Das Eigentum an vom Mieter hergestellten Bauwerken (hier:
stabiler Wintergarten)
BGH, Urteil vom 23.09.2016 – V ZR
110/15 -
Kurze Inhaltsangabe:
Der Mieter hatte vom Beklagten Räume zum Betrieb eines Restaurants angemietet. Während der Mietzeit errichtete er einen Wintergarten aus Glas und Alustreben nebst Belüftung. Bei Mietende
gab er die Räume einschließlich des Wintergartens an den Beklagten zurück. Der Kläger verlangt vom Beklagten mit der Begründung Herausgabe des Wintergarten nebst Belüftung mit der Behauptung, der
Mieter habe ihm diesen in Ansehung nicht bezahlter Rechnungen zur Sicherheit übereignet. Seine Klage wurde von Land- und Oberlandesgericht abgewiesen. Das Oberlandesgericht negierte einen
Herausgabeanspruch nach § 985 BGB mit der Begründung, nicht der Mieter sondern der Beklagte als Eigentümer des Grundstücks und Vermieter sei Eigentümer des Wintergartens nebst Belüftung geworden.
Die Revision führte zur Aufhebung der Vorentscheidungen und zur Zurückverweisung des Rechtstreits an das OLG.
Richtig sei zwar die Annahme des OLG, dass die Voraussetzungen des § 94 Abs. 2 BGB erfüllt sind. Danach sind wesentliche Bestandteile eines Gebäudes diejenigen Sachen, die zur Herstellung
eingefügt wurden. Eine feste Verbindung zu dem Gastronomiegebäude sei nicht erforderlich. Entscheidend sei das Gepräge, ob die Einfügung dem Gebäude erst seine besondere Eigenart gäbe. Es lasse
sich aus den vom Kläger übergebenen Unterlagen (statistische Berechnungen, Skizzen) entnehmen, dass das Gebäude erst mit dem Wintergarten abschließt.
Alleine dies sei allerdings entgegen der Annahme des OLG nicht ausreichend, den auf Eigentum gestützten Anspruch des Klägers zu negieren. Nach § 95 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 BGB würden die Sachen nicht
zu Bestandteilen eines Grundstücks oder Gebäudes, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und Boden verbunden oder in das Gebäude eingefügt wurden. Sind die Voraussetzungen
nach § 95 BGB erfüllt, käme es nicht darauf an, ob auch die Tatbestandsmerkmale der §§ 93 oder 94 BGB vorlägen (so bereits RGZ 109, 128, 129). Es würde sich dann um Scheinbestandteile handeln,
die rechtlich selbständig blieben.
Die Verbindung erfolge dann zu einem vorübergehenden Zweck, wenn ihre Beseitigung von vornherein beabsichtigt war. Entscheidend sei dabei die innere Willensrichtung des Einfügenden, soweit sie
mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Umständen vereinbar sei. Der Annahme der Errichtung nur zu einem vorübergehenden Zweck stünde nicht entgegen, dass das Bauwerk selbst massiv errichtet
wurde und ohne Zerstörung nicht beseitigt werden könne. Wird eine entsprechende Verbindung durch einen Mieter, Pächter oder sonstigen Nutzungsberechtigten vorgenommen, so spräche mangels
anderweitiger Vereinbarungen die Vermutung dafür, dass das Bauwerk nur einem vorübergehenden Zweck für die Dauer des Vertragsverhältnisses diene.
Aus den Gründen:
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird der Beschluss des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Köln vom 14. April 2015 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der
Klägerin gegen das Urteil des Landgerichts Aachen vom 23. September 2014 hinsichtlich der Herausgabe der Wintergartenkonstruktion aus Glas und Alustreben nebst zugehöriger
Belüftung zurückgewiesen wurde.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur Verhandlung und neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte vermietete seine Lokalräume zum Betrieb eines Restaurants. Während der Mietzeit wurde ein Wintergarten aus Glas und Alustreben nebst Belüftungsanlage errichtet. Nach
Beendigung des Mietverhältnisses gab die Mieterin die Räume samt Wintergarten dem Beklagten zurück.
