Grundstücksrecht


Asbest als offenbarungspflichtiger Mangel ?

OLG Koblenz, Urteil vom 04.03.2015 - 5 U 1216/14 -

Kurze Inhaltsangabe:

 

Die Verkäuferin einer Immobilie wies den Käufer nicht darauf hin, dass  die Dachplatten aus Asbestzement bestehen. Im Kaufvertrag wurde eine Haftung der Verkäuferin wegen Sachmängeln ausgeschlossen, soweit nicht Vorsatz oder Arglist bestünde.

Das OLG Koblenz führte zur Begründung aus, die Verkäuferin habe nicht ungefragt etwas zur Asbesthaltigkeit der Dachplatten erklären müssen. Nur wenn vom Asbest eine konkrete Gesundheitsgefährdung ausgehen würde, hätte eine Offenbarungspflicht bestanden. Nach Angaben eines vom Landgericht beauftragten Sachverständigen ergäben sich hier erst Risiken, wenn das Dach abgebrochen oder saniert würde, wobei dann allerdings darauf erfahrene Dachdeckerbetriebe berufen würden, die die erforderliche Sicherheit gewährleisten könnten.

Wenn allerdings  - was nach Zurückverweisung das Landgericht bei erneuter Beweiserhebung zu prüfen habe -  der Ehemann der Verkäuferin eine Asbestfreiheit erklärt haben sollte und dadurch den Käufer in die Irre geführt hätte, wäre ein Anspruch des Käufers auf Schadensersatz begründet.


Aus den Gründen:

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird der Rechtsstreit unter Aufhebung des Urteils der 8. Zivilkammer des Landgerichts Koblenz vom 17.09.2014 zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens - in die erste Instanz zurückverwiesen.

Die Entscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Der Kläger kaufte von der Beklagten am 10.08.2012 ein Grundstück mit aufstehendem, im Jahr 1979 erbauten Wohnhaus zum Preis von 255.000 €. In dem dieserhalb geschlossenen notariellen Vertrag hieß es, dass „alle Ansprüche und Rechte des Käufers wegen eines Sachmangels ... ausgeschlossen seien“; allerdings bleibe „die Haftung des Verkäufers für Vorsatz und Arglist unberührt“.

Vor dem Hintergrund dieser Regelung hat der Kläger die Beklagte im vorliegenden Rechtsstreit auf Schadensersatz in Anspruch genommen, indem er einen Täuschungsvorwurf erhoben hat. Wie im Zuge eines Beweisverfahrens festgestellt wurde, ist das Dach des Hauses weithin mit Asbestzementplatten belegt. Außerdem sind die Anschlüsse am Ortgang nicht regelgerecht, und die Bitumenschicht, die die an der Gebäudevorderseite befindlichen Gauben abdeckt, weist Altersrisse auf; im Innern des Obergeschosses kann man Wasserlaufspuren erkennen. Nach dem Vorbringen des Klägers hatte der Ehemann der Beklagten bei den von ihm vorvertraglich an Ort und Stelle geführten Verhandlungen auf Befragen wider besseres Wissen mitgeteilt, dass in dem Haus kein Asbest verbaut und das Dach dicht sei.

Der Antrag des Klägers ist dahin gegangen, die Beklagte zur Zahlung in Höhe der Nettokosten einer Neueindeckung des Hauses unter Entsorgung der asbesthaltigen Platten sowie der Sanierung des Ortgangs und der Gauben zu verurteilen. Der Gesamtbetrag wurde mit 20.827,60 € beziffert. Daneben hat der Kläger die Feststellung der weitergehenden Haftung der Beklagten, namentlich hinsichtlich der im Falle der Ausführung der Arbeiten entstehenden Mehrwertsteuer, und die Freistellung von vorgerichtlichen Anwaltskosten von 523,48 € begehrt. Die Beklagte hat mit einer Widerklage auf Erstattung eigener Anwaltskosten von 1.196,43 € geantwortet.

