Grundstücks-/Immobilienrecht


Vollmachtlose Vertretung und Kenntnis bei vollmachtloser Vertretung und Genehmigung

BGH, Urteil vom 06.05.2022 - V ZR 282/20 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

In dem notariellen Kaufvertrag war ein Ausschluss für Sachmängelhaftung vereinbart worden. Der Beklagte, der Käufer war, wurde von dem Makler (Kläger), der von der Verkäuferin (Drittwiderbeklagten) auf Zahlung der Maklergebühren verklagt. Vom Beklagten wurde gegen den Kläger und die Drittwiderbeklagte Widerklage auf Zahlung von Schadensersatz erhoben.

 

Bei dem Vertragsabschluss sind sowohl der Käufer wie auch die Verkäuferin durch vollmachtlose Vertreter vertreten worden. Die Verkäuferin ließ ihre Genehmigungserklärung durch ihren Geschäftsführer am 15.04.2019 notariell beglaubigen.  Am 06.05.2019 erfuhr der Käufer spätestens, dass die vermietete Wohnfläche statt 1.703,41 m², wie im Exposé angegeben, nur 1.412,41 m² beträgt, die Fläche eines Hinterhofgebäudes statt 153 m² nur 55,27 m². Mit Schreiben vom 29.05.2019 sandte der Käufer dem Notar die am 15.04.2019 beglaubigte Genehmigungserklärung mit der Angabe im Anschreiben, die Überlassung erfolge „ohne Präjudiz und unbeschadet etwaiger Ansprüche gegenüber dem Verkäufer und/oder Makler u.a. wegen unzutreffender Angaben zum Kaufgegenstand“ erfolge. Mit der Widerklage begehrte der Käufer Schadensersatz, da die Wohnfläche geringer sei als im Exposé angegeben.  

 

Der Klage des Maklers wurde stattgegeben, die Widerklage zurückgewiesen. Die vom Käufer eingelegte Berufung wurde vom OLG im Beschlussweg nach § 522 ZPO zurückgewiesen. Der BGH wies mit Urteil die vom Käufer eingelegte Revision zurück. Ein Schadensersatzanspruch des Käufers gem. §§ 437 Nr. 3, 280 Abs. 1 und 3, 281 Abs. 1 BGB bestünde nicht.

 

Da das OLG offen ließ, ob die vorhandene Wohnfläche im Hinblick auf die Angaben im Exposé einen Mangel darstelle, unterstellte dies der BGH im Sinne des noch bis zum 3.12.2021 anwendbaren § 434 Abs. 1 BGB (Art, 229 § 58 EGBGB), da für den Käufer günstig, als gegeben, ebenso, dass der Käufer bis zur Beurkundung des Kaufvertrages keine Kenntnis von der geringeren Wohnfläche hatte. Der Wirksamkeit des Kaufvertrages stünde auch die Erklärung des Käufers gegenüber dem Notar nicht entgegen, mit der dieser diesem die Genehmigungserklärung überließ, da er sich nicht gegen den Kaufvertrag als solchen wandte, sondern sich nur seine Rechte habe vorbehalten wollen. Allerdings scheitere der Anspruch des Käufers daran, dass er vor der Übersendung der notariell beglaubigten Genehmigungserklärung Kenntnis von der Flächenabweichung gehabt habe; dies ergäbe sich aus § 442 Abs. 1 S. 1 BGB.

