Restschuldbefreiung begründet keinen Löschungsanspruch einer
(Zwangssicherungs-) Hypothek
BGH, Urteil vom 10.12.2020 -
IX ZR 24/20 -
Kurze Inhaltsangabe:
Die Beklagte ließ im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens 2003 wegen Gewerbesteuerschulden von über € 50.000,00 auf ein Grundstück des Klägers eintragen. In 2010 wurde das Insolvenzverfahren über
das Vermögen des Klägers eröffnet. In 2016 wurde ihm Restschuldbefreiung erteilt. Er vertrat die Ansicht, nach der Restschuldbefreiung müsse ihm die Beklagte eine Löschungsbewilligung zwecks
Löschung der Zwangssicherungshypothek erteilen. Die Klage blieb in allen Instanzen erfolglos.
Die Rechtsgrundlage des Begehrens des Klägers ist § 1169 BGB. Danach kann
der Grundstückseigentümer von einem, Hypothekengläubiger einen Verzicht auf die Hypothek oder (nach § 875 Abs. 1 BGB) deren Löschung verlangen, wenn der eine Geltendmachung aus derselben auf
Dauer ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzung sah auch der BGH als nicht gegeben an.
Der BGH verwies auf die Akzessorietät der Hypothek, also deren unbedingte Abhängigkeit von der durch sie gesicherten Forderung. Es können daher die Einreden geltend gemacht werden, die auch gegen
die gesicherte Forderung erhoben werden können. Allerdings gäbe es auch Einreden und Einwendungen gegen die gesicherte Forderung, die der Inanspruchnahme der Hypothek nicht entgegenstehen würden.
Soi könne sich beispielsweise der Eigentümer nach dem Tod des Forderungsschuldners nicht wie der Erbe auf eine beschränkte Erbenhaftung berufen (§ 1137 Abs. 1 S. 2 BGB) und die Einrede der
Verjährung stehe ihm auch nicht zu (§ 216 Abs. 1 BGB). Im Insolvenzverfahren berechtige die Hypothek zur abgesonderten Befriedigung (§ 49 InsO), obwohl die gesicherte Forderung nur nach den Vorschriften der Insolvenzordnung verfolgt werden könne (§ 87 InsO) und eine
Einzelzwangsvollstreckung ausgeschlossen sei (§ 89 InsO). In den benannten Fällen habe der Eigentümer die Zwangsvollstreckung aus der Hypothek in das Grundstück zu dulden, ohne sich auf eine
mangelnde Durchsetzbarkeit der gesicherten Forderung berufen zu können.
Daran ändere auch die Restschuldbefreiung nichts, die dazu diene, den Schuldner von seinen im Insolvenzverfahren über sein Vermögen nicht befriedigten Verbindlichkeiten zu befreien (§§ 1 S. 1,
286 InsO). Dies wirke nur gegen die Insolvenzgläubiger und führe nicht, wie sich aus § 302 Abs. 3 InsO ergebe, nicht zum Erlöschen der von ihr betroffenen Forderungen. Diese Forderung bleibe
erfüllbar, aber nicht erzwingbar. Damit würde eine eine Insolvenzforderung sichernde Hypothek durch die Restschuldbefreiung nicht nach § 1163 Abs. 1 S. 2 BGB auf den Eigentümer übergehen und nach
§ 301 Abs. 2 S. 1 InsO würden die Rechte aus einem Recht, welches im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, durch die Restschuldbefreiung nicht berührt.
Für eine Zwangssicherungshypothek würde nichts anderes gelten. Sie falle auch unter § 49 InsO.
Aus den Gründen:
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 16. Januar 2020 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 20. März 2003 ließ die Beklagte im Wege des Verwaltungszwangsverfahrens wegen offener Gewerbesteuerforderungen in Höhe von 50.122,27 € eine Zwangssicherungshypothek an einem
Grundstück des Klägers eintragen. Mit Beschluss vom 13. Juni 2010 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Klägers eröffnet. Am 10. Juni 2016 wurde dem Kläger die
Restschuldbefreiung erteilt. Der Kläger verlangt nunmehr von der Beklagten die Erteilung einer Löschungsbewilligung hinsichtlich der Zwangssicherungshypothek, weil die durch sie
gesicherte Forderung auf Dauer nicht mehr durchsetzbar sei. Die Klage ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit seiner vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der
Kläger seinen Antrag auf Erteilung der Löschungsbewilligung weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision bleibt ohne Erfolg.
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts (vgl. MDR 2020, 631) hat sich die Restschuldbefreiung nicht auf die streitgegenständliche
Zwangshypothek ausgewirkt. Diese bestehe vielmehr gemäß § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO fort. Die Zwangshypothek
berechtige im Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung gemäß § 49 InsO. Sie unterscheide sich insoweit nicht von einer
rechtsgeschäftlich bestellten Hypothek. Anhaltspunkte dafür, dass eine Zwangshypothek nicht unter die Ausnahmeregelung des § 301
Abs. 2 Satz 1 InsO falle, gebe es nicht. Ob der Insolvenzverwalter das Grundstück freigegeben habe, sei unerheblich.