Das Landgericht hat den Vater des Klägers, der bei den vorvertraglichen Verhandlungen zugegen war, sowie den Ehemann der Beklagten als Zeugen gehört. Sodann hat es sowohl die Klage als auch die Widerklage abgewiesen. Seiner Meinung nach ist eine arglistige Täuschung von Beklagtenseite nicht bewiesen; insoweit bestehe ein non liquet. Deshalb müssten die wechselseitig erhobenen Ansprüche bereits im Ansatz scheitern. Außerdem seien die Forderungen des Klägers überhöht, weil einerseits die Beseitigung der asbesthaltigen Dacheindeckung akut nicht geboten sei und insoweit allenfalls bei einer in Zukunft altersbedingt gebotenen Erneuerung besondere Entsorgungskosten anfielen und andererseits die statistische Lebensdauer der Gaubenabdichtung ohnehin abgelaufen sei, so dass sich hier ein erschöpfender Abzug „neu für alt“ ergebe.

Das greift der Kläger mit der Berufung an. Er erneuert sein erstinstanzliches Vorbringen. Dabei verfolgt er das Klageverlangen weiter. Hilfsweise beantragt er die Rückgabe des Rechtsstreits an das Landgericht, weil dieses ein Zeugenbeweisangebot übergangen habe. Die Beklagte verfolgt mit einer Anschlussberufung ihr Widerklagebegehren weiter.

II. Das Rechtsmittel des Klägers führt gemäß § 538 Abs. 2 Nr. 3 ZPO zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Rückgabe des Rechtsstreits an das Landgericht. Das geschieht, auch wenn der Kläger seinen dahingehenden Antrag nur hilfsweise gestellt hat (OLGR Düsseldorf 2004, 138; OLGR Frankfurt 2003, 388). Denn eine unmittelbare Senatsentscheidung im Sinne eines den Kläger begünstigenden sachlichen Urteilsausspruchs, wie er in erster Linie erstrebt wird, ist nicht möglich, weil es einer Beweisaufnahme bedarf, die über den erstinstanzlich gezogenen Rahmen hinausreicht.

Die Entscheidung des Landgerichts ist in ihrer materiellrechtlichen Würdigung nicht zu beanstanden. Geht man auf der Grundlage eines non liquet mit Rücksicht auf die Beweislast des Klägers davon aus, dass die Asbesthaltigkeit der Dachplatten bei den Verkaufsgesprächen nicht thematisiert wurde und dass weder die Beklagte noch deren Ehemann etwas von einem Wassereintritt ins Haus wussten, fehlt es an einer arglistigen Täuschung.

Entgegen der Auffassung der Berufung brauchte der Kläger nämlich nicht ungefragt über das Vorhandensein von Asbest informiert zu werden. Das ergibt sich freilich noch nicht ohne weiteres daraus, dass die Verwendung von Asbestzementplatten im Zeitpunkt der Errichtung des gekauften Hauses und seiner Eindeckung allgemein verbreitet und damit eine Beschaffenheit gegeben war, die bei Sachen gleicher Art im Rahmen des Üblichen liegt (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 2 BGB). Ein offenbarungspflichtiger Mangel konnte nämlich darin begründet sein, dass sich das Haus wegen von dem Asbest ausgehender Gesundheitsgefahren nicht zu Wohnzwecken und damit nicht für die nach dem Vertrag vorausgesetzte Verwendung eignete (§ 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB). Das muss jedoch verneint werden. Der im Beweisverfahren befragte Sachverständige H. hat dazu bemerkt, man brauche keine relevanten Befürchtungen zu hegen. Risiken entstünden erst, wenn das Dach abgebrochen oder saniert werde. Entsprechende Arbeiten werden indessen regelmäßig in die Hände von Dachdeckerbetrieben gelegt, die damit umzugehen verstehen und die erforderliche Sicherheit gewährleisten können. Das schließt die Annahme eines Sachmangels und damit insoweit eine Aufklärungspflichtverletzung auf Seiten der Beklagten aus (OLGR Celle 2009, 201; OLG München, MDR 2010, 136; vgl. auch BGHZ 180, 205).