Die Klägerin, die das damalige Restaurant der Mieterin mit Lebensmitteln beliefert hatte, verlangt von dem Beklagten - soweit hier von Interesse - die Herausgabe des Wintergartens
nebst Belüftungsanlage. Zur Begründung gibt sie an, dass die Mieterin während der Mietzeit ihr diesen als Sicherheit für nicht beglichene Rechnungen übereignet habe.
Das Landgericht hat die Klage als unzulässig abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die
Klage unbegründet sei. Mit der von dem Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihren Antrag auf Herausgabe des Wintergartens nebst Belüftungsanlage weiter.
Entscheidungsgründe
I.
Nach Ansicht des Berufungsgerichts steht der Klägerin ein Herausgabeanspruch gemäß § 985 BGB nicht zu, da sie nicht Eigentümerin des Wintergartens geworden sei. Dieser stehe als
wesentlicher Bestandteil der Immobilie des Beklagten gemäß §§ 946, 93, 94 BGB in dessen Eigentum und sei nicht sonderrechtsfähig. Ohne den Wintergarten sei das Gebäude nach der
Verkehrsanschauung noch nicht fertiggestellt; die Seitenteile des Wintergartens hätten wandersetzende Funktion, weil durch sie das Gebäude nach außen abgeschlossen und der
Innenraum gegen Witterungseinflüsse abgeschottet werde. Dafür, dass nur eine vorübergehende Einbringung anzunehmen wäre, fehle jeder Anhaltspunkt.
II.
Über die Revision der Klägerin ist durch Versäumnisurteil zu entscheiden. Inhaltlich beruht das Urteil jedoch nicht auf der Säumnis des Beklagten, sondern auf einer Sachprüfung
(vgl. Senat, Urteil vom 4. April 1962 - V ZR 110/60, BGHZ 37, 79, 82).
Das angefochtene Urteil hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
1. Allerdings ist die Revision - entgegen der Auffassung der Klägerin - nicht schon deswegen begründet, weil das Berufungsgericht über die Berufung ohne mündliche Verhandlung
durch einen Zurückweisungsbeschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO entschieden hat.
a) Nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO setzt die Zurückweisung einer Berufung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss neben der offensichtlich fehlenden Erfolgsaussicht und der
fehlenden Grundsätzlichkeit (§ 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bis 3 ZPO) voraus, dass eine mündliche Verhandlung nicht geboten ist. Diese zusätzliche Voraussetzung, die dem Schutz des
Berufungsführers dient, ist erfüllt, wenn keine besonderen Gründe vorliegen, bei denen nur die Durchführung einer mündlichen Verhandlung der prozessualen Fairness entspricht
(BT-Drs. 17/6406 S. 9; MüKo-ZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 522 Rn. 24). Wann solche Gründe gegeben sind, kann nicht generell beantwortet werden, sondern hängt von den jeweiligen
Umständen des Einzelfalles ab. Weicht das Berufungsgericht - wie hier - von der Einschätzung des Erstgerichts, dass die Klage unzulässig sei, ab und hält es die Klage für
unbegründet, muss es daher sorgfältig prüfen, ob aufgrund der konkreten prozessualen Situation ein anerkennenswertes Bedürfnis des Berufungsführers an der Durchführung einer
mündlichen Verhandlung besteht (vgl. BT-Drs. 17/6406 S. 9).
b) Ob im vorliegenden Fall eine mündliche Verhandlung der prozessualen Fairness entsprochen hätte, kann offen bleiben. Das Unterlassen einer nach § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 ZPO
gebotenen mündlichen Verhandlung durch das Berufungsgericht führt für sich allein genommen nicht zum Erfolg einer Revision, da im Verfahren nach § 522 Abs. 2 ZPO die
Verfahrensgrundrechte, insbesondere die Gewährung rechtlichen Gehörs, gesichert sind (vgl. BT-Drs. 17/5388 S. 1; MüKo-ZPO/Rimmelspacher, 5. Aufl., § 522 Rn. 40; Zöller/Heßler,
ZPO, 31. Aufl., § 522 Rn. 40). Es wäre eine bloße (kostenverursachende) Förmelei, ein Berufungsurteil nur deshalb aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht
zurückzuverweisen, damit eine versäumte Berufungsverhandlung nachgeholt wird.