II.
Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung stand.
1. Grundlage des Begehrens des Klägers ist § 1169 BGB. Nach dieser Vorschrift kann der Grundstückseigentümer vom
Hypothekengläubiger verlangen, auf die Hypothek zu verzichten, wenn ihm eine Einrede zusteht, durch welche die Geltendmachung der Hypothek dauernd ausgeschlossen wird. Statt eines
Verzichts gemäß § 1168 BGB, durch welchen die Hypothek auf den Eigentümer übergeht, kann der Eigentümer nach seiner Wahl auch die
Bewilligung der Löschung der Hypothek gemäß § 875 Abs. 1 BGB verlangen, denn der Hypothekengläubiger wird hierdurch
nicht zusätzlich belastet (RGZ 91, 218, 226). Mit der Rechtskraft eines stattgebenden Urteils gilt die Löschungsbewilligung als erteilt (§ 894 Satz 1 ZPO).
2. Die Voraussetzungen eines Anspruchs aus § 1169 BGB sind jedoch nicht erfüllt. Die dem Kläger gewährte Restschuldbefreiung
steht einer Geltendmachung der vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens eingetragenen Zwangshypothek nicht entgegen.
a) Voraussetzung einer Zwangshypothek ist ein vollstreckbarer Titel des Gläubigers gegen den Schuldner, der regelmäßig zugleich auch der Grundstückseigentümer ist. Die
Sicherungshypothek wird auf Antrag des Gläubigers in das Grundbuch eingetragen. Die Eintragung wird auf dem vollstreckbaren Titel vermerkt. Mit der Eintragung entsteht die Hypothek
(vgl. § 867 Abs. 1 Satz 1 und 2 ZPO). Die Zwangshypothek ist eine Sicherungshypothek im Sinne
von § 1184 BGB. Als solche ist sie streng akzessorisch. Das Recht des Vollstreckungsgläubigers aus der Hypothek bestimmt sich nur
nach der Forderung. Erlischt die Forderung nach Eintragung der Hypothek, so erwirbt der Eigentümer die Hypothek als Eigentümerhypothek (§ 1163 Abs. 1 Satz 2 BGB). Ebenso kann der Eigentümer in den Grenzen des § 767 Abs. 2, § 796 Abs. 2 ZPO die ihm als dem persönlichen Schuldner gegen die Forderung
zustehenden Einreden gelten machen (§ 1137 Abs. 1 BGB). Das sind grundsätzlich alle Einreden, die den Schuldner berechtigen, die
Befriedigung der Forderung auf Dauer oder für eine bestimmte Zeit zu verweigern, etwa die Einrede der Stundung, des Zurückbehaltungsrechts oder des nicht erfüllten Vertrages.
b) Es gibt jedoch auch Einreden und Einwendungen gegen die gesicherte Forderung, die einer Inanspruchnahme der Hypothek gerade nicht entgegenstehen. In diesen Fällen soll die
Sicherung als solche zum Tragen kommen, die Hypothek den Ausfall der Forderung also gerade kompensieren. So kann sich der Eigentümer nach dem Tod des Forderungsschuldners nicht wie
dessen Erben auf die beschränkte Erbenhaftung berufen (§ 1137 Abs. 1 Satz 2 BGB). Die Einrede der Verjährung steht ihm
ebenfalls nicht zu (§ 216 Abs. 1 BGB). Die Herabsetzung der Forderung durch einen Zwangsvergleich (§ 193 Satz 2 KO) oder einen Vergleich (§ 82 Abs. 2 VerglO) nach altem Recht konnte der Eigentümer ebenso
wenig geltend machen. Im Insolvenzverfahren berechtigt die Hypothek nach Maßgabe des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und die Zwangsverwaltung zur abgesonderten Befriedigung
(§ 49 InsO), obwohl die durch die Hypothek gesicherte persönliche Forderung nur nach den Vorschriften über das Insolvenzverfahren
verfolgt werden kann (§ 87 InsO) und eine Befriedigung im Wege der Einzelzwangsvollstreckung nicht möglich ist
(§ 89 InsO). In allen genannten Fällen hatte oder hat der Eigentümer die Zwangsvollstreckung aus der Hypothek in das belastete
Grundstück zu dulden, ohne sich auf die mangelnde Durchsetzbarkeit der gesicherten Forderung berufen zu können.
c) Die Restschuldbefreiung dient dazu, den Schuldner von seinen im Insolvenzverfahren über sein Vermögen nicht befriedigten Verbindlichkeiten zu befreien
(§ 1 Satz 2, § 286 InsO). Sie wirkt gegen alle Insolvenzgläubiger
(§ 301 Abs. 1 Satz 1 InsO). Die Restschuldbefreiung führt, wie sich insbesondere aus § 301 Abs. 3 InsO ergibt, nicht zum Erlöschen der von ihr betroffenen Forderung. Diese wird vielmehr zu einer unvollkommenen Verbindlichkeit, zu einer
Naturalobligation, die weiterhin erfüllbar, aber nicht erzwingbar ist (BT-Drucks. 12/2443, S. 194 zu § 250 InsO-E; BGH, Beschluss
vom 25. September 2008 - IX ZB 205/06, WM 2008, 2219Rn. 11; vom 3. Dezember
2009 - IX ZB 247/08, BGHZ 183, 258Rn.
