Rücktritt/Rückabwicklung bei staatlicher Förderung auf
E-Auto
Brandenburgisches
Oberlandesgericht, Urteil vom 03.09.2024 - 6 U 79/23 -
Kurze Inhaltsangabe:
Das Urteil behandelt die Zuordnung einer staatlichen Förderung (Umweltbonus) im Rahmen der Förderung des Verkaufs von Elektrofahrzeugen im Rahmen einer kaufvertraglichen Rückabwicklung.
Streit bestand nach dem Rücktritt des Klägers von einem Kaufvertrag über ein Elektroauto darüber, ob der Verkäufer die staatliche Förderung („Umweltbonus“) an den Käufer erstatten muss. Das
Landgericht hat die Zahlungspflicht aus dem Gesichtspunkt der geschuldeten Kaufpreisrückerstattung gem. §§ 346 Abs. 1, 440, 323 Abs. 1., 437 Nr. 2 Fall 1, 433 f BGB bejaht. Die Berufung des
Verkäufers (Beklagte) war erfolglos.
Nach § 346 Abs. 1 BGB seien im Falle eines Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und gezogene Nutzungen herauszugeben. Nach dem Rücktritt des Klägers lägen die Voraussetzungen
auch in Bezug auf den nicht ausgekehrten streitgegenständlichen Teilbetrag vor, den der Kläger als staatliche Förderbeihilfe bei dem Erwerb auf seinen Antrag erhalten habe. Zu der vom
Verkäufer „empfangenen Leistung“ iSv. § 346 Abs. 1 BGB gehöre auch der an die Beklagte ausgekehrte Umweltbonus entsprechend Ziffer 5.1 der Richtlinie, der auf deren Antrag nach Zulassung des
Fahrzeugs erstatten wurde. Fehlerhaft sei die Annahme der Beklagten, mit der Förderrichtlinie sei (unabhängig von der privatrechtlichen Beziehung der Parteien) nicht vereinbart, dass der Kläger
den Bonus behalten könne bei einem Rücktritt vor Ablauf der Mindesthaltedauer. Hier sei aber nur das (öffentlich-rechtlich geprägte) Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Subventionsgeber
betroffen. Ferner bestünde auch kein Anspruch der Beklagten unter dem Gesichtspunkt der „gezogenen Nutzung“ (§ 346 Abs. 1 BGB). Vorteile, die nicht durch Gebrauch sondern nur mittels der Sache
gewonnen würden, würden nicht darunter fallen. Die Förderbeihilfe in Form des Umweltbonus würde nicht einen Gebrauch des Kaufgegenstandes anknüpfen, sondern an davon unabhängige Voraussetzungen.
Der Kaufvertrag zwischen den Parteien enthalte hier auch keine Regelungslücke. Es sein keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Beklagte eine mit dem Erwerb erlangte staatliche Beihilfe
bei einer Rückabwicklung auf die Beklagte übertragen wollten.
Richtig sei allerdings die Auffassung der Beklagten, der Umweltbonus habe nur einen den Marktpreis für Neufahrzeuge begünstigenden Faktor dargestellt, weshalb die Beklage nach Rückerhalt bei
Weiterverkauf ohne weitere Fördermöglichkeit und ohne die Möglichkeit, den vom Kläger vereinnahmten Umweltbonus an einen Neukäufer weiterzureichen, voraussichtlich einen Verlust erleiden würde.
Dies zu berücksichtigen wäre aber Sache des Richtliniengebers gewesen.
Aus den Gründen:
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das am 23.08.2023 verkündete Urteil des Landgerichts Frankfurt (Oder), Az. 13 O 73/23, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren auf 6.000 € festgesetzt.
Gründe
(abgekürzt nach § 313a Abs. 1 ZPO)
I.
Die Parteien streiten über den Verbleib einer staatlichen Förderung („Umweltbonus“) nach Rücktritt vom Kaufvertrag über ein Elektroauto. Für den Sach- und Streitstand erster Instanz wird gemäß
§ 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils verwiesen. Von der Darstellung eines Tatbestandes im Berufungsurteil wird gemäß §§ 540
Abs. 2, 313a Abs. 1 Satz 1 ZPO i.V.m. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO n.F. (vgl. § 26 Nr. 8 EGZPO a.F.) abgesehen.
II.
Die Berufung der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig, insbesondere gemäß §§ 517 ff. ZPO form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden. In der Sache ist die Berufung
nicht begründet.
