Verbotsverfügung zur Löschung von Videos auf Internetplattform
und Ordnungsgeld bei Zuwiderhandlung
OLG Dresden, Beschluss vom 29.06.2021 - 4 W 396/21 -
Die Verfügungsbeklagte betrieb eine Internetplattform, auf der der Verfügungskläger das Video „P…“ hochgeladen hatte. Nachdem die Verfügungsbeklagte dieses entfernte, erwirkte der
Verfügungskläger im Rahmen einer einstweiligen Verfügung ein Urteil, in dem der Verfügungsbeklagten bei einem Ordnungsgeld von bis zu € 25.000,00, ersatzweise Ordnungshaft von sechs Monaten)
untersagt wurde, das Video zu entfernen. Nachdem die Verfügungsbeklagte gleichwohl das Video nicht nach Erlass des Urteils und seiner Zustellung (23.04.2021) wieder einstellte wieder
einstellte, sondern erst am 14.05.2021, beantragte der Verfügungskläger wegen der Zuwiderhandlung die Verhängung eines Ordnungsgeldes gegen die Verfügungsbeklagte von nicht unter € 25.000,00.
Das LG Chemnitz setzte ein Ordnungsgeld in Höhe von € 1.000,00 fest. Der Verfügungskläger legte gegen den entsprechenden Beschluss sofortige Beschwerde ein, mit der er den ursprünglichen Antrag
weiterverfolgte. Das Landgericht half der Beschwerde nicht ab und legte den Vorgang dem OLG vor. Die Beschwerde hatte dort Erfolg.
Das OLG hielt fest, dass – wie auch vom Landgericht angenommen – die Voraussetzungen für den Erlass eines Ordnungsmittelbeschlusses nach § 890 ZPO vorlägen, da die Verfügungsbeklagte, wie von ihr
auch nicht in Abrede gestellt, gegen die Unterlassungsverpflichtung verstoßen. Allerdings sei das Ordnungsgeld auf € 100.000,00 zu erhöhen.
Zur Höhe wies das OLG darauf hin, dass das Ordnungsmittel nach seinem Zweck zu bemessen sei. Dem Ordnungsmittel des § 890 ZPO käme eine doppelte Zweckrichtung zu, nämlich als zivilrechtliche
Beugemaßnahme würde es präventiv der Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen dienen und zudem repressiv eine strafähnliche Funktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbots darstellen.
Daher sei es geboten, die Bemessung in erster Linie mit Blick auf den Schuldner und dessen Verhalten vorzunehmen. Nicht nur Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der Verschuldensgrad, der Vorteil
des Verletzers aus der Verletzungshandlug und die Gefährlichkeit der begangenen und möglichen künftigen Zuwiderhandlungen für den Verletzten seien zu berücksichtigen, sondern es solle bewirkt
werden, dass die Titelverletzung aus wirtschaftlicher Sicht des Schuldners nicht lohnend erscheine. Die Höhe des Streitwertes des Ausgangsverfahrens habe keine maßgebliche Aussagekraft.
Die Verfügungsbeklagte habe bereits mit Erlass des Urteils die Verbotsverfügung zu beachten gehabt. Entgegen der Darstellung der Verfügungsbeklagten sei die Verzögerung nicht auf technische
Gründe zurückzuführen, sondern darauf, dass sie in dem Video einen Verstoß gegen ihre „Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen über Covid-19“ gesehen habe und deshalb „die jeweiligen
Konsequenzen der Entscheidung des OLG Dresden und ihre Möglichkeiten sorgfältig abwägen“ wollte. Eine derartige Abwägung sei aber in Ansehung des titulierten Anspruchs weder veranlasst noch
geboten gewesen, was sich – zumal bei der vorliegenden anwaltlichen Beratung der Verfügungsbeklagten – von selbst erschließe. Es läge daher hier ein vorsätzlicher und in Ansehung der Zeitdauer
schwerer Verstoß gegen die Unterlassungsverfügung vor, der auch im Hinblick auf die wirtschaftlichen Verhältnisse der Verfügungsbeklagten ein deutlich höheres Ordnungsgeld, als vom Landgericht
angenommen, rechtfertige. Nur da es sich um einen Erstverstoß handele, habe der Senat des OLG davon abgesehen, den Höchstbetrag für das Ordnungsgeld zu verhängen.