 

§ 442 Abs. 1 S. 1 BGB schließe Rechte des Käufers wegen eines Mangels, der er bei Vertragsschluss kenne, aus. Zu Stande gekommen sei der Kaufvertrag noch nicht mit dem Abschluss des notariellen Kaufvertrages, da der Käufer und die Verkäuferin durch vollmachtlose Vertreter handelten und damit nach § 177 Abs. 1 BGB und den ergänzend getroffenen vertraglichen Vereinbarungen der Kaufvertrag erst mit dem Zugang der notariell beglaubigten Genehmigungserklärung des Käufers bei dem Notar zu Stande gekommen sei. Zu diesem Zeitpunkt aber kannte der Käufer den Mangel. Zwar habe der Käufer bereits zuvor über einen Messengerdienst dem Notar eine Ablichtung der Genehmigung überlassen; im Hinblick auf die vertraglich vereinbarte öffentlich beglaubigte Form der Genehmigungserklärung habe dies aber für eine wirksame Genehmigung nicht ausgereicht. Ein konkludenter Formverzicht, wenn er überhaupt möglich sein sollte, wäre nicht gegeben, da diese Korrespondenz nur zwischen dem Käufer und dem Makler geführt worden sei, nicht zwischen den Kaufvertragsparteien.

 

Allerdings komme es für das endgültige Wirksamwerden des schwebend unwirksamen Vertrages bei einer Genehmigung der Erklärung eines vollmachtlosen Vertreters nicht an. Es sei eine teleologische Reduktion vorzunehmen. Maßgeblich sei bei einem so zustande gekommenen Vertrag die Kenntnis des Käufers zum Zeitpunkt der Abgabe der Genehmigungserklärung. Werden das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages und dessen Annahme zeitlich versetzt beurkundet, sei § 442 Abs. 1 S. 1 BGB einschränkend dahingehend auszulegen, dass dem Käufer nur die Kenntnis von einem Sachmangel im Zeitpunkt der Beurkundung seines Angebots schade, es auf den Zeitpunkt dessen Annahme durch den Käufer nicht ankomme. Dem läge der Gedanke zugrunde, dass der Käufer nicht in seinen berechtigten Erwartungen enttäuscht würde, wenn er den Kauf trotz des Mangels gewollt habe (BGH, urteil vom 15.06.2012 - V ZR 198/11 -). In diesem Fall sei er nicht schutzwürdig, da er sich mit der Geltendmachung von Gewährleistungsrechte in Widerspruch zu seinem vorangegangenen Verhalten stellen würde, das Angebot trotz Kenntnis von dem Mangel anzunehmen.

 

Würde wie hier der Käufer durch einen vollmachtlosen Vertreter bei Abschluss des Grundstückskaufvertrages vertreten, komme es für seine Kenntnis vom Mangel iSv. § 442 Abs. 1 S. 1 BGB auf den Zeitpunkt der Abgabe der Genehmigungserklärung an. Er sei in gleicher Weise schutzwürdig wie im Falle eines gestreckten Vertragsabschlusses, wenn ihm die Mängel erst nach Abgabe der Genehmigungserklärung bekannt würden. Die Rückwirkung der Genehmigung nach § 184 Abs. 1 BGB sei dabei unbeachtlich, da es der Käufer bis zur Genehmigung in der Hand habe, den Vertrag abzuschließen. Abgegeben sei die empfangsbedürftige Willenserklärung nach § 130 Abs. 1 S. 1 BGB, wenn sie mit dem Willen des Erklärenden in den Rechtsverkehr gebracht worden sei. Solange dies nicht erfolge, müsse er neu gewonnene Kenntnisse über Mängel der Kaufsache gegen sich gelten lassen.

 

Der Fall sei auch nicht vergleichbar mit der Konstellation, bei der der Käufer erst nach Vertragsabschluss von Mängeln erfährt und gleichwohl bei der Heilung eines formnichtigen Vertrages mitwirkt bzw. dies nicht verhindert, da er damit nur verdeutliche, dass er sich nicht auf einen Formmangel berufen möchte.

 

Der Käufer, der a, 15.04.2019 die Genehmigungserklärung notariell habe beurkunden lassen, dies aber erst am 28.05.2019 absandte, hatte damit jedenfalls Kenntnis von dem Mangel vor Übersendung der Genehmigungserklärung und müsse dies gegen sich gelten lassen.