1. Zu Recht hat das Landgericht die Klageforderung nach Rücktritt vom Kaufvertrag aus dem Gesichtspunkt der von der Beklagten geschuldeten Kaufpreisrückerstattung gemäß §§ 346
Abs. 1, 440, 323 Abs. 1, 437 Nr. 2 Fall 1, 433 f. BGB als begründet angesehen.
a) Nach § 346 Abs. 1 BGB sind im Falle des Rücktritts die empfangenen Leistungen zurückzugewähren und die gezogenen Nutzungen herauszugeben. Diese Voraussetzungen liegen hier
nach dem - wie durch Teilvergleich der Parteien geklärt ist - wirksamen Rücktritt des Klägers vom Kaufvertrag vom 26.03.2021 (Anlage K1) auch mit Blick auf den von der Beklagten bisher nicht in
Höhe von 6.000 € ausgekehrten Teilbetrag des Kaufpreises vor, den der Kläger nach dem Erwerb des streitgegenständlichen Elektroautos als staatliche Förderbeihilfe auf seinen Antrag hin erstattet
erhalten hat.
aa) Die Auffassung der Beklagten, der von dem Kläger im Zusammenhang mit dem Erwerb eines Elektroautos gemäß der im Bundesanzeiger veröffentlichten Richtlinie zur Förderung des Absatzes
von elektrisch betriebenen Fahrzeugen (EMobUBFördRL; hier in der Fassung vom 21.10.2021; vgl. Anlage K12) als staatliche Förderbeihilfe vereinnahmte „Umweltbonus“ sei nicht von dem von ihr zu
erstattenden Kaufpreis umfasst, ist rechtsirrig. Dies ergibt sich grundlegend daraus, wie bereits das Landgericht ausgeführt hat, dass der Kaufpreis einschließlich dieses Teilbetrages von dem
Kläger an die Beklagte gezahlt worden ist und sie diesen im Zuge der Rückabwicklung des Kaufvertrages als „empfangene Leistung“ im Sinne von § 346 Abs. 1 BGB zurückzugewähren hat. Sie
muss damit nicht etwa mehr erstatten als sie selbst als Kaufpreis vereinnahmt hat, denn der Kläger hat den Kaufpreis in voller Höhe an die Beklagte ausgekehrt und sich den auf den sogenannten
Umweltbonus entfallenden Teilbetrag entsprechend Ziffer 5.1. der Richtlinie erst nach Zulassung des Fahrzeugs auf seinen beim Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) gestellten
Antrag hin erstatten lassen. Bereits aus der Abfolge der Zahlungsflüsse folgt, dass der vom Kläger erhaltene Subventionsbetrag kein Teil des Kaufvertrages war und der von ihm entrichtete
Kaufpreis von der Beklagten im Abwicklungsverhältnis vollständig auszukehren ist.
bb) Soweit die Beklagte der Meinung ist, es sei unabhängig von der privatrechtlichen Beziehung der Parteien mit dem Sinn und Zweck der Förderrichtlinie nicht vereinbar, dass der Kläger den
Umweltbonus behalten könne, nachdem er den Rücktritt vom Kaufvertrag kurz nach Ablauf der in Ziffer 3.3 der Richtlinie vorgesehenen Mindesthaltedauer von 6 Monaten erklärt und das Fahrzeug an sie
zurückgegeben habe, spielen solche Erwägungen im Streitfall keine Rolle, sondern ist allein das öffentlich-rechtliche Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Subventionsgeber betroffen. Es
kommt, wie der Bundesgerichtshof zu von Käufern vereinnahmten staatlichen Förderleistungen mit Urteil vom 22.01.2010 (V 170/08, juris) - dort zur Rückabwicklung eines landwirtschaftlichen
Flächenkaufvertrages im Hinblick auf Beihilfezahlungen nach dem Betriebsprämiendurchführungsgesetz - entschieden hat, in solchen Fällen nicht darauf an, „ob sich ein Recht [des Käufers] finden
lässt, die ihm zugewiesenen Zahlungsansprüche (…) zu behalten“ (aaO Rn. 5). Denn dem Käufer sind vom Verkäufer „keine solchen Ansprüche oder andere Beihilfen, sondern nur das Eigentum und der
Besitz“ am Kaufgegenstand übertragen worden. Solche Zahlungsansprüche werden weder rechtliche Bestandteile dieses Eigentums (§ 96 BGB), noch bilden sie mit dem herauszugebenden
Kaufgegenstand „eine wirtschaftliche Einheit, die nur als Ganzes zurückgewährt werden könnte“ (aaO Rn. 8). Es handelt sich vielmehr um eine „personenbezogene Beihilfe“ (aaO Rn. 9), woran es
nichts ändert, dass sie im Zusammenhang mit dem Erwerb einer bestimmten Kaufsache ausgekehrt worden ist.
