Keine Genehmigungsbedürftigkeit der Wahrung des Eigentumsübergangs
eines geschenkten und verpachteten Grundstücks auf Minderjährigen ?
OLG Düsseldorf, Beschluss vom
03.03.2017 – 3 Wx 65/16 -
Kurze Inhaltsangabe:
Im Streitfall wurde dem Minderjährigen von seinem Onkel ein bebautes und verpachtetes Grundstück “mit allen Richten und Pflichten, Bestandteilen und dem gesetzlichen Zubehör“ zu
Alleineigentum übertragen. Die Überlassung erfolgte ausdrücklich nach dem notariellen Vertrag „unentgeltlich im Wege der Schenkung“. Die Eltern des Minderjährigen als dessen gesetzliche
Vertreter, die im Rahmen der Protokollierung durch einen vollmachtlosen Vertreter vertreten wurden, genehmigten den Vertrag.
Das Grundbuchamt hat nach Antrag auf Vollzug der Eigentumsumschreibung eine Zwischenverfügung dahingehend erlassen, dass dem Antrag ohne Genehmigung des Überlassungsvertrages durch das
Familiengericht nebst Rechtskraftbescheinigung und Zugangsnachweis nicht entsprochen werden könne. Zur Begründung verwies es darauf, die Schenkung sei in Ansehung des bestehenden
Pachtverhältnisses nicht lediglich rechtlich vorteilhaft, weshalb eine Genehmigungsbedürftigkeit nach §§ 1643 Abs. 1, 1821 Abs. 1 Nr. 5, 1829 BGB bestünde.
Die Beteiligten hatten gegen diese Zwischenverfügung Beschwerde eingelegt, der das OLG abhalf. Das Eintragungshindernis bestünde nicht.
§ 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB sei bereits vom Grundsatz her nicht einschlägig. Die dort normierte Genehmigungsbedürftigkeit würde lediglich für ein entgeltliches Rechtsgeschäft gelten, nicht aber – wie
hier – für eine Schenkung. Der Umstand, dass das Grundstück verpachtet sei, mache aus dem Rechtsgeschäft auch keine entgeltliches, da der Pachtvertrag nicht als Gegenleistung vorgesehen ist und
auch so nicht benannt wurde, vielmehr seine Auflistung im Schenkungsvertrag nur zur Verdeutlichung der gesetzlichen Folge des Übergangs erfolgte.
Im übrigen würde § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB auch lediglich das Kausalgeschäft betreffen, nicht aber das dingliche Geschäft. Von daher sei § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB im Grundbuchverfahren ohne
Bedeutung. Nur wenn die Nichtigkeit des Grundgeschäfts auch das dingliche Rechtsgeschäft erfassen würde, dürfe das Grundbuchamt das Kausalgeschäft prüfen und die Eintragung der Rechtsänderung
hiervon abhängig machen. Selbst bei Annahme der Nichtigkeit des Kausalgeschäfts wäre dies nicht beachtlich, da die Frage der fehlenden Genehmigung nur zu einer schwebenden Unwirksamkeit führen
würde und mithin geheilt werden könnte.
Anmerkung (29.07.2022): Der BGH sah es bei einer Schenkung durch die Eltern als erforderlich an, dass die notareille Urkunde von einem zu bestellenden Ergänzungspfleger genehmigt wird, da ein
vermietetes Grudnstück nciht rechtlich vorteilhaft iSv. § 107 BGB sei (Beschluss vom 28.04.2022 - V ZB 4/21 -) und den
Voraussetzungen der §§ 1629, 1795 BGB unterfalle.
Aus den Gründen:
Tenor
Die angefochtene Zwischenverfügung wird aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, von den dort geäußerten Bedenken Abstand zu nehmen.
Gründe
I.
Der Beteiligte zu 1. ist (unter anderem) Alleineigentümer des im hiesigen Beschlusseingang bezeichneten Grundbesitzes. Am 27. Mai 2015 schloss er einen notariell beurkundeten
Überlassungsvertrag (UR-Nr. 1627/2015 des Verfahrensbevollmächtigten), der unter anderem diesen Grundbesitz zum Gegenstand hatte. Er lautet in den hier interessierenden
Hinsichten:
„II. ...
1. Herr W. K. ... überlässt hiermit den ... bezeichneten Vertragsgegenstand mit allen Rechten und Pflichten, Bestandteilen und dem gesetzlichen Zubehör an seinen Neffen G. K. ...
zum Alleineigentum.
2. Die Vertragsteile sind über den vereinbarten Eigentumsübergang einig.
Der Veräußerer bewilligt und der Erwerber beantragt die Eintragung der Rechtsänderung im Grundbuch.
III. ...
Die Überlassung erfolgt unentgeltlich im Wege der Schenkung.
Auflagen, z. B. Einräumung eines Rückforderungsrecht bei Eintritt bestimmter Ereignisse, z.B. Veräußerung oder Belastung des Vertragsgegenstandes durch den Erwerber oder
Vorversterben des Erwerbers vor dem Veräußerer, werden von den Beteiligten ausdrücklich nicht gewünscht.
IV. ...
2. Der Veräußerer erklärt, dass das unbebaute Vertragsobjekt verpachtet ist. Der Pachtvertrag wird übernommen.“
Die Eltern des Erwerbers waren bei Vertragsschluss durch den Beteiligten zu 1. als vollmachtlosen Vertreter vertreten worden und genehmigten den Übernahmevertrag mit notariell
beglaubigten Erklärungen vom 9. Juni 2015.
Mit Schrift vom 12. Februar 2016 hat der Verfahrensbevollmächtigte unter Bezugnahme auf § 15 GBO den Vollzug der vorbezeichneten Urkunde beantragt. Daraufhin hat das Grundbuchamt
durch die angefochtene, als gerichtliches Schreiben mit Rechtsbehelfsbelehrung gehaltene Zwischenverfügung ausgeführt, dem Antrag könne noch nicht entsprochen werden, einzureichen
sei noch die Genehmigung des Familiengerichts zum Überlassungsvertrag nebst Rechtskraftbescheinigung und Zugangsnachweis. Zur Begründung hat es sich darauf berufen, die Schenkung
des Grundbesitzes sei wegen des vom Erwerber zu übernehmenden Pachtverhältnisses nicht mehr lediglich rechtlich vorteilhaft, wodurch eine Genehmigungsbedürftigkeit nach §§ 1643
Abs. 1, 1821 Abs. 1 Nr. 5, 1829 BGB ausgelöst werde.
Dem ist der Verfahrensbevollmächtigte der Beteiligten unter dem 23. Februar 2016 mit näheren Ausführungen entgegengetreten und hat Rechtsmittel gegen die Zwischenverfügung
eingelegt. Diesem hat das Grundbuchamt durch - gesondert begründeten - Beschluss vom 2. März 2016 nicht abgeholfen und die Sache dem Oberlandesgericht Düsseldorf als
Beschwerdegericht zur Entscheidung vorgelegt.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Grundakte Bezug genommen.
II.
Das Rechtsmittel ist infolge der vom Grundbuchamt ordnungsgemäß erklärten Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung angefallen, vgl. § 75 GBO.
Es ist trotz der Formulierung „... lege ich hiermit ... ein“ ersichtlich im Namen der Beteiligten eingelegt worden. Der Verfahrensbevollmächtigte hat sich bereits in der
Antragsschrift auf § 15 GBO bezogen, und es ist anerkannt, dass von der Vollmachtsvermutung des § 15 Abs. 2 GBO auch die Einlegung eines Rechtsmittels gegen eine vom Grundbuchamt
auf den Eintragungsantrag hin ergangene Entscheidung umfasst ist, wobei, falls eine diesbezügliche Angabe fehlt, als Beschwerdeführer im Zweifel alle Antragsberechtigten anzusehen
sind (statt aller: Demharter, GBO, 30. Aufl. 2016, § 15 Rdnr. 20 m.w.Nachw.). Das sind hier beide Beteiligten.
Dieses Rechtsmittel ist als Beschwerde statthaft und auch im Übrigen zulässig, §§ 71 Abs. 1, 72, 73 Abs. 1 und Abs. 2 S. 1 GBO.
In der Sache hat es Erfolg.
1.
Dabei kann auf sich beruhen, ob die angegriffene Zwischenverfügung bereits aus formellen Gründen der Aufhebung unterliegen muss. Der Senat vertritt in mittlerweile jahrelanger
ständiger Rechtsprechung die Auffassung, an der festgehalten wird, dass nach dem Inkrafttreten des FamFG (auch) in Grundbuchsachen eine Zwischenverfügung - und nicht nur die
Entscheidung über Nichtabhilfe und Vorlage im Falle einer Rechtsmitteleinlegung - in Form eines Beschlusses zu ergehen hat, der die Erfordernisse der §§ 38 Abs. 2 und 3, 39 FamFG
wahrt. Diese Beschlussform wird durch die hiesige Zwischenverfügung verfehlt. Zweifelhaft erscheint hingegen, ob das als Zwischenverfügung bezeichnete gerichtliche Schreiben
inhaltlich der Beschlussform so weit angenähert ist, dass eine Aufhebung allein unter diesem Gesichtspunkt als bloße Förmelei erscheinen müsste.
Jedenfalls nämlich besteht das vom Grundbuchamt gesehene Eintragungshindernis aus einem doppelten Grunde nicht, und dem Vollzug des Eintragungsantrages steht auch kein
anderweitiges Hindernis entgegen.
2.
a)
§ 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB, aus dem das Grundbuchamt die aus seiner Sicht bestehende Genehmigungsbedürftigkeit herleitet, betrifft ausschließlich die auf den (entgeltlichen) Erwerb
unter anderem von Grundstücken gerichteten Kausalgeschäfte. Das den Erwerb bewirkende dingliche Geschäft wird vom Erfordernis der Genehmigung durch das Familiengericht nicht
erfasst. Daher ist die bezeichnete Vorschrift im Grundbuchverfahren im Ansatz ohne Bedeutung (BayObLG NJW-RR 1990, 87; OLG München NJW-RR 2011, 267 f; vgl. auch BGH NJW 2010, 3643
f; ferner: BeckOK BGB - Bettin, Stand: 01.11. 2016, § 1821 Rdnr. 13; MK - Kroll-Ludwigs, BGB, 7. Aufl. 2017, § 1821 Rdnr. 44; Staudinger-Veit, BGB, Neubearb. 2014, § 1821 Rdnr. 81
m.w.Nachw.). Denn das Grundbuchamt ist - außer im Falle, dass die Nichtigkeit oder Unwirksamkeit des Grundgeschäfts auch die dingliche Einigung erfasst - weder verpflichtet, noch
berechtigt, die Wirksamkeit des der dinglichen Rechtsänderung zugrunde liegenden Rechtsgeschäfts zu prüfen und die Eintragung der Rechtsänderung hiervon abhängig zu machen;
namentlich würde eine Berufung auf den Grundsatz, dass das Grundbuchamt eine Eintragung dann nicht vornehmen dürfe, wenn sicher feststehe, dass sie das Grundbuch unrichtig machen
würde, das zur Trennung von schuldrechtlichem Grund- und dinglichem Vollzugsgeschäft führende Abstraktionsprinzip verkennen. Vielmehr darf das Grundbuchamt die Eintragung einer
Rechtsänderung grundsätzlich selbst dann nicht ablehnen, wenn es das Kausalgeschäft für nichtig hält, und hier träte, wäre eine gerichtliche Genehmigung notwendig, nur schwebende
Unwirksamkeit des Grundgeschäfts ein (zu allem Vorstehenden: BayObLG a.a.O.). Unberührt von alledem bleibt, dass das schuldrechtliche Geschäft und damit seine Wirksamkeit in einem
anderen Zusammenhang - etwa weil in ihm Vollmachten für das Vollzugsgeschäft enthalten sind - für die Eintragungsvoraussetzungen bedeutsam sein können (a.a.O.).
Im gegebenen Fall geht es nicht um einen Sachverhalt einer Erstreckung der Unwirksamkeitsfolge auf das dingliche Geschäft, und die Wirksamkeit des Kausalgeschäfts entfaltet auch
anderweitig keine Bedeutung für die Eintragungsvoraussetzungen; namentlich geht es weder um rechtsgeschäftliche Vollmachten, noch um eine Auflassungsvormerkung.
b)
Abgesehen davon, sind die Voraussetzungen des § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB hier nicht verwirklicht.
Die Vorschrift fordert einen entgeltlichen Grundstückserwerb. Darunter fällt zwar auch die gemischte Schenkung (statt aller: Palandt-Götz, BGB, 76. Aufl. 2017, § 1821 Rdnr. 15),
so dass teilentgeltliche Erwerbe denkbar sind. Die schenkweise Übertragung eines Grundstücks ist aber nicht allein deshalb als teilentgeltlich anzusehen, weil die
schuldrechtlichen Vereinbarungen den Hinweis auf den Eintritt des Minderjährigen kraft Gesetzes - hier nach §§ 593b, 566 BGB - in bestehende Miet- oder Pachtverhältnisse
enthalten; denn dann haben die Vertragsparteien das Ergebnis des Vertragseintritts nicht als vertraglich zu erbringende Gegenleistung, sondern als gesetzliche Folge des
Eigentumserwerbs verstanden, und eine analoge Anwendung der Genehmigungserfordernisse der §§ 1821, 1822 BGB scheidet aus Gründen der Rechtssicherheit aus (dazu BGH NJW 1983, 1780
ff). Anders liegen die Dinge deshalb, wenn das Kausalgeschäft über den gesetzlichen Vertragseintritt hinausgehende oder von diesem unabhängige Abreden zur rechtsgeschäftlichen
Übernahme von Verpflichtungen aus jenen Verträgen durch den Erwerber umfasst (OLG Hamm NJW-RR 2014, 1350 f gegenüber KG FamRZ 2011, 736 ff; jurisPK BGB - Lafontaine, Stand:
15.10.2016, § 1821 Rdnr. 80 f; Staudinger-Veit a.a.O., Rdnr. 75).
Im vorliegenden Fall kommt - was das Grundbuchamt nicht anders gesehen zu haben scheint - wegen der Eindeutigkeit der Regelungen in Ziffer III. des Überlassungsvertrages eine
Entgeltlichkeit einzig im Hinblick auf den Satz in Ziffer IV. 2.: „Der Pachtvertrag wird übernommen.“ in Betracht. Indes kann in dieser Formulierung nicht mehr erblickt werden als
die (vorsorgliche) Erklärung, dass dem Erwerber bekannt sei, er werde - kraft Gesetzes - in einen Pachtvertrag einzutreten haben, und hieraus keine Rechte gegenüber dem
Veräußerer, etwa unter Berufung auf § 523 Abs. 1 BGB, herleiten. Eine besondere Interessenlage, die es nachvollziehbar erscheinen ließe, dass der Beteiligte zu 2. über die
gesetzliche Rechtsfolge hinaus und selbständig aufgrund rechtsgeschäftlicher Verpflichtung Verbindlichkeiten im Zusammenhang mit dem Pachtvertrag übernehme, ist nach den
Eintragungsunterlagen nicht ansatzweise ersichtlich.
3.
Die angefochtene Zwischenverfügung muss auch nicht vom Beschwerdegericht durch eine solche mit anderem Inhalt ersetzt werden.
Auch anderweitige Tatbestände der Genehmigungsbedürftigkeit sind nämlich nicht verwirklicht. Die Anwendung des § 1821 Nrn. 1 bis 4 BGB liegt fern. Dass die sich für einen
Minderjährigen durch den Erwerb eines Grundstücks ergebende gesetzliche Folge des Eintritts in einen bestehenden Miet- oder Pachtvertrag nicht unter die Genehmigungstatbestände
der §§ 1822 Nrn. 5 oder 10 BGB fällt, hat der Bundesgerichtshof, dem der Senat folgt, bereits 1982 entschieden (NJW 1983, 1780 ff; dem ausdrücklich folgend auch OLG Hamm a.a.O.).
4.
Mit der Frage des lediglich rechtlich vorteilhaften Geschäfts im Sinne des § 107 BGB (in der Tat nur hierzu verhält sich die vom Grundbuchamt angesprochene Entscheidung BGHZ 162,
137 ff) hat der gegebene Fall, wie sich aus den vorstehenden Ausführungen ergibt, nichts zu tun. Anlass für den gegenteiligen Standpunkt des Grundbuchamtes mag der Umstand gewesen
sein, dass auch bei § 1821 Abs. 1 Nr. 5 BGB Fälle der Belastung des geschenkten Grundstücks mit dinglichen Rechten oder der nicht auf das Zugewendete beschränkten Haftung des
Beschenkten auftreten können, doch sind diese Gesichtspunkte dann im Rahmen der Beurteilung der Entgeltlichkeit, nicht des lediglich rechtlich vorteilhaften Geschäfts zu würdigen.
III.
Im Hinblick auf den Erfolg des Rechtsmittels bedarf es einer Kostenentscheidung für das Beschwerdeverfahren ebenso wenig wie einer diesbezüglichen Wertfestsetzung, und eine
Zulassung der Rechtsbeschwerde ist bereits deshalb nicht geboten, weil eine solche mangels Beschwer der Beteiligten nicht zulässigerweise eingelegt werden könnte.