Kaufrecht


Vorleistungspflicht des Käufers nach Widerruf und Kosten einer vorher erhobenen Zahlungsklage

Kammergericht, Beschluss vom 28.08.2023 - 8 W 34/23 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Der Kläger erhob gegen die Beklagte Klage auf Rückzahlung des im Voraus entrichteten Kaufpreises für ein Kfz in Höhe von € 59.270,00, nachdem er zuvor wirksam den Widerruf vom Vertragsabschluss erklärt hatte. Im Prozess machte die Beklagte die Vorleistungspflicht des Klägers nach § 357 Abs. 4 BGB (Rücksendung der Ware) geltend. Das Landgericht hatte der Beklagten, da ein Anlass zur Klage vor Rechtshängigkeit (d.h. Zustellung der Klage bei der Beklagten) weggefallen war und  nunmehr der Kläger die Klage zurückgenommen hatte, die Kosten des Rechtsstreits auferlegt (§ 269 Abs. 3 S. 3 ZPO), da die Beklagte Veranlassung zur Klage gegeben habe. Die Beschwerde der Beklagten wurde vom Kammergericht (KG) zurückgewiesen.

 

Ein Anlass zur Klage iSv. § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO bestünde jedenfalls dann, , wenn diese zum Zeitpunkt ihrer Einreichung zulässig und begründet war (BGH, Beschluss vom 17.12.2020 - I ZB 38/20 -) und ferner der Kläger vernünftigerweise habe davon ausgehen können, er werde ohne eine Klage nicht zu seinem Recht kommen (BGH, Beschluss vom 22.10.2015 - V ZB 93/13 -).

 

Der Kläger habe am 29.01.2023 gem. §§ 312c, 312g Abs. 1, 355 Abs. 1, 2, 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a) BGB wirksam den Rücktritt erklärt und am 06.03.2023 die Klage auf Rückzahlung bei Gericht eingereicht. Fällig sei der Rückzahlungsanspruch binnen 14 Tagen nach Zugang der Widerrufserklärung geworden, §§ 357 Abs. 1, 355 Abs. 3 S. 2 BGB.

 

Die Beklagte vertrat die Ansicht, sie habe nach § 357 Abs. 4 BGB ein Leistungsverweigerungsrecht, da § 357 Abs. 4 BGB eine Vorleistungspflicht des Klägers begründe. Dies halb sei die Klage von Anfang an derzeit unbegründet gewesen, da der Kläger seiner Vorleistungspflicht (so die Rücksendung der Ware) nicht nachgekommen wäre. Das KG bejahte die Vorleistungspflicht des Klägers in Bezug auf die von der Beklagten geltend gemachten Unterlagen (Zulassungsbescheinigung Teil I und Konformitätsbescheinigung), dass sich der Anspruch des § 357 Abs. 4 BGB nicht nur auf das Fahrzeug als solches bezöge, sondern auf die Rückgewähr der ebenfalls zur Hauptleistung des Verkäufers gehörenden Zulassungsbescheinigung (BGH, Urteil vom 15.06.1983 - VIII ZR 131/82 -). Bei dem Leistungsverweigerungsrecht des § 357 Abs. 4 BGB, auf welches sich die Beklagte schriftsätzlich bezogen habe, handele es sich jedoch nicht anders als in dem Fall des § 320 BGB, welches zu einer Zug-um-Zug-Verurteilung führe, um eine echte Einrede, woraus folge, dass in Ermangelung einer vorgerichtlichen Einrede die Klage im Zeitpunkt ihrer Erhebung noch begründet gewesen sei.

 

Weiterhin habe die Beklagte auch Veranlassung zur Klageerhebung gegeben. Ebenso wie ein Schuldner, der auf vorgerichtliche Zahlungsaufforderungen sein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB nicht ausübe (BGH, Beschluss vom 22.10.2015 - VIII ZB 3/04 -), könne der Schuldner Klageveranlassung geben, der ein rückwirkendes Leistungsverweigerungsrecht nicht vorprozessual geltend mache. Der Umstand, dass sich der Schuldner in Ermangelung der Vorleistung wirtschaftlich noh nicht als leistungsverpflichtet ansehen müsse, da der Verzug mit der Einredeausübung rückwirkend entfalle, ändere daran nichts. Erst die Einredeerhebung sei das den Rechtsstreit erledigende Ereignis (ähnlich zur Einrede der Verjährung BGH, Urteil vom 27.01.2010 - VIII ZR 58/09 -, und zur Aufrechnungserklärung BGH, Urteil vom 17.07.20003 – IX ZR 268/02 -). Entscheidend sei daher, ob nach dem Verhaltend es Schuldners der Gläubiger mit der Einredeerhebung habe rechnen müssen (BGH, Urteil vom 27.01.2010 aaO.).

