Kostenrecht


Gebührenstreitwert: Beseitigung von Baumängeln durch Bauunternehmer

OLG Karlsruhe, Beschluss vom 23.12.2024 - 19 W 80/24 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Parteien stritten um die Beseitigung von klägerseits geltend gemachten Baumängeln, deren Beseitigung der Kläger durch die Beklagte begehrte. Der Kläger ging unter Bezugnahme auf zuvor in einem selbständigen Beweisverfahren eingeholten Gutachten von Kosten in Höhe von€ 6.806,60 für die Beseitigung der Mängel zuzüglich einer Preissteigerung von 20% aus (€ 8.168,16). Das Landgericht übernahm für den Klageantrag den Wert von € 8.168,18. Die Beklagte legte dagegen Beschwerde ein mit der Begründung, Preissteigerungen seien irrelevant, da die Ausführung durch die Beklagte und nicht einen Dritten klägerseits begehrt worden sei. Die Beschwerde wurde nach Nichtabhilfe durch das Landgericht vom Oberlandesgericht zurückgewiesen.

 

Der Ansatz der Beklagten, Preissteigerungen hätten außer Ansatz zu bleiben, da sie selbst die klägerseits benannten Ausbesserungen vornehmen sollte, treffe rechtlich nicht zu. Der Wert der Klage richte sich nach den objektiven Kosten einer Mangelbeseitigung. Die hier zum Klageantrag erforderliche Streitwertschätzung nach § 48 Abs. 1 S. 1 GKG iVm. § 3 ZPO orientiere sich alleine nach dem Interesse des Klägers (sogen. Angreiferinteresseprinzip). Dessen Interesse war nach dem Betrag zu bewerten, den er selbst hätte aufwenden müssen, um die Mängel beseitigen zu lassen; mithin seien die Marktpreise dafür relevant.

 

Unabhängig davon sei auch die Annahme der Beklagten verfehlt, bei eigener Ausführung sei eine Preissteigerung nicht relevant. Gestiegene Material- und Lohnkosten würden sie auch treffen. Ferner sei zu berücksichtigen, dass sie während der Zeit, in der sie die Nacherfüllungsarbeiten für den Kläger verrichte, keine anderen Aufträge zu aktuellen Preisen ausführen könne.

 

Die vom Kläger vorgenommene Schätzung, die vom Landgericht übernommen worden sei, im Hinblick auf Preissteigerungen zwischen der Begutachtung im selbständigen Beweisverfahren und dem maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung, sei nicht zu beanstanden. Nach dem Baupreisindex des Statistischen Bundesamtes für Wohngebäude läge der Index im Basisjahr 2021 bei 100, im Jah 2023 dann bei 130,5. Daher sei eine Preissteigerung von 20% für die Zeit vom 30.07.2021 (Gutachtenerstattung) bis 13.09.2023 (Klageerhebung) angemessen.

 

Eine von Klägerseite ebenfalls eingelegte Beschwerde mit dem Ziel der Erhöhung des Wertes des Klageantrages wurde, wurde ebenfalls zurückgewiesen, da die Mindestbeschwer nicht erreicht sei. Im Übrigen wies das Oberlandesgericht darauf hin, dass entgegen der Ansicht des Klägers, eine Preissteigerung nach der Klageeinreichung nicht den Gebührenwert nicht tangiere, da diese Preissteigerung nach § 40 GKG nicht berücksichtigungsfähig sei.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

1. Die Beschwerde der Beklagten gegen den Streitwertbeschluss im Urteil des Landgerichts Karlsruhe vom 07.10.2024, Az. 18 O 18/24, wird zurückgewiesen. Die Beschwerde des Klägers gegen den nämlichen Beschluss wird verworfen.

2. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.

 

Gründe

 

I.

 

Die Beklagte begehrt die Herabsetzung, der Kläger die Heraufsetzung des Gebührenstreitwerts in einem die Beseitigung von Baumängeln betreffenden Verfahren.

 

Der Kläger hat die mit Dachdeckerarbeiten beauftragte Beklagte mit ihrer unter dem 13. September 2023 erhobenen Klage unter anderem auf Beseitigung von vier näher bezeichneten Baumängeln am Anwesen X-Str. 8 in Y. in Anspruch genommen und die Feststellung begehrt, dass die Beklagte zur Anbringung der Durchhangsicherung der Luftdichtigkeitsbahn verpflichtet war. Dem Hauptsacheverfahren war ein beim Landgericht Karlsruhe unter 6 OH 1/21 geführtes selbständiges Beweisverfahren vorangegangen. Zum Gebührenstreitwert enthält die Klage folgende Bemerkungen:

 

„Zu Kostenzwecken wäre vorläufig entsprechend der Kalkulation des Gutachters von Gesamtkosten für die durchzuführenden Arbeiten von 6.806,80 € brutto zuzüglich einer Preissteigerung auszugehen. Der Gutachter hat vor über 2 Jahren kalkuliert. Wir gehen davon aus, dass bei aktuellen Preisen die voraussichtlichen Kosten mindestens 20 % höher liegen.

Wir gehen also unverbindlich von einem Streitwert für die Klage von 8.168,16 € aus.“

 

Die Beklagte erhob bezifferte Widerklage über EUR 6.027,82.

