Kostenfestsetzung: Keine Prüfung (schwieriger oder
streitiger) materiell-rechtlicher Fragen
OLG Frankfurt, Beschluss
vom 19.02.2025 - 30 W 20/25 -
Kurze Inhaltsangabe:
Gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss legte der Kläger (als Kostenschuldner) sofortige Beschwerde mit der Begründung ein, der Anwaltsvertrag zwischen dem Beklagten und seinem
Prozessbevollmächtigten A sei nichtig, da eine Interessenkollision des A bestünde. Er sei sowohl dem Beklagten wie auch dem Kläger als freier Mitarbeiter verbunden. Damit hätte er nicht für den
einen Dienstherrn gegen den anderen vorgehen dürfen. Das Landgericht half der sofortigen Beschwerde nicht ab und legte sie dem Oberlandesgericht (OLG) vor. Dieses wies sie zurück.
Unter Bezugnahme auf einen Beschluss des BGH vom 09.03.2006 - V ZB 164/05 – verwies das OLG darauf, dass das Kostenfestsetzungsverfahren eine Fortsetzung der Kostengrundentscheidung sei und mir
dem Kostenfestsetzungsbeschluss abschließe. Es sei lediglich zu entscheiden, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten sei, weshalb keine materiell-rechtlichen Fragen zu klären
seien. Für streitige Tatsachen und komplizierte Rechtsfragen sei das Verfahren nicht vorgesehen, daher nicht zu berücksichtigen und einer möglichen Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO)
vorbehalten.
Ausnahmsweise könnten es verfahrensökonomische Gründe angezeigt erscheinen lassen, den Kostenerstattungsschuldner nicht auf eine Vollstreckungsgegenklage zu verweisen, wenn es um
materiell-rechtliche Einwendungen gehen würde, die keiner Tatsachenaufklärung bedürfen und mit den in einem Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne weiteres geklärt
werden könnten (BGH, Beschluss vom 23.03.2006 - V ZB 189/05 -.
Diesen Ausnahmefall verneint das OLG bereits deshalb, da streitig sei, ob der Prozessbevollmächtigte des Beklagten noch für diesen tätig sei.
Dem stünde nicht entgegen, dass der Rechtspfleger prüfen müsse, ob die zur Festsetzung angemeldeten Kosten entstanden seien. Damit verbunden sei nicht die Prüfung aller
materiell-rechtlicher Fragen, vielmehr beschränke sich die Prüfung auf rein prozessuale und gebührenrechtliche Gesichtspunkte. Dies sei Folge des Umstandes, dass mit dem
Kostenfestsetzungsbeschluss die betragsmäßige Umsetzung der Kostengrundentscheidung erreicht werden soll. Die materiell-rechtliche Frage, ob die erstattungsberechtigte Partei ihrem
Prozessbevollmächtigten die Gebühren im Innenverhältnis schulde, gehöre nicht in das Kostenfestsetzungsverfahren (OLG Hamm, Beschluss vom 15.01.1999 – 23 W 534/98 -; BGH, Beschluss vom 22.11.2006
– IV ZB 18/06 -).
Zudem sei der Einwand der Nichtigkeit des Anwaltsvertrages wegen Verstoßes gegen § 134 BGB bzw. gem. § 138 ZPO keine einfache Rechtsfrage, die für das Kostenfestsetzungsverfahren geeignet sei.
Aus den Gründen:
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 13.11.2024 wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Beschwerde.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Der Gegenstandswert für die Beschwerde wird auf 1.565,72 € festgesetzt.
Gründe
I.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Limburg an der Lahn vom 13.11.2024 sind die auf Grund des vorläufig vollstreckbaren Versäumnisurteils des Landgerichts Limburg a. d. Lahn vom
02.10.2024 von dem Kläger an den Beklagten zu erstattenden Kosten auf 1.565,72 € festgesetzt worden.