 

Vorliegend habe der Kläger nicht mit der Einredeerhebung rechnen müssen sondern habe zur Überzeugung kommen müssen, dass er ohne Klage nicht zu seinem Recht käme. Die Beklagte habe nämlich nach Eingang des Widerrufs sogleich mit Schreiben vom 01.02.2023 den Widerruf bestätigt und einen Nachweis der Bankverbindung erbeten, „um die Erstattung des Zahlungsbetrages in die Wege zu leiten“. Auf eine Vorleistungspflicht es Klägers habe sie sich nicht berufen. Auf eine anwaltliche Zahlungsaufforderung des Klägers vom 16.02.2023 mit einer Wochenfrist habe sie nicht reagiert und auch diese nicht zum Anlass genommen, auf die Vorleistungspflicht hinzuweisen. Damit habe das Verhalten der Beklagten die Annahme des Klägers begründen können, die Beklagte würde die Rückzahlung des erheblichen Vorauszahlungsbetrages ohne sachliche Gründe hinauszögern, ohne sachliche Einwende zu haben oder vorbringen zu wollen.

 

 

Anmerkung: Gleiches gilt auch in dem Fall, dass der Verkäufer nicht zahlt, sondern sich im Prozess nunmehr (wirksam rückwirkend) auf die Vorleistungspflicht des Käufers beruft., Erklärt nunmehr der Käufer die Hauptsache für erledigt, sind dem Verkäufer die Kosten aufzuerlegen, § 91a ZPO.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Die sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des Landgerichts Berlin vom 26.05.2023 - 59 O 18/23 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

 

Die nach §§ 269 Abs. 5, 567 Abs. 1 Nr. 1, 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist unbegründet. Das Landgericht hat der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits zu Recht nach § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO auferlegt, weil ein Anlass zur Einreichung der Klage bestand, der vor Rechtshängigkeit durch Zahlung der Beklagten weggefallen ist, und ihre Kostentragungspflicht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands billigem Ermessen entspricht.

 

1) Anlass zur Einreichung der Klage i.S. von § 269 Abs. 3 S. 3 ZPO besteht (jedenfalls), wenn die Klage im Zeitpunkt ihrer Einreichung zulässig und begründet war (s. BGH NJW 2021, 941 Rn 18) und Tatsachen vorliegen, die im Kläger vernünftigerweise die Überzeugung oder Vermutung hervorrufen können, er werde ohne eine Klage nicht zu seinem Recht kommen (s. BGH NJW 2016, 572 Rn 19; BGHZ 168, 57 = NJW 2006, 2490 Rn 10, jeweils zu § 93 ZPO; Zöller/Greger, ZPO, 34. Aufl., § 269 Rn 18c).

 

a) Die Klage auf Rückzahlung des im Voraus gezahlten Kaufpreises für den PKW in Höhe von 59.270 € war im Zeitpunkt der Klageeinreichung am 06.03.2023 aufgrund des vom Kläger am 29.01.2023 gemäß §§ 312 c, 312 g Abs. 1, 355 Abs. 1, 2, 356 Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe a) BGB wirksam erklärten Widerrufs begründet. Der Rückzahlungsanspruch war nach §§ 357 Abs. 1, 355 Abs. 3 S. 2 BGB 14 Tage nach Zugang der Widerrufserklärung fällig.

 

Der Beklagten ist nicht darin zu folgen, dass die Klage wegen der aus dem Leistungsverweigerungsrecht nach § 357 Abs. 4 BGB folgenden Vorleistungspflicht des Klägers von Anfang an derzeit unbegründet (s. BGH NJW 2023, 1283 Rn 35; NJW-RR 2022, 130 Rn 14; BGHZ 227, 253 = NJW 2021, 307 Rn 29) war. Zwar war der Kläger zur Rückgabe der Fahrzeugunterlagen (Zulassungsbescheinigung Teil I und Konformitätsbescheinigung) nach § 355 Abs. 3 S. 1 BGB verpflichtet, und die Vorleistungspflicht nach § 357 Abs. 4 BGB dürfte sich nicht nur auf das Fahrzeug, sondern (jedenfalls) auch auf die Rückgabe der - ebenfalls zur Hauptleistung des Verkäufers gehörenden - Zulassungsbescheinigung (s. BGHZ 88, 11 = NJW 1983, 2139 - juris Rn 9; BGH NJW 1953, 1347; OLG München IHR 2020, 97 - juris Rn 21; OLGR Düsseldorf 2000, 446 - juris Rn 35; BeckOK-BGB/Faust, 67. Ed., St. 1.8.2023, § 433 Rn 51) erstrecken, die als Teil der zurückzugewährenden „Ware“ anzusehen sein dürfte (s.a. zum Eigentum an den Fahrzeugpapieren analog § 952 BGB BGH NJW 2020, 3711 Rn 32).