 

Das Verfahren endete durch streitiges Urteil, in dem das Landgericht den Gebührenstreitwert - unter Übernahme der Schätzung des Klägers zum Gebührenstreitwert der Klage - für Klage und Widerklage auf zusammen EUR 14.195,98 festgesetzt hat. Mit der gegen die Streitwertfestsetzung gerichteten Beschwerde macht die Beklagte geltend, dass es eine Preissteigerung in der von Kläger angenommenen Höhe von 20% nicht gegeben habe. Eine solche wäre im Übrigen irrelevant, weil diese Preissteigerung für die Beklagte keine Rolle spiele; es sei Ausführung durch die Beklagte, nicht durch ein Drittunternehmen verlangt worden. Der Kläger ist der Beschwerde entgegengetreten und hat seinerseits unter Verweisung auf einen Baupreisindex die Heraufsetzung des Streitwerts für die Klage auf EUR 9.223,21 begehrt.

 

Das Landgericht hat den Beschwerden nicht abgeholfen.

 

II.

 

Die nach § 68 Absatz 1 GKG zulässigen Beschwerden bleiben in der Sache ohne Erfolg.

 

A. Beschwerde der Beklagten

 

1. Die vom Landgericht vorgenommene Schätzung des Werts der Klageanträge ist nicht zu beanstanden.

 

a) Die Annahme der Beklagten, Preissteigerungen seit dem selbständigen Beweisverfahren seien nicht zu berücksichtigen, weil Ausführung der Arbeiten durch sie selbst verlangt worden sei, trifft bereits im rechtlichen Ansatz nicht zu. Die Streitwertschätzung nach § 48 Absatz 1 Satz 1 GKG in Verbindung mit § 3 ZPO richtet sich allein nach dem Interesse des Klägers (“Angreiferinteresseprinzip“, allg. Meinung, vgl. etwa MüKoZPO/Wöstmann, 6. Aufl. 2020, ZPO § 3 Rn. 4 ff.; Toussaint/Elzer, 54. Aufl. 2024, ZPO § 3 Rn. 11; Stein/Loyal, 24. Aufl. 2024, ZPO § 3 Rn. 13). Das Interesse des Klägers war daher mit dem denjenigen Betrag zu bewerten, den er selbst hätte aufwenden müssen, um die Mängel beseitigen zu lassen, also nach den Marktpreisen für die begehrten Arbeiten.

 

b) Unabhängig davon wäre auch die Annahme der Beklagten nicht zutreffend, dass eingetretene Preissteigerungen bei einer Ausführung der Arbeiten durch sie selbst nicht relevant seien. Dabei wird nämlich verkannt, dass zwischenzeitliche eingetretene Steigerungen der Materialbeschaffungs- und Lohnkosten auch die Beklagte treffen. Es ist auch zu berücksichtigen, dass die Beklagte in derjenigen Zeit, die sie für die Nacherfüllungsarbeiten für den Kläger aufwenden müsste, keine anderen Aufträge erledigen kann, für die sie die aktuellen Preise verlangen könnte.

 

c) Die vom Kläger angestellte und vom Landgericht übernommene Schätzung der Baupreissteigerungen zwischen der Begutachtung im selbständigen Beweisverfahren und dem nach § 40 GKG maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung ist nicht zu beanstanden. Nach dem Baupreisindex des Statistischen Bundesamtes für Wohngebäude (Code: 61261-0001) lag der Index im Basisjahr 2021 bei 100, im Jahre 2023 dann bei 130,5. Eine Preissteigerungsschätzung von 20% für die Zeit vom 30. Juli 2021 (Gutachtenerstattung) bis 13. September 2023 (Klageerhebung) ist daher angemessen.

2. Die übrigen Ansätze stehen nicht im Streit; insoweit hat das Landgericht zu Recht die Widerklage anhand des bezifferten Antrags bewertet und die Nebenforderungen ohne Ansatz gelassen.

 

B.

 

Beschwerde des Klägers

 

Die Beschwerde des Klägers ist mangels Erreichen der Mindestbeschwer (§ 68 Absatz 1 Satz 1 GKG) bereits unzulässig. Legt man den vom Kläger für zutreffend gehaltenen Betrag für die Klage von EUR 9.223,21 zugrunde, würde sich unter Berücksichtigung der Widerklage der Gesamtstreitwert auf EUR 15.251,03 erhöhen. Er läge damit in derselben Gebührenstufe wie die Festsetzung des Landgerichts, nämlich in der Wertstufe zwischen EUR 13.000 und EUR 16.000 nach Anlage 2 zu § 34 Absatz 1 Satz 3 GKG. Die Annahme des Klägers, es seien Wertsteigerungen zwischen Klageeinreichung und mündlicher Verhandlung zu berücksichtigen, ist im Übrigen wegen § 40 GKG nicht zutreffend (vgl. etwa Binz/Dörndorfer/Zimmermann/Dörndorfer, 5. Aufl. 2021, GKG § 40 Rn. 3).

 

III.

 

Die Entscheidung über die Kosten und Auslagen beruht auf § 68 Absatz 3 GKG.