Am 29.11.2024 hat der Kläger gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss, der ihm am 15.11.2024 zugestellt worden ist, sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, den angefochtenen
Kostenfestsetzungsbeschluss aufzuheben und den Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten zurückzuweisen. Zur Begründung hat er ausgeführt, der Anwaltsvertrag zwischen dem Beklagten und dessen
Prozessbevollmächtigten A sei nichtig. Es liege ein Fall der Interessenkollision vor. Rechtsanwalt A sei sowohl mit dem Beklagten als auch mit dem Kläger als freier Mitarbeiter verbunden. Für den
Bestreitensfalle hat er die Vorlage der Vereinbarung angekündigt. Der Anwaltsvertrag zwischen dem Beklagten und dessen Prozessbevollmächtigten A verstoße somit gegen ein gesetzliches Verbot, weil
man nicht für den einen Dienstherrn gegen den anderen Dienstherrn vorgehen dürfe, so dass die §§ 134, 138 BGB eingriffen, was einen Verlust des Kostenerstattungsanspruches des Beklagten zur
Folge habe.
Der Beklagte hat beantragt, die sofortige Beschwerde zurückzuweisen. Er hat dazu vorgetragen, der Kläger habe am 28.01.2021 eine Vereinbarung unterzeichnet, nach der die Zusammenarbeit mit dem
Prozessbevollmächtigten der Beklagten A auf der Basis eines freien Mitarbeitervertrages einvernehmlich mit Wirkung zum 31.01.2021 beendet worden sei. Zum Beweis dafür hat er eine Vereinbarung vom
28.01.2021 vorgelegt.
Das Landgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen. Zur Begründung hat es ausgeführt, bei dem Vortrag des Klägers, dass der Anwaltsvertrag zwischen dem Beklagten und seinem
Prozessbevollmächtigten nichtig sei, handele es sich um einen materiell-rechtlichen Einwand gegen den Kostenerstattungsanspruch. Solche Einwände seien im Kostenfestsetzungsverfahren grundsätzlich
nicht zu berücksichtigen. Dies gelte auch für die eingewandte Nichtigkeit des Anwaltsvertrags auf Beklagtenseite.
II.
Die gemäß §§ 11 Abs. 1 RPflG, 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO i.V.m. § 567 Abs. 1 Ziff. 1, Abs. 2 ZPO statthafte sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und
fristgerecht eingelegt worden (§ 569 ZPO). Sie hat aber in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Kostenfestsetzungsverfahren, das mit dem Erlass eines Kostenfestsetzungsbeschlusses abschließt, ist eine Fortsetzung der zwischen den Prozessparteien ergangenen
Kostengrundentscheidung (BGH, NZM 2006, 660 unter III 2a); es behandelt daher allein die Frage, welcher Betrag nach der Kostengrundentscheidung zu erstatten ist. Schon das spricht dagegen,
materiell-rechtliche Fragen innerhalb des Kostenfestsetzungsverfahrens zu klären, das auf eine formale Prüfung der Kostentatbestände und die Beurteilung einfacher Fragen des Kostenrechts
zugeschnitten und deshalb dem Rechtspfleger übertragen ist. Die Entscheidung zwischen den Parteien streitiger Tatsachen und komplizierter Rechtsfragen ist in diesem Verfahren nicht vorgesehen und
mangels der dafür notwendigen verfahrensrechtlichen Instrumente auch nicht sinnvoll möglich (BGH, Rpfleger 2006, 439 unter II 1). Materiell-rechtliche Einwände gegen den Kostenerstattungsanspruch
sind deshalb grundsätzlich nicht zu berücksichtigen; vielmehr sind diese vorrangig mit der Vollstreckungsgegenklage geltend zu machen (BGH NJW 1952, 768 *).
2. Allerdings kann es unter dem Gesichtspunkt einer (prozessualen) Gleichbehandlung und aus verfahrensökonomischen Gründen angezeigt sein, den Kostenerstattungsschuldner nicht auf die
einen ungleich größeren Aufwand erfordernde Vollstreckungsgegenklage zu verweisen, wenn es um materiell-rechtliche Einwände geht, die keine Tatsachenaufklärung erfordern und sich mit den im
Kostenfestsetzungsverfahren zur Verfügung stehenden Mitteln ohne Weiteres klären lassen, etwa wenn die tatsächlichen Voraussetzungen feststehen, weil sie unstreitig sind oder vom Rechtspfleger im
Festsetzungsverfahren ohne Schwierigkeiten aus den Akten ermittelt werden können. Solche Einwände können dann ausnahmsweise auch im Kostenfestsetzungsverfahren erhoben und beschieden werden (vgl.