bb) Soweit die Beklagte in der Berufungsbegründung ergänzend ausgeführt hat, der von dem Kläger als Umweltbonus vereinnahmte Betrag sei von ihm jedenfalls als im Sinne von § 346
Abs. 1 BGB „gezogene Nutzung“ der Kaufsache auszukehren, trifft dies ebenfalls nicht zu. Bei dem vom Kläger erhaltenen Umweltbonus handelt es sich nicht um Nutzungen aus dem Kaufgegenstand.
Der Begriff der Nutzung umfasst neben den Früchten zwar auch die Vorteile, welcher der Gebrauch der Sache gewährt (§ 100 BGB). „Allerdings fallen Vorteile, die nicht durch den Gebrauch,
sondern ‚nur mittels der Sache‘ gewonnen werden, nicht darunter“ (aaO Rn. 10 f.). Um einen solchen, „nur mittels der Sache erzielten Vorteil“ handelt es sich bei staatlichen Förderbeihilfen schon
deshalb, weil deren Gewährung regelmäßig nicht maßgeblich an den „Gebrauch“ eines Kaufgegenstandes, sondern an davon unabhängige Voraussetzungen geknüpft wird (vgl. MünchKommBGB, Gaier, 9.
Auflage, § 346 Rn. 79). Dementsprechend war der Gebrauch eines Elektroautos keine explizite Voraussetzung für den Erhalt des Umweltbonus als im Sinne von Ziffer 4. der Richtlinie „nicht
rückzahlbarer Zuschuss“, sondern an die in Ziffern 2. und 3. genannten Förder- und Zuwendungsvoraussetzungen geknüpft. Der dauerhafte Verbleib der Beihilfe bei dem das Batterieelektrofahrzeug
erstzulassenden Käufer war danach, bei Erfüllung der fahrzeugbezogenen Auszahlungsvoraussetzungen, gemäß Ziffer 3.3 nur abhängig von einer „Haltedauer“, die einen Fahrzeuggebrauch nicht einmal
zwingend impliziert.
cc) Ein Anspruch der Beklagten auf Einbehalt der Förderzahlung folgt schließlich nicht aus einer ergänzenden Auslegung des zwischen den Parteien geschlossenen Kaufvertrags, denn es fehlt
an der hierfür notwendigen planwidrigen Regelungslücke. Eine solche kann nur angenommen werden, wenn die Parteien mit den getroffenen Regelungen ein bestimmtes Ziel erreichen wollten, dies wegen
der Lückenhaftigkeit des Vereinbarten aber nicht gelungen ist. Hingegen darf die ergänzende Vertragsauslegung nicht herangezogen werden, um einem Vertrag aus Billigkeitsgründen einen zusätzlichen
Regelungsgehalt zu verschaffen, den die Parteien objektiv nicht vereinbaren wollten (vgl. BGH, aaO Rn. 14 mwN). Vorliegend fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, dass die Parteien eine Verpflichtung
des Käufers begründen wollten, eine im Zusammenhang mit dem Erwerb des Elektroautos erlangte staatliche Beihilfe bei einer Rückabwicklung des Kaufvertrags auf die Beklagte zu übertragen.
b) Ein anderes Ergebnis vermag die Beklagte auch nicht aus den Grundsätzen von Treu und Glauben (§ 242 BGB) für sich herzuleiten.