 

Die Widerklage gegen den Makler sei abzuweisen, da der Käufer nicht hätte nachweisen können, dass er den Kaufvertrag nicht zu denselben Bedingungen abgeschlossen hätte, wenn ihm die Flächenabweichungen bekannt gewesen wären. Hier sei für die Kausalität auf die Absendung der Genehmigungserklärung abzustellen, die erst zur Wirksamkeit des Kaufvertrages geführt habe.

 

 

Die Maklercourtage sei vom Käufer zu zahlen, da er den Vertragsabschluss trotz Kenntnis aller Umstände herbeigeführt habe.

 

Aus den Gründen:

 

Tenor

 

Die Revision gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Nürnberg - 2. Zivilsenat - vom 29. Oktober 2020 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen

 

Tatbestand

 

Der Kläger ist Makler und wurde von der Drittwiderbeklagten mit dem Verkauf ihres Grundstücks beauftragt. Im März 2019 bot er das Objekt der beklagten Bauträgerin an. In dem übersandten Exposé wurde darauf hingewiesen, dass das Objekt bislang als Bürogebäude genutzt worden und eine Umnutzung in Wohnraum problemlos möglich sei. Dazu heißt es: „So könnten hier zum Beispiel auf einer vermietbaren Fläche von ca. 1.703,57 qm Wohnungen für Studenten, und auch ein allgemeines Wohnhaus entstehen. Das Gebäude ist voll unterkellert. (…) Zum Haus gehört ebenfalls ein 153 qm großes Hinterhofgebäude (…)“. Am 3. April 2019 wurde ein Kaufvertrag notariell beurkundet, wobei für die Drittwiderbeklagte und die Beklagte vollmachtlose Vertreter auftraten. Der Vertrag sieht einen Ausschluss der Sachmängelhaftung vor.

 

Nachdem die Drittwiderbeklagte den Vertrag genehmigt hatte, ließ der Geschäftsführer der Beklagten seine Genehmigung am 15. April 2019 notariell beglaubigen. Spätestens am 6. Mai 2019 erfuhr die Beklagte, dass die vermietbare Wohnfläche des Hauptgebäudes nur 1.412,41 qm beträgt. Ferner umfasst das Hinterhofgebäude lediglich eine Fläche von 55,27 qm. Mit Schreiben vom 29. Mai 2019 übersandte die Beklagte dem beurkundenden Notar die notariell beglaubigte Genehmigung vom 15. April 2019. Dabei wies sie darauf hin, dass diese „ohne jedes Präjudiz und unbeschadet etwaiger Ansprüche gegenüber Verkäufer und/oder Makler u.a. wegen unzutreffender Angaben zum Kaufgegenstand“, deren Geltendmachung sie sich vorbehalte, erklärt worden sei.

 

Mit der Klage verlangt der Kläger von der Beklagten die Zahlung einer Maklerprovision in Höhe von 95.200 €. Die Beklagte verlangt im Wege der Widerklage von dem Kläger und der Drittwiderbeklagten die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 341.824,75 €, weil die Wohnfläche geringer sei als im Exposé angegeben. Wegen der Flächenabweichung beim Nebengebäude stellt sie die Höhe des Schadens in das Ermessen des Gerichts, verlangt aber insoweit mindestens einen Betrag von 60.000 €. Zudem fordert sie einen Betrag von 13.677,47 €, da sowohl die Grunderwerbssteuer als auch die Notarkosten zu hoch ausgefallen seien. Schließlich will sie die Feststellung erreichen, dass die Widerbeklagten auch den Ersatz weiterer Schäden wegen der Minderflächen schulden. Das Landgericht hat der Klage - soweit von Interesse - stattgegeben und die (Dritt-)Widerklage abgewiesen. Die Berufung der Beklagten hat das Oberlandesgericht durch Beschluss zurückgewiesen. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision, deren Zurückweisung der Kläger und die Drittwiderbeklagte beantragen, verfolgt die Beklagte neben dem Antrag auf Klageabweisung ihre Widerklageanträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

 

I.