 

Auch hat die Beklagte sich mit Schriftsatz vom 12.05.2023 auf das Leistungsverweigerungsrecht nach § 357 Abs. 4 BGB berufen. Es handelt sich jedoch (nicht anders als im Fall des Leistungsverweigerungsrechts nach § 320 BGB, das nach § 322 BGB allerdings nur zur Zug-um-Zug-Leistung führt) um eine echte Einrede (s. zu § 320 BGB: BGH NJW 1999, 53 - juris Rn 10; Grüneberg/Grüneberg, BGB, 82. Aufl., § 320 Rn 13), die im Falle ihrer Erhebung Rückwirkung hat (s. Staudinger/Schwarze, BGB, Neub. 2020, § 320 Rn 44: ex tunc). Im Zeitpunkt der Klageeinreichung war die Klage mangels vorgerichtlicher Einredeerhebung somit noch begründet.

 

b) Die Beklagte hatte durch ihr vorprozessuales Verhalten auch Anlass zur Klage gegeben.

 

Nicht anders als der Schuldner, der auf vorgerichtliche Zahlungsaufforderung sein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 BGB nicht ausübt (s. BGH NJW 2016, 572 Rn 20; s.a. BGH NJW-RR 2005, 1005 - juris Rn 6), kann auch der Schuldner Klageveranlassung geben, der ein rückwirkendes Leistungsverweigerungsrecht nicht vorgerichtlich ausübt. Daran ändert der Umstand nichts, dass dieser Schuldner sich wirtschaftlich nicht (bzw. hier: mangels Vorleistung noch nicht) als leistungspflichtig ansehen muss, weil der Verzug mit Einredeausübung rückwirkend entfällt. Denn erst die Einredeerhebung ist ein erledigendes Ereignis (s. zur ähnlichen Lage bei der Verjährungseinrede BGHZ 184, 128 = NJW 2010, 2422 Rn 29; bei der Aufrechnungserklärung BGHZ 155, 392 = NJW 2003, 3134). Maßgeblich für die Klageveranlassung ist daher, ob nach dem vorgerichtlichen Verhalten des Schuldners mit der Einredeerhebung im Prozess zu rechnen ist (vgl. BGHZ 155, 392 - juris Rn 21; BGHZ 184, 128 Rn 24).

 

Vorliegend konnten die vorgerichtlichen Umstände die Überzeugung, jedenfalls die Vermutung des Klägers hervorrufen, ohne eine Klage nicht zu seinem Recht zu kommen. Denn die Beklagte hat sogleich mit Schreiben vom 01.02.2023 den Widerruf bestätigt und einen Nachweis der Bankverbindung erbeten, „um die Erstattung des Zahlungsbetrages in die Wege zu leiten“. Auf eine Vorleistungspflicht des Klägers in Bezug auf die Fahrzeugunterlagen hat sie sich (damit gerade) nicht berufen. Dennoch hat sie sodann auf die anwaltliche Zahlungsaufforderung vom 16.02.2023 mit Frist von einer Woche nicht reagiert, und auch diese nicht zum Anlass einer Vorleistungseinrede genommen. Das Verhalten der Beklagten konnte die Annahme des Klägers begründen, dass sie die Rückzahlung des erheblichen Vorauszahlungsbetrags ohne sachliche Gründe hinauszögern wollte, ohne sachliche Einwendungen zu haben oder vorbringen zu wollen.

 

2) Angesichts der im Übrigen unstreitig begründeten Zahlungsforderung, die nach Klageeinreichung von der Beklagten beglichen wurde, entspricht die Kostentragung der Beklagten billigem Ermessen.

 

 

3) Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO. Eine Wertfestsetzung erfolgt nicht, da nach GKG KV Nr. 1810 für das Beschwerdeverfahren eine Festgebühr anfällt.