2. Die Revision hat aber deshalb Erfolg, weil das Berufungsgericht mit unzutreffender Begründung einen Anspruch der Klägerin gemäß § 985 BGB auf Herausgabe des Wintergartens
verneint hat.
a) Rechtsfehlerfrei sind allerdings die Ausgangserwägungen des Berufungsgerichts, wonach hinsichtlich des streitgegenständlichen Wintergartens die Tatbestandsvoraussetzungen des §
94 Abs. 2 BGB erfüllt sind.
aa) Zu den wesentlichen Bestandteilen eines Gebäudes gehören nach § 94 Abs. 2 BGB die zur Herstellung des Gebäudes eingefügten Sachen. Das sind in erster Linie die verwendeten
Baustoffe und Bauelemente, darüber hinaus aber auch diejenigen Gegenstände, deren Einfügung dem Gebäude erst seine besondere Eigenart gibt. Ob diese Voraussetzung vorliegt,
beurteilt sich nach der Verkehrsanschauung, die für das betreffende Gebäude nach dessen Wesen, Zweck und Beschaffenheit besteht (Senat, Urteil vom 10. Juli 1987 - V ZR 285/86, NJW
1987, 3178). Nicht erforderlich ist eine feste Verbindung mit dem Gebäude (Senat, Urteil vom 10. Juni 2011 - V ZR 233/10, NJW-RR 2011, 1458).
bb) Von diesen Grundsätzen geht das Berufungsgericht aus. Es stellt, anknüpfend an die Rechtsprechung des Senats, wonach solche Teile „zur Herstellung“ eingefügt sind, ohne die
das Gebäude nach der Verkehrsanschauung noch nicht fertig gestellt ist (Senat, Urteil vom 10. Juni 2011 - V ZR 233/10, NJW-RR 2011, 1458), darauf ab, dass sich aus der statischen
Berechnung bzw. der dieser zu entnehmenden Skizze des Wintergartens und dem der vorgelegten Karte zu entnehmenden Standort des Wintergartens im unmittelbaren Anschluss an das
Gebäude erkennen lasse, dass erst der Wintergarten das Gebäude nach außen hin abschließe. Zu Unrecht beanstandet die Revision, dass diese Feststellung des Berufungsgerichts ohne
jede Grundlage im Streitstoff sei. Das Berufungsgericht stützt sich für seine Beurteilung auf die von der Klägerin übergebenen Unterlagen. Im Übrigen würde es bereits genügen,
wenn der Wintergarten dem Gebäude seine besondere Eigenart gibt. Dass er - wie die Revision vorträgt - „schlicht an das Haus gesetzt worden“ ist, ist in diesem Zusammenhang
unerheblich, da es für die Annahme einer Bestandteilseigenschaft im Sinne von § 94 Abs. 2 BGB einer festen Verbindung mit dem Gebäude nicht bedarf.
b) Zu Unrecht meint das Berufungsgericht jedoch, es fehle jeder Anhaltspunkt, dass der Wintergarten nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Gebäude verbunden worden und
Scheinbestandteil im Sinne des § 95 Abs. 1 BGB geworden sei.
