -), da in diesem Fall die Nebenintervention notwendig den Hauptsachestreitwert umfasst. Da aber eine auf bestimmte Punkte beschränkte
Nebenintervention möglich ist, kann sich § 101 auch lediglich auf diesen Umstand beziehen, weshalb sich aus § 101 ZPO nichts für eine Beschränkung der Nebenintervention nur auf die Position
ableiten lässt, für die ein rechtliches Interesse des Nebenintervenienten glaubhaft gemacht ist. Ob § 71 ZPO dahingehend ausgelegt werden kann, dass eine Nebenintervention nur insoweit zulässig
ist, soweit ein rechtliches Interesse des Nebenintervenienten besteht, eine darüberhinausgehende Nebenintervention ausgeschlossen werden kann, wurde, soweit für mich ersichtlich, bisher nicht
entschieden. Eine derartige Beschränkung lässt sich aus dem Wortlaut nicht entnehmen und dürfte wohl eher zu verneinen sein.
Aus den Gründen:
Tenor
Die Beschwerde der Kläger gegen den Beschluss des Landgerichts München I vom 07.02.2024, Az. 24 O 14346/16, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die Frage, inwieweit für einen Streithelfer abweichend vom Hauptsachestreitwert für dessen Kostenfestsetzung ein gesonderter Streitwert festzusetzen ist.
Nachdem das Erstgericht durch Beschluss vom 05.01.2023 den Hauptsachestreitwert auf 355.443,21 € festgesetzt hatte, beantragten die Kläger mit Schriftsatz vom 26.10.2023, nach gütlicher
Streitbeilegung in der Berufungsinstanz, den Streitwert für der Kostenfestsetzung der Streithelferin der Beklagten auf 5.000 € festzusetzen, da die Streithelferin von den insgesamt streitigen 97
Positionen bestenfalls von 2 bis 4 Positionen berührt sei. Mit Beschluss des Erstgerichts vom 07.02.2024 wurde dieser Antrag zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Kläger gemäß
Schriftsatz vom 15.02.2024, in dem diese noch einmal - auch unter Bezugnahme auf ihren bisherigen Vortrag - ausführlich zur Zusammensetzung des Hauptsachestreitwertes und zu den die
Streithelferin der Beklagten nur betreffenden strittigen Mängelbehauptungen in Höhe von 4.815,30 € ausgeführt haben. Es würde zu einem völlig unangemessenen und nicht vertretbaren rechtlichen
Ergebnis führen, wenn man für alle (hier 12) Streitverkündungsempfänger im Falle ihres Beitritts jeweils den gesamten Hauptsachestreitwert zugrunde legen würde, obwohl pro
Streitverkündungsempfänger lediglich geringe Mängel strittig gewesen seien. Die Streithelferin hat mit Schriftsatz vom 21.02.2024 Stellung genommen, verweist nochmals auf ihren unbeschränkten
Beitritt und die Rechtsprechung des BGH, wonach es unerheblich sei, wie weit das wirtschaftliche Eigeninteresse des Streitverkündeten reiche, denn dies beträfe nur das Innenverhältnis.
Mit Beschluss vom 01.03.2024 hat das Erstgericht der Beschwerde nicht abgeholfen.
II.
Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Zur Begründung wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst auf die in jeder Hinsicht zutreffenden, sorgfältigen Ausführungen des
Erstgerichts Bezug genommen, das bereits die wesentlichen Rechtssätze herausgearbeitet hat. Zu ergänzen ist folgendes:
Die Frage, wie der Streitwert der Nebenintervention zu bemessen ist, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten:
In Teilen der Rechtsprechung wird die Auffassung vertreten, dass auf das zu schätzende eigene wirtschaftliche Interesse des Streithelfers am Obsiegen der Hauptpartei abzustellen sei, das geringer
sein könne als der Streitwert des Hauptprozesses (Werner/Pastor/Frechen, 18. Aufl., Der Bauprozess, Kap. 2 Rn. 547 mwN zur Rechtsprechung einiger Oberlandesgerichte unter Fn. 121).
