Erbschein nicht stets bei Pflichtteilsstrafklausel im
Testament erforderlich
Kammergericht, Beschluss
vom 28.01.2025 - 1 W 37/25 -
Kurze Inhaltsangabe:
In dem notariellen Testament der Eheleute heißt es, dass dann, wenn einer der Söhnen oder beide nach dem Tod des Erstversterbenden seinen Pflichtteil verlangt, sie nach dem Tod des Längstlebenden
ebenfalls den Pflichtteil, erhalten. In diesem Fall soll der Überlebende neu testieren können. Sollte der Überlebende nicht eine neue Verfügung von Todes wegen machen, würde es bei der
Erbeinsetzung „hier in diesem Testament“ verbleiben.
Nachdem beide Eheleute verstorben sind, beantragte der Beteiligte unter Bezugnahme auf das Testament und die Eröffnungsniederschrift die Berichtigung des Grundbuchs. Das Grundbuchamt verlangte
mit der angefochtenen Zwischenverfügung eine eidesstattliche Versicherung über das Nichtgreifen der Pflichtteilsklausel, um danach mit weiterer Zwischenverfügung unter Hinweis darauf, das
Grundbuchamt sie für eidesstattliche Versicherungen nicht zuständig, nur noch den Erbschein haben wollte. Der dagegen eingelegten Beschwerde half das Grundbuchamt nicht ab; das Kammergericht gab
ihr schließlich statt, da ein Eintragungshindernis nicht bestünde, weshalb eine Zwischenverfügung nicht veranlasst gewesen sei.
Die Berichtigung einer (hier vorliegenden) Grundbucheintragung erfolge auf Antrag (§ 13 Abs. 1 GBO), wenn die Unrichtigkeit durch öffentliche Urkunde (§ 29 GBO) nachgewiesen würde (§ 22 Abs. 1
GBO). Grundsätzlich würde der Nachweis der Unrichtigkeit bei Tod der Nachweis der Erbfolge durch Erbschein geführt werden (§ 35 Abs. 1 S. 1 GBO). Läge eine Verfügung von Todes wegen vor, die wie
hier in einer öffentlichen Urkunde enthalten sei, genüge idR. die Vorlage der Niederschrift über deren Eröffnung (§ 35 Abs. 1 S. 2 Hs. 1 GBO). Zu prüfen sei vom Grundbuchamt, ob sich daraus das
behauptete Erbrecht ergäbe, wobei es die Verfügung in eigener Verantwortung auszulegen habe. Das entfalle nur, wenn für die Auslegung erst noch zu ermittelnde Umstände maßgeblich seien ( KG,
Beschluss vom 29.10.2020 - 1 W 1463/20 -).
Unter Verweis auf seien eigene Entscheidung vom 06.03.2012 – 1 W 10/12 – wies das KG darauf hin, dass bei vorliegen einer sogen. Pflichtteilsstrafklausel (wie hier) der Nachweis der negativen
Tatsache des Nichteintritts dieser Klausel eine eidesstattliche Versicherung ausreichend sei., wenn auch das Nachlassgericht eine solche Versicherung ohne weitere Ermittlung zugrunde legen würde.
Das habe zunächst das Grundbuchamt auch so gesehen, dann aber mit der weiteren Zwischenverfügung in Ansehung des Beschlusses des BGH vom 10.02.2022 - V ZB 87/20 - zur (fehlenden) Befugnis der
Grundbuchämter zur Abnahme einer eidesstattlichen Versicherung davon Abstand genommen.
Die Pflichtteilsstrafklausel würde hier aber keine Lücke für einen Erbnahweis durch öffentliches Testament bilden. Denn die Erbfolge ergäbe sich hier trotz der Pflichtteilsstrafklausel aus dem
Testament. Nach dessen Inhalt sollte der überlebende Ehegatte bei Geltendmachung des Pflichtteils durch die oder einen der Söhne berechtigt sein, neu zu testieren und sollte es bei der bisherigen
testamentarischen Regelung auch im zweiten Erbfall verbleiben, wenn er nicht neu testiere. Damit sei der Verlust der Schlusserbenstellung nicht schon durch das Verlangen des Pflichtteils
begründet, sondern hätte einer zusätzlichen Handlung (Erstellung eines neuen Testaments) des überlebenden Ehegatten bedurft.