aa) Nach § 95 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 BGB gehören solche Sachen nicht zu den Bestandteilen eines Grundstücks oder Gebäudes, die nur zu einem vorübergehenden Zweck mit dem Grund und
Boden verbunden oder in ein Gebäude eingefügt sind. Da die Vorschrift die Bestandteilseigenschaft insgesamt ausschließt, stellt sie eine Ausnahme gegenüber den §§ 93 und 94 BGB
dar. Sind die Voraussetzungen des § 95 BGB erfüllt, ist es daher unerheblich, dass auch die Tatbestandsmerkmale der §§ 93 oder 94 BGB vorliegen (RGZ 109, 128, 129;
Staudinger/Jickeli/Stieper, BGB [2012], § 94 Rn. 3). Scheinbestandteile bleiben, obwohl mit einem Grundstück verbunden oder in ein Gebäude eingefügt, rechtlich selbständige
bewegliche Sachen (Senat, Urteil vom 5. Mai 2006 - V ZR 139/05, NJW-RR 2006, 1160 Rn. 7) und können deshalb nach §§ 929 ff. BGB übereignet werden (Senat, Urteil vom 31. Oktober
1986 - V ZR 168/85, NJW 1987, 774).
bb) Die Verbindung erfolgt dann zu einem vorübergehenden Zweck, wenn ihre spätere Aufhebung von Anfang an beabsichtigt ist (Palandt/Ellenberger, BGB, 76. Aufl., § 95 Rn. 2).
Maßgebend ist die innere Willensrichtung des Einfügenden im Zeitpunkt der Verbindung der Sache, soweit diese mit dem nach außen in Erscheinung tretenden Sachverhalt vereinbar ist
(Senat, Urteil vom 20. Mai 1988 - V ZR 269/86, BGHZ 104, 298, 301; Urteil vom 20. September 1968 - V ZR 55/66, NJW 1968, 2331). Der Annahme eines auf eine nur vorübergehende
Zweckbestimmung gerichteten Willens steht nicht entgegen, dass das Gebäude in massiver Bauart errichtet ist und daher ohne Zerstörung nicht entfernt werden kann (Senat, Urteil vom
10. Juli 1953 - V ZR 22/52, BGHZ 10, 171, 176; Urteil vom 22. Dezember 1995 - V ZR 334/94, NJW 1996, 916, 917, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 131, 368). Verbindet ein Mieter,
Pächter oder in ähnlicher Weise schuldrechtlich Berechtigter Sachen mit dem Grund und Boden, so spricht nach ständiger Rechtsprechung regelmäßig eine Vermutung dafür, dass dies
mangels besonderer Vereinbarungen nur in seinem Interesse für die Dauer des Vertragsverhältnisses und damit zu einem vorübergehenden Zweck geschieht (Senat, Urteil vom 20. Mai
1988 - V ZR 269/86, BGHZ 104, 298, 301; Urteil vom 22. Dezember 1995 - V ZR 334/94, NJW 1996, 916, 917, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 131, 368; BGH, Urteil vom 11. April 2013
- III ZR 249/12, juris Rn. 14).
cc) Dies verkennt das Berufungsgericht, wenn es meint, es lägen keine Anhaltspunkte für eine nur vorübergehende Einbringung des Wintergartens vor. Es hätte der zwischen den
Parteien umstrittenen Frage nachgehen müssen, ob der Wintergarten durch die Mieterin oder ob er im Auftrag des Beklagten errichtet worden war. Die Beweislast für ihre Behauptung,
dass der Wintergarten von der Mieterin in Auftrag gegeben und bezahlt worden sei, trifft die sich auf den Ausnahmetatbestand des § 95 BGB berufende Klägerin (vgl. Senat, Urteil
vom 11. November 2011 - V ZR 231/10, NJW 2012, 778 Rn. 39). Sollte die Beweisaufnahme ergeben, dass die Mieterin den Wintergarten hat errichten lassen, so spräche eine Vermutung
für einen nur vorübergehenden Zweck. Es wäre dann Sache des Beklagten, diese Vermutung zu erschüttern, etwa indem er darlegt und erforderlichenfalls beweist, dass die Mieterin bei
der Errichtung des Wintergartens den Willen gehabt habe, das Bauwerk bei Beendigung des Vertragsverhältnisses in sein Eigentum übergehen zu lassen (vgl. Senat, Urteil vom 22.
Dezember 1995 - V ZR 334/94, NJW 1996, 916, 917, insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 131, 368).
3. Der Beschluss ist deshalb hinsichtlich des Wintergartens aufzuheben und der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).