BGH, NJW 2006, 1962; Rpfleger 2005, 382 unter III 1b; BayVGH, Rpfleger 2004, 65; OLG Hamburg, MDR 2003, 294; OLG München, ZIP 2000, 555; OLG Hamm, JurBüro 2000, 655; JurBüro 1993, 490; OLG
Stuttgart, Rpfleger 1992, 316).
a) Ein solcher Ausnahmefall ist hier jedoch zu verneinen. Es ist bereits streitig, ob der Prozessbevollmächtigte des Beklagten - wie vom Kläger behauptet - noch für diesen tätig ist oder
ob die Tätigkeit aufgrund der vorgelegten Vereinbarung vom 28.01.2021 bereits beendet ist.
b) Dem steht nicht entgegen, dass durch den im Kostenfestsetzungsverfahren zuständigen Rechtspfleger zu prüfen ist, ob die zur Erstattung angemeldeten Rechtsanwaltskosten entstanden sind.
Das bedeutet nicht, dass auch sämtliche damit verbundenen materiell-rechtlichen Fragen seiner Entscheidung unterfallen. Vielmehr hat seine Prüfung unter rein prozessualen und gebührenrechtlichen
Gesichtspunkten zu erfolgen. Sie beschränkt sich im Wesentlichen darauf, ob die zur Erstattung angemeldeten Kosten nach dem konkreten Verfahrensablauf und den einschlägigen Vorschriften des
Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes entstanden sind. Diese prozessuale Prüfungsbefugnis ist notwendige Folge daraus, dass mit dem Kostenfestsetzungsbeschluss die betragsmäßige Umsetzung der
Kostengrundentscheidung erreicht werden soll. Sie ist von der materiell-rechtlichen Beurteilung zu unterscheiden, ob die erstattungsberechtigte Partei ihrem Prozessbevollmächtigten die geltend
gemachten Gebühren im Innenverhältnis nach den dort bestehenden vertraglichen Beziehungen tatsächlich schuldet (OLG Hamm, JurBüro 2000, 655); letztere gehört nicht in das
Kostenfestsetzungsverfahren (BGH NJW-RR 2007, 422).
c) Auch sonst ist nichts dafür ersichtlich, dass der Rechtspfleger - aus Gründen der Verfahrensökonomie - die ihm an sich verschlossene Prüfung der Wirksamkeit des Anwaltsvertrags selbst
zuverlässig und für den prozessualen Kostenerstattungsanspruch abschließend vornehmen durfte. Insbesondere handelt es sich bei dem Einwand, dass der zwischen dem erstattungsberechtigten Gegner
und seinem Prozessbevollmächtigten geschlossene Anwaltsvertrag wegen Verstoßes gegen § 134 BGB bzw. gem. § 138 ZPO nichtig sei, um keine einfache Rechtsfrage, hinsichtlich deren
Beurteilung kein Zweifel bestünde und die daher zur Klärung im Kostenfestsetzungsverfahren geeignet wäre. Die aufgezeigte Frage steht zwischen den Parteien weder außer Streit, noch wurzelt sie im
Kostenfestsetzungsverfahren selbst. Sie war daher - wie vom Landgericht zu Recht angenommen - der Prüfung des Rechtspflegers entzogen, dem es an der Befugnis zur materiell-rechtlichen
Entscheidung insoweit fehlt (vgl. BGH, NJW-RR 2007, 422).
3. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
4. Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 23 Abs. 2 RVG.
5. Die Rechtsbeschwerde war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 574 ZPO nicht erfüllt sind.
* Anmerkung: Tatsächlich gemeint dürfte das Urteil vom 06.03.1952 - IV ZR 151/51 - in NJW
1952, 786 ff sein.