 

Das Berufungsgericht meint, die fehlerhaften Flächenangaben in dem Exposé seien nicht kausal für den Abschluss des Kaufvertrages gewesen. Die Beklagte habe diesen in Kenntnis der maßgeblichen Flächengrößen genehmigt. Nach den vertraglichen Vereinbarungen komme es auf den Eingang der notariell beglaubigten Genehmigungserklärungen bei dem Notar an. Ein bereits am 15. April 2019 erfolgter Zugang der notariell beglaubigten Genehmigung über einen Messengerdienst, auf den sich die Beklagte berufe, sei nicht ausreichend. Habe somit die Beklagte in Kenntnis der wahren Umstände selbst die Wirksamkeit des Kaufvertrages herbeigeführt, könne sie sich nicht auf einen durch den Vertragsschluss entstandenen Schaden berufen, und zwar weder im Rahmen eines Schadensersatzanspruchs noch im Rahmen einer Verwirkung des Maklerlohns.

 

II.

 

Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Nachprüfung im Ergebnis stand.

 

1. Das gilt zunächst im Hinblick auf die Abweisung der Drittwiderklage. Der Beklagten steht gegen die Drittwiderbeklagte kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß § 437 Nr. 3, § 280 Abs. 1 und 3, § 281 Abs. 1 BGB nebst Rechtshängigkeitszinsen gemäß § 291 BGB zu.

 

a) Das Berufungsgericht lässt offen, ob die vorhandene Wohnfläche wegen der Angaben in dem Exposé einen Sachmangel darstellt. Im Revisionsverfahren ist als der Beklagten günstig zu unterstellen, dass ein Sachmangel im Sinne des - hier noch anwendbaren (Art. 229 § 58 EGBGB) - § 434 Abs. 1 BGB in der bis zum 31. Dezember 2021 geltenden Fassung im Zusammenhang mit der Wohnfläche vorliegt und die Beklagte bei der Beurkundung des notariellen Kaufvertrages keine Kenntnis von den geringeren Wohnflächen hatte.

 

b) Dass das Berufungsgericht - wenn auch ohne nähere Erörterung - die Genehmigungserklärung dahingehend auslegt, dass der von der Beklagten geäußerte Vorbehalt dem Wirksamwerden des Kaufvertrags nicht entgegensteht, ist nicht zu beanstanden. Denn die Beklagte wollte den Vertrag unzweifelhaft genehmigen und sich dabei lediglich bestimmte gesetzliche Rechte vorbehalten. Darin liegt keine Bedingung, die der Wirksamkeit der grundsätzlich bedingungsfeindlichen (vgl. dazu Staudinger/Klumpp, BGB [2019], § 184 Rn. 15) Genehmigungserklärung entgegenstehen könnte. Ob der Vorbehalt geeignet ist, gesetzliche Rechte auszuschließen, ist eine andere Frage und von dem Wirksamwerden des Kaufvertrags zu trennen.

 

c) Im Ergebnis zu Recht nimmt das Berufungsgericht an, dass die Ansprüche der Beklagten jedenfalls daran scheitern, dass sie vor der Übersendung der notariell beglaubigten Genehmigungserklärung an den beurkundenden Notar von den Flächenabweichungen Kenntnis erlangt hat. Dies ist allerdings keine Frage der Kausalität, sondern ergibt sich aus der - von dem Berufungsgericht nicht herangezogenen - Vorschrift des § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB.