Lediglich entfernt liegende Möglichkeiten würden das Verlangen nach Vorlage des Erbscheins nicht rechtfertigen können. Dass die Letztversterbende neu testiert
haben könnte, stelle sich als eine solche Möglichkeit dar, die für die Anforderung eines Erbscheins nicht ausreichend sei; solche seien nur bei (hier nicht vorliegenden) konkreten Anhaltspunkten
zu berücksichtigen (Scheidungsklausel, BGH, 17.02.2022 - V ZB 14/21 -).
Aus den Gründen:
Tenor
Die Zwischenverfügung wird aufgehoben.
Gründe
I.
Die in Abt. I lfd. Nr. 1 des Grundbuchs zu je ½ eingetragenen Eigentümer errichteten am 6. Juni 1978 ein Testament zur UR-Nr. XXX des Notars XXX XXX in Berlin. Darin setzten sie sich
gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmten ihre beiden Söhne zu gleichen Anteilen als Erben des Längstlebenden. U.a. heißt es in dem Testament wörtlich:
„Sollte einer unserer Söhne oder beide nach dem Tode des Erstversterbenden von uns ihren Pflichtteil verlangen, so sollen sie nach dem Tode des Längstlebenden ebenfalls den Pflichtteil erhalten.
Der überlebende Ehegatte kann in diesem Fall neu bezüglich des freiwerdenden Teils testieren.
Sollte eine neue Verfügung von Todes wegen durch den überlebenden Ehegatten nicht erfolgen, bleibt es bei der Erbeinsetzung hier in diesem Testament.“
Beide Eigentümer sind zwischenzeitlich verstorben.
Unter dem 27. Juli 2024 hat der Beteiligte unter Bezugnahme auf das vorgenannte Testament und die Eröffnungsniederschrift des Amtsgerichts Oranienburg vom 20. Juni 2024 die Berichtigung des
Grundbuchs beantragt.
Mit Zwischenverfügungen vom 4. September 2024 hat das Grundbuchamt die Vorlage eines Erbscheins oder eine eidesstattliche Versicherung über das Nichtgreifen der Pflichtteilsklausel erfordert. Mit
weiterer Zwischenverfügung vom 17. Oktober 2024 hat das Grundbuchamt nur noch einen Erbschein erfordert. Für die Entgegennahme eidesstattlicher Versicherungen sei das Grundbuchamt nicht
zuständig. Hiergegen richtet sich die Beschwerde vom 27. Dezember 2024, der das Grundbuchamt mit Beschluss vom 8. Januar 2025 nicht abgeholfen hat.
II.
Die Beschwerde ist zulässig, § 71 Abs. 1 GBO, und hat auch in der Sache Erfolg. Das von dem Grundbuchamt aufgezeigte Eintragungshindernis besteht nicht, so dass die angefochtene
Zwischenverfügung nicht veranlasst war, § 18 Abs. 1 S. 1 Alt. 2 GBO.
a) Die Berichtigung einer unrichtigen Grundbucheintragung erfolgt auf Antrag, § 13 Abs. 1 GBO, wenn die Unrichtigkeit durch öffentliche Urkunden, § 29 GBO, nachgewiesen
wird, § 22 Abs. 1 GBO. Bei Unrichtigkeit des Grundbuchs wegen des Todes eines Berechtigten ist der Nachweis der Erbfolge grundsätzlich durch einen Erbschein zu führen, § 35
Abs. 1 S. 1 GBO.
Beruht die Erbfolge aber auf einer Verfügung von Todes wegen, die in einer öffentlichen Urkunde enthalten ist, genügt es in der Regel, wenn an Stelle des Erbscheins die Verfügung und die
Niederschrift über die Eröffnung der Verfügung vorgelegt werden, § 35 Abs. 1 S. 2 HS 1 GBO. Das Grundbuchamt hat eine solche Verfügung von Todes wegen dahin zu überprüfen, ob sich
aus ihr das von dem Antragsteller behauptete Erbrecht ergibt. Es hat die Verfügung in eigener Verantwortung auszulegen, auch wenn es sich um die Klärung rechtlich schwieriger Fragen handelt. Die
Pflicht zu eigener Auslegung entfällt allerdings dann, wenn für diese erst zu ermittelnde tatsächliche Umstände maßgebend sind (vgl. Senat, Beschluss vom 29. Oktober 2020 – 1 W 1463/20 – ZEV
2020, 764; Beschluss vom 23. Juni 2020 – 1 W 1276/20 – DNotZ 2021, 195, 196).