Während die Feststellung des Landgerichts, es gebe keine Gewissheit dafür, dass der Ehemann der Beklagten sich abweichend von seinem Kenntnisstand zu Undichtigkeiten im Dach geäußert habe, keinen rechtserheblichen Zweifeln begegnet (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO), vermag seine Auffassung, der Kläger sei den Beweis dafür schuldig geblieben, dass die Asbesthaltigkeit des Dachs bei den Vertragsverhandlungen zur Sprache gebracht und verkäuferseits verneint worden sei, nicht zu tragen. Denn sie ist lediglich unter Berücksichtigung der Zeugenaussage des Vaters des Klägers und des Ehemanns der Beklagten gewonnen worden. Damit wurden die Beweisanträge in diesem Punkt nicht erschöpft. Der Kläger hatte nämlich in der Klageschrift zusätzlich das „Zeugnis des anwesenden Mitarbeiters der H. Immobilien GmbH“ angeboten.

Das war, auch wenn der Name des Mitarbeiters nicht mitgeteilt war, anders als die bloße Benennung eines Zeugen NN (vgl. dazu Greger in Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 357 Rn. 4) ein grundsätzlich hinlänglicher Beweisantritt, den das Landgericht nicht vernachlässigen durfte, solange es nicht ohne Erfolg eine Frist gemäß § 256 ZPO gesetzt hatte (BGH NJW 1998, 2368). Das Versäumnis begründet einen Verfahrensfehler nach § 538 Abs. 2 Nr. 1 ZPO (Heßler in Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 538 Rn. 25), der sich zweitinstanzlich nur unter gleichzeitiger Wiederholung der gesamten vom Landgericht durchgeführten Beweisaufnahme beheben ließe, weil der Senat keinen unmittelbaren Eindruck von den bereits befragten Zeugen hat erlangen können.

Sollte das Landgericht aufgrund der neuen Beweisaufnahme, die es nur bei einem zwischenzeitlichen Richterwechsel in gleicher Weise ausweiten müsste, zu der Erkenntnis kommen, dass der Kläger durch eine positive Erklärung des Ehemanns der Beklagten zur Asbestfreiheit des Hausdachs in die Irre geführt wurde, ist die Beklagte vom Ansatz her schadensersatzpflichtig. Dann hätte es nämlich in diesem Punkt eine Beschaffenheitsvereinbarung gegeben, von der abgewichen wäre; mithin läge unter dem Blickwinkel des in § 434 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 BGB niedergelegten subjektiven Fehlerbegriffs ein Mangel vor, der die Rechtsfolgen der § 437 Nr. 3, 280, 281 BGB nach sich zieht. Inwieweit der Ehemann der Beklagten, für den diese gemäß §§ 166 Abs. 1, 278 BGB einstandspflichtig ist, von der Asbesthaltigkeit der Dacheindeckung wusste, kann dabei dahinstehen. Seine Bösgläubigkeit war in erster Instanz unbestritten. Neuerdings wird allerdings vorgetragen, ihm habe eine entsprechende Kenntnis gefehlt. Eine solche Rechtsverteidigung ist jedoch im Ergebnis unbehelflich, weil unter dieser Voraussetzung von einer - ohne hinreichende Tatsachengrundlage abgegebenen - Erklärung ins Blaue hinein ausgegangen werden müsste (vgl. BGHZ 168, 64).

Haftet die Beklagte wegen der Asbesthaltigkeit des Dachs, ist sie insoweit schadensersatzpflichtig, als bei Sanierungsmaßnahmen oder einer anstehenden Neueindeckung des Hauses wegen der asbestbedingt erforderlichen Sicherungs- und Entsorgungsmaßnahmen Zusatzkosten anfallen werden, die von dem Sachverständigen H. angesprochen worden sind. Außerdem müsste die Beklagte für die auf diesen Haftungsumfang bezogenen vorgerichtlichen Anwaltskosten des Klägers einstehen. Umgekehrt ist auf die Anschlussberufung hin dieser seinerseits nur dann zur Kostenerstattung zu verurteilen, wenn sich erweisen sollte, dass er die Beklagte ungerechtfertigt in Anspruch genommen hat.

Eine Kostenentscheidung durch den Senat ist nicht veranlasst, da der Ausgang des Rechtsstreits noch ungewiss ist. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit (§§ 708 Nr. 10, 713 ZPO) erklärt sich aus §§ 775 Nr. 1, 776 S. 1 ZPO. Gründe für die Zulassung der Revision fehlen.

Rechtsmittelstreitwert im Einklang mit dem für die erste Instanz ergangenen Beschluss vom 4.11.2014: 25.000 €