 

aa) Nach § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB sind die Rechte des Käufers wegen eines Mangels, den er bei Vertragsschluss kennt, ausgeschlossen. Zu Stande gekommen ist der Kaufvertrag hier nach § 177 Abs. 1 BGB und den ergänzend getroffenen vertraglichen Vereinbarungen erst mit dem Zugang der notariell beglaubigten Genehmigungserklärung der Beklagten bei dem Notar. Zu diesem Zeitpunkt waren der Beklagten die Flächenabweichungen bereits bekannt. Die zuvor erfolgte Übersendung einer Ablichtung über einen Messengerdienst reichte nicht aus. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, mangels Einhaltung der vertraglich vereinbarten öffentlich beglaubigten Form der Genehmigungserklärung stelle diese keine wirksame Genehmigung des schwebend unwirksamen Kaufvertrages dar, lässt Rechtsfehler nicht erkennen. Entgegen der von dem Prozessbevollmächtigten der Beklagten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vertretenen Rechtsansicht kann von einem Verzicht auf die Einhaltung der vereinbarten Formvorschrift nicht ausgegangen werden. Ob ein konkludenter Formverzicht in dieser Fallkonstellation überhaupt in Betracht kommen könnte, kann dahinstehen; er scheitert nämlich schon daran, dass die Korrespondenz über den Messengerdienst nach den Feststellungen des Berufungsgerichts nicht zwischen den Vertragsparteien, sondern zwischen der Beklagten und dem Kläger stattgefunden hat.

 

bb) Auf das endgültige Wirksamwerden des zunächst schwebend unwirksamen Vertrags kommt es indessen bei der Genehmigung eines durch vollmachtlose Vertreter abgeschlossenen Vertrages nicht an. In dieser Fallkonstellation kann die Vorschrift im Wege der teleologischen Reduktion einschränkend auszulegen sein. Maßgeblich ist bei einem so zu Stande gekommenen Vertrag die Kenntnis des Käufers vom Mangel bei Abgabe der Genehmigungserklärung.

 

(1) Zu einem gestreckten Vertragsschluss, bei dem das Angebot zum Abschluss eines Kaufvertrages und dessen Annahme zeitlich versetzt beurkundet werden, hat der Senat nämlich entschieden, dass § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB insoweit einschränkend auszulegen ist, als nur die Kenntnis des Käufers von einem Sachmangel im Zeitpunkt der Beurkundung des Angebots schadet, während es auf den Zeitpunkt der (zum Vertragsschluss führenden) Annahme des Verkäufers nicht ankommt (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 - V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 18). Der Vorschrift des § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB liegt der Gedanke zugrunde, dass der Käufer nicht in seinen berechtigten Erwartungen enttäuscht wird, wenn er den Kauf trotz des Mangels gewollt hat (Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 - V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 22; Urteil vom 27. Mai 2011 - V ZR 122/10, NJW 2011, 2953 Rn. 13). Er ist dann nicht schutzwürdig, denn mit der Geltendmachung von Gewährleistungsansprüchen stellt er sich in Widerspruch zu seinem vorangegangenen Verhalten, nämlich dem Vertragsabschluss in Kenntnis des Mangels (Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 - V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 22). Deshalb greift § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB beim gestreckten Vertragsschluss nach Sinn und Zweck der Norm nicht ein, sofern die Mängel dem Käufer zwar vor endgültigem Vertragsschluss, aber erst nach Beurkundung des Angebots bekannt werden, wenn die Erklärung dem Verkäufer bereits zugegangen ist oder der Käufer die Erklärung jedenfalls abgegeben hat (vgl. zu Letzterem Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 - V ZR 198/11, aaO Rn. 26).

 

(2) Wird der Käufer - wie hier - bei Abschluss eines Grundstückskaufvertrages durch einen vollmachtlosen Vertreter vertreten, kommt es für seine Kenntnis vom Mangel i.S.v. § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB auf den Zeitpunkt der Abgabe der Genehmigungserklärung an. Denn er ist nach Sinn und Zweck des § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB in gleicher Weise schutzwürdig wie im Falle eines gestreckten Vertragsschlusses, wenn ihm die Mängel erst nach Abgabe der Genehmigungserklärung bekannt werden.