Nach der wohl herrschenden Meinung (BGH, Beschluss vom 30.10.1959, NJW 1960, 42; Beschluss vom 11.12.2012 - II ZR 233/09, BeckRS 2013, 1256; OLG München, Beschluss vom 29.01.2010 - 13 W 634/10,
BeckRS 2010, 13339; Beschluss vom 25.07.2018 - 9 U 1513/16 Bau; Beschluss vom 11.06.2019 - 9 W 635/19 Bau; BeckOK/ Wendtland, 52. Ed. 1.3.24, ZPO, § 3 Rn. 27; MüKo/Wöstmann, 6. Aufl. 2020,
ZPO, § 3 Rn. 103; Werner/Pastor/Frechen, aaO) stimmt der Streitwert einer durchgeführten Nebenintervention in der Regel mit dem Streitwert der Hauptsache überein, wenn der Nebenintervenient
am Prozess im gleichen Umfang beteiligt ist wie die Partei, der er beigetreten ist, wobei es nach Auffassung des BGH ohne Bedeutung sei, ob der Nebenintervenient selbst Anträge gestellt hat (BGH,
Beschluss vom 12.01.20216 - X ZR 109/12, NJW-RR 2016, 831).
Der Senat folgt weiterhin der h.M., denn die vom BGH bereits in seiner Entscheidung aus dem Jahr 1959 angestellten Überlegungen überzeugen auch heute. Zu Recht wird dort auf die
verfahrensrechtliche Stellung des Nebenintervenienten abgestellt und ausgeführt: "Wenn er auch mit seinem Beitritt wirtschaftlich eigene Interessen verfolgt, so ist er gleichwohl - falls er
keinen eingeschränkten Antrag stellt ... - am Prozess in dem gleichen Umfang beteiligt wie die Partei, der er beigetreten ist .... Für die Art seiner Prozessführung macht es keinen Unterschied,
ob sein wirtschaftliches Interesse dem der Hauptpartei gleichkommt oder ob es gar geringer oder höher ist. Das sind Fragen, die lediglich das Innenverhältnis zwischen ihm und der von ihm
unterstützten Partei betreffen ...." Hinzu kommt, dass, worauf der BGH ebenfalls zutreffend hinweist, eine erhebliche Unsicherheit in das Wertfestsetzungsverfahren hineingetragen werden würde,
wollte man auf die jeweiligen wirtschaftlichen Belange, die hinter dem Beitritt des Nebenintervenienten stecken, abstellen. Oft herrscht Ungewissheit über die genaue, etwaige Beteiligung des
Nebenintervenienten an der Hauptsache und diese Ungewissheit kann auch nicht etwa "einfach" im Wege der Schätzung, die oftmals nur ins Blaue hinein erfolgen könnte, was Anlass zu weiterem Streit
böte, oder gar durch Beauftragung eines Gutachters nur zum Zwecke der Streitwertbemessung verlässlich und praxisnah beseitigt werden. Dass im vorliegenden Fall jedenfalls nach Auffassung der
Kläger eine Eingrenzung möglich sein mag, ändert nichts daran, dass am Grundsatz der Maßgeblichkeit des Hauptsachestreitwertes festzuhalten ist, denn hier wurde, worauf das Erstgericht zu Recht
hingewiesen hat, durch die Beklagte der Streit gegenüber der Streithelferin unbegrenzt verkündet und diese trat dem Rechtsstreit auf Seiten der Beklagten unbeschränkt bei. Wollen die Parteien
wirksam unangemessene Ergebnisse bei der Streitwertbemessung der Nebenintervention vermeiden, liegt es an ihnen nicht "einfach" - ohne die dabei möglicherweise auflaufenden Kosten in den Blick zu
nehmen - oftmals unzählige, unbeschränkte Streitverkündungen auszusprechen, sondern eine Streitverkündung ausdrücklich zu beschränken (so auch Werner/Pastor/Frechen, aaO). Dies ist hier nicht
geschehen und drängt sich auch nicht auf.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren nach § 68 Abs. 3 GKG ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.