b) Im Fall einer sogenannten Pflichtteilsstrafklausel hat es der Senat für den Nachweis der negativen Tatsache der fehlenden Geltendmachung des Pflichtteils ausnahmsweise für geboten
erachtet, eine eidesstattliche Versicherung ausreichen zu lassen, wenn auch das Nachlassgericht eine solche Versicherung ohne weitere Ermittlungen einer Erbscheinserteilung zugrunde legen würde
(Senat, Beschluss vom 6. März 2012 – 1 W 10/12 – FamRZ 2012, 1517, 1519). Hiervon war das Grundbuchamt ursprünglich in seiner Zwischenverfügung vom 4. September 2024 ausgegangen, hat aber in der
angefochtenen Zwischenverfügung vom 17. Oktober 20124 im Hinblick auf die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur – fehlenden - Befugnis des Grundbuchamts zur Abnahme eidesstattlicher
Versicherungen (BGH, FamRZ 2022, 823, 827) davon Abstand genommen.
c) Der Senat hat, worauf das Grundbuchamt in seiner Nichtabhilfeentscheidung hingewiesen hat, zwischenzeitlich entschieden, dass die eidesstattliche Versicherung zum Nachweis gegenüber dem
Grundbuchamt bei im Testament namentlich nicht bezeichneten Kindern nicht genügt (Senat, nicht rechtskräftiger Beschluss vom 9. Juli 2024 – 1 W 27/24 – FamRZ 2024, 1976). Es muss nicht
entschieden werden, ob dies auch im Fall einer Pflichtteilsstrafklausel gilt (vgl. OLG Schleswig, FGPrax 2024, 261; a.A. OLG Frankfurt/Main, ZEV 2025, 38). Darunter sind Klauseln zu verstehen,
nach denen der eingesetzte Erbe sein Erbrecht verlieren soll, wenn er nach dem ersten Erbfall den Pflichtteil verlangt (BGH, FGPrax 2016, 244).
Zwar enthält auch das gemeinschaftliche Testament zunächst eine Pflichtteilsstrafklausel, wie sie üblicherweise verwendet wird (vgl. OLG Frankfurt/Main, a.a.O.). Allein aus dieser Klausel eine
Lücke im Erbnachweis zu erblicken, die nur durch Vorlage eines Erbscheins – oder Europäischen Nachlasszeugnisses, vgl. § 35 GBO – zu schließen möglich wäre, greift aber zu kurz. Ein solches
Verständnis lässt die weiteren in diesem Zusammenhang getroffenen Regelungen der Erblasser außer Betracht, deren Auslegung dazu führt, dass der von dem Grundbuchamt zu Recht erforderte Nachweis
der Erbfolge in Form des gemeinschaftlichen Testaments bereits erbracht worden ist.
Bei Geltendmachung des Pflichtteils sollte der überlebende Ehegatte berechtigt sein, neu zu testieren. Sah er davon ab, sollte es bei der Erbeinsetzung aus dem gemeinschaftlichen Testament
verbleiben. Damit führte das Verlangen nach dem Pflichtteil allein nicht zum Verlust der Schlusserbenstellung, vgl. § 2075 BGB. Zusätzlich bedurfte es dazu eines neuen Testaments des
überlebenden Ehegatten.
Lediglich entfernte abstrakte Möglichkeiten, die das aus einer letztwilligen Verfügung von Todes wegen hervorgehende Erbrecht nur unter ganz besonderen Umständen in Frage stellen, können jedoch
das Verlangen nach Vorlage eines Erbscheins nicht rechtfertigen (Senat, Beschluss vom 29. Oktober 2020 – 1 W 1463/20 – ZEV 2020, 764). Dass die Erblasserin – ggf. nach einem zu unterstellenden
Pflichtteilsverlangen des Beteiligten und/oder seines Bruders – neu testiert haben könnte, ist eine solche Möglichkeit. Sie allein genügt für die Anforderung eines Erbscheins nicht (vgl.
Demharter, GBO, 33. Aufl., § 35 Rdn. 39b m.w.N.). Die Möglichkeit späterer Testamente und des Widerrufs, §§ 2253 ff. BGB, ist nie auszuschließen und nur im Fall konkreter Anhaltspunkte
zu berücksichtigen (vgl. zur Scheidungsklausel: BGH, DNotZ 2022, 703; Senat, a.a.O.), die hier fehlen. Andernfalls liefe die Regelung des § 35 Abs. 1 S. 2 HS. 1 GBO leer.