 

Dagegen kann entgegen der Auffassung der Revision aus der in § 184 Abs. 1 BGB normierten Rückwirkung der Genehmigung nicht gefolgert werden, dass es auf die Beurkundung des Kaufvertrags ankommt. Denn vor der Genehmigung gibt es keine auf den Vertragsschluss gerichtete Willenserklärung des Käufers. Dieser hat vielmehr den Vertragsschluss noch in der Hand, solange er nicht genehmigt hat. Dass deshalb die Abgabe der Genehmigungserklärung des Käufers maßgeblich ist, entspricht - soweit ersichtlich - ganz einhelliger Ansicht (mit eingehender Begründung OLG Bremen, BeckRS 1999, 16869 Rn. 68; BeckOGK/Stöber, BGB [1.6.2021], § 442 Rn. 25; BeckOK BGB/Faust, [1.11.2021], § 442 Rn. 9; MüKoBGB/Westermann, 8. Aufl., § 442 Rn. 6; PWW/Wagner, 16. Aufl., § 442 Rn. 7; Köhler, JZ 1989, 761, 765 Fn. 38).

 

cc) (1) Abgegeben im Sinne von § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB ist eine empfangsbedürftige Willenserklärung, wenn sie mit Willen des Erklärenden in den Rechtsverkehr gebracht worden ist (vgl. BGH, Urteil vom 18. Dezember 2002 - IV ZR 39/04, NJW-RR 2003, 384). Solange der Käufer die Genehmigungserklärung nicht in den Verkehr gebracht hat, muss er neu gewonnene Kenntnisse über Mängel der Kaufsache gegen sich gelten lassen. Denn ansonsten verhielte er sich widersprüchlich. Er ließe den Vertrag in Kenntnis des Mangels zu Stande kommen, obwohl er das hätte verhindern können. Nach der Wertung des § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB kann der Käufer nicht sehenden Auges einen mangelhaften Gegenstand kaufen, um anschließend Ansprüche aus Sachmängelhaftung geltend zu machen (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 - V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 22). Das entspricht dem Verhalten, das nach § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB zum Ausschluss von Mängelrechten führen soll. Eine einschränkende Auslegung der Vorschrift im vorbeschriebenen Sinn ist dann nicht gerechtfertigt. Es bleibt beim Wortlaut der Regelung in § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB, wonach es auf die Kenntnis des Käufers bei Zustandekommen des Vertrags ankommt (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 - V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 26).

 

(2) Die Fallkonstellation, bei der ein Käufer, der erst nach Abgabe seiner auf den Vertragsschluss gerichteten Willenserklärung von Mängeln der Kaufsache erfährt, die Heilung eines formnichtigen Vertrages fördert oder jedenfalls nicht verhindert, ist mit der noch ausstehenden Genehmigung eines schwebend unwirksamen Vertrages hingegen nicht vergleichbar. Denn im ersteren Fall hat der Käufer seine Willenserklärung bereits vor Kenntniserlangung abgegeben und gibt lediglich zu erkennen, dass er sich nicht auf den Formmangel berufen möchte, so dass eine zwischen Vertragsschluss und Wirksamwerden des Kaufvertrags erlangte Kenntnis von Mängeln grundsätzlich nicht schadet (vgl. hierzu Senat, Urteil vom 27. Mai 2011 - V ZR 122/10, NJW 2011, 2953 Rn. 14).

 

(3) Danach sind etwaige Rechte der Beklagten gemäß § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeschlossen. Sie hat zwar am 15. April 2019 die Genehmigungserklärung notariell beglaubigen lassen, hat diese aber erst am 29. Mai 2019 dem beurkundenden Notar übersandt. Die nach der Beglaubigung, aber vor der Übersendung erlangte Kenntnis von der Mangelhaftigkeit des Kaufgegenstandes muss sie gegen sich gelten lassen.