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Verfügungsklägers wird der Beschluss des Landgerichts Chemnitz - 2. Zivilkammer - vom 01. Juni 2021 abgeändert und wie folgt neu gefasst:
Gegen die Verfügungsbeklagte wird wegen schuldhafter Zuwiderhandlung gegen die Unterlassungsverpflichtung aus der einstweiligen Verfügung mit Senatsurteil vom 20. April 2021 (dort Ziffer 1.) -
Az.: 4 W 118/21 - ein Ordnungsgeld in Höhe von 100.000,00 € festgesetzt sowie ersatzweise für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, für je 20.000,00 € ein Tag Ordnungshaft, welche
an den Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten E. C. bzw. N. L. zu vollziehen ist, verhängt.
2. Die Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Verfahrens in beiden Instanzen zu tragen.
Gründe
I.
Mit Senatsurteil vom 20. April 2021 (Az.: 4 W 118/21) wurde die Verfügungsbeklagte im Wege der einstweiligen Verfügung verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der
Zuwiderhandlung festzusetzendes Ordnungsgeldes und für den Fall, dass dieses nicht beigetrieben werden kann, einer Ordnungshaft oder eine Ordnungshaft bis zu sechs Monaten (Ordnungsgeld im
Einzelfall höchstens 250.000,00 €; Ordnungshaft insgesamt höchstens zwei Jahre) zu unterlassen, das von dem Verfügungskläger auf der Plattform der Verfügungsbeklagten unter https://www.xxx
hochgeladene Video mit dem Titel „P. …“ von der Plattform der Verfügungsbeklagten zu entfernen und/oder den Verfügungskläger wegen des Hochladens des vorstehend genannten Videos mit einer
Verwarnung zu versehen.
Das vorgenannte Urteil wurde der Verfügungsbeklagten im Parteibetrieb unter dem 23. April 2021 zugestellt.
Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten vom 30. April 2021 hat der Verfügungskläger wegen Zuwiderhandlung gegen die titulierte Unterlassungsverfügung die Verhängung eines Ordnungsgeldes
gegen die Verfügungsbeklagte von nicht unter 25.000,00 € beantragt.
Mit Beschluss vom 01. Juni 2021 hat das Landgericht Chemnitz gegen die Verfügungsbeklagte wegen Zuwiderhandlung gegen die in Ziffer 1. des Senatsurteils vom 20. April 2021 angeordnete
Unterlassungsverpflichtung ein Ordnungsgeld in Höhe von 1.000,00 € festgesetzt. Der Beschluss wurde dem Verfügungskläger am 07. Juni 2021 zugestellt. Mit Schriftsatz seines
Prozessbevollmächtigten vom selben Tage hat der Verfügungskläger gegen den Beschluss des Landgerichts sofortige Beschwerde eingelegt und beantragt, unter Abänderung des landgerichtlichen
Beschlusses ein Ordnungsgeld nicht unter 25.000,00 € festzusetzen sowie ersatzweise an den Geschäftsführern der Verfügungsbeklagten zu vollziehende Ordnungshaft zu verhängen. Wegen der
Beschwerdebegründung wird auf den vorgenannten Schriftsatz verwiesen.
Mit Beschluss vom 09. Juni 2021 hat das Landgericht der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen, sondern diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die zulässige Beschwerde (§§ 793, 569 Abs. 1 ZPO) hat in der Sache Erfolg.
Die Voraussetzungen für den Erlass eines Ordnungsmittelbeschlusses nach § 890 ZPO liegen vor. Die Verfügungsbeklagte hat - was sie selbst auch nicht in Abrede stellt - gegen die
Unterlassungsverpflichtung aus dem Senatsurteil vom 20. April 2021 zuwidergehandelt. Allerdings ist das vom Landgericht festgesetzte Ordnungsgeld auf 100.000,00 € zu erhöhen.