36; Urteil vom 22. März 2018 - IX ZR 163/17, WM 2018,
909Rn. 19; Beschluss vom 18. Juni 2020 - IX ZB
46/18, WM 2020, 1313Rn. 19). Eine Hypothek, die eine Insolvenzforderung
sichert, geht folglich durch die Erteilung der Restschuldbefreiung nicht gemäß § 1163 Abs. 1 Satz 2 BGB auf den
Eigentümer über. Gemäß § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO werden die Rechte der Insolvenzgläubiger aus einem Recht, das im
Insolvenzverfahren zur abgesonderten Befriedigung berechtigt, durch die Restschuldbefreiung auch im Übrigen nicht berührt. Die Hypothek berechtigt zur Befriedigung aus dem belasteten
Grundstück (vgl. § 1113 Abs. 1 BGB). Im Insolvenzverfahren berechtigt sie gemäß § 49 InsO zur abgesonderten Befriedigung.
d) Für eine Zwangshypothek gilt insoweit nichts anderes als für rechtsgeschäftlich bestellte Hypotheken. Sie fällt ebenfalls unter § 49
InsO (vgl. etwa MünchKomm-InsO/Ganter, 4. Aufl., § 49 Rn. 55, 69; HK-InsO/Lohmann, 10. Aufl., § 49 Rn. 3, 20; vgl. auch BGH, Urteil vom 19. Januar 2006 - IX ZR 232/04, BGHZ 166, 74Rn. 13).
Die Zwangshypothek ist ein Recht an einem Grundstück gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 ZVG (vgl. etwa Böttcher, ZVG, 6.
Aufl., § 10 Rn. 49), nach den Vorschriften des Gesetzes über die Zwangsversteigerung und Zwangsverwaltung also, auf das § 49
InsO verweist. Damit unterfällt sie § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO. Sie bleibt von der Restschuldbefreiung
unberührt. Der Gläubiger kann aus ihr während des Insolvenzverfahrens, nach Freigabe des Grundstücks durch den Verwalter, nach Aufhebung des Insolvenzverfahrens und auch nach
Erteilung der Restschuldbefreiung vollstrecken.
e) Die Einwände der Revision und diejenigen des Klägers in den Vorinstanzen greifen nicht durch.
aa) Der Grundsatz der Akzessorietät von Hypothek und gesicherter Forderung gilt nur, soweit § 301 Abs. 2 Satz 1
InsO keine abweichende Regelung trifft.
bb) Entgegen der vorinstanzlich geäußerten Rechtsansicht des Klägers bedarf der Gläubiger einer Zwangshypothek keines Duldungstitels, soweit er sich im Wege der Zwangsversteigerung
befriedigen will. Gemäß § 867 Abs. 3 ZPO genügt hierfür der vollstreckbare Titel, soweit auf ihm die Eintragung der
Hypothek vermerkt ist. Wenn es diese Vorschrift nicht gäbe oder wenn der Gläubiger die Hypothek in anderer Weise als im Wege der Zwangsversteigerung verwerten will, ändert sich im
Ergebnis nichts. Der Gläubiger kann gemäß § 1147 BGB aus der Hypothek auf Duldung der Zwangsvollstreckung in das Grundstück
klagen. Einer Durchsetzung der persönlichen Forderung, die nach der Erteilung der Restschuldbefreiung nicht mehr möglich wäre, bedarf es nicht.
cc) Die Vorschrift des § 868 ZPO ist im Falle der Erteilung der Restschuldbefreiung schließlich ebenfalls nicht anwendbar.
Nach dieser Vorschrift erwirbt der Eigentümer des Grundstücks die Zwangshypothek, wenn die zu vollstreckende Entscheidung oder ihre vorläufige Vollstreckbarkeit aufgehoben worden ist.
Gegenüber § 868 ZPO ist § 301 Abs. 2 Satz 1 InsO die
speziellere Vorschrift. Sie besagt ausdrücklich, dass die Rechte aus einer Hypothek - auch einer Zwangshypothek - von der Erteilung der Restschuldbefreiung unberührt bleiben.
3. Ob und in welcher Höhe die zur Tabelle angemeldeten und vom Insolvenzverwalter festgestellten Zins- und sonstigen Nebenforderungen durch die Zwangshypothek gesichert sind, bedarf
hier keiner Entscheidung. Gegenstand des Rechtsstreits ist die Frage, ob die Beklagte zur Erteilung einer Löschungsbewilligung verpflichtet ist. Das ist, wie gezeigt, nicht der Fall.