 

dd) Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Beklagte - wie der Wortlaut des von ihr erklärten Vorbehalts zumindest nahelegt - möglicherweise angenommen hat, bereits an den Kaufvertrag gebunden zu sein.

 

(1) Zwar hat der Senat entschieden, dass der Käufer beim gestreckten Vertragsschluss die Möglichkeit, sich nach § 130 Abs. 1 Satz 2 BGB durch Widerruf seiner Vertragserklärung von der Bindung an sein Angebot zu lösen, nur nutzen kann, wenn er diese rechtliche Möglichkeit und die tatsächlichen Voraussetzungen dafür kennt oder wenigstens Veranlassung hat, sich nach beidem zu erkundigen, so dass dem Käufer im Fall fehlender Kenntnis auch bei theoretischer Widerruflichkeit seines Angebots der Vorwurf widersprüchlichen Verhaltens nicht gemacht werden kann (vgl. Senat, Urteil vom 15. Juni 2012 - V ZR 198/11, BGHZ 193, 326 Rn. 24). Das betrifft aber die Zeitspanne zwischen Abgabe und Zugang der Willenserklärung. Lässt sich der Käufer mit der Abgabe seiner Willenserklärung Zeit, geht eine zwischenzeitlich erlangte Kenntnis über Mängel zu seinen Lasten.

 

(2) Nach diesen Grundsätzen ist das Verhalten der Beklagten als widersprüchlich anzusehen. Aus der Kaufvertragsurkunde geht hervor, dass der Vertrag bis zum Eingang der Genehmigungen in öffentlich beglaubigter Form schwebend unwirksam ist. Die Beklagte hatte vor Übersendung ihrer Genehmigungserklärung daher Veranlassung, sich nach Möglichkeiten zu erkundigen, den Eintritt der Wirksamkeit des Kaufvertrages zu verhindern. Wenn sie dies unterlässt und sich bei Abgabe der Genehmigungserklärung von falschen Rechtsvorstellungen leiten lässt, trägt sie das Risiko ihres Rechtsirrtums. Der mit der Übersendung der Genehmigung erklärte Vorbehalt ändert hieran nichts, weil die Ansprüche, welche sich die Beklagte vorbehalten hat, gemäß § 442 Abs. 1 Satz 1 BGB ausgeschlossen sind.

 

2. Erfolglos bleibt die Revision auch, soweit sie sich gegen die Abweisung der Widerklage wendet. Rechtsfehlerfrei nimmt das Berufungsgericht an, dass der Beklagten gegen den Kläger kein Anspruch auf Schadensersatz gemäß §280 Abs. 1 BGB wegen Verletzung von Pflichten aus dem Maklervertrag nebst Rechtshängigkeitszinsen gemäß § 291 BGB zusteht, weil nicht erwiesen ist, dass die Beklagte den Kaufvertrag jedenfalls nicht zu denselben Bedingungen abgeschlossen hätte, wenn ihr die Flächenabweichung bekannt gewesen wäre. Insoweit ist für die Beurteilung der Kausalität der Pflichtverletzung für den eingetretenen Schaden ebenfalls auf den Zeitpunkt der Übersendung der notariell beglaubigten Genehmigungserklärung der Beklagten abzustellen, durch welche sie die Wirksamkeit des Kaufvertrages in Kenntnis der Flächenabweichung herbeigeführt hat.

 

3. Schließlich wendet sich die Revision ohne Erfolg gegen die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung eines Maklerlohns nebst Zinsen. Die Beklagte kann sich gegenüber dem Provisionsanspruch des Klägers weder in entsprechender Anwendung von § 654 BGB auf Verwirkung berufen noch ein dauerhaftes Leistungsverweigerungsrecht einwenden, weil sie nach Kenntnis aller Umstände die Wirksamkeit des Kaufvertrages erst herbeigeführt hat.

 

III.

 

 

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.