aa) Zwar kann ein Rücktritt vom Kaufvertrag nach Ablauf der in der Richtlinie vorgesehenen Haltedauer „zu dem prima facie kuriosen Ergebnis führen, dass der Käufer vom Autohändler (…) den
vollen Kaufpreis abzüglich der (…) Nutzungsentschädigung zurückerhält“ (IWW Institut, VA 2022, 79 f., zitiert nach juris). „Aber er ist eben nicht ungerechtfertigt bereichert: Der „Kaufpreis ist
konsequent unabhängig vom Umweltbonus zu sehen, denn der ist eine staatliche Zuwendung an den Käufer wegen umweltpolitisch erwünschten Verhaltens für mindestens sechs Monate“ (aaO). Dem ist im
Ergebnis beizutreten, wie bereits an der Überlegung deutlich wird, dass es dem Käufer eines mit dem Umweltbonus geförderten Elektroautos auch nachteilslos freistand, dieses nach Ablauf der
Haltedauer als junges Gebrauchtfahrzeug zu veräußern. „Insbesondere aus Skandinavien, aber auch aus anderen europäischen Ländern, ist die Nachfrage nach sehr jungen gebrauchten Elektrofahrzeugen
derzeit so hoch, dass die gebotenen Beträge nur unwesentlich unter dem nicht subventionierten Neupreis liegen“ (aaO). Die Preisdifferenzen im grenzüberschreitenden Gebrauchtfahrzeughandel haben
daher, wie auch aus einschlägiger Presseberichterstattung gerichtsbekannt ist (§ 291 ZPO), in der Vergangenheit zu erheblichen Weiterverkäufen von Elektroautos unmittelbar nach Ablauf der
Haltedauerfrist geführt. Dieser in der Presse als „Missbrauch“ bezeichnete Umgang mit Steuergeldern, der zu einer unfreiwilligen Subventionierung von außerhalb der Bundesrepublik Deutschlands
genutzten Elektroautos geführt hat, bleibt jedoch naturgemäß ohne Auswirkung auf den schuldrechtlichen Kaufpreisrückzahlungsanspruch des Klägers.
bb) Der weitere Vortrag der Beklagten, die zur Zeit des Fahrzeugerwerbs bestehende Käuferaussicht, einen Umweltbonus zu erhalten, habe einen (nur) den Marktpreis für Neufahrzeuge
begünstigenden Faktor dargestellt, so dass sie nach Rückerhalt des streitgegenständlichen Elektroautos bei dessen Weiterverkauf - ohne weitere Förderfähigkeit und ohne Möglichkeit, den vom Kläger
vereinnahmten Umweltbonus an einen Neukäufer durch dessen Einbehalt weiterzureichen - voraussichtlich einen Verlust erleiden werde, ist hingegen nicht ohne weiteres von der Hand zu weisen. Es
hätte aber dem Richtliniengeber oblegen, diesen Umstand zu berücksichtigen, so etwa dadurch, dass „auch junge gebrauchte Elektrofahrzeuge, die weder als Firmenwagen noch als Dienstwagen des
Ersterwerbers eine staatliche Förderung erhalten haben, bei ihrer Zweitveräußerung einen Umweltbonus erhalten“ (so zu einer Modifikation der Richtlinie Wissenschaftliche Dienste Deutscher
Bundestag, WD 5 - 3000 - 118/19, S. 6). Ferner wäre grundsätzlich regelbar gewesen, dass der Umweltbonus dem Autohändler zugeflossen wäre und nicht dem Autokäufer. Die letztgenannte
Gestaltungsoption wäre allerdings der anderen Schwierigkeit begegnet, dass sich die in der Richtlinie vorgesehene Mindesthaltedauer für den Verbleib der Beihilfe beim Empfänger dann nicht nach
einem Verhalten des Subventionsempfängers gerichtet hätte und Weiterverkäufe geförderter Elektroautos ins Ausland vom BAFA noch weniger zu kontrollieren gewesen wären. Deutlich wird daran
vielmehr, dass die für den Verbleib des Umweltbonus beim Fahrzeugkäufer ursprünglich nur verlangte Haltedauer von 6 Monaten offenbar zu kurz bemessen war, um dem damit verfolgten Zweck gerecht zu
werden (sie wurde erst verlängert in der späteren Fassung der Richtlinie vom 01.09.2023 - kurz vor deren Auslaufen - auf zwölf Monate).
2. Die Nebenentscheidung zu den Kosten folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO i.V.m. § 544
Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
3. Die Revision ist nicht zuzulassen. Zu den entscheidungserheblichen Fragen in Rechtsprechung und Schrifttum besteht kein Meinungsstreit; es ist zudem auslaufendes Subventionsrecht
betroffen. Die Rechtssache hat deshalb keine grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) und auch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder die Fortbildung des
Rechts (§ 543 Abs. 2 Nr. 2 ZPO) erfordern keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs.