Dienstbarkeit für nicht mehr existierende juristische Person
OLG München, Beschluss vom 10.03.2015 - 34 Wx 467/14
Kurze Inhaltsangabe:
Häufig belasten Dienstbarkeiten Grundbücher. Sie werden eingetragen, um Dritten - aus welchen Gründen auch immer - bestimmte Rechte einzuräumen. Ihre Löschung bedarf grundsätzlich der
Bewilligung des Berechtigten. Was aber ist, wenn dieser Berechtigte nicht mehr existiert, wie bei einer im Handelsregister gelöschten Gesellschaft ? In dem vom OLG München zu beurteilenden Fall
war für die A-AG eine Grunddienstbarkeit eingetragen. Außerhalb des Grundbuchs trat die B-AG die Gesamtrechtsnachfolge der A-AG an und wollte, nachdem die A-AG bereits im Jahr 2010 im
Handelsregister gelöscht war, eine Berichtigung auch im Grundbuch bewirken. Demgegenüber wollte der Eigentümer die Löschung mit der Begründung, die A-AG sei nicht mehr existent.
Die Eintragung wurde auf die B-AG umgeschrieben. Der Eigentümer unterlag. Das OLG München wies darauf hin, dass mit Löschung des Berechtigten das Recht nicht untergegangen sei. Es stelle sich
unabhängig von der Frage eines Vermögenswertes als eine formale Rechtsposition dar, weshalb es zur Löschung einer solchen in Ansehung der Bewilligung des Berechtigten insoweit einer
Nachtragsliquidation bedürfe. Die nachgewiesene Löschung stelle mithin nicht den Nachweis dar, dass die Gesellschaft nicht mehr existiere und das Recht deshalb untergegangen sei.
Die Dienstbarkeit kann auch (noch) auf den jetzigen Berechtigten (infolge der Gesamtrechtsnachfolge) umgeschrieben werden. Der (hier vom Eigentümer eingewandten) Verjährung unterlägen nur
Ansprüche, § 194 BGB. Dabei handelt es sich um das Recht (die Befugnis) von einem anderen ein bestimmtes Tun oder Unterlassen zu verlangen. Die Dienstbarkeit als absolutes dingliches Recht
(hier Nutzung des Grundstücks für eine Transformatorenstation) verlangt aber kein Tun oder Unterlassen eines Dritten, sondern sichert nur eine bestehende Rechtsposition, die übertragbar ist und
nicht der Verjährung unterliegt.
Aus den Gründen:
Tenor
I. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Amtsgerichts Starnberg - Grundbuchamt - vom 21. Oktober 2014 wird zurückgewiesen.
II. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 5.000 € festgesetzt.
Gründe
I.
Dem Beteiligten zu 1 gehört Grundeigentum. Das Grundbuch weist in Abt. II lfde. Nr. 1 das gemäß Bewilligung vom 3.9.1971 am 21.9.1971 eingetragene und am 16.6.1977 übertragene
Recht wegen einer Transformatorenstation
aus, ursprünglich für die I.-A. AG, berechtigt aufgrund Gesamtrechtsnachfolge und eingetragen am 21.10.2014 nun für die B. AG.
Bereits am 3.6.2014 hatte der Beteiligte zu 1 beantragt, die Eintragung dieses Rechts „rückwirkend“ zu löschen, „da es die I.-A. AG als Gesellschaft nicht mehr gibt“, und zwar schon
seit 16 1/2 Jahren, weshalb Verjährung eingetreten sei.
Das Grundbuchamt hat mit Beschluss vom 21.10.2014 den Eintragungsantrag zurückgewiesen. Es hat ausgeführt, die Berechtigung aus der beschränkten persönlichen Dienstbarkeit sei
nachweislich außerhalb des Grundbuchs im Weg der Gesamtrechtsnachfolge auf die B. AG - Beteiligte zu 2 - übergegangen. Die vom Beteiligten zu 1 erwähnte Bestimmung des § 196 BGB sei
nicht einschlägig. Demgemäß sei der nun vorliegende Berichtigungsantrag der Beteiligten zu 2 vom 26.6.2014 im Grundbuch zu vollziehen.
Hiergegen wendet sich der Beteiligte zu 1 mit seinem Rechtsmittel. Er ist der Ansicht, durch die bis dahin unterbliebene Eintragung der B. AG seien Ansprüche auf Abänderung des
Grundbuchs verfallen, weshalb auf seinen Antrag hin die Dienstbarkeit zu löschen sei.
Das Grundbuchamt hat nicht abgeholfen.
II.
Die nach § 71 Abs. 1, § 73 GBO zulässige Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen die vom Grundbuchamt verweigerte Löschung des Rechts (Abt. II/1) ist unbegründet-
1. Einen Grundbuchberichtigungsanspruch nach § 22 GBO hat der Beteiligte zu 1 nicht. Sofern der Anspruch sich nicht - wie hier - auf eine Bewilligung des betroffenen Rechtsinhabers
stützt (siehe § 19 GBO), kommt die Berichtigung in Form der Löschung des Rechts (Demharter GBO 29. Aufl. § 22 Rn. 2) nur in Frage, wenn die Unrichtigkeit nachgewiesen ist. Ersichtlich
geht der Beteiligte zu 1 davon aus, die ursprünglich zu Recht eingetragene Dienstbarkeit sei nachträglich in Wegfall gekommen, weil es die ursprünglich als Rechtsinhaberin
eingetragene I.-A. AG bereits seit mehr als 16 Jahren nicht mehr gebe.
Damit kann er auch in der Beschwerde keinen Erfolg haben. Denn die Grundbuchunrichtigkeit ist nicht nachgewiesen.
Ist die I.-A. AG nicht mehr im Handelsregister eingetragen, vielmehr gelöscht - was sich aus dem vom Beteiligten zu 1 vorgelegten HR-Auszug vom 13.5.2014 ergibt -, so hat dies nur
rechtsbekundende, nicht aber rechtsgestaltende Wirkung. Das für dieses Unternehmen eingetragene Recht erlischt nicht. Ein eingetragenes Recht stellt unabhängig davon, ob es einen
Vermögenswert besitzt, eine formale Rechtsposition dar, deren Beseitigung durch Löschung eine Nachtragsliquidation erfordert (OLG Düsseldorf Rpfleger 2011, 26; LG Hagen Rpfleger 2009,
312; Demharter § 19 Rn. 103 a. E.; siehe auch OLG Schleswig FGPrax 2011, 71). Das bedeutet, dass mit der nachgewiesenen handelsregisterrechtlichen Löschung im Grundbuchverkehr nicht
der Nachweis erbracht ist, dass die dort als berechtigt eingetragene juristische Person nicht mehr existent und das Recht deshalb untergegangen ist. Das Erlöschen selbst muss
vielmehr, sofern nicht Offenkundigkeit vorliegt, mit den Mitteln des § 29 GBO nachgewiesen sein (OLG Schleswig FGPrax 2011, 71; Demharter § 22 Rn. 42). Daran fehlt es.
2. Tatsächlich spricht auch nichts für die Annahme des Beteiligten zu 1, das Transformatorenstationsrecht bestehe nicht mehr. Aus den von der Beteiligten zu 2 vorgelegten, im
Grundbuchverkehr nachweistauglichen (vgl. § 32 Abs. 1 Sätze 2 und 3 GBO) Handelsregisterauszügen ergibt sich, dass es nach Firmenänderung (“E. Bayern AG“) und Sitzverlegung nach
Regensburg zu gesellschaftsrechtlichen Umwandlungen kam, in deren Folge die E. Energie AG das Vertriebs- und Verteilernetz im Weg der Abspaltung (vgl. § 123 Abs. 2 UmwG) übernommen
und auf die jetzt als Berechtigte eingetragene Beteiligte zu 2 im Weg der Ausgliederung übertragen hat (vgl. § 123 Abs. 3 UmwG); die aktuelle Firma des übernehmenden Rechtsträgers
bezeichnet sich nun mit B. AG. Derartige Umwandlungsvorgänge erfassen das Vermögen in seiner Gesamtheit; einer Einzelübertragung bedarf es nicht. Durch den Vermögensübergang außerhalb
des Grundbuchs wird dieses unrichtig; berichtigt werden kann auf schriftlichen, im Übrigen formlosen Antrag des (neuen) Berechtigten (§ 13 Abs. 1 GBO; vgl. Schöner/Stöber
Grundbuchrecht 15. Aufl. Rn. 995a).
3. Schließlich geht die Annahme des Beteiligten zu 1 fehl, dass die beschränkte persönliche Dienstbarkeit (§ 1090 BGB) jetzt nicht mehr auf die aktuelle Rechtsinhaberin berichtigt
werden könne.
Der Verjährung unterliegen nach § 194 BGB nur Ansprüche. Darunter versteht das Gesetz (vgl. § 194 Abs. 1 BGB) das Recht (Befugnis), von einem anderen ein bestimmtes Tun oder
Unterlassen zu verlangen. Die Dienstbarkeit ist dagegen ein absolutes (dingliches) Recht, z. B. mit dem Inhalt, das fremde Grundstück in der vereinbarten Art (als
Transformatorenstation) zu nutzen. Zwar kann auch aus einer Dienstbarkeit ein Anspruch erwachsen, etwa gegen den Eigentümer des Grundstücks, es zu unterlassen, das Nutzungsrecht zu
beeinträchtigen oder zu vereiteln. Das dingliche Recht beinhaltet aber mehr, weil es eine auch allen anderen Personen gegenüber wirkende - absolute - Rechtsposition verleiht. Es ist
als solches, auch wenn es juristischen Personen zusteht, übertragbar (vgl. § 1092 Abs. 3 BGB) und unterliegt nicht der Verjährung (vgl. § 194 Abs. 1 BGB; Palandt/Ellenberger BGB 74.
Aufl. § 194 Rn. 4). Auch die Vorschrift des § 196 BGB betrifft nicht dingliche Rechte, sondern Ansprüche (gegen eine andere Person) auf Begründung, Übertragung oder Aufhebung eines
Rechts an einem Grundstück. Bei der dem Verfahrensrecht zuzuordnenden Grundbuchberichtigung nach § 22 GBO geht es hierum nicht, vielmehr nur um die - zutreffende - Verlautbarung des
aktuell Berechtigten aufgrund einer in der Vergangenheit vollzogenen Übertragung des Rechts. Zudem bestimmt § 902 Abs. 1 Satz 1 BGB, dass Ansprüche aus Rechten, die im Grundbuch
eingetragen sind, überhaupt nicht der Verjährung unterliegen. Dafür genügt schon die Eintragung des Rechts, nicht auch des aktuell Berechtigten (Staudinger/ Gursky BGB Bearb. Juli
2013 § 902 Rn. 6).
4. Soweit der Beteiligte zu 1 der Ansicht sein sollte, die verfahrensrechtliche Berichtigung hinsichtlich des Berechtigten sei „verjährt“, ist anzumerken, dass das Antragsrecht nach §
13 Abs. 1 GBO, von dem die Beteiligte zu 2 erst am 26.6.2014 Gebrauch gemacht hat, weder verjährt noch verwirkt werden kann (BGHZ 48, 351; Demharter § 13 Rn. 56). Sofern der
Beschwerdevortrag auch als Rechtsbehelf gegen die am 21.10.2014 vorgenommene Berichtigung zu deuten sein könnte, dürfte es bereits an einer Beschwerdeberechtigung des Beteiligten zu 1
fehlen; denn ihm stände insoweit kein Berichtigungsanspruch zu. Im Übrigen kommt eine „Rückgängigmachung“ schon wegen § 71 Abs. 2 GBO nicht in Betracht. Für die Eintragung eines
Amtswiderspruchs (§ 53 Abs. 1 Satz 2 GBO) lägen die Voraussetzungen nach dem Vorgesagten ersichtlich nicht vor.
3. Einer Kostenentscheidung bedarf es nicht. Bereits von Amts wegen ist der Beteiligte zu 1 verpflichtet, die gerichtlichen Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
Die Festsetzung des Beschwerdewerts beruht auf § 79 Abs. 1 sowie § 36 Abs. 3 GNotKG.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 78 Abs. 2 GBO) liegen nicht vor.