Ordnungsmittel sind im Hinblick auf ihren Zweck zu bemessen. Die Ordnungsmittel des § 890 ZPO haben einen doppelten Zweck. Als zivilrechtliche Beugemaßnahme dienen sie - präventiv - der
Verhinderung künftiger Zuwiderhandlungen. Daneben stellen sie - repressiv - eine strafähnliche Funktion für die Übertretung des gerichtlichen Verbotes dar. Dieser doppelte Zweck erfordert es, die
Bemessung der Ordnungsmittel jedenfalls in erster Linie mit Blick auf den Schuldner und dessen Verhalten vorzunehmen. Zu berücksichtigen sind insbesondere Art, Umfang und Dauer des Verstoßes, der
Verschuldensgrad, der Vorteil des Verletzers aus der Verletzungshandlung und die Gefährlichkeit der begangenen und möglicher künftiger Verletzungshandlungen für den Verletzten (vgl. zu
Vorstehendem nur: BGH, Beschluss vom 08. Dezember 2016, Az.: I ZB 118/15 - juris; BGH, Urteil vom 30. September 1993, Az.: I ZR 54/91 - juris); daneben soll die Bemessung bewirken, dass -
wiederum aus Schuldnersicht - die Titelverletzung wirtschaftlich nicht lohnend erscheint, so dass weitere Zuwiderhandlungen auch deshalb unterbleiben (vgl. BGH, a.a.O.). Die Höhe des Streitwertes
des Ausgangsverfahrens hat dagegen neben den vorgenannten, für die Höhe des Ordnungsgeldes maßgeblichen Bemessungsfaktoren keine unmittelbare Aussagekraft (vgl. BGH, a.a.O.).
Die dargestellten Maßstäbe für die Bemessung eines Ordnungsgeldes sind vom Landgericht in der angefochtenen Entscheidung nicht ausreichend berücksichtigt worden. Die Verfügungsbeklagte hatte die
durch Urteil erlassene Verbotsverfügung bereits mit ihrer Verkündung zu beachten. Darüber hinaus ist ihr diese im Parteibetrieb bereits am 23. April 2021 zugestellt worden. Dennoch war das
streitgegenständliche Video nach ihrem eigenen Vorbringen erst am 14. Mai 2021 wieder im xxx-Kanal des Verfügungsklägers abrufbar und hat sie erst zu dem vorgenannten Zeitpunkt die ihm gegenüber
ausgesprochene Verwarnung zurückgenommen. Die verzögerte Umsetzung der Unterlassungsverfügung ist nach ihrer eigenen Darstellung auch nicht, wie jedoch vom Landgericht in der angefochtenen
Entscheidung unzutreffend angeführt, aus technischen Gründen erst am 14. Mai 2021 erfolgt, sondern weil sie in dem streitgegenständlichen Video - anders als in der Senatsentscheidung vom 20.
April 2021 im Einzelnen dargelegt - einen Verstoß gegen ihre „Richtlinie zu medizinischen Fehlinformationen über Covid-19“ gesehen hat und deshalb „die jeweiligen Konsequenzen der Entscheidung
des OLG Dresden und ihre Möglichkeiten sorgfältig abwägen“ wollte bevor sie „das Videomaterial für den Abruf durch Dritte wieder bei xxx einstellte“. Dass eine solche Abwägung vor dem Hintergrund
der Senatsentscheidung jedoch weder veranlasst noch geboten war, erschließt sich, zumal die Verfügungsbeklagte anwaltlich beraten war, von selbst. Vor dem Hintergrund ist in der Zuwiderhandlung
ein vorsätzlicher und - aufgrund der Zeitdauer - auch schwerer Verstoß seitens der Verfügungsbeklagten gegen die Unterlassungsverfügung zu sehen, der - auch unter Berücksichtigung der
wirtschaftlichen Verhältnisse der Verfügungsbeklagten - die Verhängung eines deutlich höheren Ordnungsgeldes als vom Landgericht angenommen rechtfertigt. Nachdem es sich jedoch auf der anderen
Seite um den Erstverstoß seitens der Verfügungsbeklagten handelt, hat der Senat davon abgesehen, das Ordnungsgeld auf den Höchstbetrag festzusetzen, sondern hält im Ergebnis der Gesamtabwägung
die Verhängung eines Ordnungsgeldes in Höhe von 100.000,00 € (noch) für ausreichend.
Sollte das Ordnungsgeld nicht beigetrieben werden können, tritt an dessen Stelle Ordnungshaft. Insoweit stellt sich die Verhängung einer Ersatzordnungshaft von einem Tag Ordnungshaft für jeweils
20.00,00 € Ordnungsgeld als angemessen dar.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO. Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben.